Alles Teufelszeug? IX

Roland
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#461 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von Roland » Mo 2. Apr 2018, 11:07

sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Seine späten Juden-Polemiken waren aber nicht allgemeiner Natur. Im Jahr 1523 verfasste er die Schrift „Dass Jesus ein geborener Jude sei“.
Das ist ja auch kaum zu leugnen. :lol:
Und wieder kürzt Sven ein Zitat um einen Lacher zu erzeugen. Es ging aber so weiter: Dort schreibt Luther, die Juden seien "von dem Geblüt Christi; wir sind Schwäger und Fremdlinge, sie sind Blutsverwandte, Väter und Brüder unseres Herrn". Luther wendet sich darin gegen Gräuelmärchen, die über Juden im Umlauf sind. Er kritisiert deren Ghettoisierung und die Berufsverbote, die über sie verhängt sind. Man solle als Christ freundlich und wertschätzend mit Juden umgehen.
Aber am "ganzen Bild" seid Kubitza und du ja nicht interessiert… ;)

sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Er war kein Antisemit -
Natürlich nicht. Vermutlich hat seine Frau das verfaßt: :lol:
"Die Juden sind ein solch verzweifeltes, durchböstes, durchgiftetes Ding…
Völlig überzogene Polemik am Ende seines Lebens, als Antwort auf ebenso überzogene Hetzschriften von Juden gegen ihn. Ich dachte das hätte ich klar gemacht.

sven23 hat geschrieben: Dann sei auch dir gesagt, dass die historisch-kritische Methode immer noch die Standardauslegung ist, auch auf exegetischer, interpretativer Ebene.
Aber auf wissenschaftlicher Basis. Mit Glaubensbekenntnissen musst du in die glaubensideologische Abteilung wechseln.
Da befindet sich die HKM mittendrin.
Auch wenn sie es "Standardauslegung" nennt, ist der Naturalismus ein Glaube. Unbeweisbar und nicht falsifizierbar.

sven23 hat geschrieben:Die inspirierten Bücher lehren die Wahrheit. ,,Da also all das, was die inspirierten Verfasser oder Hagiographen aussagen, als vom Heiligen Geist ausgesagt gelten muß, ist von den Büchern der Schrift zu bekennen, daß sie sicher, getreu und ohne Irrtum die Wahrheit lehren, die Gott um unseres Heiles willen in heiligen Schriften aufgezeichnet haben wollte"
Katechismus der katholischen Kirche

Man muss sich das mal vorstellen: das will closs uns allen ernstes als Basis wissenschaftlicher Forschung verkaufen. :lol:
Wie gesagt, der Naturalismus ist ein ebenso dogmatisches, unbeweisbares, nicht falzifizierbares Glaubenssystem. Und auf der Grundlage beider Glaubenssysteme kann man die Bibel auslegen.
Wissenschaftliche Forschung auf der Sachebene (Namen, Daten, Personen der Bibel, Archäologie usw.), kommt ohne diese Glaubenssysteme aus. Aber das wirst du vermutlich nie trennen können.

sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben:Thiede war Literaturwissenschaftler und Professor für Umwelt und Zeitgeschichte des Neuen Testaments. Eben noch hast du ihn selbst ins Spiel gebracht, ..

Ja, weil er richtigerweise von Glaubenspropagandaschriften sprach. Dagegen ist doch nichts einzuwenden.
Kubitza spricht weniger polemisch von Gaubensschriften, die Glauben wecken sollten.
Auch das ist natürlich (wie sollte es anders sein) aus dem Zusammenhang gerissen und dann ganu mit falscher Intention wiedergegeben. Hier nochmal die Quelle.
In der Antike, so erzählt Thiede, schrieb keiner, weil er gerade nichts besseres zu tun hatte. Jeder schrieb, weil er etwas bewirken wollte unter einer genau angepeilten Leserschaft. "Kritiker der Evangelien" so Thiede, würden einen abschätzigen Begriff verwenden, nämlich dass es sich bei ihnen um Propaganda handele. Dabei, so der Literaturwissenschaftler, sei es geradezu Grundvoraussetzung für antike Schreiber gewesen, eine Absichtserklärung ihren Schriften oder Biografien vorauszuschicken. Jeder antike Schreiber machte das so. "Schlagen sie irgendein atikes Werk auf, eine Biografie etwa … und sie werden merken, es wird am Anfang erklärt, was der Autor will, was seine Tendenz ist…" es wäre sonst schlicht nicht gelesen worden.

Das bedeute aber gerade NICHT, dass es sich nicht um historisch Zutreffendes handele. Schon mit den ersten drei Worten seiner Schrift, habe Markus einen genialen Einstieg in eine historische Biografie der Spätantike geliefert, erklärt Thiede.

sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Die Mehrheit in der "Jesusforschung" mögen vielleicht vorläufig noch diejenigen Glaubensideologen haben, die einen handlenden Gott ausschließen. Also die atheistischen Glaubensideologen. Die LMU München bezeichnet es jedoch als neuesten Trend in der Jesusforschung, die Evangelien als Geschichtserzählungen wieder ernst zu nehmen. Wie das Christen ohnehin seit 2000 Jahren tun.
Das ist glaubensideologisches Wunschdenken.
Nein, so sagt es die theologische Fakultät.

sven23 hat geschrieben: Noch ist die historisch-kritische Methode die Standardauslegung und sie wird es auch bleiben, wenn die historische Forschung den Anspruch auf Wissenschaftlichkeit nicht aufgibt.
Eine tapfere Durchhalteparole für die Glaubensideologie des Naturalismus (die du natürlich wieder fälschlicherweise mit "Wissenschaft" gleichsetzt). Vielleicht kommt es auch so. Das NT sagt ja gar keinen Sieg des Christentums voraus sondern die Apokalypse. Der Sieg der Liebe kommt erst mit der Wiederkunft Jesu. An die die meisten HKM-Exegeten vermutlich auch nicht mehr im wörtlichen Sinne glauben. Was ist daran eigentlich noch "christlicher Glaube"? Nichts, es ist naturalistischer Glaube.

sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben:Muss man anders sehen: Strauß vermutete vor 150 Jahren aus ideologischen Gründen, dass den Schreibern die historischen Fakten wenig am Herzen lagen.
Und heute ist die Vermutung zur Gewissheit geworden.
Wie gezeigt, ist genau das Gegenteil der Fall.

sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Na ja, wenn es historisch so gewesen ist, dann hat er den Bogen selbst überspannt.
Einfach, indem er die Wahrheit gesagt hat. So ist das wohl.
Das Todesurteil hat der römische Präfekt Pontius Pilatus gesprochen…
Quelle: bibelwissenschaft.de
Diesem Text von bibelwissenschaft.de kann ich voll und ganz zustimmen. Zusammengefasst: "Vieles deutet auf dieses hin, vieles auf jenes, manches bleibt unklar…" Viermal kommen in dem kurzen Text Worte wie "wahrscheinlich, vermutlich, möglicherweise" vor. Man kann alle möglichen Vermutungen anstellen und es kann auch alles so gewesen sein, wie es die Evangelien wiedergeben.

