Alles Teufelszeug?

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Savonlinna
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#531 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Savonlinna » Mo 15. Feb 2016, 20:20

Thaddäus hat geschrieben: Dies führte letztlich zum methodischen Atheismus der Wissenschaften.
Wer hat den Begriff "methodischer Atheismus" geprägt? 'Wann genau war das?
Wo kann ich die Quelle für die Prägung dieses Begriffes nachlesen?

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Thaddäus
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#532 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Thaddäus » Mo 15. Feb 2016, 20:43

Novalis hat geschrieben: Gerne zitiere ich hier den Katechismus der Katholischen Kirche:

„Der Glaube gibt uns die Gewissheit, dass Gott das Böse nicht zuließe, wenn er nicht auf Wegen, die wir erst im ewigen Leben vollständig erkennen werden, sogar aus dem Bösen Gutes hervorgehen ließe."
Philosophisch und moralisch lehne ich diese Überzeugung des katholischen Katechismus von ganzem Herzen als zutiefst amoralisch und als ein ethisch perverses Konstrukt ab.
Um deutlich zu machen, was ich meine, greife ich zu einer Keule, die ich normalerweise nicht hervorhole. Aber hier scheint es mir angebracht, um die moralische Perversion dieser Katechismusstelle deutlich zu machen.

Diese Stelle im katholischen Katechismus besagt nichts anderes, als dass 6 Millionen in deutschen Konzentrationslagern grausam ermordeter Juden durch den allgütigen Gott der katholischen Dogmatik betrachtet werden müssen als menschlich hinzunehmende Opfer, deren Tod im göttlichen Heilsplan einen Sinn erfüllen, der am Ende auf irgend etwas Gutes hinaus will.
Es war Immanuel Kant, der mit seinem kategorischen Imperativ formulierte, dass Menschen nie und niemals nur als Mittel zu irgendeinem Zweck benutzt werden dürfen und sei dieser Zweck moralisch auch noch so ehrenhaft. Als gesetzgebendes Subjekt stellt der Mensch einen Wert dar, der niermals nur zu irgendeinem Zweck gebraucht oder geopfert werden darf.
Damit erweist sich Kants Moralphilosophie als dem Katechismus der katholischen Kirche an dieser Stelle als moralisch jederzeit überlegen.

Die unerträgliche und unbegreifbare menschliche Katstatrophe von 6 Millionen vorsätzlich systematisch ermordeter jüdischer Menschen (und Kommunisten, Homosexueller, Zeugen Jehovas, Frauenrechtlerinnen, evangelischer und katholischer Christen usw.) veranlassten Theodor Wiesengrund Adorno dazu, davon zu sprechen, dass nach Ausschwitz kein Gedicht mehr geschrieben werden kann. Der große Paul Celan versuchte diese Katastrophe durch sein berühmtes Gedicht Todesfuge in Worte zu fassen. Er rang mit einer Sprache, die dieses Grauen irgendwie würde fassen können, aber seine dichterischen Worte erstarben in seinem lyrischen Schaffen zunehmend, weil er keine Sprache nach Ausschwitz mehr finden konnte, um noch irgendein Gedicht schreiben zu können. Seine Gedichte wurden immer kryptischer und unverständlicher bis er sich selbst das Leben nahm.

Diese Stelle im katholischen Katechismus ist ein Gräuel, denn sie besagt, dass Gott all diese Menschen in den Gaskammern und Öfen der Lager und vor den Erschießungskommandos geopfert hat, - weil er angeblich damit ein höheres moralisches Ziel verfolgte. Niemals, niemals werde ich solch einem zutiefst amoralischen katholischen Gott folgen ...

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Thaddäus
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#533 Re: Theologie als Wissenschaft I

Beitrag von Thaddäus » Mo 15. Feb 2016, 21:06

Halman hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben: Was für eine Geisteshaltung und was für einen Menschen offenbart dies?
Das vermag ich nicht zu beurteilen und dies spielt für mich bei der sachlichen Auseinandersetzung seiner Argumente, wie er sie z.B. in seinem Buch Die Bibelfälscher vorträgt, höchstens peripher eine Rolle. Rückschlüsse auf die Qualität seiner Meinungen aufgrund von Spekulationen über seine Geisteshaltung überlasse ich den voreiligen Spekulanten.
Menschen erweisen sich durch ihr Tun, als das was sie sind. Der katholische Theologe Klaus Berger hat sich meiner Ansicht nach durch sein Tun völlig ausreichend als das erwiesen, was er ist.
Persönlich, moralisch und fachlich ist er in meinen Augen - unzureichend hinsichtlich jeder dieser Aspekte.
Mag sich mit ihm auseinandersetzen, wer immer möge. Ich werde es nicht tun.
Es gibt in dieser Welt Menschen, mit denen es sich lohnt, sich mit ihnen auseinanderzusetzen - und es gibt Arsch*löcher, bei denen es sich nicht lohnt.
Ich habe hinsichtlich der Persona Klaus Beger meine Wahl getroffen. Solange er sich bei der ev. Fakultät in Heidelberg nicht ausrücklich entschuldigt und reumütig um Vergebung seines Fehlverhaltens bittet, wird sich diese meine Meinung zu ihm auch nicht ändern. Ich werde also kein Wort zu diesem zutiefst unherenhaften Mann mehr verlieren.

