Das Karsamstags-Evangelium

closs
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#51 Re: Das Karsamstags-Evangelium

Beitrag von closs » Di 5. Apr 2016, 21:14

Pluto hat geschrieben:Die Prämisse machts möglich. :clap: Gott untersuchen, unter der Voraussetzung, dass es ihn gibt... Ist das nicht ein Zirkelschluss?
Das gälte dann für beide Seiten - auch die Untersuchung der Bibel unter dem Gesichtspunkt, dass es Gott NICHT gibt, wäre dann ein Zirkelschluss. - Und de facto ist es doch so.

Außerdem untersucht man nicht, ob es Gott gibt oder nicht gibt, sondern was wir über Gott erfahren können, wenn es ihn gäbe/was wir über Projektionen des Menschen zu Gott erfahren können - je nach Prämisse. - Insofern eh kein Zirkelschluss.

Nach meinem Eindruck wird nicht verstanden, dass die Prämissen/methodischen Tatsachen/nenne es, wie Du willst der HKM automatisch zu einem Szenario führen, als gäbe es Gott NICHT. - Dies wird mit "Vernunft", "Plausibilität", "Analogie", etc. - begründet, die nicht antastbar zu sein scheinen, also in verwendeter Weise festgeklopft sind. - Würde ich diese Begriffe so verwenden, käme ich vermutlich auf die selben Ergebnisse wie die HKM (immer mit dem Zusatz: so, wie HKM hier dargestellt wird). - Man ist also nur ergebnisoffen im Rahmen seiner eigenen Voraussetzungen.

Deshalb hielte ich es für angebracht, mit der HKM ZWEI Szenarien durchzuspielen:
Was wären die HKM-Ergebnisse, wenn
a) es Gott gäbe,
b) es Gott NICHT gäbe?

Als Antwort hört man dann: Das wäre dasselbe, weil HKM unabhängig davon zu ihren Ergebnissen kommt - was ganz einfach falsch ist, da man im Fall "Es gibt Gott" den Begriff "Plausibilität" auf ein ganz anderes Bezugssystem aufbauen müsste und gängige Analogien nicht für die Singularität "Jesus ist Gott" anwenden kann. - Man tut es nicht.

Und weil man es nicht tut, gibt es jetzt wieder eine kanonische Exegese, die ein Gegengewicht schafft - damit BEIDE Szenarien abgedeckt sind.

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Savonlinna
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#52 Re: Das Karsamstags-Evangelium

Beitrag von Savonlinna » Di 5. Apr 2016, 21:30

closs hat geschrieben: Deshalb hielte ich es für angebracht, mit der HKM ZWEI Szenarien durchzuspielen:
Was wären die HKM-Ergebnisse, wenn
a) es Gott gäbe,
b) es Gott NICHT gäbe?
Zwei Szenarien reichen nicht.
Es müssten abertausende sein, da viele unter "Gott" ja überhaupt keine Person verstehen, sondern z.B. ein Beziehungsgeflecht.
Andere - wie Tillich - verstehen darunter "menschliche Tiefe".

Dann müsste man also die historisch-kritische Methode daraufhin durchspielen, zu welchen Ergebnissen sie kommen würde, wenn sie menschliche Tiefe leugnet. Oder wenn sie Liebe leugnet. Oder wenn sie das Geheimnis des Menschseins leugnet.

closs
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#53 Re: Das Karsamstags-Evangelium

Beitrag von closs » Di 5. Apr 2016, 21:54

Savonlinna hat geschrieben:Zwei Szenarien reichen nicht.
Mir würde das schon reichen.

Savonlinna hat geschrieben:Es müssten abertausende sein, da viele unter "Gott" ja überhaupt keine Person verstehen, sondern z.B. ein Beziehungsgeflecht.
Wäre das dann noch als Wissenschaft bezeichenbar?

Davon abgesehen:
Ich fände es sehr hilfreich, dass jeder, der sich damit beschäftigt, Klarheit für sich schafft, unter welcher Definition Gott im Einzelfall gemeint ist. - In Folge müssten dann Fragen beantwortet werden wie: "Was kann Gott sein oder nicht sein, wenn er nicht Person ist?" - Das wären sehr grundlegende Fragen.

Savonlinna hat geschrieben:Dann müsste man also die historisch-kritische Methode daraufhin durchspielen, zu welchen Ergebnissen sie kommen würde, wenn sie menschliche Tiefe leugnet.
Ich vermute, dass sich bereits heute durchgesetzt hat, dass dies eh keine Rolle spiele - vielleicht bin ich da zu pessimistisch.

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#54 Re: Das Karsamstags-Evangelium

Beitrag von Savonlinna » Di 5. Apr 2016, 22:03

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Es müssten abertausende sein, da viele unter "Gott" ja überhaupt keine Person verstehen, sondern z.B. ein Beziehungsgeflecht.
Wäre das dann noch als Wissenschaft bezeichenbar?
Ja. Wissenschaft muss differenzieren. Sonst ist sie keine.