sven23 hat geschrieben:Die Befundlage ist eine andere. Die Forschung unterscheidet ja auch zwischen authentischen Aussagen und Aussagen, die ihm die Schreiber nachträglich in den Mund gelegt haben. Die antijudaistischen Passagen stammen demnach nicht von ihm.
Auch hier gilt "vermutlich, möglicherweise, manches deutet auf dies, manches auf jenes hin" es gibt genau Null harte Kriterien zur Ermittlung authentischer oder nicht authentischer Aussagen Jesu.
Das ist keine "Befundlage" sondern weltanschauliche "Befindlichkeitslage" bestimmter Exegeten.

sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Wie schon gezeigt: Zur Zeit der "Schreiber" war es noch sozusagen eine messianisch-jüdische Sekte, eine innerjüdische Debatte, wie die Wissenschaftler Schreckenberg, Thiede/Stingelin und übrigens auch Gerd Theißen sagen. Das Neue Testament liefert "keine Handhabe zu Judenhass und Judenverfolgung".
Trotzdem hat ihnen die Ablehnung gewaltig gestunken.
:lol: Tja, so ist das eben. Warum schreibst DU denn hier manchmal Tag und Nacht über Glaubensfragen? Weil es dir stinkt, dass andere einen anderen Glauben vertreten, als deinen atheistisch/naturalistischen.
Trotzdem liefert das Neue Testament keine Handhabe zu Judenhass und Judenverfolgung.
Dass es dennoch überall in der Welt, auch z.T. in den Kirchen, Judenhass gegeben hat und leider bis heute gibt, steht außer Frage.

sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben:Die Sache sieht inzwischen umgekehrt aus: Verteidigen müssen sich diejenigen, die immer noch an dieser für die gesamte Antike einzigartigen Bezeugung zweifeln. Denn sie tun es gegen den Stand der Forschung." C.P. Thiede
Nein, der Stand der Forschung ist immer noch, dass die Evangelien oder das NT im allgemeinen nicht einfach unkritisch als historische Berichte gelesen werden können.
Thiede spricht von der Sachebene, von Wissenschaft, von der Datierung von Papyri und von Archäologie und dass sich das NT über 2000 Jahre hinweg als historisch zuverlässig erwiesen hat.

sven23 hat geschrieben: Die Evangelien sind das Ergebnis eines längeren Entstehungsprozesses:
Der Abfassung der Evangelien geht eine längere Phase der mündlichen und schriftlichen
Überlieferung voraus.

Häfner, Grundwissen Neues Testament
Ja, Thiede spricht in dem Video, das Halman damals gepostet hat, im Falle des Markusevangeliums von einem Ermessensspielraum von 7-35 Jahren. Datierung also für das Jahr 40 oder kurz vor der Tempelzerstörung im Jahr 70. Und interessant ist auch, dass Häfner schreibt, dass in dieser Phase auch schriftlich überliefert worden sei. Also nicht nur mündlich, wie immer gern behauptet wird.
Das ist in der Tat eine für die gesamte Antike einzigartigen Bezeugung.
"Die messbare Seite der Welt ist nicht die Welt. Sie ist die messbare Seite der Welt." Martin Seel
"Der Glaube an die Wissenschaft spielt die Rolle der herrschenden Religion unserer Zeit." C. F. v. Weizsäcker

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#462 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von Roland » Mo 2. Apr 2018, 11:08

Zeus hat geschrieben:
Roland hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Aus jüdischer Sicht nur allzu verständlich. Der schändliche Kreuzestod als gewöhnlicher Verbrecher war ja gerade für die Juden der Beweis, dass Jesus niemals der im AT verheißene Messias gewesen sein konnte.
Dann kannten sie ihre Bibel schlecht, die genau das z.T. detailliert schildert, Jesaja 53:
Du unterstellst also den Juden, sie verstünden nichts von ihrer eigenen Schrift, wie schon der Kirchenvater Justin (100-165), der herablassend schrieb:"Wenn sie darin lesen, verstehen sie ihren Sinn nicht." […]
https://auslegung.wordpress.com/2013/06 ... jesaja-53/
Natürlich legen Juden Jesaja 53 anders aus, als Christen und Christen sehen dies als ein falsches Verständnis an - und umgekehrt. Das liegt in der Natur der Sache. Die jüdische Auslegung von Jesaja 53 ist m.E. in der Tat sehr weit hergeholt.
Der Text soll einen Ausblick darüber geben, wie sich die Nationen in ferner Zukunft ihre ungerechte Haltung gegenüber Israel eingestehen werden. […]
Fürwahr, er hat unsere Krankheit getragen und unsere Schmerzen auf sich geladen; wir aber hielten ihn für bestraft, von Gott geschlagen und niedergebeugt. (Redner: Die Nationen)
Bei dem vierten Vers reden die Nationen „in ferner Zukunft“, wenn Jahwehs Plan mit Israel den Völkern bewusst geworden sein wird. Sie erkennen „rückwirkend“ die Position und Funktion Israels an (vgl. 5.Mose 7,6/ 14,2/ 26,19)
Die Nationen (also gewissermaßen "wir" Nichtjuden) haben die Juden verfolgt und die Juden haben durch diese Verfolgung unsere Schmerzen auf sich geladen? Also die Schmerzen, die wir den Juden zugefügt haben, haben sie "für uns" getragen?

Logischer ist es, dass Gott selbst für uns gelitten hat. "Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten und durch seine Wunden sind wir geheilt."
Wohl dem, der das für sich annimmt!
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#463 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von sven23 » Mo 2. Apr 2018, 11:26

Roland hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Die Schutzbulle ist wohl das Feigenblatt, das den kirchlichen Antijuduaismus kaschieren soll.
Eine päpstliche Bulle ist eine besiegelte Rechtsurkunde, kein Feigenblatt.
Judenfeindlichkeit gab es zu allen Zeiten in allen gesellschaftlichen Schichten. Mal drei von vielen Beispielen:

Immanuel Kant: "Juden sind die Blutsauger der Gesellschaft, eine Nation von Betrügern."

Johann Gottlieb Fichte: "Fast durch alle Länder von Europa verbreitet sich ein mächtiger, feindselig gesinnter Staat, der mit allen übrigen im beständigen Kriege steht, und der in manchen fürchterlich schwer auf die Bürger drückt; es ist das Judentum."

Voltaire: "Entweder die Juden unterjochten alle oder wurden von der gesamten Menschheit gehasst, ....sie sind nichtsdestoweniger die allergrößten Lumpen, die jemals die Oberfläche der Erde besudelt haben."
Könnte noch viele Denker der Aufklärung zitieren, Herder, Hegel, Nietzsche…
Eben, hier zeigen sich die Früchte, die schon im NT gesät wurden. 2000 Jahre biblische und kirchliche Indoktrination sind nicht spurlos vorübergegangen.
Und an ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.


