Alles Teufelszeug? II

closs
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#511 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von closs » Sa 26. Mär 2016, 10:18

Münek hat geschrieben:Das Thema wird in der neutestamentlichen Wissenschaft NICHT kontrovers diskutiert.
Möglicherweise ist es tatsächlich ausdiskutiert.

sven23 hat geschrieben:womit wir dann wieder die Diskrepanz zwischen literarischer und historischer Figur hätten.
In diesem Fall ganz sicher, weil der historische Faust nichts als eine Vorlage ist, die Jahrhunderte zurück liegt.

sven23 hat geschrieben: Diese Begründungen beziehen ihre Berechtigung aus der späteren Umdeutung in Richtung Parusieverzögerung
Du ignorierst die viel profundere Begründung, wie oftmals dargelegt - auch das ist Cherry-Picking.

sven23 hat geschrieben:Warum sollten die Schreiber etwas erfinden, was sich schon zum Zeitpunkt der Verschriftlichung als Irrtum erwiesen hat?
Er hat SEIN Verständnis ver-textlicht.

sven23 hat geschrieben:Wenn man alles den Textverfassern sozusagen in die Schuhe schieben will, dann auch konsequenterweise alles andere wie Vergottung Jesu, Aufersteung usw.
Man muss in der Tat alles prüfen. - Die Frage ist: Nach welchen Kriterien? - Und da gibt es, weltanschaulich bedingt, unterschiedliche.

sven23 hat geschrieben:Wenn er nicht konkret wird, ist das eine Null-Aussage.
Er sagt das bestimmt nicht einfach so - ich habe seine Conclusio zitiert.

sven23 hat geschrieben:Wo ist das Konzept Ratzingers, das diese Widersprüche erklärt?
Weiss ich auswendig nicht - ich weiss jedoch, dass unter kirchlichen Theologen (nicht Gläubigen) dieses Thema längst gegessen ist - auch das habe ich mehrfach begründet.

sven23 hat geschrieben:Genau da gehört er hin zusammen mit Ratzingers Glaubensentscheid.
Differenziert wissenschaftliches Denken tut's auch.

Pluto
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#512 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von Pluto » Sa 26. Mär 2016, 10:36

closs hat geschrieben:Man muss in der Tat alles prüfen. - Die Frage ist: Nach welchen Kriterien? - Und da gibt es, weltanschaulich bedingt, unterschiedliche.
Am Besten man macht das nach allen bekannten Kriterien, vor allem aber den Falsifizierbaren.

closs hat geschrieben:ich weiss jedoch, dass unter kirchlichen Theologen (nicht Gläubigen) dieses Thema längst gegessen ist - auch das habe ich mehrfach begründet.
Wo und wann hast du das begründet?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
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#513 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von closs » Sa 26. Mär 2016, 10:51

Pluto hat geschrieben:Am Besten man macht das nach allen bekannten Kriterien, vor allem aber den Falsifizierbaren.
Reicht aber nicht. - Die Kernfragen der Bibel und deren Antworten sind i.d.R. nicht falsifizierbar und somit der weltanschaulichen Interpretation ausgeliefert.

Pluto hat geschrieben:Wo und wann hast du das begründet?
In den letzten Tagen schon wieder - und zwar ausführlich - hier nur Stichpunkte:
a) Das Unverständnis des Menschen - Kernthema der Bibel
b9 Der Paradigmenwechsel des NT - inneres statt äußeres Gottesreich

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sven23
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#514 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von sven23 » Sa 26. Mär 2016, 10:54

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Diese Begründungen beziehen ihre Berechtigung aus der späteren Umdeutung in Richtung Parusieverzögerung
Du ignorierst die viel profundere Begründung, wie oftmals dargelegt - auch das ist Cherry-Picking.
Witzbold.
Du verwechselst mal wieder Wunschdenken mit Fakten.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Warum sollten die Schreiber etwas erfinden, was sich schon zum Zeitpunkt der Verschriftlichung als Irrtum erwiesen hat?
Er hat SEIN Verständnis ver-textlicht.
Warum sollte der Schreiber, der es sonst auch nicht so genau mit der historischen Wahrheit nimmt, sein erwiesenermaßen falsches Verständnis auch noch schriftlich fixieren? Da ist die Forschung schon lange sehr viel weiter und widmet sich neuen Aufgaben, z. B der "third quest".