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#55 Re: Das Karsamstags-Evangelium

Beitrag von closs » Di 5. Apr 2016, 23:03

Savonlinna hat geschrieben: Wissenschaft muss differenzieren. Sonst ist sie keine.
Natürlich - aber sie beschäftigt sich doch nur, wie man meint, mit Falsifizierbarem - oder nicht?

Natürlich kann man auch distanziert mit 1000en Einzelfällen umgehen - aber macht man das nicht in der Regel mit dem Blick des Überlegen-"Aufgeklärten", der spirituelle Aussagen zwar analysiert, aber nicht zu deren Ergebnis kommen DARF, dass - bspw:

"Ja - es wird aus einer speziellen Perspektive widerspruchsfrei begründet, dass Jesus WIRKLICH leiblich auferstanden ist, also das Grab leer war - deswegen halten wir es für möglich, dass Jesus historisch WIRKLICH leiblich auferstanden ist".

Mein Eindruck ist, dass solche Aussagen mit Verweis auf "Vernunft-Vereinbarungen" als unwissenschaftlich gelten würden.

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#56 Re: Das Karsamstags-Evangelium

Beitrag von Savonlinna » Di 5. Apr 2016, 23:22

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben: Wissenschaft muss differenzieren. Sonst ist sie keine.
Natürlich - aber sie beschäftigt sich doch nur, wie man meint, mit Falsifizierbarem - oder nicht?
Ich verstehe den Zusammenhang jetzt nicht.
Seit wann befassen sich Wissenschaften nur mit "Falsifizierbarem"? Das gilt meines Wissens nur für Naturwissenschaften, und für diese auch nicht mehr uneingeschränkt.

closs hat geschrieben:Natürlich kann man auch distanziert mit 1000en Einzelfällen umgehen - aber macht man das nicht in der Regel mit dem Blick des Überlegen-"Aufgeklärten", der spirituelle Aussagen zwar analysiert, aber nicht zu deren Ergebnis kommen DARF
Ich habe doch gar nicht von Spiritualität gesprochen.

Das hier schrieb ich:

Savonlinna hat geschrieben:
closs hat geschrieben: Deshalb hielte ich es für angebracht, mit der HKM ZWEI Szenarien durchzuspielen:
Was wären die HKM-Ergebnisse, wenn
a) es Gott gäbe,
b) es Gott NICHT gäbe?
Zwei Szenarien reichen nicht.
Es müssten abertausende sein, da viele unter "Gott" ja überhaupt keine Person verstehen, sondern z.B. ein Beziehungsgeflecht.
Andere - wie Tillich - verstehen darunter "menschliche Tiefe".

Dann müsste man also die historisch-kritische Methode daraufhin durchspielen, zu welchen Ergebnissen sie kommen würde, wenn sie menschliche Tiefe leugnet. Oder wenn sie Liebe leugnet. Oder wenn sie das Geheimnis des Menschseins leugnet.

Möglicherweise bist Du zu stark von Popper beeinflusst. Ich sehe keinen Grund, Popper als unerlässlich zu betrachten.
Und ich begreife nicht, was anders wäre, wenn historisch-kritische Forscher glauben würden, dass der Begriff "Gott" akzeptabel wäre für - zum Beispiel - die Ansicht, dass Liebe die größte Macht ist und am Ende siegen wird oder auch jeden Moment siegt.
Zu welchen anderen Ergebnissen würde da ein Forscher kommen können?
Er kann auch nichts anderes tun als die Texte daraufhin zu analysieren, was der Textschreiber mit seinem Text ausdrückt.

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#57 Re: Das Karsamstags-Evangelium

Beitrag von closs » Di 5. Apr 2016, 23:31

Savonlinna hat geschrieben:Seit wann befassen sich Wissenschaften nur mit "Falsifizierbarem"?
Ich sehe das wie Du. - Deshalb habe ich geschrieben: "meint man". - Für mich ist offen, ob dieses "meint man" auf dem Vormarsch oder auf dem Rückzug ist - diesbezüglich habe ich keinerlei Einschätzung.

Savonlinna hat geschrieben:Er kann auch nichts anderes tun als die Texte daraufhin zu analysieren, was der Textschreiber mit seinem Text ausdrückt.
Wenn man sich darauf beschränken würde und keine weitergehenden Interpretationen loslässt, ist das voll ok.

Ich hake mich nach wie vor daran fest, dass die HKM herhalten soll für de facto atheistische Interpretationen der Bibel: "Die Wissenschaft sagt uns, dass Jesus eine Naherwartung hatte/dass er nicht leiblich auferstanden sein KANN/etc.".

Wir streiten jetzt nicht darüber, ob Jesus eine Naherwartung hatte und/oder leiblich auferstanden ist - es geht darum, dass man aus einem Text nur herausarbeiten kann, was des Textverfassers Sicht zu einem Objekt (hier: Jesus) angeht und nur sehr bedingt zu Jesus selbst. - Das, was man zu Jesus selbst sagen kann, ist extrem weltanschaulich bedingt - man kann dies nicht durch das Wort"Wissenschaft" kaschieren (ich sage nicht, dass Du das tust, sondern dass es eingerissen zu sein scheint).

