Alles Teufelszeug? VI

closs
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#511 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von closs » So 18. Jun 2017, 16:45

sven23 hat geschrieben:Wer keine historische Forschung betreibt, kann auch keine kompetenten Aussagen zu historischen Fragen machen.
Es geht nicht um "historisch" im klassischen Sinne ("Jesus war als Prediger unterwegs"), sondern im Sinn von "wirklich" ("Was meinte Jesus wirklich?") - allerdings schließt sich dies zu einem Kreis, da "wirklich" immer auch "historisch" ist": "Was Du gerade denkst, ist wirklich und somit historisch, selbst wenn es historisch-kritisch nicht ermittelbar ist".

sven23 hat geschrieben:Heute legt man mehr Wert auf das Kohärenzkriterium, früher lag der Schwerpunkt mehr auf dem Differenzkriterium.
Was sagt das darüber aus, wer recht hat? - Oder anders: Wie willst Du das Kohärenzkriterium erfüllen, wenn Jesus anders gedacht hat als das Volk?

sven23 hat geschrieben:Nur sollte man nicht deinen Fehler begehen und verstehen mit dran glauben verwechseln.
Wie sollte ein Rabbi an Jesus als göttlich glauben, wenn er kapiert, was die geistigen Hintergründe des Christentums sind?

sven23 hat geschrieben:Woher willst du das wissen?
Immer wieder diese selbe falsche Frage. - Es geht hier ontologisch um die Frage "Ist Gott Entität?" und nicht um die Frage "Können wir es wissen, dass Gott Entität ist, wenn er es ist?". - Zur Erinnerung: Man spricht genau im Wissen um den Unterschied zwischen Wahrnehmung und Sein von "Wir GLAUBEN" und nicht "Wir WISSEN".

sven23 hat geschrieben:Ja, wie oft denn noch? Mit glaubensdogmatischen Wunschvorstellungen kann man historisch nichts ermitteln.
Auch meinerseits "Wie oft denn noch?" - Es geht nicht um "historisch" im klassischen Sinne ("Jesus war als Prediger unterwegs"), sondern im Sinn von "wirklich" ("Was meinte Jesus wirklich?") - allerdings schließt sich dies zu einem Kreis, da "wirklich" immer auch "historisch" ist": "Was Du gerade denkst, ist wirklich und somit historisch, selbst wenn es historisch-kritisch nicht ermittelbar ist".

sven23 hat geschrieben:Doch, in der historischen Forschung ist genau das das Thema.
Warum wird dort dann in geistige Fragestellungen hinein-interpretiert?

Halman hat geschrieben:Hast Du dies gelesen, Kurt? Wie dürfen dies dann ja auch.
Ich lese es erst jetzt - jetzt geht's mir besser. :lol:

sven23 hat geschrieben:Closs hat dafür einen simplen Rat: einfach die Hermeneutik wechseln.
Du neigst dazu, bei eigener Überforderung frech zu werden. - Nein, man wechselst nicht einfach die Hermeneutik, sollte aber erkennen, dass unterschiedliche Hermeneutiken zur selben Quellenlage unterschiedliche wissenschaftliche Ergebnisse bringen.

Münek hat geschrieben:Ja - für unseren Kurt scheint die Hermeneutik der ZAUBERSTAB zu sein, mit dem man auch die unsinnigste Setzung in "geistige" Wahrheit verwandeln kann.
Wie immer: Umgekehrt. :lol: - Geistige Wahrheit und somit Wahrheit in der Welt und somit historische Wahrheit bedarf der richtigen Hermeneutik, um erkannt werden zu können. - Die historisch-kritische Hermeneutik ist die richtige Grundlage für äußere historische Fakten, nicht aber für geistige historische Fakten.

Münek hat geschrieben:Unser lieber Kurt stuft - aus offensichtlichen Glaubensgründen - die Naherwartung Jesu ausschließlich als geistige Frage, auf keinen Fall als historische Frage ein.
Falsch. - Meine Aussage ist, dass man der historischen Wirklichkeit Jesu in geistigen Dingen nicht historisch-kritisch ausreichend nahe kommen kann. - Konkret: Wenn Jesus historisch göttlich war, hatte er historisch keine Naherwartung.

Münek hat geschrieben:steht er allein mit seinem kurzen Hemd auf weiter Flur.
Nein - das ist unterm Strich die Haltung der evangelischen, katholischen und orthodoxen Theologie - eben weil man dort davon ausgeht, dass Jesus göttlich war.