"Im Zuge der "third quest" wird gegen das Differenzkriterium als methodischer Grundlage der Jesusforschung das "historische Plausibilitätskriterium" betont: Historisch ist, was im Kontext des zeitgenössischen Judentums plausibel erscheint und die Entstehung des frühen Christentums verständlich macht. Man will auf diese Weise historische und theologische Einseitigkeiten der älteren Forschung vermeiden."
Quelle: bibelwissenschaft


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wo ist das Konzept Ratzingers, das diese Widersprüche erklärt?
Weiss ich auswendig nicht - ich weiss jedoch, dass unter kirchlichen Theologen (nicht Gläubigen) dieses Thema längst gegessen ist - auch das habe ich mehrfach begründet.
Eine sachliche Begründung sieht anders aus. Ratzinger ist nicht dumm und weiß auch, dass er der Forschung nichts Substantielles entgegenzusetzen hat. Deshalb fordert er den Glaubensentscheid. Warum willst du ihm diesen Gefallen nicht tun? Das wäre doch eine nette Geste zu Ostern. :D
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Savonlinna
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#515 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von Savonlinna » Sa 26. Mär 2016, 11:51

sven23 hat geschrieben:
closs hat geschrieben:...
Ratzinger ist nicht dumm und weiß auch, dass er der Forschung nichts Substantielles entgegenzusetzen hat. Deshalb fordert er den Glaubensentscheid. Warum willst du ihm diesen Gefallen nicht tun? Das wäre doch eine nette Geste zu Ostern. :D
Könntest 'Du bitte mal zitieren, sven, in welchem Kontext genau Ratzinger das mit dem "Glaubensentscheid" sagt?

Damit hier keine verblodete Diskussion stattfindet, sondern ein wenig Rationalität reinkommt.
Da Du wissenschaftliches Denken ja akzeptierst, sollte dieser Maßstab zumindest in der Basis hier angewandt werden. Selber erfinden, was Ratzinger sagt, wäre kein wissenschaftliches Denken.

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sven23
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#516 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von sven23 » Sa 26. Mär 2016, 13:32

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wo ist das Konzept Ratzingers, das diese Widersprüche erklärt?
Weiss ich auswendig nicht - ich weiss jedoch, dass unter kirchlichen Theologen (nicht Gläubigen) dieses Thema längst gegessen ist - auch das habe ich mehrfach begründet.
Da ist noch lange nichts gegessen. Ratzinger bekam zwar auch Lob für seine Jesustrilogie, aber auch Kritik, hauptsächlich von wissenschaftlicher Seite.
Dazu mal ein Auszug aus dem Aufsatz "Joseph Ratzinger verabschiedet die historisch-kritische Schriftauslegung!" des Neutestamentlers Prof. Dr. Michael Theobald von der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Tübingen.

"Das Buch hinterlässt einen zwiespältigen Ein-
druck. Einerseits bietet es in gewohnt schöner
Sprache tief schürfende Gedanken, die zur Me-
ditation der Texte anregen. Andererseits beharrt
es in irritierender Weise immer wieder auf der
Historizität des Erzählten.
...
Das muss so sein, weil
die Texte „wirkliche, geschehene Geschichte, frei-
lich gedeutete und vom Wort Gottes her verstan-
dene Geschichte“ aufgezeichnet hätten, kurz: ein
Stück „urchristlicher Geschichtsschreibung“ seien
(29f). Alles, was die Exegese im letzten Jahrhun-
dert mit so großer Sorgfalt zu den biblisch und
frühjüdisch geprägten Gattungen dieser Texte er-
arbeitet hat, schiebt Benedikt als angebliche Hy-
perkritik souverän beiseite."

Ratzinger macht auch handwerkliche Fehler:

"Gegen alle
Regel unterscheidet er bei diesem „großen chris-
tologischen Grundtext“ (55) nicht zwischen der
griechischen Übersetzung (Septuaginta; Mt 1,23:
parthénos = Jungfrau) und dem hebräischen Text
( ́almah = junge Frau), sondern gibt vor, dessen
„ursprünglicher“ Sinn sei der von Matthäus
dargebotene. Sodann sucht er durch Aufweis
des vermeintlichen Scheiterns aller historisch-
kritischen Erklärungen des Verses die Wahrheit
seiner christlichen Deutung zu erweisen, um
„nach allem Ringen der kritischen Exegese ganz
neu das Erstaunen darüber“ zu äußern, „dass ein
unbegreiflich gebliebenes Wort aus dem Jahr
733 v.Chr. in der Stunde der Empfängnis Jesu
Christi wahr geworden ist“ (59). Das erinnert
fatal an supranaturale Weltdeutungen früherer
Zeiten, bei denen für mangelnde physikalische
Erklärungen Gott als Lückenbüßer einspringen
musste – hier für das angebliche Scheitern
aller literarischen Deutungen das Aufscheinen des
christologischen Sinnes als des einzig wahren.
...
Sollte das Buch als Buch des Papstes und nicht als das
des Theologen Joseph Ratzinger von bestimmten
Kreisen gegen eine angeblich destruktive Exegese
instrumentalisiert werden, wäre es besser nicht
geschrieben worden. Linientreue Wissenschaft ist
keine Wissenschaft mehr."
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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#517 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von closs » Sa 26. Mär 2016, 14:07