Roland hat geschrieben: Dann würde der Nachbar sich einen Anwalt nehmen und die nächste Instanz anrufen. Ist vielleicht ein Fehler, die Justiz im Rechtsstaat Deutschland, mit der der alten Römer zu vergleichen… :)
Vergleichbar sind die Rechtssysteme nicht, aber auch unter den Römern wurde man nicht einfach wegen der Propagierung von Nächsten- und Feindesliebe hingerichtet. Da liegt der Verdacht zur Anstiftung zum Aufruhr näher.


Roland hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Das muss im Rahmen der Parusieverzögerung gesehen werden. Irgendwann wurde ja auch dem letzten klar, dass Jesus sich wohl geirrt haben mußte.
M.a.W. das wurde Jesus alles in den Mund gelegt. Die übliche Verschwörungstheorie, für die es genau Null Belege gibt. Solch unplausible Theorien sind das EINZIGE, was ihr habt um die These vom Irrtum Jesu aufrecht erhalten zu können.
Zumindest hat die Forschung den Anspruch, authentische Jesusworte von nicht authentischen zu unterscheiden. Glaubensideologen haben diesen Anspruch nicht, bzw. können ihn gar nicht haben, weil ihre Basis der Auslegung auf Glaubensbekenntnissen beruht.

Die inspirierten Bücher lehren die Wahrheit. ,,Da also all das, was die inspirierten Verfasser oder Hagiographen aussagen, als vom Heiligen Geist ausgesagt gelten muß, ist von den Büchern der Schrift zu bekennen, daß sie sicher, getreu und ohne Irrtum die Wahrheit lehren, die Gott um unseres Heiles willen in heiligen Schriften aufgezeichnet haben wollte"
Katechismus der katholischen Kirche

Dass dies nichts mit Wissenschaft zu tun hat, braucht man nicht näher zu erläutern. Aber vermutlich willst du das ebenso wenig wahrhaben wie closs. :roll:


Roland hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Dann besteht die Forschung wohl nur aus Bibelfälschern. Welche Motive sollten sie dafür haben?

Als Jesus den gegenwärtigen Beginn der Gottesherrschaft verkündigte, rechnete er mit deren Kommen während seines Lebens.“
Gerd Theißen
Ja, er rechnete mit dem Beginn der Gottesherrschaft während seines Lebens. Sagt er doch: "Das Reich Gottes ist mitten unter euch."
Das ist damit definitiv nicht gemeint, denn vor einem inneren Gottesreich muss man nicht zur Eile und Umkehr mahnen, weil der Gerichtstermin unmittelbar vor der Tür steht. Das ist nun mal das Geschäft eines Endzeitpropheten und Apokalyptikers.

Roland hat geschrieben: "...daß wir.....unbefangen, ehrlich, nüchtern und deutlich zugeben müssen, daß es bei Jesus wirklich eine zeitliche Naherwartung gegeben hat, die so....sich nicht erfüllt hat"
Karl Rahner
Rahner schreibt in "Einführung in den Begriff des Christentums": "Wenn man […] den existentialontologisch richtigeren Begriff von "Irrtum" voraussetzt und bewahrt, ist kein Grund gegeben, von einem Irrtum Jesu in seiner Naherwartung zu sprechen." Rahner spricht dort von einer "unlöslichen Verbundenheit zwischen der von Jesus als neu verkündeten Nähe des Reiches und seiner Person" und dass "diese neue Nähe des Reiches durch das Gesamt seines Redens und Tuns eintritt."
Ja und, was ändert das an dem Irrtum der Naherwartung?

Roland hat geschrieben: „Es bedarf keines Wortes, daß sich Jesus in der Erwartung des nahen Weltendes getäuscht hat.“
(Rudolf Bultmann, Das Urchristentum, S. 22)
Die These, Jesus habe das nahe Weltende erwartet, ist aufgrund des Gesamtkontextes des NT auszuschließen (Ratzinger). Da könnt ihr nur noch verschwörungstheoretisch eine Fälschung desselben postulieren, ohne es belegen zu können.
Nee, das ist klar wie closs-Brühe. :lol:
Ratzinger ist sowieso gescheitert und abgewatscht worden.

https://www.bibelwerk.de/sixcms/media.p ... stbuch.pdf
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#464 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von Munro » Mo 2. Apr 2018, 11:31

Wenn ich die Bibelchristen recht verstehe, so ist das pöööööööööööse pööööööööööööööööööse Wort "Ostern" des Teufels. :devil:
Und man darf dieses pööööööööööööse pöööööööööööööööööööse Fest auch gar nicht feiern. :devil:

I beg to differ. :) :wave:
Jean Paul Getty:
Die Sanftmütigen werden die Erde besitzen, aber nicht die Schürfrechte.

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sven23
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#465 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von sven23 » Mo 2. Apr 2018, 11:55

Roland hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Seine späten Juden-Polemiken waren aber nicht allgemeiner Natur. Im Jahr 1523 verfasste er die Schrift „Dass Jesus ein geborener Jude sei“.
Das ist ja auch kaum zu leugnen. :lol:
Und wieder kürzt Sven ein Zitat um einen Lacher zu erzeugen. Es ging aber so weiter: Dort schreibt Luther, die Juden seien "von dem Geblüt Christi; wir sind Schwäger und Fremdlinge, sie sind Blutsverwandte, Väter und Brüder unseres Herrn". Luther wendet sich darin gegen Gräuelmärchen, die über Juden im Umlauf sind. Er kritisiert deren Ghettoisierung und die Berufsverbote, die über sie verhängt sind. Man solle als Christ freundlich und wertschätzend mit Juden umgehen.
Aber am "ganzen Bild" seid Kubitza und du ja nicht interessiert… ;)
Doch aber zum Gesamtbild gehört auch seine antisemitische Seite.

"Die Juden sind ein solch verzweifeltes, durchböstes, durchgiftetes Ding, dass sie 1400 Jahre unsere Plage, Pestilenz und alles Unglück gewesen sind und noch sind. Summa, wir haben rechte Teufel an ihnen...; Man sollte ihre Synagogen und Schulen mit Feuer anstecken, ... unserem Herrn und der Christenheit zu Ehren, damit Gott sehe, dass wir Christen seien (...) ihre Häuser desgleichen zerbrechen und zerstören."
(Luther: Von den Juden und ihren Lügen, Tomos 8, S. 88ff)


Roland hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Er war kein Antisemit -
Natürlich nicht. Vermutlich hat seine Frau das verfaßt: :lol:
"Die Juden sind ein solch verzweifeltes, durchböstes, durchgiftetes Ding…
Völlig überzogene Polemik am Ende seines Lebens, als Antwort auf ebenso überzogene Hetzschriften von Juden gegen ihn. Ich dachte das hätte ich klar gemacht.
Ja, polemisch und überzogen und am Ende seines Lebens, was bedeuten könnte, dass er seine früheren Äußerungen für null und nichtig erklärt.

