Alles Teufelszeug? VI

closs
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#461 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von closs » Mo 12. Jun 2017, 14:08

Pluto hat geschrieben: Eine Tatsache aus den Evangelien ist: Jesus hatte eine Naherwartung.
Egal, welche Meinung man dazu hat: Das ist eine astreine Interpretation.

Pluto hat geschrieben:Die HKM braucht nict zu behauten, was klar und deutlich aus den Evangelien hervrgeht.
Für die Theologie geht genau das Gegenteil klar und deutlich aus dem Evangelium hervor - eben weil es sich um eine Interpretation handelt. - Würden HKM und Theologie ihre Setzungen tauschen, wäre es genau umgekehrt.

Pluto hat geschrieben:Mit welcher Begründung denn?
HAtten wir echt schon x-mal - deshalb nur in Kürze: Die Theologie geht davon aus, dass Jesus göttlich ist und deshalb im Kontext mit dem AT zu verstehen ist - weiterhin versteht sie die Erwartung in Jesus bzw. in dessen Auferstehung als erfüllt an. - Es gibt noch andere Versionen, die aber con variazione aufs Selbe hinauslaufen.

Pluto hat geschrieben:Der Punkt ist doch, hier stehen unverrückbare Fakten gegenüber einer theologischen Interpretation aus einem Glaubensbekenntnis.
Nein - das ist nicht so. - Das geht nur dann, wenn man HKM-Interpretationen als Fakten bezeichnet.

Pluto hat geschrieben:Was ist eigentlich Heilsgeschichte? In der Bibel ist das Wort unbekannt.
Es ist oft so, dass theologische Begriffe Schlussfolgerungen aus der Bibel sind - wie etwa auch das Wort "Trinität", das es als solches nicht in der Bibel gibt.

Inhaltlich ist Heilsgeschichte geschichtlich die geistige Entwicklung der Menschheit vom "Sündenfall" bis zur "Apokalypse". - Individuell wird dieses Wort ebenfalls gebraucht als Erkenntnis-Entwicklung des Einzelnen. - Beides ist jeweils teleologisch gemeint - aber keine Angst: Mit biologischer Entwicklung hat das nichts zu tun.

Pluto hat geschrieben:Mit welchen "Zirkelschlüssen" arbeitet die HKM denn? Mir sind keine bekannt.
Das sind nicht meine Zirkelschlüsse, sondern die von Sven. - Aus meiner Sicht sind "Zirkelschlüsse" handwerkliche Argumentations-Fehler wie etwa:
* Die Bibel ist Gottes Wort, WEIL es so in der Bibel steht.
* Realität ist intersubjektiv nachweisbar, weil der kR es sagt.
* "Sir Bedevere: Warum wollt ihr diese Frau verbrennen?
Dorfbewohner: Weil sie eine Hexe ist!
Bedevere: Woher wisst ihr, dass sie eine Hexe ist?
Dorfbewohner: Na, wir würden sie ja nicht verbrennen, wenn sie keine wäre"

Sven meint aber, dass es auch dann ein Zirkelschluss ist, wenn man auf Basis einer hermeneutischen Setzung wie etwa "Jesus ist göttlich" oder "Nur das ist, was intersubjektiv nachweisbar ist" zu dementsprechenden Ergebnissen kommt. - Das ist nicht ganz falsch, weil in der Tat interpretative Ergebnisse einer wissenschaftlichen Untersuchung nur in dem Korridor stattfinden können, die hermeneutische Vorannahmen vorsehen - das kann sein:
1) "Jesus ist göttlich" - nicht falsifizierbar, aber wir forschen auf dieser Basis.
2) "Jesus ist nur Mensch" - nicht falsifizierbar, aber wir forschen auf dieser Basis. - NB: Das Argument, die HKM behaupte gar nicht, dass Jesus nur Mensch sei, ist nichtig, weil die kR-Grundlagen keine andere Interpretationsebene ermöglichen, als dass Jesus nur Mensch ist - also ist "Jesus ist göttlich" ausgeschlossen.

Das heißt: So gesehen sind HKM wie Kanonik zirkelschlüssig - was, wie gesagt, philosophisch nicht ganz falsch ist, aber auch in die Irre führt - denn die Argumentation auf dieser oder jener hermeneutischen Grundlage ist eine Tätigkeit, bei der ein Sachverhalt mit objektiven und nachvollziehbaren Methoden systematisch beschrieben und untersucht wird. (= Wissenschaft). - Wobei zu klären ist, was "Sachverhalt" alles sein kann (wenn man bei wik nachguckt, ist das gar nicht so einfach).