SilverBullet
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#512 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von SilverBullet » So 18. Jun 2017, 18:49

closs hat geschrieben:Konkret: Wenn Jesus historisch göttlich war, hatte er historisch keine Naherwartung.
Naja, dann war er (falls es ihn gegeben hat) wohl eher nicht „göttlich“ (was auch immer das sein soll), denn er hätte seine "Erwartung" ansonsten klar verständlich aufgeschrieben (oder bestmöglichst übermittelt, vielleicht sogar in allen Überghangszeiten wiederholt), zumal er ja gewusst hätte (wie auch immer), dass sich in unserer Zeit eine wohl enorme Diskussion rund um „Nah oder Fern“ ergibt (sofern ich das Streitgespräch hier richtig deute).
Man muss bedenken, dass er es ja, laut der Schreiberlinge (wer auch immer das nun wieder war), explizit angedeutet haben soll, also der Wille einer Angabe vorhanden gewesen sein soll.
Es wäre jedoch nicht sonderlich intelligent (also nix „göttlich“), zu übersehen, dass dies so nicht funktionieren wird.

Ich möchte mich nicht in die „Fachdiskussion“ einmischen, aber wenn es um irgendwelche übernatürlichen Veränderungen à la „Reich XY“ geht, dann ist der Zug wohl bereits schon lange abgefahren (oder einfach nur „entgleist“ – sprich: die Schreiberlinge haben etwas „zu intensiv gedichtet“).

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sven23
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#513 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von sven23 » So 18. Jun 2017, 21:01

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wer keine historische Forschung betreibt, kann auch keine kompetenten Aussagen zu historischen Fragen machen.
Es geht nicht um "historisch" im klassischen Sinne ("Jesus war als Prediger unterwegs"), sondern im Sinn von "wirklich" ("Was meinte Jesus wirklich?") - allerdings schließt sich dies zu einem Kreis, da "wirklich" immer auch "historisch" ist": "Was Du gerade denkst, ist wirklich und somit historisch, selbst wenn es historisch-kritisch nicht ermittelbar ist".
Ähm, selbstverständlich geht es um Historie in der historischen Jesusforschung. Seine Glaubenswelt ist ebenfalls historisch und dazu gehörte nun mal die Naherwartung.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Heute legt man mehr Wert auf das Kohärenzkriterium, früher lag der Schwerpunkt mehr auf dem Differenzkriterium.
Was sagt das darüber aus, wer recht hat? - Oder anders: Wie willst Du das Kohärenzkriterium erfüllen, wenn Jesus anders gedacht hat als das Volk?
Das "Volk" hört sich auch so an, als ob es eine breite gesellschaftliche Diskussion darüber gegegen hätte, ob Israel nun der Thoraverschärfung des Apokalyptikers Jesus folgen sollte. Da sollte man realistisch bleiben. In der kurzen Wirkungszeit ist er vielleicht mit ein paar Hundert Menschen in engeren Kontakt gekommen. Er war der breiten Masse so gut wie unbekannt. Das gehört auch zur Diskrepanz zwischen Historie und kirchlicher Überlieferung.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Nur sollte man nicht deinen Fehler begehen und verstehen mit dran glauben verwechseln.
Wie sollte ein Rabbi an Jesus als göttlich glauben, wenn er kapiert, was die geistigen Hintergründe des Christentums sind?
Ein Rabbi versteht das Judentum und die Glaubenswelt des Juden Jesus. Die posthume Vergottung wird er als Gotteslästerung empfinden.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Woher willst du das wissen?
Immer wieder diese selbe falsche Frage. - Es geht hier ontologisch um die Frage "Ist Gott Entität?" und nicht um die Frage "Können wir es wissen, dass Gott Entität ist, wenn er es ist?". - Zur Erinnerung: Man spricht genau im Wissen um den Unterschied zwischen Wahrnehmung und Sein von "Wir GLAUBEN" und nicht "Wir WISSEN".
Lassen wir Gott mal außen vor. Die Frage ist, ob er einen unehelichen Sohn hatte, wie die Schreiber und die Kirche uns weismachen wollen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Ja, wie oft denn noch? Mit glaubensdogmatischen Wunschvorstellungen kann man historisch nichts ermitteln.
Auch meinerseits "Wie oft denn noch?" - Es geht nicht um "historisch" im klassischen Sinne ("Jesus war als Prediger unterwegs"), sondern im Sinn von "wirklich" ("Was meinte Jesus wirklich?") - allerdings schließt sich dies zu einem Kreis, da "wirklich" immer auch "historisch" ist": "Was Du gerade denkst, ist wirklich und somit historisch, selbst wenn es historisch-kritisch nicht ermittelbar ist".
Was Jesus "wirklich meinte" wissen wir nicht. Wir können nur sagen, war er auf Grund der Quellen meinte. Und danach hatte er ein Naherwartung.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Doch, in der historischen Forschung ist genau das das Thema.
Warum wird dort dann in geistige Fragestellungen hinein-interpretiert?
Weil die Forschung sich vom Laien closs nicht vorschreiben läßt, wozu sie sich äußern darf und wozu nicht. :roll:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Closs hat dafür einen simplen Rat: einfach die Hermeneutik wechseln.
Du neigst dazu, bei eigener Überforderung frech zu werden. - Nein, man wechselst nicht einfach die Hermeneutik, sollte aber erkennen, dass unterschiedliche Hermeneutiken zur selben Quellenlage unterschiedliche wissenschaftliche Ergebnisse bringen.
Also ist doch deine bewährte Methodik: ab in die Glaubenshermeneutik und die Glaubenswelt ist wieder in Ordnung. :roll:



closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:steht er allein mit seinem kurzen Hemd auf weiter Flur.
Nein - das ist unterm Strich die Haltung der evangelischen, katholischen und orthodoxen Theologie - eben weil man dort davon ausgeht, dass Jesus göttlich war.
Das betrifft aber nur die glaubensdogmatische Abteilung. Die haben eh Narrenfreiheit. :lol:
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#514 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von closs » So 18. Jun 2017, 22:18

SilverBullet hat geschrieben:Naja, dann war er (falls es ihn gegeben hat) wohl eher nicht „göttlich“ (was auch immer das sein soll), denn er hätte seine "Erwartung" ansonsten klar verständlich aufgeschrieben (oder bestmöglichst übermittelt
Nee - denn das wäre genauso wenig verstanden worden. - Der Gag bei geistigen Botschaften ist, dass sie nicht nur gehört, überprüft und abgehakt werden, sondern dass sie WIRKLICH verstanden werden - also nicht nur analysiert werden, sondern innerlich verstanden werden.

sven23 hat geschrieben:Ähm, selbstverständlich geht es um Historie in der historischen Jesusforschung.
Non sequitur - ich sprach vom Wirklichkeitsbezug systematischer Theologie.

sven23 hat geschrieben:Ein Rabbi versteht das Judentum und die Glaubenswelt des Juden Jesus. Die posthume Vergottung wird er als Gotteslästerung empfinden.
Wenn er besonders gut ist, wird er die Göttlichkeit Jesu in seinem Glaubensbild ablehnen, aber gleichzeitig sehr gut verstehen, weil er geistig rangeht und deshalb andere geistigen Strömungen mitfühlen kann.

sven23 hat geschrieben:Das "Volk" hört sich auch so an, als ob es eine breite gesellschaftliche Diskussion darüber gegegen hätte, ob Israel nun der Thoraverschärfung des Apokalyptikers Jesus folgen sollte.
Darum geht es nicht. - "Volk" bedeutet hier "die ihn gehört haben".

sven23 hat geschrieben:Die Frage ist, ob er einen unehelichen Sohn hatte, wie die Schreiber und die Kirche uns weismachen wollen.
Nein - das ist NICHT die Frage - bestenfalls eine ideologisch durchtränkte rhetorische Frage.

sven23 hat geschrieben:Was Jesus "wirklich meinte" wissen wir nicht. Wir können nur sagen, war er auf Grund der Quellen meinte. Und danach hatte er ein Naherwartung.
Was Jesus "wirklich meinte", kann man über geistige Orientierung versuchen zu ermitteln. - Damit wird man bspw. die bestehenden Quellen anders als ein HKM-ler interpretieren. - Und tut es ja auch - denn wie anders ist zu erklären, dass die Großtheologien anderer Meinung sind als Du.