Roland hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Dann sei auch dir gesagt, dass die historisch-kritische Methode immer noch die Standardauslegung ist, auch auf exegetischer, interpretativer Ebene.
Aber auf wissenschaftlicher Basis. Mit Glaubensbekenntnissen musst du in die glaubensideologische Abteilung wechseln.
Da befindet sich die HKM mittendrin.
Auch wenn sie es "Standardauslegung" nennt, ist der Naturalismus ein Glaube. Unbeweisbar und nicht falsifizierbar.
Aber so funktioniert die Welt nun mal. Da braucht man auch keinen Descartes vozuschieben, wie closs das immer tut. Völlig irrelevant.

Roland hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die inspirierten Bücher lehren die Wahrheit. ,,Da also all das, was die inspirierten Verfasser oder Hagiographen aussagen, als vom Heiligen Geist ausgesagt gelten muß, ist von den Büchern der Schrift zu bekennen, daß sie sicher, getreu und ohne Irrtum die Wahrheit lehren, die Gott um unseres Heiles willen in heiligen Schriften aufgezeichnet haben wollte"
Katechismus der katholischen Kirche

Man muss sich das mal vorstellen: das will closs uns allen ernstes als Basis wissenschaftlicher Forschung verkaufen. :lol:
Wie gesagt, der Naturalismus ist ein ebenso dogmatisches, unbeweisbares, nicht falzifizierbares Glaubenssystem. Und auf der Grundlage beider Glaubenssysteme kann man die Bibel auslegen.
Wissenschaftliche Forschung auf der Sachebene (Namen, Daten, Personen der Bibel, Archäologie usw.), kommt ohne diese Glaubenssysteme aus. Aber das wirst du vermutlich nie trennen können.
Da irrst du dich gewaltig und eigentlich habe ich es oft genug gesagt. Ich unterscheide ganz entschieden zwischen historisch-kritischer, also wissenschaftlicher Forschung und Exegesen, die auf obige Glaubensbekenntnisse angewiesen sind.
Wer den Unterschied nicht sehen will, dem ist nicht mehr zu helfen.


Roland hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Die Mehrheit in der "Jesusforschung" mögen vielleicht vorläufig noch diejenigen Glaubensideologen haben, die einen handlenden Gott ausschließen. Also die atheistischen Glaubensideologen. Die LMU München bezeichnet es jedoch als neuesten Trend in der Jesusforschung, die Evangelien als Geschichtserzählungen wieder ernst zu nehmen. Wie das Christen ohnehin seit 2000 Jahren tun.
Das ist glaubensideologisches Wunschdenken.
Nein, so sagt es die theologische Fakultät.
Trotzdem ist und bleibt die historisch-kritische Methode die Standardmethode. Wer was anderes will, muss ins glaubensideologische Lager wechseln.

Roland hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Noch ist die historisch-kritische Methode die Standardauslegung und sie wird es auch bleiben, wenn die historische Forschung den Anspruch auf Wissenschaftlichkeit nicht aufgibt.
Eine tapfere Durchhalteparole für die Glaubensideologie des Naturalismus (die du natürlich wieder fälschlicherweise mit "Wissenschaft" gleichsetzt). Vielleicht kommt es auch so. Das NT sagt ja gar keinen Sieg des Christentums voraus sondern die Apokalypse.
Die aber seit 2000 Jahren ausgeblieben ist.
Klar, irgendwann wird sie kommen, spätestens, wenn der Sonne der Brennstoff ausgeht. Aber der gäliläische Wanderprediger hat damit nichts zu tun.

Roland hat geschrieben: Der Sieg der Liebe kommt erst mit der Wiederkunft Jesu. An die die meisten HKM-Exegeten vermutlich auch nicht mehr im wörtlichen Sinne glauben. Was ist daran eigentlich noch "christlicher Glaube"? Nichts, es ist naturalistischer Glaube.
Das ist wieder ein anderes Thema.

Roland hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben:Muss man anders sehen: Strauß vermutete vor 150 Jahren aus ideologischen Gründen, dass den Schreibern die historischen Fakten wenig am Herzen lagen.
Und heute ist die Vermutung zur Gewissheit geworden.
Wie gezeigt, ist genau das Gegenteil der Fall.
Nö, die Ergebnisse der historischen Jesusforschung liegen auf dem Tisch und decken sich weitgehend mit den Erkenntnissen von Strauß. :thumbup:

Roland hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Einfach, indem er die Wahrheit gesagt hat. So ist das wohl.
Das Todesurteil hat der römische Präfekt Pontius Pilatus gesprochen…
Quelle: bibelwissenschaft.de
Diesem Text von bibelwissenschaft.de kann ich voll und ganz zustimmen. Zusammengefasst: "Vieles deutet auf dieses hin, vieles auf jenes, manches bleibt unklar…" Viermal kommen in dem kurzen Text Worte wie "wahrscheinlich, vermutlich, möglicherweise" vor. Man kann alle möglichen Vermutungen anstellen und es kann auch alles so gewesen sein, wie es die Evangelien wiedergeben.
Das sagt ich ja bereits: der genaue Anklagepunkt bleibt im Unklaren. Viele Prozessumstände werden aber als unhistorisch, weil nicht der damaligen Rechtspraxis entsprechend, angenommen.

Roland hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Befundlage ist eine andere. Die Forschung unterscheidet ja auch zwischen authentischen Aussagen und Aussagen, die ihm die Schreiber nachträglich in den Mund gelegt haben. Die antijudaistischen Passagen stammen demnach nicht von ihm.
Auch hier gilt "vermutlich, möglicherweise, manches deutet auf dies, manches auf jenes hin" es gibt genau Null harte Kriterien zur Ermittlung authentischer oder nicht authentischer Aussagen Jesu.
Das ist keine "Befundlage" sondern weltanschauliche "Befindlichkeitslage" bestimmter Exegeten.
Du meinst also, die judenfeindlichen Äußerungen stammen von Jesus?

Roland hat geschrieben: Trotzdem liefert das Neue Testament keine Handhabe zu Judenhass und Judenverfolgung.
Dann hat die Kirche die Evangelien wohl falsch interpretiert? :lol:

Roland hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben:Die Sache sieht inzwischen umgekehrt aus: Verteidigen müssen sich diejenigen, die immer noch an dieser für die gesamte Antike einzigartigen Bezeugung zweifeln. Denn sie tun es gegen den Stand der Forschung." C.P. Thiede
Nein, der Stand der Forschung ist immer noch, dass die Evangelien oder das NT im allgemeinen nicht einfach unkritisch als historische Berichte gelesen werden können.
Thiede spricht von der Sachebene, von Wissenschaft, von der Datierung von Papyri und von Archäologie und dass sich das NT über 2000 Jahre hinweg als historisch zuverlässig erwiesen hat.
Von historischer Zuverlässigkeit gehen ja nur die Glaubensideologen aus.
Die Forschung tut dies nicht.