Aus meiner Sicht ist es jedoch NICHT gut, wenn man wissenschaftliche Ergebnisse als "zirkelschlüssig" bezeichnet, nur weil sie eine hermeneutische Grundlage haben (was in Geisteswissenschaften eigentlich immer der Fall ist). - Deshalb beziehe ich "Zirkelschluss" nur auf handwerkliche Argumentations-Fehler.

Pluto hat geschrieben:Natürlich ist nicht der Mensch das Maß, sondern die Schrift.
Was ist "die Schrift"? Immer doch nur deren Auslegung nach UNSEREM Verständnis - das kann nicht das Maß sein. - Wenn es ein Maß außer dem Menschen sein kann, ist es "das, was ist" - ob wir es wahrnehmen, bewerten, glauben oder nicht. - Und eines muss auch klar sein: "Das, was ist", können wir nur im Rahmen UNSERER Möglichkeiten verifizieren oder falsifizieren - der Maßstab ist also etwas, dem wir uns an etwas annähern können, das wir aber nie 100%ig packen können.

Dass man in der Praxis damit anders rumgeht "Hat sich bewährt - ist seit Jahren nicht falsifiziert - wir nennen das jetzt Tatsache und verstehen es als sachlich maßstäblich", ist was anderes (mache ich genauso) - aber zu Ende gedacht ist das NICHT das Maß. - Erkennbar wird dies in geistigen Fragestellungen - und, wie ich vermute, auch in der QM, in der die Physik feststellt, dass es dort Dinge gibt, "die es eigentlich nicht gibt" und die nicht vorstellbar sind. - Ich halte es für denkbar, dass QM-Physiker in 20 Jahren nicht drum rum kommen, auch ein Studium Generale in geistigen Dingen zu haben, um ihren physikalischen Grenzbereich zu verstehen - aber das ist ein anderes Thema.

Pluto hat geschrieben:Weshalb man Interpretation besser einem Zweifler (Agnostiker) überlassen sollte.
Damit tauscht Du nur die Seiten aus - das eignentliche Problem bleibt.

Pluto hat geschrieben:Klar hat ein Glaubensbekenntnis Einfluss auf die Interpretation. Genau deswegen ist die kanonische Interpretation aus dem Glaubensbekenntnis heraus unwissenschaftlich.
Dein Satz ist schräg - richtig wäre: Eine Interpretation basiert auf wissenschaftlichen Untersuchungen oder nicht. - HKM und Kanonik interpretieren beide auf Basis wissenschaftlicher Untersuchungen - ob man nun solche Interpretationen selber als "wissenschaftlich" bezeichnen soll, ist Definitionssache (mir ist es egal).

Pluto hat geschrieben:Wieso ist das eine geistige Frage? Es steht doch deutlich genug in den Evangelien. Können vielleicht Theologen nicht lesen?
Die Quellenkenntnis ist auf beiden Seiten gleich gut - das ist nicht das Problem.

Pluto hat geschrieben:Verstehe ich nicht. Denn es steht geschrieben: "Diese Generation wird nicht vergehen, bis dieses alles geschehen sein wird."
Nochmal -- können Theologen nicht lesen?
Doch. :D - Aber Du hast ein gutes Beispiel gewählt: Denn es gibt renommierte Übersetzungen, die statt "Generation" hier "Geschlecht" oder gar "Volk" übersetzen - mit anderen Worten: Das Volk der Juden wird nicht vergangen sein, bis dies alles geschehen ist.

Es gibt aber auch andere Beispiele, bei denen man Behauptungen nicht so leicht entkräftigen kann - aber dann spielen Sachen hinein wie
* "Was hat Jesus gesagt, wie wurde es verstanden und dementsprechend notiert, wie wurde es bis zur uns vorliegenden Quelle tradiert?"
* "Welches hebräische/aramäische Wort hat ein Textverfasser gedacht, wenn er es in den griechischen Text übersetzt hat?"
* "Welche Irrtümer haben Textverfasser mit sich rumgetragen und niedergeschrieben?"
* etc.

Mit anderen Worten: Rein technisch gebe ich Dir ja recht - geht man nach HKM-Methodik vor und untersucht Jesus unter dem Gesichtspunkt, dass er nur Mensch ist, sind viele Ergebnisse wirklich nachvollziehbar, selbst wenn sie dann in der Wirklichkeit "gute Chancen" haben, falsch zu sein.

