Vernunft in Glaubensdingen

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Demian
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#551 Re: Vernunft in Glaubensdingen

Beitrag von Demian » Mo 9. Jun 2014, 18:43

Naqual hat geschrieben:"als man noch Sünder WAR" ist für mich ne Leerfloskel. Ich kenne keinen der Sünder war, nur Menschen die Sünder SIND. Christen machen da keine Ausnahme.

Die gesamte Sündenlehre ist eine einzige Leere. Im Zentrum der „Deutschen Predigten und Traktate“ steht bei Meister Eckhart die schöpferische Energie der Vernunft, die den Menschen zum neuen Menschen macht, zum Sohn Gottes. Wir brauchen keine leeren Lehren, sondern die Wahrheit und das Gute, das aus der Vernunft kommt, die für Eckhart der Motor des Willens ist - und der Wille ist bei ihm der Sitz der Liebe. Die Vernunft ist bei ihm - als Bewegungsprinzip des Denkens - ein Abbild Gottes. Er spricht da ganz direkt von einer creatio continua, einer nicht abbrechenden Schöpfung, die als schöpferische Kraft der Vernunft im Menschen den Sohn gebiert.

Rembremerding
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#552 Re: Vernunft in Glaubensdingen

Beitrag von Rembremerding » Mo 9. Jun 2014, 19:07

Demian hat geschrieben:
Rembremerding hat geschrieben:Das ist eben der fatale Fehler, der Christen oftmals verzweifeln lässt: Sie meinen handeln zu müssen, damit man den Sohn hat. Doch so wie Gottes Sohn können wir Menschen niemals handeln, wir sind nicht dafür ausgestattet. Das Geheimnis ist also nur: Christus in uns, nicht: handeln wie Christus. Denn ist Christus in uns, lassen wir Christus in uns zu, übergeben wir unser Leben Christus und lassen ihn handeln, dann handelt er durch uns, haben wir seine Kraft und Mittel zu handeln. Wir erreichen Dinge, die wir aus uns niemals erreicht hätten, aber aus ihm. Nur so wird Christsein möglich.
Das ist die typische Ausrede, um es mit der radikalen Botschaft der Liebe gar nicht erst ernst zu nehmen ... Wenn das alles ist, was das Christentum zu bieten hat, dann ist es zweifellos überflüssig.
Demian hat geschrieben: Wenn ein Christ liebt, dann tut er das bereits aus der Buddhanatur - das ist einfach ein möglicher Begriff, um das zu beschreiben. Mit anderen Worten: wenn wir lieben, dann aus der selben Liebe, wenn wir weise sind, dann aus der selben Quelle der schöpferischen Vernunft und Weisheit. Nichts trennt uns von der Weisheit eines Jesus, Buddha oder Laotse. Denn sie entspringt dem einen Sein. Es kommt eher darauf an diesem Sein zu vertrauen und es mit Freude zu entdecken.
Leider widersprichst Du Dir. Ich kann dadurch nicht antworten.

Für einen Christen, der die Hl. Schrift kennt, ist folgendes keine "Leerfloskel": Ein Christ war Sünder, wenn er das Sühnewerk des Herrn annimmt. Damit legt er seinen Sündenleib ab und erhält seinen Gnadenleib. Dieser ist nicht von der Sünde befreit, d.h. ein Christ kann noch sündigen, muss es aber nicht mehr, denn ihm ist Gnade geschenkt, um der Sünde besser Stand zu halten, und er kann durch Umkehr, Reue und Sündenbekenntnis vor dem Herr wieder geheilt werden. Jemand, der nicht an den Herrn glaubt, kann ihn auch nicht um diese Sündenvergebung bitten und bleibt Sünder im Sündenleib.
Und das die "Sündenlehre" heute nicht mehr gewollt ist, zeigt unsere Gesellschaft. Es gibt noch Sünde und Schuld, aber immer nur beim anderen. Deshalb meint man auch keine Vergebung mehr zu benötigen, man spendet sie aus eigenen gutdünken quasi gegenseitig. Meister Eckhart kannte übrigens sehr wohl die Sündenvergebung. Selektives Lesen hilft da nicht weiter, sonst wird da ein wolkiger Blümchenkaffee draus, mit dem Menschen konkret in ihrem Leben nichts mehr anfangen können.

Kennt Ihr die Geschichte vom Herrn am Jakobsbrunnen mit der Samariterin? Christus Jesus bietet ihr lebendiges Wasser an. Das bedeutet, wir Menschen sind und können nur Brunnen sein, und das Wasser in diesen Brunnen lässt uns immer durstig zurück. Wir müssen deshalb in uns die Quelle sprudeln lassen, den Herrn. Dieses lebendige Wasser ist es, das uns auch lebendig macht, in der Liebe, im Glauben, in der Hoffnung, mit Freude am Leben. Diese Quelle ist die Buddhanatur, die hier angesprochen wird. Aber wir müssen sie "Christus in uns" nennen, denn er hat sie uns angeboten, er ist die Quelle und nicht Buddha. Also nicht das Erlösungswerk des Herrn auf Buddha übertragen oder alles als das Gleiche bezeichnen, nur weil man meint, nur im Mischmasch liegt die Wahrheit.