• Das Neue Testament bietet eine Fülle an Jesusüberlieferungen, es kann jedoch nicht
einfach unkritisch als historische Quelle gelesen werden (s.u. 4.).
• Ziel der historischen Rückfrage nach Jesus ist es deshalb, mit Hilfe eines methodischen Verfahrens aus den Jesusüberlieferungen diejenigen Traditionselemente herauszukristallisieren, die mit großer Wahrscheinlichkeit auf die Person des irdischen Jesus
zurückgeführt werden können; also den Weg zurückzugehen von den synoptischen
Evangelien zum historischen Jesus.

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#466 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von sven23 » Mo 2. Apr 2018, 12:22

Roland hat geschrieben:
Zeus hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Dann kannten sie ihre Bibel schlecht, die genau das z.T. detailliert schildert, Jesaja 53:
Du unterstellst also den Juden, sie verstünden nichts von ihrer eigenen Schrift, wie schon der Kirchenvater Justin (100-165), der herablassend schrieb:"Wenn sie darin lesen, verstehen sie ihren Sinn nicht." […]
https://auslegung.wordpress.com/2013/06 ... jesaja-53/
Natürlich legen Juden Jesaja 53 anders aus, als Christen und Christen sehen dies als ein falsches Verständnis an - und umgekehrt. Das liegt in der Natur der Sache. Die jüdische Auslegung von Jesaja 53 ist m.E. in der Tat sehr weit hergeholt.

Nee, eher umgekehrt. Der Gottesknecht ist keine Person der Zukunft sondern eine der Vergangenheit. Die christliche Umdeutung geschieht gegen den Schriftsinn.



Weitaus besser und wirkungskräftiger als solche Abstrusitäten wurden die
Gottesknechtlieder Jesajas, vor allem Jes 53, für die Deutung des Geschehens
herangezogen.

Er wurde verachtet und von den Menschen gemieden, ein Mann voller Schmerzen, mit Krankheit vertraut. […] Aber
er hat unsere Krankheit getragen und unsere Schmerzen auf sich geladen. Wir meinten, er sei von Gott geschlagen,
von ihm getroffen und gebeugt. Doch er wurde durchbohrt wegen unserer Verbrechen, wegen unserer Sünden
zermalmt. Zu unserem Heil lag die Strafe auf ihm, durch seine Wunden sind wir geheilt. […] Er wurde misshandelt
und niedergedrückt, aber er tat seinen Mund nicht auf. Wie ein Lamm, das man zum Schlachten führt, und wie ein
Schaf angesichts seiner Scherer, so tat er seinen Mund nicht auf.
(Jes 53,3–5;7)

Die Stelle, zumindest in den hier zitierten Teilen, wirkt fast wie ein Kurzauszug der
Rechtfertigungslehre und könnte so bei Paulus stehen (und steht dort auch mit anderen
Worten). Die Christen sehen hier eine klare Weissagung der Leiden Jesu. Nur: Die Verse
sind ja gar nicht als Weissagung formuliert, sondern blicken auf ein Geschehen zurück.
Der Gottesknecht ist eine Gestalt der Vergangenheit, ein künftiger Gerechter kann damit
nicht gemeint sein. Die frommen Juden haben deshalb diese Stelle auch nie auf den
Messias bezogen. Die Frage, wer der leidende Gottesknecht ist oder war, wird in der
alttestamentlichen Forschung eifrig diskutiert. „Man denkt an Moses, an eine Gestalt aus
der Zeit der alttestamentlichen Propheten, an Josia, Jojachin, auch an den sterbenden
und auferstehenden Gott Tammuz oder an eine Personifikation der Prophetie. Vielleicht
am häufigsten aber bezieht man das Leiden des Gottesknechts kollektiv auf Israel, das bei
Deuterojesaja auch öfter Gottesknecht genannt wird und ebenso bei anderen Propheten.“
(Deschner, Abermals krähte der Hahn, S. 136) Dass damit irgendwie Jesus gemeint sein
könnte, wird heute von keinem ernstzunehmenden Forscher mehr behauptet.
Gleichwohl verweisen die Kirchen gerne auf diese Stelle, und sie steht bei den
Gläubigen in hohem Ansehen. Dies liegt daran, dass sie tatsächlich die zentrale Stelle zur
Deutung von Jesu Passion wurde. Aber die Reihenfolge war eine andere: Nicht war es so,
dass hier bei Jesaja etwas prophezeit wurde (es wurde ja nichts prophezeit), was dann in
Jesu Tod eingetreten ist, sondern umgekehrt, Jesu Leiden und Tod war quasi zuerst da,
und nur nachträglich wurde dieser Tod mit dem Bild des leidenden Gottesknechts
verbunden. Das Leiden Jesu, für seine Jünger noch unverständlich und sinnlos, erhält so
seinen aus dem Alten Testament mit Gewalt herbeigezogenen Sinn. Die paulinische
Rechtfertigungslehre leitet sich daraus ab, Augustinus, Anselm von Canterbury und
Thomas von Aquin (und viele andere) rezipieren sie, Luthers Reformation und der
gesamte Protestantismus beruft sich darauf. Sie berufen sich auf eine Stelle, die nicht mit
einem Messias und schon gar nichts mit dem historischen Jesus zu tun hat. Man darf
darüber spekulieren, wie sich die christliche Theologie entwickelt hätte, hätte man das
Leiden Jesu nicht in eine Zuckmayer’sche Uniform gehüllt und mit einer Deutung
versehen, die zwar im Angebot, aber letztlich eine Nummer zu groß war.
Das Alte Testament (das erst Ende des ersten Jahrhunderts n. Chr. kanonisiert wurde)
hat also nicht nur die ausschmückenden Details der Passion Christi geliefert, sondern
auch den Interpretationsrahmen beigesteuert. Für die ersten (Juden-)Christen war dies
wichtig, damit sie sich selbst und ihrer jüdischen Umwelt der Kontinuität zur jüdischen
Glaubenswelt versichern konnten. Für die späteren Heidenchristen musste die
alttestamentliche Rückbindung verständlicherweise eine geringere Rolle spielen. Sie
konnten auch mit der jüdischen Vorstellung eines Messias nichts anfangen. Gegen alle
falsche Bescheidenheit wurde Jesus in ihrer Gedankenwelt zu einem Gott.