Pluto hat geschrieben: Niemand verkauft eine hermeneutische Ausgangsposition als Wissenschaft.
Wenn man es richtig macht, tut man das in der Tat nicht, sondern arbeitet auf jeweiliger hermeneutischer Grundlage wissenschaftlich. - Man untersucht eine Ausgangslage nicht - wenn man wissenschaftlich arbeitet, untersucht man nicht, ob der kR (= hermeneutische Ausgangsposition) stimmt.

Pluto hat geschrieben:Klar ist, dass die Theologie die Bibel so auslegt, als sei Jesus Gott. Doch wer untersucht die Bibel unter der Annahme, es gebe keinen Gott? - Wie schon so oft: Die Wissenschaft sagt nicht Abschließendes darüber.
Das gilt nur INNERHALB des hermeneutischen HKM-Ansatzes. - Voraussetzungs-bedingt (= kR) KANN die HKM Jesus nicht unter dem Aspekt untersuchen und interpretieren, als sei er historisch auch göttlich - selbst wenn er es historisch ist.

Das ist doch kein Vorwurf - denn jeder Ansatz ist anders. - Ein Vorwurf ist dagegen, wenn ein Wissenschaftler nicht weiß, unter welchen Aspekten er methodisch-bedingt NICHT untersuchen kann.

Pluto hat geschrieben:Ja und? Was hat das mit Vorannahmen (Setzungen) zu tun?
Nichts - Vorannahmen sind VOR dem wissenschaftlichen Arbeiten - aber sie sind da.

Pluto hat geschrieben:Warum sollten Vorannahmen überhaupt notwendig sein?
Sie nicht vermeidbar sind. - Nenne mir einen Forschungszweig, der ohne die descartsche Setzung "Die Welt ist wissenschaftlich untersuchbar, weil die Res extensae als wirklich zu verstehen sind" auskommt? - Nenne mir eine Exegese, die nicht entweder Jesus als göttlich oder Jesus als nur menschlich untersucht?

Pluto hat geschrieben:Das hat Zeit bis die Arbeit getan ist.
Aber das kann immer nur Arbeit innerhalb eines gewählten hermeneutischen Systems sein. - Das macht auch nichts - aber man muss es wissen. - Die Theologie weiß es, die HKM scheint es vielen iher Vertreter NICHT zu wissen.

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sven23
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#462 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von sven23 » Mo 12. Jun 2017, 16:25

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Es geht auf allen Ebenen. Die in der Forschung arbeitenden Theologen haben ein hohes Mass an Abstraktions- und Reflexionsvermögen, so dass sie prinzipiell jede Religion oder jeden Mythos einer historisch-kritischen Prüfung unterziehen könnten.
Das gilt auch umgekehrt, wenn Forscher mit spirituell-definierte Grundlagen den Materialismus kritisch überprüfen - trotzdem hast Du recht: Man kann natürlich auf HKM-Ebene interpretieren - aber man sollte die Ergebnisse nicht als "Tatsachen", sondern als "Interpretationen" darstellen ("methodische Ergebnisse" - Theißen).
Einverstanden, aber eine Interpretation mit hohem Wahrscheinlichkeisgrad auf Grund der Quellenlage.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Was heißt umgekehrt? Hier geht es um die historische Jesusforschung und da ist die historisch-kritische Methode das Mass aller Dinge.
Aber nicht das Interpretations-Maß aller Dinge - konkret: Wenn die HKM behauptet, dass Jesus eine Naherwartung (in Deinem Sinne) hatte, wird eine christlich-orientierte Exegese/Hermeneutik sehr wohl dagegen setzen, dass Jesus aus ihrer Sicht historisch KEINE Naherwartung hatte - nicht weil sie in historischen Details rumwühlen will (das ist wirklich Sache der HKM), sondern weil sie die Wirklichkeit Jesu erforscht, die zwangsläufig historisch ist, auch wenn man es nicht auf historische Forschung anlegt.
Die Naherwartung gehört nun mal mit hoher Wahrscheinlichkeit zur "Wirklichkeit Jesu", und ist damit historisch.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Und deshalb ist auch der sog. Sündenfall eine Metapher, von mir aus auch eine Chiffre, aber kein historisches Ereignis.
Ja - natürlich. - Was ändert das?
Es ist ein theologisch-mythisches Konstrukt. Ein Erklärungsversuch, mehr nicht. Es gibt ja auch genügend andere Religionen, die keinen Sündenfall kennen, geschweige denn ein exzessiv ausgebautes Erbsündenkonstrukt.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Auch das ist kein fesstehendes Faktum, sondern bereits eine theologische Interpretation.
Auch richtig - deswegen dauert es doch, bis eine Zeit Dinge aus einem gewissen Abstand beurteilen kann - unter Historikern gilt der Satz: "Geschichtsbücher sollte man frühestens mit 50 Jahren Abstand zum Geschehen schreiben". - Und wie Du weißt, gibt es auch heute immer noch neue Geschichtsbücher zu lang vergangenen Zeiten - nicht unbedingt weil neue Quellen aufgetaucht sind, sondern alte Quellen neu bewertet werden. - So ähnlich kannst Du Dir das vorstellen, was "Hermeneutischer Zirkel" resp. "Heilsgeschichte" ist - man checkt immer mehr (zumindest gibt es die Möglichkeit dazu).
Das kann man vergessen. Mit größerem zeitlichen Abstand werden die Darstellungen immer legendenhafter und bizarrer. Auch sehr schon abzulesen an den übrigen 56 Evangelien.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Hättest du nur einen Bruchteil von Thaddäus philsophischen Kenntnissen und einen Schuss gesunden Menschenverstandes, dann könntest du dich auch aufgeklärt nennen, zumindest in Ansätzen.
Das ist eine beliebige Behauptung - Du wirst nicht erwarten, dass ich mich jetzt auf Kosten von Thaddäus profiliere.
Das würde dir eh nicht gelingen, denn da würdest du intellektuell den kürzeren ziehen. ;)