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#534 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von closs » Mo 15. Feb 2016, 22:54

Pluto hat geschrieben:Nun liegt es an dir, den Nachweis zu erbringen, das "Überzeit" mehr als reine Illusion ist.
Dies kann nur die Realität bringen - ein Nachweis mit unseren Möglichkeiten scheidet aus.

Pluto hat geschrieben:Aber es gibt nicht den geringsten Hinweis für die Existenz Gottes
Naturwissenschaftlich nicht - es wäre sogar alarmierend, wenn dem so wäre. - Für Schöpfung ist die Naturwissenschaft zuständig.

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#535 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von closs » Mo 15. Feb 2016, 23:14

Thaddäus hat geschrieben:Zum modernen Wissenschaftsverständnis (aller Wissenschaften) gehört es wesentlich, dass die Erkenntnisquellen, die wissenschaftliches Arbeiten und die wissenschaftlichen Ergebnisse legitmieren, nicht subjektiv sein dürfen.
Absolut einverstanden.

Thaddäus hat geschrieben:Dies führte letztlich zum methodischen Atheismus der Wissenschaften.
Den ich uneingeschränkt befürworte.

Thaddäus hat geschrieben:Ihr persönlicher Glaube darf für ihre Arbeit schlicht keine Rolle spielen.
So weit so gut - aber Deine Argumentation läuft im Grunde auf die Aussage hinaus: Substantiell kann "Wissenschaft" über die Bibel nichts aussagen, eben WEIL Deine vorangehenden Aussagen richtig sind. Du sprichst also über den Stellenwert der Wissenschaft innerhalb der Theologie.

Thaddäus hat geschrieben:Der methodische Atheismus der Wissenscahften ist also keine infame Erfindung gehässiger Atheisten, die die Weltherrschaft an sich reißen möchten
Methodisch gesehen hast Du vollkommen recht - de facto ist es nicht so einfach, weil heute der methodische Atheismus der Wissenschaften auch zum Maßstab für Werte dient. - Methodik wird somit zur Grundlage für Weltanschauung - und damit entsteht ein Kollisionsfeld auf Werte-Ebene.

Thaddäus hat geschrieben: das Ergebnis einer geistesgeschtlichen Entwicklung der Wissenschaften, die mühsam lernen mussten, dass subjektive und wahrheitsgarantierende religiöse oder metaphysische Überzeugungen die Wissenschaften in ihrem Fortgang aktiv behindern und die als intersubjektiv auch nicht als allgemeingültig vermittelbar, schlicht und ergreifend irrelevant und überflüssig sind.
Für Naturwissenschaft stimmt dies uneingeschränkt - sobald es um Werte/den Menschen geht, wird es schwierig.

Denn geht man bei Ermittung oder gar Erstellung von Werten auf Basis des methodischen Atheismus vor, kann man nicht werte-kompetent vorgehen.

Gibt es außer-wissenschaftlich intersubjektive Werte-Kompetenz? - Wohl bei Kindern im frühen Lebensalter - sicherlich auch in den großen Weisheitsphilosophien. - Untereinander findet man dort über alle Zeiten und Kulturen jeweils eine hohe Übereinstimmung (siehe als Chiffre dazu "Nathan der Weise"). - Ist es deshalb wissenschaftlich intersubjektiv darstellbar? Nein.

Warum nicht? Weil die Wissenschaft in ihrem methodisch notwendigen Atheismus vor Werten steht wie ein (männlicher :engel: ) Computer vor einer schönen Frau. - Die Wissenschaft darf nicht anders, als wie der Ochs vorm Berg zu stehen. - Sollte die Wissenschaft es trotzdem dürfen? Nein, da sie ansonsten ihren USP (Unique Selling Proposition) als weltanschauungsfreie und somit wertefreie Instanz verlieren würde. - Und somit beißt sich hier die Katze in den Schwanz.

Und genau aus diesem Grund verstehen viele jenseits des Zeitgeistes Wissenschaft als Hilfsgröße innerhalb der Theologie - nicht um die Wissenschaft zu demütigen, sondern ihr ihren Status zu sichern - sicherlich auch, um materialistischen Philosophien das Wasser abzugraben, Wissenschaft für ihre Zwecke zu schänden. - Verstehst Du?