Kubitza, Der Jesuswahn
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

Roland
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#467 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von Roland » Mo 2. Apr 2018, 20:44

sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Voltaire: "Entweder die Juden unterjochten alle oder wurden von der gesamten Menschheit gehasst, ....sie sind nichtsdestoweniger die allergrößten Lumpen, die jemals die Oberfläche der Erde besudelt haben."
Könnte noch viele Denker der Aufklärung zitieren, Herder, Hegel, Nietzsche…
Eben, hier zeigen sich die Früchte, die schon im NT gesät wurden.
Ausgerechnet Voltaire und Nietzsche haben ihre Judenfeindschaft aus der Bibel. Na klar. Das wäre selbst dann unwahrscheinlich, wenn Judenfeindschaft im Neuen Testament angelegt WÄRE. Was aus den genannten Gründen gar nicht der Fall ist.

sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Dann würde der Nachbar sich einen Anwalt nehmen und die nächste Instanz anrufen. Ist vielleicht ein Fehler, die Justiz im Rechtsstaat Deutschland, mit der der alten Römer zu vergleichen… :)
Vergleichbar sind die Rechtssysteme nicht, aber auch unter den Römern wurde man nicht einfach wegen der Propagierung von Nächsten- und Feindesliebe hingerichtet. Da liegt der Verdacht zur Anstiftung zum Aufruhr näher.
Natürlich! Auf Betreiben und auf Initiative der Juden haben die Römer ihn hingerichtet. Vorwurf: Er hat gesagt, dass er der Juden König sei. Theißen/Merz sprechen von einer breiten Beteiligung sowohl auf jüdischer, wie auch römischer Seite, bei den Eliten wie beim einfachen Volk.

sven23 hat geschrieben: Zumindest hat die Forschung den Anspruch, authentische Jesusworte von nicht authentischen zu unterscheiden. Glaubensideologen haben diesen Anspruch nicht, bzw. können ihn gar nicht haben, weil ihre Basis der Auslegung auf Glaubensbekenntnissen beruht.
Mangels geeigneter Kriterien sind es aber dennoch stets subjektive Entscheidungen, was man als athentisch ansieht und was nicht. Also letztlich auch nur Glaubensentscheidungen.

Man sagt quasi:
"Unsere Grundannahme ist es, dass Jesus nur ein rein menschlicher Wanderprediger und nicht Gottes Sohn war. Also kommt uns ein eschatologischer Irrtum Jesu zupass, folglich sind Jesus-Worte, die dem entgegensprechen nicht authentisch."

Auch nur eine Auslegung, die auf Glaubensbekenntnissen beruht.
Und ich kritisiere das nicht einmal. Wir haben Glaubens- Meinungs- und Religionsfreiheit.
Kritisieren tu ich einzig und allein, wenn man es nicht zugibt!

sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Als Jesus den gegenwärtigen Beginn der Gottesherrschaft verkündigte, rechnete er mit deren Kommen während seines Lebens.“
Gerd Theißen
Ja, er rechnete mit dem Beginn der Gottesherrschaft während seines Lebens. Sagt er doch: "Das Reich Gottes ist mitten unter euch."
Das ist damit definitiv nicht gemeint, denn vor einem inneren Gottesreich muss man nicht zur Eile und Umkehr mahnen, weil der Gerichtstermin unmittelbar vor der Tür steht. Das ist nun mal das Geschäft eines Endzeitpropheten und Apokalyptikers.
Zur Eile muss man immer mahnen. Weiß doch niemand, ob er morgen noch lebt!

sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Rahner schreibt in "Einführung in den Begriff des Christentums": "Wenn man […] den existentialontologisch richtigeren Begriff von "Irrtum" voraussetzt und bewahrt, ist kein Grund gegeben, von einem Irrtum Jesu in seiner Naherwartung zu sprechen." Rahner spricht dort von einer "unlöslichen Verbundenheit zwischen der von Jesus als neu verkündeten Nähe des Reiches und seiner Person" und dass "diese neue Nähe des Reiches durch das Gesamt seines Redens und Tuns eintritt."
Ja und, was ändert das an dem Irrtum der Naherwartung?
Die Nähe des Reiches ist verbunden mit seiner (Jesu) Person, sie tritt ein durch das Gesamt seines Rendens und Tuns. Es geht nicht um das nahe Ende der Welt sondern um die Ankunft seiner Person. Es gibt keinen Grund von einem Irrtum Jesu in seiner Naherwartung zu sprechen. So Rahner.

sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: „Es bedarf keines Wortes, daß sich Jesus in der Erwartung des nahen Weltendes getäuscht hat.“
(Rudolf Bultmann, Das Urchristentum, S. 22)
Die These, Jesus habe das nahe Weltende erwartet, ist aufgrund des Gesamtkontextes des NT auszuschließen (Ratzinger). Da könnt ihr nur noch verschwörungstheoretisch eine Fälschung desselben postulieren, ohne es belegen zu können.
Nee, das ist klar wie closs-Brühe. :lol:
Ratzinger ist sowieso gescheitert und abgewatscht worden.
https://www.bibelwerk.de/sixcms/media.p ... stbuch.pdf
Der englische Historiker Peter Watson nennt Ratzinger einen der letzten Vertreter des deutschen Genius, in einer Reihe mit Lessing, Kant und Beethoven. Und der Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa nennt ihn einen der bedeutendsten Intellektuellen der Gegenwart. Wer ist eigentlich Michael Theobald, dass der ihn "abwatschen" könnte? :lol:

Theobald hat eine Erwiderung geschrieben, aus seiner Glaubenssicht. Das ist sein gutes Recht, mehr nicht.
Was Ratzinger schreibe, so Michael Theobald, erinnere "fatal an supranaturale Weltdeutungen früherer Zeiten". Die Welt darf also seiner Meinung nach nur naturalistisch gedeutet werden. Auch so einer, der offenbar in der Philosophie des 18./19. Jahrhunderts stecken geblieben ist.
OK, so hat eben jeder seinen Glauben.

Ratzinger hat jedenfalls vollkommen Recht und das kann man jederzeit belegen: Die These, Jesus habe das nahe Weltende erwartet, ist aufgrund des Gesamtheit der Jesusworte "eindeutig auszuschließen".

sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Und wieder kürzt Sven ein Zitat um einen Lacher zu erzeugen. Es ging aber so weiter: Dort schreibt Luther, die Juden seien "von dem Geblüt Christi; wir sind Schwäger und Fremdlinge, sie sind Blutsverwandte, Väter und Brüder unseres Herrn". Luther wendet sich darin gegen Gräuelmärchen, die über Juden im Umlauf sind. Er kritisiert deren Ghettoisierung und die Berufsverbote, die über sie verhängt sind. Man solle als Christ freundlich und wertschätzend mit Juden umgehen.
Aber am "ganzen Bild" seid Kubitza und du ja nicht interessiert…
Doch aber zum Gesamtbild gehört auch seine antisemitische Seite.
Und warum fokussiert ihr euch dann ausschließlich auf diese, wenig verbreitete Schrift Luthers, die er kurz vor seinem Tod schrieb - und verschweigt die von mir zitierte? Und verschweigt außerdem, dass es sich bei dieser Schrift um die Antwort auf ebenso polemische Provokationen von jüdischer Seite handelte?