sven23 hat geschrieben:Weil die Forschung sich vom Laien closs nicht vorschreiben läßt, wozu sie sich äußern darf und wozu nicht.
Ob das der Laie Closs oder der Profi Sven sagen, ist unerheblich. - Meine Aussage bezieht sich auf die SELBST-Definition der HKM, die ich nach wie vor auf dem Kritischen Rationalismus aufgesetzt sehe (Thaddäus sieht das anders - ich erwarte ihre Antwort, die mich sehr interessiert)

Konkret: Wenn Du einem Auto-Mechaniker sagst, er solle bitte keine Plätzchen backen - darfst Du das als Laie oder Profi Sven nicht? - Wie auch immer: Wenn die HKM mit offenem Visier sagt "Wir wollen auch geistige Fragen interpretieren", hat doch keiner was dagegen. - Es wäre mir sogar lieber, weil man dann von verschiedenen Theologien sprechen könnte: Die kirchliche Theologie und die historisch-kritische Theologie. - Und dann kann man nach außen dokumentieren, dass beide nicht übereinstimmen.

So aber erscheint die HKM nicht selten als trojanisches Pferd INNERHALB der kirchlichen Theologien - also weder Fleisch noch Fisch. - Ich finde das nicht gut.

sven23 hat geschrieben:Also ist doch deine bewährte Methodik: ab in die Glaubenshermeneutik und die Glaubenswelt ist wieder in Ordnung.
Das ist doch mehr DEIN Ansatz als MEIN Ansatz - ich deute nur mit dem Finger drauf.

sven23 hat geschrieben:Das betrifft aber nur die glaubensdogmatische Abteilung.
Nein - es betrifft die Gesamt-Theologie. - Die Theologie nutzt Sacherkenntnisse der HKM, sieht sie aber in der Praxis nicht als theologischen Taktgeber. - Geistige Deutung der Bibel ist nicht Sache der HKM. - Dann könnten auch Mechaniker Plätzchen backen.

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Münek
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#515 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von Münek » So 18. Jun 2017, 23:03

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Ja - für unseren Kurt scheint die Hermeneutik der ZAUBERSTAB zu sein, mit dem man auch die unsinnigste Setzung in "geistige" Wahrheit verwandeln kann.
Wie immer: Umgekehrt. :lol: - Geistige Wahrheit und somit Wahrheit in der Welt und somit historische Wahrheit bedarf der richtigen Hermeneutik, um erkannt werden zu können.
Die beste Hermeneutik ist für die Katz`, wenn die Prämisse nicht stimmt. Die Hermeneutik ist kein Zauberstab.

closs hat geschrieben:Die historisch-kritische Hermeneutik ist die richtige Grundlage für äußere historische Fakten, nicht aber für geistige historische Fakten.
Das ist mein Reden seit anno Tobak. Die HKM hat mit dogmatischen Glaubensaussagen nichts am Hut.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Unser lieber Kurt stuft - aus offensichtlichen Glaubensgründen - die Naherwartung Jesu ausschließlich als geistige Frage, auf keinen Fall als historische Frage ein.
Falsch. - Meine Aussage ist, dass man der historischen Wirklichkeit Jesu in geistigen Dingen nicht historisch-kritisch ausreichend nahe kommen kann.
Siehe oben.

closs hat geschrieben:Konkret: Wenn Jesus historisch göttlich war, hatte er historisch keine Naherwartung.
Jesus hat sich nicht für Gott gehalten. So größenwahnsinnig und blasphemisch war er nicht. Unabhängig davon stand die Nähe der anbrechenden Gottesherrschaft im Zentrum seiner Botschaft an das Volk. Dieses Faktum - dokumentiert in zahlreichen Bibelstel-
len in den synoptischen Evangelien - kann man nicht vom Tisch wischen.


closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:steht er allein mit seinem kurzen Hemd auf weiter Flur.
Nein - das ist unterm Strich die Haltung der evangelischen, katholischen und orthodoxen Theologie - eben weil man dort davon ausgeht, dass Jesus göttlich war.
Die Haltung der christlichen Kirchen ist ganz gewiss nicht die, dass die neutestamentliche Exegese nicht befugt sei, über die Frage zu entscheiden, ob Jesus eine Naherwartung hatte und sich eklatant geirrt hat. Mit dieser Einschätzung steht Du allein auf weiter Flur.

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#516 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von closs » So 18. Jun 2017, 23:44

Münek hat geschrieben:Die beste Hermeneutik ist für die Katz`, wenn die Prämisse nicht stimmt.
Richtig - genau deshalb muss man sich seiner Prämisse bewusst sein. - ICh kritisiere, wenn dem nicht so ist.