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#553 Re: Vernunft in Glaubensdingen

Beitrag von Demian » Mo 9. Jun 2014, 19:32

Rembremerding hat geschrieben:Leider widersprichst Du Dir. Ich kann dadurch nicht antworten.

Wo sind denn Widersprüche?

Für einen Christen, der die Hl. Schrift kennt, ist folgendes keine "Leerfloskel": Ein Christ war Sünder, wenn er das Sühnewerk des Herrn annimmt. Damit legt er seinen Sündenleib ab und erhält seinen Gnadenleib.

Das sind viele spirituelle Bilder und Begriffe in einem einzigen Satz enthalten, die erst mal eine genauere Beschreibung brauchen. Ansonsten bringen sie uns nicht weiter. Den Menschen in seinem Wesen vorallem als sündhaft zu beschreiben, beruht (in meinen Augen) gerade auf Unwissenheit und Arroganz.

Meister Eckhart kannte übrigens sehr wohl die Sündenvergebung. Selektives Lesen hilft da nicht weiter, sonst wird da ein wolkiger Blümchenkaffee draus, mit dem Menschen konkret in ihrem Leben nichts mehr anfangen können.

Er hat sich eben innerhalb der damaligen Terminologie bewegt, sonst hätte er nicht lange überlebt. Bei ihm ist aber ganz klar: der Mensch ist in seinem Wesen ein edler Mensch, weil er das Potential zu Vernunft und Liebe in sich trägt.

Diese Quelle ist die Buddhanatur, die hier angesprochen wird. Aber wir müssen sie "Christus in uns" nennen, denn er hat sie uns angeboten, er ist die Quelle und nicht Buddha. Also nicht das Erlösungswerk des Herrn auf Buddha übertragen oder alles als das Gleiche bezeichnen, nur weil man meint, nur im Mischmasch liegt die Wahrheit.

In der Beziehung von allem liegt für mich die Wahrheit - und das beginnt damit, dass man Begriffe aufeinander bezieht, damit es lebendige Worte werden, die inspirieren, weiten und öffnen und nicht Menschen gemäß ihrer Religion klassifizieren und trennen. 8-)
Zuletzt geändert von Demian am Mo 9. Jun 2014, 19:44, insgesamt 1-mal geändert.

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#554 Re: Vernunft in Glaubensdingen

Beitrag von Pluto » Mo 9. Jun 2014, 19:44

Rembremerding hat geschrieben:Für einen Christen, der die Hl. Schrift kennt, ist folgendes keine "Leerfloskel": Ein Christ war Sünder, wenn er das Sühnewerk des Herrn annimmt.
Diese behauptete Sündhaftigkeit des Menschen (von Geburt an), ist ein wesentlicher Grund für meine Ablehnung des Glaubens. Sicher, wenn man Sünde als etwas bezeichnen will, dass man nicht tun soll, dann bin ich sündig, aber ein Kleinkind...? Es versteht doch den Sinn gar nicht, von Gut und Böse,

Damit legt er seinen Sündenleib ab und erhält seinen Gnadenleib.
Ich verstehe nicht, wie das gemeint ist. Der Satz ist sicher tröstlich, aber wie wahr ist er wirklich? Der Mensch bleibt doch gleich, mit den gleichen Wünschen, Träumen und Sehnsüchten wie zuvor. Der einzge Unteschied ist sein Glaube.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#555 Re: Vernunft in Glaubensdingen

Beitrag von Demian » Mo 9. Jun 2014, 19:48

Pluto hat geschrieben:Diese behauptete Sündhaftigkeit des Menschen (von Geburt an), ist ein wesentlicher Grund für meine Ablehnung des Glaubens.

Da stimme ich Dir zu. Nichts schadet dem Glauben mehr. Jemand der wirklich an die Sündhaftigkeit glaubt, findet die Vernunft nicht mehr in der inneren Autorität, im eigenen Gewahrsein, sondern er wird ein von außen geleitetes Leben führen, denn er kann seinem Selbst nicht mehr vertrauen.

Ich verstehe nicht, wie das gemeint ist. Dr Satz ist sicher tröstlich, aber wie wahr ist er wirklich? Der Mensch bleibt doch gleich, mit den gleichen Wünschen, Träumen und Sehnsüchten wie zuvor. Der einzge Unteschied ist sein Glaube.