"Das Judentum ist eine Pest, wie sie feindseliger und gehässiger gegenüber der Lehre Christi nicht zu finden ist", schrieb der damals führende Humanist und Zeitgenosse Luthers, Erasmus von Rotterdam (1466–1536).
Das gehört auch zum ganzen Bild: Die Feindseligkeit und Gehässigkeit der Juden gegenüber dem Christentum wird Erasmus nicht aus der Luft gegriffen haben. Gegenseitige Polemiken, ein gegenseitiges Sich-Aufschaukeln, waren also an der Tagesordnung. Das Vokabular war damals nicht so "politisch korrekt" wie heute, wo man nicht mal mehr "Mohrenkopf'" sagen darf. Das erklärt manches, entschuldigt Luthers Schrift dennoch nicht. Er hätte diese späte Schrift besser nicht verfasst. Ihn deshalb als Antisemiten und Wegbereiter des Holocaust zu bezeichnen halte ich dennoch eindeutig für falsch.
"Die messbare Seite der Welt ist nicht die Welt. Sie ist die messbare Seite der Welt." Martin Seel
"Der Glaube an die Wissenschaft spielt die Rolle der herrschenden Religion unserer Zeit." C. F. v. Weizsäcker

Roland
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#468 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von Roland » Mo 2. Apr 2018, 20:52

sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Mit Glaubensbekenntnissen musst du in die glaubensideologische Abteilung wechseln.
Da befindet sich die HKM mittendrin.
Auch wenn sie es "Standardauslegung" nennt, ist der Naturalismus ein Glaube. Unbeweisbar und nicht falsifizierbar.
Aber so funktioniert die Welt nun mal. Da braucht man auch keinen Descartes vozuschieben, wie closs das immer tut. Völlig irrelevant.
So funktioniert die messbare Seite der Welt. Aber jeder weiß heute: Das ist nur die messbare Seite!
Im Grunde wissen wir gar nichts. Der Naturalismus ist unbeweisbar und nicht falsifizierbar. Ein Glaube.

sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Wie gesagt, der Naturalismus ist ein ebenso dogmatisches, unbeweisbares, nicht falzifizierbares Glaubenssystem. Und auf der Grundlage beider Glaubenssysteme kann man die Bibel auslegen.
Wissenschaftliche Forschung auf der Sachebene (Namen, Daten, Personen der Bibel, Archäologie usw.), kommt ohne diese Glaubenssysteme aus. Aber das wirst du vermutlich nie trennen können.
Da irrst du dich gewaltig und eigentlich habe ich es oft genug gesagt. Ich unterscheide ganz entschieden zwischen historisch-kritischer, also wissenschaftlicher Forschung und Exegesen, die auf obige Glaubensbekenntnisse angewiesen sind.
Nur merkst du nicht, dass historisch-kritische Exegese auch auf ein Glaubensbekenntnis angewiesen ist. Dem Naturalistischen eben. Wissenschaftlich ist die HKM nur auf der reinen Sachebene.

sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Das ist glaubensideologisches Wunschdenken.
Nein, so sagt es die theologische Fakultät.
Trotzdem ist und bleibt die historisch-kritische Methode die Standardmethode. Wer was anderes will, muss ins glaubensideologische Lager wechseln.
Oweh. Entweder du verstehst es echt nicht oder das ist Absicht. Siehe oben. Historisch-kritische Exegese ist mitten drin im glaubensideologische Lager. Dem Naturalistischen eben.

sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Eine tapfere Durchhalteparole für die Glaubensideologie des Naturalismus (die du natürlich wieder fälschlicherweise mit "Wissenschaft" gleichsetzt). Vielleicht kommt es auch so. Das NT sagt ja gar keinen Sieg des Christentums voraus sondern die Apokalypse.
Die aber seit 2000 Jahren ausgeblieben ist.
Klar, irgendwann wird sie kommen, spätestens, wenn der Sonne der Brennstoff ausgeht. Aber der gäliläische Wanderprediger hat damit nichts zu tun.
Das ist eben dein Glaube. Der Glaube an den Sieg des Todes über das Leben. An die finale Sinnlosigkeit.
Unbeweisbar, nicht falzifizierbar. Ein Glaube eben - aber ein heilloser, trostloser, sinnloser.

An Ostern halte ich dagegen: Ich glaube an den Sieg des Lebens und der Liebe über den Tod!

sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Der Sieg der Liebe kommt erst mit der Wiederkunft Jesu. An die die meisten HKM-Exegeten vermutlich auch nicht mehr im wörtlichen Sinne glauben. Was ist daran eigentlich noch "christlicher Glaube"? Nichts, es ist naturalistischer Glaube.
Das ist wieder ein anderes Thema.
Finde ich nicht, denn genau deshalb bist du ja (als Atheist) ein Fan der HKM-Exegese. Weil sie als Vorannahme den Naturalismus setzt.

sven23 hat geschrieben: …die Ergebnisse der historischen Jesusforschung liegen auf dem Tisch und decken sich weitgehend mit den Erkenntnissen von Strauß.
Die Ergebnisse einer naturalistischen Exegese-Form decken sich mit denen des Materialisten Strauß. Das überrascht nicht wirklich.

sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Diesem Text von bibelwissenschaft.de kann ich voll und ganz zustimmen. Zusammengefasst: "Vieles deutet auf dieses hin, vieles auf jenes, manches bleibt unklar…" Viermal kommen in dem kurzen Text Worte wie "wahrscheinlich, vermutlich, möglicherweise" vor. Man kann alle möglichen Vermutungen anstellen und es kann auch alles so gewesen sein, wie es die Evangelien wiedergeben.
Das sagt ich ja bereits: der genaue Anklagepunkt bleibt im Unklaren. Viele Prozessumstände werden aber als unhistorisch, weil nicht der damaligen Rechtspraxis entsprechend, angenommen.
Der genaue Anklagepunkt steht in allen 4 Evangelien: "Bist du der Juden König?" (Mt. 24,11; Mk. 15,2; Lk.23,3 und Joh.18,33). Im Unklaren bleibt nur, was die "Wissenschaft des Vermutens" (auch HKM genannt) sich so zusammenbastelt.

sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Die Befundlage ist eine andere. Die Forschung unterscheidet ja auch zwischen authentischen Aussagen und Aussagen, die ihm die Schreiber nachträglich in den Mund gelegt haben. Die antijudaistischen Passagen stammen demnach nicht von ihm.
Auch hier gilt "vermutlich, möglicherweise, manches deutet auf dies, manches auf jenes hin" es gibt genau Null harte Kriterien zur Ermittlung authentischer oder nicht authentischer Aussagen Jesu.
Das ist keine "Befundlage" sondern weltanschauliche "Befindlichkeitslage" bestimmter Exegeten.
Du meinst also, die judenfeindlichen Äußerungen stammen von Jesus?
Welche judenfeindliche Äußerungen? Es streiten im NT Juden mit Juden. So sieht es auch, wie gezeigt, die Wissenschaft. Von Schreckenberg, Thiede/Stingelin bis Gerd Theißen.


sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Trotzdem liefert das Neue Testament keine Handhabe zu Judenhass und Judenverfolgung.
Dann hat die Kirche die Evangelien wohl falsch interpretiert? :lol:
Das hat sie sicherlich in ihrer langen Geschichte oft. Auch als sie Höllenangst schürte um dann teure Ablassbriefe zu verkaufen, was Luther auf den Plan rief. Aber die "ganze Geschichte" ist eben viel differenzierter und nicht so einseitig und holzschnittartig, wie die Kubitzas dieser Welt es sich in ihrem dumpfen Hass auf das Christentum denken.

sven23 hat geschrieben: Von historischer Zuverlässigkeit gehen ja nur die Glaubensideologen aus.
Die Forschung tut dies nicht.