sven23 hat geschrieben:Historisch ist, was im Kontext des zeitgenössischen Judentums plausibel erscheint und die Entstehung des frühen Christentums verständlich macht. Man will auf diese Weise historische und theologische Einseitigkeiten der älteren Forschung vermeiden."
Durchaus sinnvoll. - Aber hier geht es dwoch darum, dass Jesus mit seinem Paradigmen-Wechsel gerade NICHT plausibel ist im Kontext des zeitgenössischen Judentums - in anderen Worten: Die Naherwartung in Deinem Sinne ist selbstverständlich zeitgenössisch plausibel - das wissen auch die Bergers und Ratzingers schon lange. - Aber "Paradigmenwechsel" heisst doch gerade, dass etwas Neues kommt, was historisch NICHT plausibel ist. - Du machst gerade so, als sei Jesus zeitgenössisch plausibel - eben gerade NICHT.

sven23 hat geschrieben: Ratzinger ist nicht dumm und weiß auch, dass er der Forschung nichts Substantielles entgegenzusetzen hat.
Wobei wir wieder bei der von Dir vertretenen Ideologie wären.

sven23 hat geschrieben:Ratzinger macht auch handwerkliche Fehler
Kann gut sein. - Aber das ändert doch nichts daran, dass wir es hier mit zwei diametralen Entwürfen zu tun haben, die beide wissenschaftlich begründbar sind - der Unterschied liegt im unterschiedlichen Verständnis, wer Jesus ist. - Da dies nicht falsifizierbar ist, stehen hier zwei Perspektiven auf Basis derselben Quellen-Lage gegenüber. - In der Philologie ist dies Alltag.

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#518 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von sven23 » Sa 26. Mär 2016, 14:25

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Historisch ist, was im Kontext des zeitgenössischen Judentums plausibel erscheint und die Entstehung des frühen Christentums verständlich macht. Man will auf diese Weise historische und theologische Einseitigkeiten der älteren Forschung vermeiden."
Durchaus sinnvoll. - Aber hier geht es dwoch darum, dass Jesus mit seinem Paradigmen-Wechsel gerade NICHT plausibel ist im Kontext des zeitgenössischen Judentums -
Da muß man dann sauber unterscheiden zwischen dem, was Jesus ursprünglich vertrat, also eine innerjüdische Erneuerungsbewegung mit teilweiser Thoraverschärfung und dem, was spätere (christliche) Rezeption ist. Das tut die Forschung.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Ratzinger ist nicht dumm und weiß auch, dass er der Forschung nichts Substantielles entgegenzusetzen hat.
Wobei wir wieder bei der von Dir vertretenen Ideologie wären.
Forschung ist doch keine Ideologie.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Ratzinger macht auch handwerkliche Fehler
Kann gut sein. - Aber das ändert doch nichts daran, dass wir es hier mit zwei diametralen Entwürfen zu tun haben, die beide wissenschaftlich begründbar sind - der Unterschied liegt im unterschiedlichen Verständnis, wer Jesus ist. - Da dies nicht falsifizierbar ist, stehen hier zwei Perspektiven auf Basis derselben Quellen-Lage gegenüber. - In der Philologie ist dies Alltag.
Eben nicht. Man kann nicht in erster Linie Dogmatiker sein und in zweiter Wissenschaftler. Und wie Prof. Dr. Michael Theobald sagt:
"Linientreue Wissenschaft ist keine Wissenschaft mehr."
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#519 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von closs » Sa 26. Mär 2016, 14:55

sven23 hat geschrieben: Das tut die Forschung.
Das kann sie doch nur sehr bedingt. - Vor allem darf sie nicht analog zu anderen historisch-kritischen Themen setzen, dass ältere Quellen zwingend authentischer sein müssen als jüngere.

sven23 hat geschrieben:Forschung ist doch keine Ideologie.
Nein - es ist aber Ideologie, den Wissenschafts-Begriff so zu designen, dass vom eigenen Weltbild Abweichendes als un-wissenschaftlich ermittelt bezeichnet wird.

sven23 hat geschrieben:"Linientreue Wissenschaft ist keine Wissenschaft mehr."
Korrekt - aber das ist doch genau mein Vorwurf an das, was hier als HKM verkauft wird. - Du merkst nicht, dass Du im Glashaus sitzt.

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Münek
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#520 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von Münek » Sa 26. Mär 2016, 15:45

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Das Thema wird in der neutestamentlichen Wissenschaft NICHT kontrovers diskutiert.
Möglicherweise ist es tatsächlich ausdiskutiert.

Eine wohl eher auszuschließende Annahme, weil sie voraussetzt, dass Diskussionsbedarf bestand.

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