Münek hat geschrieben:Das ist mein Reden seit anno Tobak.
Das ist eigentlich MEIN Reden seit anno Tobak. - DEIN Reden ist, dass die HKM auch für das zuständig sei, was Jesus gedacht und gemeint hat - oder irre ich mich?

Münek hat geschrieben:Jesus hat sich nicht für Gott gehalten.
Das ist so oder es ist nicht so - je nach Ausgangsannahmen gehen hier HKM und Theologie unterschiedliche Wege.

Münek hat geschrieben:Unabhängig davon stand die Nähe der anbrechenden Gottesherrschaft im Zentrum seiner Botschaft an das Volk. Dieses Faktum - dokumentiert in zahlreichen Bibelstellen in den synoptischen Evangelien - kann man nicht vom Tisch wischen.
Das tut keiner - es ist auch Zentrum der theologischen Deutung Jesu und des NT.

Münek hat geschrieben:Die Haltung der christlichen Kirchen ist ganz gewiss nicht die, dass die neutestamentliche Exegese nicht befugt sei, über die Frage zu entscheiden, ob Jesus eine Naherwartung hatte und sich eklatant geirrt hat.
Unterm Strich ist das in Bezug auf die historisch-kritische Exegese schon so. - Die Naherwartung Jesu wird bibelwissenschaftlich kontrovers diskutiert (habe gerade gegoogelt und bin spontan auf Ulrich Mell gestoßen, der die Naherwartung als nach-österliche Rezeption erklärt, die nichts mit Jesu Anliegen zu tun habe - U.Mell 2012 In: Bibelwissenschaft) und theologisch nicht ernst genommen.

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sven23
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#517 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von sven23 » Mo 19. Jun 2017, 07:23

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Naja, dann war er (falls es ihn gegeben hat) wohl eher nicht „göttlich“ (was auch immer das sein soll), denn er hätte seine "Erwartung" ansonsten klar verständlich aufgeschrieben (oder bestmöglichst übermittelt
Nee - denn das wäre genauso wenig verstanden worden. - Der Gag bei geistigen Botschaften ist, dass sie nicht nur gehört, überprüft und abgehakt werden, sondern dass sie WIRKLICH verstanden werden - also nicht nur analysiert werden, sondern innerlich verstanden werden.
Ich würde eher sagen, der Gag bei "geistigen Botschaften" besteht darin, sie an das jeweilige Gaubenskonstrukt anzupassen. Und was nicht paßt, wird passend gemacht. "Die geistige Botschaft" entpuppt sich oft als formlose Knetmasse.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Ähm, selbstverständlich geht es um Historie in der historischen Jesusforschung.
Non sequitur - ich sprach vom Wirklichkeitsbezug systematischer Theologie.
Und da habe ich dich oft genug dran erinnert, dass auch die systematische Theologie die Diskrepanz zwischen historischem und kirchlich überliefertem Jesus anerkennt, die sich auf Grund der Forschung ergibt.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Ein Rabbi versteht das Judentum und die Glaubenswelt des Juden Jesus. Die posthume Vergottung wird er als Gotteslästerung empfinden.
Wenn er besonders gut ist, wird er die Göttlichkeit Jesu in seinem Glaubensbild ablehnen, aber gleichzeitig sehr gut verstehen, weil er geistig rangeht und deshalb andere geistigen Strömungen mitfühlen kann.

"Schon in Zeiten von Rabbi Jesus gab es in Israel sehr unterschiedliche Gruppierungen (wie u. a. Pharisäer, Sadduzäer und Essener), die miteinander oft bitter verfeindet waren. Anders als im Neuen Testament dargestellt, waren die Pharisäer die bei weitem fortschrittlichste religiöse Gruppierung im alten Israel.

Es muss auch daran erinnert werden, dass schon die großen Propheten Israels gegen gehaltlose Rituale (und Opferdienste) bzw. gegen Geschäftemacherei im Tempelvorhof (Amos 5,21; Sach. 14,21 u. a.) auftraten. Sie forderten Gerechtigkeit und soziales Verhalten und predigten, dass Gott Tieropfer von denjenigen nicht benötige, die sich moralisch falsch verhalten. Das alles predigte auch Jesus!