Das ist bei solchen religiösen Bilder immer die Frage: Was bedeutet das Hier und Jetzt für mein Leben? Was ist der Gnadenleib für mich, wie kann ich das verstehen. Was ist ein heiles, sinnerfülltes und gelungenes Leben?

Ohne eine eigene Einsicht - eine selbstständige Deutung - bleibt das Nichtssagend.
Zuletzt geändert von Demian am Mo 9. Jun 2014, 19:54, insgesamt 3-mal geändert.

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#556 Re: Vernunft in Glaubensdingen

Beitrag von Rembremerding » Mo 9. Jun 2014, 19:50

Demian hat geschrieben: Den Menschen in seinem Wesen vorallem als sündhaft zu beschreiben, beruht (in meinen Augen) gerade auf Unwissenheit und Arroganz.
Da müssen wir wohl etwas Pause machen, bis Du wieder zur Liebe und Vernunft zurückfindest. Das kann passieren, wenn man etwas liest, was man (momentan) nicht ertragen kann.
Also, einen guten Abend und schau in die schöne Abendsonne. Geniesen wir einfach diesen wunderbaren Abend. :Herz:
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#557 Re: Vernunft in Glaubensdingen

Beitrag von Pluto » Mo 9. Jun 2014, 19:53

Demian hat geschrieben:Das ist bei solchen religiösen Bilder immer die Frage: Was bedeutet das Hier und Jetzt für mein Leben? Was ist der Gnadenleib für mich, wie kann ich das verstehen. Was ist ein heiles, sinnerfülltes und gelungenes Leben?
Was bedeutet der Gnadenleib für dich?
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#558 Re: Vernunft in Glaubensdingen

Beitrag von Rembremerding » Mo 9. Jun 2014, 19:55

Pluto hat geschrieben:
Rembremerding hat geschrieben:Für einen Christen, der die Hl. Schrift kennt, ist folgendes keine "Leerfloskel": Ein Christ war Sünder, wenn er das Sühnewerk des Herrn annimmt.
Diese behauptete Sündhaftigkeit des Menschen (von Geburt an), ist ein wesentlicher Grund für meine Ablehnung des Glaubens. Sicher, wenn man Sünde als etwas bezeichnen will, dass man nicht tun soll, dann bin ich sündig, aber ein Kleinkind...? Es versteht doch den Sinn gar nicht, von Gut und Böse,
Ich habe es bereits mit "meinem" Höhlengleichnis der Erbsünde erklärt. Sie ist einfach ein Zustand, aber keine getane Sünde. Es geht nicht darum Menschen mit ihrer Sünde zu erdrücken, sondern sie davon zu befreien. Es nützt aber nichts, wenn man die Sünde verleugnet.
Das Kreuz ist für viele eine Torheit, so steht es in der Hl. Schrift. Und für den das Kreuz eine Torheit ist, ist es auch die Sündenvergebung und Sünde überhaupt.
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#559 Re: Vernunft in Glaubensdingen

Beitrag von Demian » Mo 9. Jun 2014, 19:56

Rembremerding hat geschrieben: Da müssen wir wohl etwas Pause machen, bis Du wieder zur Liebe und Vernunft zurückfindest. Das kann passieren, wenn man etwas liest, was man (momentan) nicht ertragen kann.

Ich ertrage deine Worte sehr gut - nur bin ich ganz einfach nicht deiner Auffassung. ;) Die Sündenlehre ist ein Ausdruck der Welt- und Selbstentfremdung - und eines vom Menschen entfernten Gottesbildes - dem kann ich einfach nicht zustimmen. Es ist grundsätzlich falsch vom Falschen auszugehen. Ich empfehle lieber vom Schönen und Guten auszugehen. Darauf kann man ein liebevolles Leben aufbauen.

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#560 Re: Vernunft in Glaubensdingen

Beitrag von Pluto » Mo 9. Jun 2014, 20:08

Rembremerding hat geschrieben:Es geht nicht darum Menschen mit ihrer Sünde zu erdrücken, sondern sie davon zu befreien.
Um von der Sünde befreit zu werden, muss man zunächst akzeptieren, dass man gesündigt hat. Wie das ohne (erdrückende) Gewissensbisse geht müsste man mir erst mal erklären.
Rembremerding hat geschrieben:Es nützt aber nichts, wenn man die Sünde verleugnet.
Ich leugne die Sünde nicht, ich realtivere sie nur: Alles was als Sünde bezeichnet wird, muss es aus einer anderen Perspektive nicht sein.

Kleines Beispiel:
Wenn (in früheren Zeiten) die SS an der Tür klopfte, was sollte man tun, wenn man einen Juden versteckt hielt?
Sollte man lügen oder einen Menschen dem sicheren Tod ausliefern?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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