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#536 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von closs » Mo 15. Feb 2016, 23:21

Thaddäus hat geschrieben:iese Stelle im katholischen Katechismus ist ein Gräuel, denn sie besagt, dass Gott all diese Menschen in den Gaskammern und Öfen der Lager und vor den Erschießungskommandos geopfert hat, - weil er angeblich damit ein höheres moralisches Ziel verfolgte. Niemals, niemals werde ich solch einem zutiefst amoralischen katholischen Gott folgen ...
Ich auch nicht - aber Du verstehst diese Stelle im Katechismus nicht (die ich übrigens nicht kannte). - Hier zeigt sich wieder einmal, wie seicht die heutige Theologie angelegt ist - ich habe diese Stelle, jetzt wo Du sie zitiert hast, sofort verstanden. - Gehört hier aber nicht in den Thread.

Pluto
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#537 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Pluto » Mo 15. Feb 2016, 23:58

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Nun liegt es an dir, den Nachweis zu erbringen, das "Überzeit" mehr als reine Illusion ist.
Dies kann nur die Realität bringen - ein Nachweis mit unseren Möglichkeiten scheidet aus.
Du hast also etwas behauptet, was nicht nachweisbar ist?

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Aber es gibt nicht den geringsten Hinweis für die Existenz Gottes
Naturwissenschaftlich nicht
Auf welcher weise dann?

closs hat geschrieben:Für Schöpfung ist die Naturwissenschaft zuständig.
Welche Schöpfung denn?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#538 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von closs » Di 16. Feb 2016, 00:07

Pluto hat geschrieben:Du hast also etwas behauptet, was nicht nachweisbar ist?
Natürlich - es ist nur persönlich erfahrbar oder philosophisch erschließbar. - Deshalb nennt man es "Glauben". - Wäre Geistiges (im christlichen Sinn des Wortes) intersubjektiv nachweisbar, könnte man es der Naturwissenschaft übergeben.

Pluto hat geschrieben:Welche Schöpfung denn?
Das, was die Naturwissenschaft "Natur" oder "Universum" nennt.

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#539 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Pluto » Di 16. Feb 2016, 00:12

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Du hast also etwas behauptet, was nicht nachweisbar ist?
Natürlich - es ist nur persönlich erfahrbar oder philosophisch erschließbar.
Sagte ich nicht, dass es nur persönlich erfahrbar ist, und somit von Illusion nicht zu unterscheiden.
Genau deshalb halte ich ja gegen die Existenz des Überzeitlichen. ;)

closs hat geschrieben:Deshalb nennt man es "Glauben".
Also ist es nicht auf der Ebene von Wissen?

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Welche Schöpfung denn?
Das, was die Naturwissenschaft "Natur" oder "Universum" nennt.
Dann sag das doch gleich... ;)
Die Natur zu untersuchen ist nämlich sehr wohl Auftrag der Naturwissenschaft.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#540 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Novas » Di 16. Feb 2016, 00:31

Pluto hat geschrieben:Aber es gibt nicht den geringsten Hinweis für die Existenz Gottes, außer persönliche Beteuerungen, dass es so ist.
Im Englischen gibt es einen Ausdruck für solche Dinge: Just so stories. Also einfach nur so Erzählungen.

Hinweise gibt es viele. Das beginnt schon mit der grundlegenden Erfahrung, die Welt als einen "Heiligen Organismus" zu sehen, an dem wir lebendig teilnehmen und der uns nicht kalt lässt. Bist Du nicht auch deshalb ein Wissenschaftler geworden? Religion ohne Wissenschaft ist blind und Wissenschaft ohne Religion ist lahm, weil sie die zwei Seiten der einen Medaille sind. Was die Religion kommuniziert: die Welt - die wir wissenschaftlich erforschen und technisch bearbeiten können - ist eine Manifestation Gottes. Das heißt, sie ist kein totes Ding, sie ist lebendig und heilig. Der Mensch verhält sich wie ein Analphabet der das Gedicht nicht begreift, obwohl der ganze Kosmos davon erzählt.

Ein Gedicht von Rilke versteht man nicht, wenn man nur die Worte zählt ohne ihre Bedeutung zu erspüren. Der "Sinn" erklingt zwischen den Zeilen. Diese Frage nach dem Sinn - der sich aus dem potentiellen Sinnhorizont des Menschen ergibt - ist die religiöse Frage, die auch einen Atheist nicht kalt lässt, wenn er sich dem Ganzen anteilnehmend öffnet. Als Christ denke ich, dass schon die ganze sichtbare Schöpfung das Sein Gottes bezeugt und verkündigt: „Die Himmel erzählen die Ehre Gottes, und die Feste verkündigt seiner Hände Werk“ (Ps 19,2).
Das ist kein geringer Hinweis. ;)

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