Während die Sadduzäer (die mit den Priestern im Tempel eng verbunden waren) nur die schriftliche Thora anerkannten und die mündliche Überlieferung (also die Interpretation der Thoragesetze) und die Idee der Auferstehung der Toten ablehnten, glaubten die Pharisäer an die Bedeutung der Diskussion und der Interpretation der Thora und auch an die menschliche Seele, die nicht mit dem sterbenden Körper im Nichts verschwindet. Fraglos waren daher nicht die Pharisäer, sondern die Sadduzäer die logischen Gegner von Jesus. Die Gegnerschaft von Sadduzäer und Pharisäer führte auch immer wieder zu blutigen innerjüdischen Bruderkriegen und schließlich zum Eingreifen der Weltmacht Rom."

Theodor Much

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Das "Volk" hört sich auch so an, als ob es eine breite gesellschaftliche Diskussion darüber gegegen hätte, ob Israel nun der Thoraverschärfung des Apokalyptikers Jesus folgen sollte.
Darum geht es nicht. - "Volk" bedeutet hier "die ihn gehört haben".
Eben, und das waren nur ein paar Hanseln in der Provinz. Die Schreiber haben sein Leben und Wirken posthum literarisch erheblich aufgepeppt, d. h. mit Mythen und Legenden umgeben.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Frage ist, ob er einen unehelichen Sohn hatte, wie die Schreiber und die Kirche uns weismachen wollen.
Nein - das ist NICHT die Frage - bestenfalls eine ideologisch durchtränkte rhetorische Frage.
Das sehen geistig fitte Juden anders:

"Fromme Juden erwarten – und erwarteten zu allen Zeiten – das Kommen des Messias. Nach traditioneller Auffassung wird der „gesalbte König“ ein Mensch (und kein übernatürliches Wesen) sein, ein Nachfahre Davids. Die wesentlichste Vorstellung in Verbindung mit seinem Erscheinen ist die Idee, dass durch seine Ankunft Friede in der Welt einzieht und alle Verfolgungen der Juden ein für alle Mal aufhören. Die Hauptaufgabe des Messias ist aber die völlige Durchsetzung der göttlichen Herrschaft in aller Welt.

Sämtliche Gruppierungen im alten Israel erhofften demnach einen politischen (= theopolitischen) Erlöser, wobei die Erwartungen der Menschen sehr unterschiedlich waren. Manche erwarteten eine (wenig definierte) himmlische Gestalt (in Anlehnung an Daniel 7,13), andere dachten an bestimmte Propheten oder einen endzeitlichen Hohenpriester. Und dann gab es noch die Vorstellung von einem Messiasvorläufer, der als Messias ben Josef (Sohn des Josef) bezeichnet wurde. Es ist der leidende Messias, der im Kampf mit den Feinden Israels umkommt.

Jesus hat sich jedenfalls niemals in der Öffentlichkeit (also dem Volk) als „der Messias“ dargestellt, ganz im Gegenteil: er warnte seine Jünger, ihre Vermutung öffentlich zu verkünden, und erwähnt die Gefahr von falschen Messiasanwärtern (Mt. 16,17-25 und Mk. 8,29). Und in der Tat gab es im Judentum immer wieder Personen (12 an der Zahl), die von sich behaupteten, „der Messias zu sein.“ Doch kein einziger von ihnen wurde deswegen hingerichtet, obwohl sie über ihre Anhänger oft großen Schaden brachten.

Bemerkenswert ist auch, dass Jesus in Mt. 22,41, Mk. 12,35 und Lk. 20,41 ganz klar argumentiert, dass der versprochene Messias nicht aus dem Hause David abstammen kann und zitiert dabei einen Psalm König Davids (Ps. 110: dieser Psalm wird allerdings in sämtlichen Übersetzungen aus dem Hebräischen fehlerhaft wiedergegeben)."

Theodor Much

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Was Jesus "wirklich meinte" wissen wir nicht. Wir können nur sagen, war er auf Grund der Quellen meinte. Und danach hatte er ein Naherwartung.
Was Jesus "wirklich meinte", kann man über geistige Orientierung versuchen zu ermitteln. - Damit wird man bspw. die bestehenden Quellen anders als ein HKM-ler interpretieren.
Natürlich interpretiert die Forschung Quellen anders als Glaubensdogmatiker, die ihr Glaubenskonstrukt unter allen Umständen bestätigt sehen wollen. Und wer will, der findet auch, was er sucht. Ich erinnere nur an "heilig, heilig, heilig" Ratzingers, das er als Beleg für die angeblich schon im AT angelegte Trinität verstanden wissen will. Auf diesem Niveau ist natürlich alles möglich. Widdewiddewitt bumbum. :roll:

closs hat geschrieben: - Und tut es ja auch - denn wie anders ist zu erklären, dass die Großtheologien anderer Meinung sind als Du.
Tja, wie erklärt man, dass Homöopathen, Astrulügen und Fernheiler anderer Meinung sind als ich? :roll:
Und es gibt ja auch Großtheologen, die die Naherwartung nicht leugnen. (Bultmann, Rahner, Küng, Kaspar, Theißen.....)