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Bei der Kanonik bin ich mir da gar nicht so sicher, denn sie arbeitet im Grunde mit Zirkelschlüssen.
Die Bibel ist Gottes Wort, denn es steht geschrieben „alle Schrift ist von Gott eingegeben“.
Jede Hermeneutik, also auch die HKM-Hermeneutik, arbeitet mit "Zirkelschlüssen" - weshalb ich diese Aussage für sinnlos halte. - Im Grunde ist sogar jeglich Wahrnehmung ein Zirkelschluss, weil sie letztlich immer nur über das funktioniert, was das Ich zu bieten hat. - Genau deshalb ist es doch so wichtig, dass das Christentum (und erstmals Hiob) auf die NICHT-Anthropozentrität der "Realität" hinweisen: "Ich-bin-nicht-das-Maß".
Auch der von Dir ständig eingesetzte Satz, die Bibel sei wahr, WEIL in der Bibel steht, sie sei von Gott eingegeben, ist falsch - das ist nicht die Argumentation der Kanonik. - Die Kanonik sagt: "Ich glaube, dass die Bibel göttlich inspiriert ist und deshalb lesen wir sie so". - Du stellst das immer wieder gegen besseren Wissens falsch dar.
Das läuft auf dasselbe hinaus. Wenn die Bibel göttlich inspiriert ist, dann hat das Konsequenzen. Man muss dann nichts kritisch hinterfragen, weil man keinen Unterschied zwischen historischem Geschehen und Überlieferung vermutet, wie die HKM. Die Forschung hat aber gezeigt, dass es da große Diskrepanzen gibt.
Schau dir doch endlich mal das Video an. Eine Theologin für Systematische Theologie sagt klipp und klar, dass es eine große Diskrepanz zwischen dem historischen Jesus und der Überlieferung der Kirche gibt.



closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Der Theologieprofessor Werner Stenger nimmt Nietzsches Philippika als Ansporn für die bei ihm Studierenden, indem er warnend den Finger hebt, Nietzsche habe aufgedeckt, dass "Theologen in der Gefahr stehen, für ihre Auslegung der Bibel solche Privilegien zu beanspruchen"(6) und er meint mit Privilegien den Fehler, den mancher Theologe macht, wenn er "als Glaubender den Büchern der Bibel eine größere Autorität über sich einräumt als anderen Büchern" und dann versucht ist, "die biblischen Texte bei der Auslegung methodisch grundsätzlich anders zu behandeln als andere schriftliche Dokumente aus Vergangenheit und Gegenwart.""
Norbert Rodenbach
Das klingt alles ziemlich weltanschaulich. - Natürlich hat Nietzsche recht: Ein gläubiger Theologe untersucht die Bibel so, als gäbe es Gott - und das hat selbstverständlich Auswirkungen bei der Interpretation. - Aber das hat doch nichts mit methodischer Untersuchung auf reiner Sachebene zu tun - dort spielt es keine Rolle.
Doch, wie man an der Naherwartung sieht.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Eben, und weil Kanonik nichts in der historischen Forschung zu suchen hat, kann sie auch keine Aussagen über historische Fragen treffen, wie die Naherwartung.
Falsch - wenn, dann umgekehrt: Weil "Naherwartung Jesu" eine geistige Frage betrifft, kann die HKM keine Aussagen dazu treffen - außer halt mit Hinweis auf ihre Setzungen. - Um es verkürzt zu sagen: Die HKM ist gut darin, den damaligen Volksglauben zu beschreiben: "So dachte das Volk". - Aber sie kann nicht beurteilen, was Jesus dachte, falls er nicht nur Mensch, sondern auch göttlich war.
Wenn die Forschung den Volksglauben untersuchen kann, dann auch den Glauben des Wanderpredigers. Er ist ausführlich in den Texten beschrieben.
Dass er sich geirrt hat, ist dabei irrelevant. Auch vermeintliche Gottessöhne können irren.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wikipedia sieht das zwar anders, aber was weiß Wiki schon?
Wiki hat dann recht, wenn sie als Ausgangspunkt die Wiedererweckung dieser Exegese-Formen nimmt, die mit der Dominanz der HKE zurückgedrängt worden war.
Sieh es einfach mal praktisch: Bevor die HKM kam, hat man die Bibel aus ihrem geistigen Kontext heraus und unter der Voraussetzung der Existenz Gottes verstanden - nichts anderes macht letztlich die Kanonik, nur dass sie ihre interpretative Ebene bei Bedarf auf HKM-Sachergebnissen aufbaut.
Na ja , das hatten wir ja 1800 Jahre zur Genüge. Mit der Aufklärung war der Spuk vorbei.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Als Desavouierung der Wissenschaft empfinde ich es eher, wenn man von Glaubensbekenntissen, göttlicher Inspiriertheit von Texten, Wunderglauben usw. spricht und dies als Wissenschaft verkaufen will.
Das WÄRE so, wenn Deine Unterstellung richtig wäre. - Niemand verkauft eine hermeneutische Ausgangsposition als Wissenschaft.
Es ist NICHT Wissenschaft, wenn man die Bibel so untersucht, als gäbe es Gott - es ist ebenfalls NICHT Wissenschaft, wenn man die Bibel so untersucht, als gäbe es Gott NICHT. - Das sind hermeneutische Vorannahmen und sonst nichts. - "Wissenschaft" ist die Tätigkeit, bei der ein Sachverhalt mit objektiven und nachvollziehbaren Methoden systematisch beschrieben und untersucht wird (vgl. wik).
Es geht also um die Objektivität und Nachvollziehbarkeit der Methodik und nicht um die Objektivität und Nachvollziehbarkeit der hermeneutischen Vorannahmen, die man eh nicht falsifizieren kann (oder kannst Du nachweisen, dass Jesus nur Mensch ist?). - DAS macht Wissenschaft aus.
Alles richtig, nur hier geht es um historische Forschung, und da haben Glaubensbekenntnisse, göttliche Inspiriertheit von Texten, Wunderglaube, Geister und Dämonen nichts zu suchen. Das ist der entscheidende Punkt.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Das bringt nichts, weil wir Sicherheitsschuhe tragen.
Wenn die Zehen auch mal Luft kriegen sollen, sollte man sie ab und zu ausziehen.
Na ja, im Bett zieh ich sie aus. :lol:
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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#463 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von Pluto » Mo 12. Jun 2017, 16:52

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: Eine Tatsache aus den Evangelien ist: Jesus hatte eine Naherwartung.
Egal, welche Meinung man dazu hat: Das ist eine astreine Interpretation.
Eben nicht! An den Fakten der heiligen Schrift komst auch du nicht vorbei.
Die Christen der ersten Generation hatten eine Naherwartung. Dreimal darfst du raten, wer ihnen das gepredigt hat.

closs hat geschrieben:Für die Theologie geht genau das Gegenteil klar und deutlich aus dem Evangelium hervor - eben weil es sich um eine Interpretation handelt.
Nein. Es ist keine Interpretation. Man braucht nur das NT zu lesen. Es steht dort schwarz auf weiß.

closs hat geschrieben:Würden HKM und Theologie ihre Setzungen tauschen, wäre es genau umgekehrt.
Wie stellst du dir das vor, wo die HKM nichts setzt?

closs hat geschrieben:Die Theologie geht davon aus, dass Jesus göttlich ist und deshalb im Kontext mit dem AT zu verstehen ist - weiterhin versteht sie die Erwartung in Jesus bzw. in dessen Auferstehung als erfüllt an. - Es gibt noch andere Versionen, die aber con variazione aufs Selbe hinauslaufen.
Was wäre, wenn die Theologie NICHTS setzen würde?

closs hat geschrieben:Das geht nur dann, wenn man HKM-Interpretationen als Fakten bezeichnet.
Was zu beweisen wäre.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Was ist eigentlich Heilsgeschichte? In der Bibel ist das Wort unbekannt.
Es ist oft so, dass theologische Begriffe Schlussfolgerungen aus der Bibel sind - wie etwa auch das Wort "Trinität", das es als solches nicht in der Bibel gibt.