• Das Neue Testament bietet eine Fülle an Jesusüberlieferungen, es kann jedoch nicht
einfach unkritisch als historische Quelle gelesen werden (s.u. 4.).
• Ziel der historischen Rückfrage nach Jesus ist es deshalb, mit Hilfe eines methodischen Verfahrens aus den Jesusüberlieferungen diejenigen Traditionselemente herauszukristallisieren, die mit großer Wahrscheinlichkeit auf die Person des irdischen Jesus zurückgeführt werden können; also den Weg zurückzugehen von den synoptischen Evangelien zum historischen Jesus.

Häfner, Grundwissen Neues Testament
Dass es eine Differenz zwischen dem historische Jesus und dem der Evangelien gibt, davon gehen ja nur die naturalistischen Glaubensideologen aus. Für den neuesten Trend in der Jesusforschung ist nicht die Erhebung ursprünglicher Schichten durch die Anwendung von Literarkritik und Rückfragekriterien leitend, sondern es sind vielmehr die Evangelien als Geschichtserzählungen ernst zu nehmen, so die Theologische Fakultät der LMU, München.

Kubitza hat geschrieben: Nur: Die Verse [Jes.53] sind ja gar nicht als Weissagung formuliert, sondern blicken auf ein Geschehen zurück.
Wir wissen doch inzwischen, dass Kubitza offenbar noch nix von der Zeitform des "prophetischen Perfekt" gehört hat. Diese Zeitform wird gewählt um die Gewissheit auszudrücken, mit der ein zukünftiges Ereignis eintreffen wird. Auch Juden sehen in Jesaja 53 eine Prophezeiung!
Im Link von Zeus heißt es: "Der Text soll einen Ausblick darüber geben, wie sich die Nationen in ferner Zukunft ihre ungerechte Haltung gegenüber Israel eingestehen werden."
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closs
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#469 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von closs » Mo 2. Apr 2018, 21:44

sven23 hat geschrieben:Kommt drauf an, wie man "Wirklichkeit" definiert. Wie wir inzwischen gesehen haben, basteln sich Glaubensideologen ihre eigene Wirklichkeit zusammen.
Geht doch gar nicht. - Wirklichkeit ist das, was der Fall ist - ob wir sie methodisch oder hermeneutisch treffen oder nicht.


sven23 hat geschrieben:Sorry, aber es hat sich nun mal etabliert, dass man sich historisches Geschehen mit wissenschaftlicher Methodik nähert
Das sowieso - ich würde sogar noch weitergehen und von historisch-methodischer Herangehensweise sprechen, weshalb die Sachergebnisse der HKM in der Theologie so hoch geschätzt werden. - Aber bei Interpretation von geistigen Dingen in der Geschichte wird die Luft für solche Herangehensweisen schnell dünn.

sven23 hat geschrieben: Das sollte auch ein closs verstehen.
Würde er für Deine Postulate Verständnis zeigen, würde er sich gemein machen mit ideologischen Irrlicht-Konstrukten - konkret: Es geht nicht, Setzungen beim einen als "Glaubensideologie" und beim anderen als "Das ist halt so" zu nennen. - Als wäre es damit - husch - weg, was stören könnte.

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#470 Re: Alles Teufelszeug? 3bIX

Beitrag von closs » Mo 2. Apr 2018, 22:07

Zeus hat geschrieben:Diese Frage ist unsinnig, denn die Begriffe Wissenschaft und Wirklichkeit gehören unterschiedlichen Kategorien an.
Genau das versuche ich seit langer Zeit zu vermitteln. - Und welche Kategorie ist nun wichtiger? - Die Wahrnehmungs- oder Seins-Ebene?

Zeus hat geschrieben:Deine obige Frage müsste also (vereinfacht) lauten:
"Was ist wichtiger? - Die wissenschaftlich ermittelte oder eine erlebte Wirklichkeit?"
Auch das ist eine gute Frage, aber nicht dasselbe wie oben. - Denn auch "Erleben" ist Wahrnehmung und nicht Sein.

Möglicherweise wären wir beide zufrieden mit der Formulierung:
"Was ist näher am/authentischer zum Sein? Methodische oder erlebte Ergebnisse?"

Zeus hat geschrieben:Jetzt könntest du dem geneigten Leser mal erklären, wie das mit der "erlebten Wirklichkeit" funktioniert.
Du liebst jemanden, ohne dass dies wissenschaftlich nachweisbar ist (die Wissenschaft kann neurowissenschaftliche Hinweise/Belege dafür bringen, weiß aber nicht, was Liebe ist).

Zum 333. Geburtstag von Bach haben sich letzte Woche in der ZEIT Künstler geäußert, was für sie Bach ist - die Antworten großer/echter Künstler sind ziemlich homogen. - Das ist wissenschaftlich nicht oder nur bedingt greifbar.

Es ärgert mich, dass hier Wissenschaft ständig dadurch in Misskredit gebracht wird, weil sie geradezu gottgleich über alle andere Erkenntnis gestellt wird - statt zu erkennen, dass wissenschaftliche Ergebnisse von fähigen Menschen überprüft werden müssen - niocht wissenschaftlich überprüft, sondern mit dem menschlichen Geist überprüft werden müssen. - Es muss (wieder) klar werden, wer Herr und wer Diener ist. - Nur 3 sehr konkrete Beispiele:

1a "Ein Päckchen Zigaretten müsste 45 Euro kosten, um alle volkswirtschaftliche Ko3sten des Rauchens abzudecken
1b "Dito 3,50 Euro"

2a "38% aller inländischen Muslime sind extremistisch"
2b "Dito weniger als 1%"

3a "Der Staat subventioniert die Kirchen mit 19 Milliarden pa"
3b "Dito plusminus 0 Milliarden Euro pa"

Alle diese 6 Aussagen gelten als "nachprüfbar" - wenn man eine wissenschaftliche Studie draus macht, sind sie "wissenschaftlich nachgewiesen" (die meisten hier genannten Aussagen sind tatsächlich bei aller Gegenteiligkeit "nachgewiesen").

Warum ist das so? Weil Wissenschaft ein Schuft ist? Nein - sondern weil Wissenschaft immer nur methodische Ergebnisse auf Basis von Vorannahmen machen kann. - Und damit sind wir wieder beim ursprünglichen Thema.

Wo sind die WIRKLICH Aufgeklärten, die dies erkennen und wissenschaftliche Ergebnisse dementsprechend vorbehaltlich
behandeln? Zudwm: Das, was wirlich der Fall ist, kümmert sich nicht um solche tragikomischen Aufführungen des Menschen.

Gesperrt