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Weil die Forschung sich vom Laien closs nicht vorschreiben läßt, wozu sie sich äußern darf und wozu nicht.
Ob das der Laie Closs oder der Profi Sven sagen, ist unerheblich. - Meine Aussage bezieht sich auf die SELBST-Definition der HKM, die ich nach wie vor auf dem Kritischen Rationalismus aufgesetzt sehe (Thaddäus sieht das anders - ich erwarte ihre Antwort, die mich sehr interessiert)
Du kannst genauso gut fordern, man könne Harry Potter nur lesen und verstehen, wenn man an übernatürliche Zauberei wirklich glaube. :lol:

closs hat geschrieben: So aber erscheint die HKM nicht selten als trojanisches Pferd INNERHALB der kirchlichen Theologien - also weder Fleisch noch Fisch. - Ich finde das nicht gut.
Ein Pferd besteht in der Regel aus Fleisch. Und ob du das gut findest, ist für die Forschung sekundär.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Also ist doch deine bewährte Methodik: ab in die Glaubenshermeneutik und die Glaubenswelt ist wieder in Ordnung.
Das ist doch mehr DEIN Ansatz als MEIN Ansatz - ich deute nur mit dem Finger drauf.
Nein, der closs fordert ständig, man solle doch einfach Jesus als göttlich annehmen, bevor man die Texte untersucht. Dann würde man schon automatisch zu den "richtigen" Ergebnissen kommen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Das betrifft aber nur die glaubensdogmatische Abteilung.
Nein - es betrifft die Gesamt-Theologie. - Die Theologie nutzt Sacherkenntnisse der HKM, sieht sie aber in der Praxis nicht als theologischen Taktgeber. - Geistige Deutung der Bibel ist nicht Sache der HKM. -
Und wieder will der Laie closs der Forschung vorschreiben, was sie zu machen hat, obwohl er es gerade oben noch geleugnet hat. :roll:

closs hat geschrieben: Dann könnten auch Mechaniker Plätzchen backen.
Auch das gibt es, und die schmecken manchmal sogar besser als von sog. Fachleuten. :lol:
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sven23
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#518 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von sven23 » Mo 19. Jun 2017, 07:53

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Die Haltung der christlichen Kirchen ist ganz gewiss nicht die, dass die neutestamentliche Exegese nicht befugt sei, über die Frage zu entscheiden, ob Jesus eine Naherwartung hatte und sich eklatant geirrt hat.
Unterm Strich ist das in Bezug auf die historisch-kritische Exegese schon so. - Die Naherwartung Jesu wird bibelwissenschaftlich kontrovers diskutiert (habe gerade gegoogelt und bin spontan auf Ulrich Mell gestoßen, der die Naherwartung als nach-österliche Rezeption erklärt, die nichts mit Jesu Anliegen zu tun habe - U.Mell 2012 In: Bibelwissenschaft) und theologisch nicht ernst genommen.
Dann solltest du auch mal genauer lesen, sonst benötigst du noch mal 26000 Beiträge, um das Ding mit der Naherwartung zu verstehen. :roll:
Und wie man hier andeutungsweise rauslesen kann, hast du es immer noch nicht verstanden.

Jesus hatte natürlich keine Nahewartung auf sich selbst. Das ist die nachösterliche Umdeutung seiner eigenen Naherwartung auf das Gottesreich.

„Als Jesus den gegenwärtigen Beginn der Gottesherrschaft verkündigte, rechnete er mit deren Kommen während seines Lebens.“
Gerd Theißen

Nachösterlich verknüpfte man das Kommen der Gottesherrschaft mit dem Wiederkommen Jesu. Als auch dieses Wiederkommen ausblieb, entwickelte man die Idee der Parusieverzögerung.