Inhaltlich ist Heilsgeschichte geschichtlich die geistige Entwicklung der Menschheit vom "Sündenfall" bis zur "Apokalypse". - Individuell wird dieses Wort ebenfalls gebraucht als Erkenntnis-Entwicklung des Einzelnen.
Die Heilsgeschichte ist nicht biblisch. Woher nehmen die Theologen diese Geschichten?
Mir scheint, es gibt in der Theologie weitaus mehr Setzungen, als man im ersten Moment vermuten würde.

closs hat geschrieben:Das sind nicht meine Zirkelschlüsse, sondern die von Sven. - Aus meiner Sicht sind "Zirkelschlüsse" handwerkliche Argumentations-Fehler wie etwa:
* Die Bibel ist Gottes Wort, WEIL es so in der Bibel steht.
* Realität ist intersubjektiv nachweisbar, weil der kR es sagt.
* "Sir Bedevere: Warum wollt ihr diese Frau verbrennen?
Dorfbewohner: Weil sie eine Hexe ist!
Bedevere: Woher wisst ihr, dass sie eine Hexe ist?
Dorfbewohner: Na, wir würden sie ja nicht verbrennen, wenn sie keine wäre"
Was genau hat das alles mit der HKM zu tun?

closs hat geschrieben:1) "Jesus ist göttlich" - nicht falsifizierbar, aber wir forschen auf dieser Basis.
Ja. Die Theologie geht davon aus.

closs hat geschrieben:2) "Jesus ist nur Mensch" - nicht falsifizierbar, aber wir forschen auf dieser Basis.
Wer sagt das?

closs hat geschrieben:Was ist "die Schrift"? Immer doch nur deren Auslegung nach UNSEREM Verständnis - das kann nicht das Maß sein.
Verstehe ich nicht, wo doch die Schrift das Einzige ist was wir haben. Manchmal muss man interpretieren, aber meistens MUSS man einfach das nehmen was schwarz auf weiß da steht.

closs hat geschrieben:Wenn es ein Maß außer dem Menschen sein kann, ist es "das, was ist" - ob wir es wahrnehmen, bewerten, glauben oder nicht.
Und eines muss auch klar sein: "Das, was ist", können wir nur im Rahmen UNSERER Möglichkeiten verifizieren oder falsifizieren - der Maßstab ist also etwas, dem wir uns nähern können, das wir aber nie 100%ig packen können.
Ich wehre mich dagegen, etwas als Maß anzunehmen, das auch falsch ein könnte.

closs hat geschrieben:und, wie ich vermute, auch in der QM, in der die Physik feststellt, dass es dort Dinge gibt, "die es eigentlich nicht gibt" und die nicht vorstellbar sind.
In der Physik gibt es keine Dinge die es nicht gibt; es gibt NUR Dinge die so anders sind, als wir es gewohnt sind, dass wir sie nicht verstehen. Aber... sie sind reproduzierbar, also müssen sie richtig sein.
In der Theologie gibt es dazu keine Parallele, denn alles ist nur eine Folge eines Glaubensbekenntnisses und es gibt keinerlei Reproduzierbarkeit.

closs hat geschrieben:Ich halte es für denkbar, dass QM-Physiker in 20 Jahren nicht drum rum kommen, auch ein Studium Generale in geistigen Dingen zu haben, um ihren physikalischen Grenzbereich zu verstehen.
Mag sein... ist aber eher unwahrscheinlich.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Klar hat ein Glaubensbekenntnis Einfluss auf die Interpretation. Genau deswegen ist die kanonische Interpretation aus dem Glaubensbekenntnis heraus unwissenschaftlich.
Dein Satz ist schräg - richtig wäre: Eine Interpretation basiert auf wissenschaftlichen Untersuchungen oder nicht. - HKM und Kanonik interpretieren beide auf Basis wissenschaftlicher Untersuchungen - ob man nun solche Interpretationen selber als "wissenschaftliche" bezeichnen soll, ist Definitionssache (mir ist es egal).
Nein. Die Kanonik kann sich NUR auf das Glaubensbekentnis stützen. Die HKM stützt sich auf die Fakten, die uns zur Verfügung stehen, un macht keinerlei weitere Annahmen.
Ich weiß, dass dir dies fremd und unglaubwürdig erscheint. Aber stelle dir mal die Frage, ob dies vielleicht aus Gewohnheit geschieht (Ich bin es gewohnt zu setzen, also müssen alle anderen auch setzen.)