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#58 Re: Das Karsamstags-Evangelium

Beitrag von Savonlinna » Di 5. Apr 2016, 23:59

closs hat geschrieben: Ich hake mich nach wie vor daran fest, dass die HKM herhalten soll für de facto atheistische Interpretationen der Bibel: "Die Wissenschaft sagt uns, dass Jesus eine Naherwartung hatte/dass er nicht leiblich auferstanden sein KANN/etc.".
Ehrlich gesagt, ist mir das sowas von egal, was Leute sagen. Ich lese die Texte selber, und vorher diskutiere ich darüber nicht.
Und wenn Leute etwas behaupten, was sie nicht ausführlich und gründlich belegen, höre ich da auch nicht hin.

Die Sache mit der Naherwartung war ja schon lange geklärt; ich hatte wissenschaftliche Beiträge dazu gelesen, hier auch zitiert, und wenn man nach wie vor diese Texte ignoriert, dann sind die Leute bei mir unten durch, und gut ist.

An dem neu aufgemachten Fass über die leibliche Auferstehung Jesu beteilige ich mich nicht, mich lässt das total kalt.
Dieses "Es kann doch sein, dass..." ist mir sowas von egal, ich habe einfach keine Zeit für solche Spekulationen.
Die Evangelien haben ein ganz anderes Thema, und wenn man das nicht erkennen will, dann ist mir das eben auch herzlich wurscht.

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#59 Re: Das Karsamstags-Evangelium

Beitrag von closs » Mi 6. Apr 2016, 01:00

Savonlinna hat geschrieben:Dieses "Es kann doch sein, dass..." ist mir sowas von egal, ich habe einfach keine Zeit für solche Spekulationen.
Das ist ok. - Wenn allen Beteiligten klar ist, dass man aufgrund der Nicht-Falsifizierbarkeit solcher Fragen nur spekulieren kann, ist das auch schon ein wichtiger Schritt.

Ich stehe zu MEINER Spekulation, weil ich sie ziemlich gut begründen kann, und - noch viel wichtiger: ich weiss vor allem, dass es eine geistige Spekulation ist. - Wenn andere sagen würden, sie könnten auf ihrer anderen Basis ebenso gut begründen, dass Jesus NICHT leiblich auferstanden ist und hinzufügen würden, dass sie wüssten, dass dies ebenfalls eine Spekulation ist, wäre ich mehr als zufrieden.

Mich stört, wenn eine Spekulation als Spinnerei und die andere Spekulation als wissenschaftlich dargestellt wird - ansonsten kann ich mit unterschiedlichen Meinungen und Erkenntnissen aufgrund unterschiedlicher Grundlagen gut umgehen. - Da es unendlich viele unterschiedliche individuelle heilsgeschichtliche Ebenen gibt, ist dies nur folgerichtig.

Ich möchte einfach, dass die Wissenschaft nicht als Deckmantel für weltanschauliche Aussagen missbraucht wird. Das fängt damit an, dass man zeitlich bedingten Vereinbarungen objektiven Rang einräumt und deren Schlussfolgerungen innerhalb der Wissenschaft als Faktum behandelt.

Wäre Luther ein Friese gewesen, wäre unsere Vereinbarung von "deutscher Sprache" die Gleichung "friesisch = standard-deutsch". - Dass heute friesisch als Dialekt gilt, ist nichts anderes als Vereinbarung - es hat mit dem Wert der Sprache im Vergleich zu unserem heutigen Standard-Deutsch selbst überhaupt nichts zu tun. - Falls dieser Sprung in die Sprache verständlich in unserem Zusammenhang rüberkommt.

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#60 Re: Das Karsamstags-Evangelium

Beitrag von sven23 » Mi 6. Apr 2016, 07:11

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Man kann sogar jeden beliebigen Unsinn wissenschaftlich beschreiben ohne diesen Unsinn glauben zu müssen. Ist das so schwer zu verstehen?
Ganz im Gegenteil - es ist doch gerade meine Forderung:

Die HKM müsste in der Lage sein, (im konkreten Fall) die Bibel so zu deuten, als sei Jesus tatsächlich Gott - ohne dies notwendigerweise selber zu glauben. - Genau das tut man aber NICHT, indem man per Analogie- und Plausibilitäts-Kriterien ausschließt, dass Jesus WIRKLICH Gott gewesen sei - somit muss/kann man die Bibel auch nicht dementsprechend deuten.
Nee, du forderst immer das Gegenteil, nämlich dass die Theologen mit einer Glaubensprämisse herangehen müssen. Dabei kann man sogar davon ausgehen, dass die meisten das auch tun. Man studiert ja nicht Theologie, weil man Atheist ist. :lol:
Trotzdem: wenn eine Methode gut ist und eine weitgehende Objektivität garantiert, dann sollten die Glaubensprämissen nur eine untergeordnete Rolle spielen.
Vergleiche es mit Doppelblindstudien. Der persönliche Glaube des Arztes muss für die Untersuchung irrelevant sein.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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