"Da das Anliegen des 'Historischen Jesus' die personale Vermittlung der gegenwärtig ankommenden Gottesherrschaft für → Israel war (vgl. Lk 11,20; Lk 17,20f), deren geschichtlich wirkmächtiger Anfang (vgl. Mk 4,31.32a) sich trotz seines Todes in Vollendung durchsetzen wird (vgl. Mk 14,25), dürfte ihm die postmortale eschatologische Parusie-Hoffnung seiner Person (vgl. die Parusie des Menschensohn-Christus Mt 24,3ff) fremd gewesen sein.

Aus diesem Grund ist anzunehmen, dass von der Ankunft Christi erst in der nachösterlichen → Gemeinde gesprochen wurde, die ihre Hoffnung im Kontext einer röm.-hell. Umwelt artikulierte.
....
Die Erwartung auf eine Parusie Christi bildet daher eine Variable in der plural formulierten, jedoch konstant christusbezogenen endzeitlich-eschatologischen Hoffnungssprache der Urchristenheit."

Quelle: bibelwissenschaft.de (Ulrich Mell)
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#519 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von closs » Mo 19. Jun 2017, 08:48

sven23 hat geschrieben:Ich würde eher sagen, der Gag bei "geistigen Botschaften" besteht darin, sie an das jeweilige Gaubenskonstrukt anzupassen.
Es ist doch umgekehrt: Der Glaube ist FOLGE geistiger Botschaften.

sven23 hat geschrieben: da habe ich dich oft genug dran erinnert, dass auch die systematische Theologie die Diskrepanz zwischen historischem und kirchlich überliefertem Jesus anerkennt,
Und da haben wir oft genug darüber geredet, dass der Wirklichkeitsbezug des kerymatischen Jesus authentischer sein KANN als der des historisch-kritischen Jesus.

sven23 hat geschrieben:Eben, und das waren nur ein paar Hanseln in der Provinz.
Ja und? - Sie stehen trotzdem für den Volksglauben, der anders ist als das, was Jesus meint.

sven23 hat geschrieben:Theodor Much
Du bringst zwei Much-Zitate, die nichts mit meiner Aussage zu tun haben.

sven23 hat geschrieben:Tja, wie erklärt man, dass Homöopathen, Astrulügen und Fernheiler anderer Meinung sind als ich?
Woraus wir lernen, dass die großkirchlichen Theologien zu vergleichen sind mit Homöpathie, Astrolügner und Fernheiler. Und diese Haltung ist dann NICHT ideologisch. :lol:

sven23 hat geschrieben:ob du das gut findest, ist für die Forschung sekundär.
Irrelevant - auch hier geht es um etwas anderes. - Du bist wie der Biologie-Professor, der sich auf Würmer spezialisiert hatte, und bei Fragen nach dem Elephanten geantwortet hat: "Der Elephant hat einen Rüssel wie ein Wurm. - Der Wurm gliedert sich in ..." - Oder beim Menschen: "Der Mensch ist im Vergleich zum Elephanten ein Wurm. - Der Wurm gliedert sich in ..." :lol:

sven23 hat geschrieben:Nein, der closs fordert ständig, man solle doch einfach Jesus als göttlich annehmen, bevor man die Texte untersucht.
Auch das ist daneben. - Ich fordere, dass man die Bibel auf Basis ALLER historisch möglichen Fälle hin interpretiert. - Und da sagt die HKM (in Deiner Interpretation): "Nee - wollen wir nicht".

sven23 hat geschrieben:Jesus hatte natürlich keine Nahewartung auf sich selbst.
Darum geht es hier nicht. - Ich verstehe Mell so, dass Jesus generell keine physische Naherwartung hatte - und das gilt eben nicht nur in Bezug auf seine Person, sondern auch für die (physische) Gottesherrschaft an sich.

Allerdings stutze ich über die Wendung "trotz seines Todes" - die übliche theologische Interpretation ist "wegen seines Todes".

Pluto
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#520 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von Pluto » Mo 19. Jun 2017, 08:59

closs hat geschrieben:Es ist doch umgekehrt: Der Glaube ist FOLGE geistiger Botschaften.
Dafür gibt es aber keine Belege. Für das Umgekehrte aber scohon.

closs hat geschrieben:Und da haben wir oft genug darüber geredet, dass der Wirklichkeitsbezug des kerymatischen Jesus authentischer sein KANN als der des historisch-kritischen Jesus.
Muss aber nicht.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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