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Wieso ist das eine geistige Frage? Es steht doch deutlich genug in den Evangelien. Können vielleicht Theologen nicht lesen?
Die Quellenkenntnis ist auf beiden Seiten gleich gut - das ist nicht das Problem.
Dann hätten wir ein Problem weniger.
Welche geheimen Quellen gibt es noch, aus denen die Kanonik ihr Glaubensbekenntnis formuliert?

closs hat geschrieben:Aber Du hast ein gutes Beispiel gewählt: Denn es gibt renommierte Übersetzungen, die statt "Generation" hier "Geschlecht" oder gar "Volk" übersetzen - mit anderen Worten: Das Volk der Juden wird nicht vergangen sein, bis dies alles geschehen ist.
Die Mehrzahl ist hier falsch am Platz.
So weit ich weiß, gibt es nur eine einzige Übersetzung, die eher selten verwendete Buber Übersetzung, die das Wort Generation meidet (vermutlich aus dem Glaubensbekenntnis). Die Mehrzahl der Übersetzungen übernehmen das Wort"Generation".

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: Niemand verkauft eine hermeneutische Ausgangsposition als Wissenschaft.
Wenn man es richtig macht, tut man das in der Tat nicht
Warum tut es die Theologie dann immer und immer wider?

closs hat geschrieben:Das gilt nur INNERHALB des hermeneutischen HKM-Ansatzes. - Voraussetzungs-bedingt (= kR) KANN die HKM Jesus nicht unter dem Aspekt untersuchen und interpretieren, als sei er historisch auch göttlich - selbst wenn er es historisch ist.
Das wären schon zwei Setzungen.
Du hast mich falsch verstanden. Ich meinte, die einzig redliche Art zu untersuchen ist GAR NICHT ZU SETZEN!

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Ja und? Was hat das mit Vorannahmen (Setzungen) zu tun?
Nichts - Vorannahmen sind VOR dem wissenschaftlichen Arbeiten - aber sie sind da.
Sind mögen i der Theologie notwendig sein, aber nicht wenn man wissenschaftlich arbeitet.

closs hat geschrieben:Nenne mir einen Forschungszweig, der ohne die descartsche Setzung "Die Welt ist wissenschaftlich untersuchbar, weil die Res extensae als wirklich zu verstehen sind" auskommt?
Dass die Welt untersuchbar ist, nehmen wir alle an. Das ist keine Setzung, sondern Grundlage der Untersuchbarkeit.

closs hat geschrieben:Nenne mir eine Exegese, die nicht entweder Jesus als göttlich oder Jesus als nur menschlich untersucht?
Gerne. :D
Die HKM setzt NICHT dass Jesus nur Mensch war (das wäre eine Schlussfolgerung der Untersuchungen).
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#464 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von closs » Mo 12. Jun 2017, 18:21

sven23 hat geschrieben:Einverstanden, aber eine Interpretation mit hohem Wahrscheinlichkeisgrad auf Grund der Quellenlage.
Nein - für die christliche Auslegung ist die Quellenlage genauso wichtig, wird aber anders interpretiert.

sven23 hat geschrieben:Die Naherwartung gehört nun mal mit hoher Wahrscheinlichkeit zur "Wirklichkeit Jesu"
Unter theologischen Gesichtspunkten ist sie unwahrscheinlich.

sven23 hat geschrieben:Es ist ein theologisch-mythisches Konstrukt. Ein Erklärungsversuch, mehr nicht.
Es ist ein Erklärungs-Versuch in Auslegung der Bibel - mehr geht nicht.

sven23 hat geschrieben:Mit größerem zeitlichen Abstand werden die Darstellungen immer legendenhafter und bizarrer.
Wie willst Du das un Bezug auf "das, was ist", beurteilen. - Es mag bizarr sein im Sinne Deiner Weltanschauung - aber was heißt das schon?

sven23 hat geschrieben:da würdest du intellektuell den kürzeren ziehen.
Auch hier: Wie willst Du das beurteilen außer über Deine Weltanschauung? - Ich schätze Thaddäus' Leidenschaft, Wissen und Intelligenz, bin aber sicher, dass sie ihre philosophischen Grundlagen revidieren sollte - da hapert es aus. - Es liegt mir fern, sie zu missionieren, aber ich hoffe, dass das Sediment solcher Diskussionen bei ihr runterrieselt und zum rechten Moment im Leben wieder aufgewirbelt wird.

sven23 hat geschrieben:Wenn die Bibel göttlich inspiriert ist, dann hat das Konsequenzen. Man muss dann nichts kritisch hinterfragen, weil man keinen Unterschied zwischen historischem Geschehen und Überlieferung vermutet, wie die HKM. Die Forschung hat aber gezeigt, dass es da große Diskrepanzen gibt.
Dein Ansatz ist falsch: "Göttlich inspiriert" ist nicht dasselbe wie "historisch authentisch".

sven23 hat geschrieben:Eine Theologin für Systematische Theologie sagt klipp und klar, dass es eine große Diskrepanz zwischen dem historischen Jesus und der Überlieferung der Kirche gibt.
Es ist richtig, dass die Kirche dazu neigt(e), geistige Aussagen als historische Geschehnisse zu chiffrieren - aber allein aus der Tatsache, dass sogar die RKK heute die Evolutions-Theorie voll anerkennt und trotzdem die Genesis-Geschichte erzählt, sollte Dir klar machen, dass der Sinn der Genesis nicht die historische Authentizität, sondern deren geistige Aussage ist.

Das ist eh das große Missverständnis: Man scheint in Kreisen der HKM zu meinen, der Begriff "göttliche Inspiration" sei beschädigt, wenn Jesus wahrscheinlich nicht Bethlehem, sondern sonstwo geboren wurde - dieser Ansatz ist falsch (davon abgesehen, dass hier auch noch viel Interpretation hineinspielt, die je nach Hermeneutik ganz unterschiedlich sein kann).

sven23 hat geschrieben:Doch, wie man an der Naherwartung sieht.
Am Thema "Naherwartung" sieht man, wie zwei polarisierte Weltanschauungen bei gleicher Quellenlage zu komplett unterschiedlichen Interpretationen kommen können - das ist kein Pluspunkt für HKM, auch nicht für christliche Exegesen - es ist einfach so.

sven23 hat geschrieben:Wenn die Forschung den Volksglauben untersuchen kann, dann auch den Glauben des Wanderpredigers.
Was Jesu Denken angeht, kann das die theologische Forschung besser untersuchen, weil sie im Gegensatz zur HKM geistig argumentieren kann.

sven23 hat geschrieben: Mit der Aufklärung war der Spuk vorbei.
Die HKM hat einige Undinge bei der theologischen Exegese korrigiert, dabei aber auch das Kind mit dem Bade ausgeschüttet - wer Jesus nur als Mensch interpretiert, ist kein Vertreter geistiger Aufklärung, sondern Vertreter EINER hermeneutischen Grundausrichtung.

sven23 hat geschrieben:Alles richtig, nur hier geht es um historische Forschung
Und diese versucht, sich anhand ihrer Methodik "dem, was war", anzunähern. - Und "das, was war", ist historisch. - Und wenn Geistiges war, ist das auch historisch, aber nicht über die HKM annäherbar.

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#465 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von closs » Mo 12. Jun 2017, 18:54

Pluto hat geschrieben:An den Fakten der heiligen Schrift komst auch du nicht vorbei.
Natürlich nicht - das ist doch das, was auch ein christlicher Theologe den HKM-lern predigt.

Pluto hat geschrieben:Die Christen der ersten Generation hatten eine Naherwartung.
Korrekt - das weiß auch die RKK.

Pluto hat geschrieben: Dreimal darfst du raten, wer ihnen das gepredigt hat.
In diesem Verständnis hat es Jesus NICHT gepredigt - meint die Theologie und auch Meinereiner. - Das Volk hat in einer Zeit der Erfüllungs-Sehnsucht gelegt, hat ihre Naherwartung umgedeutet in eine nicht-materielle, sondern geistige Himmelreich-Nähe, wurde aber (erwartungsgemäß) nicht verstanden - das war dann späteren Rezeptions-Sichten vorbehalten.

Ein ganz normaler Vorgang - nur ein Beispiel: Unsere Mathematiklehrer haben und Integral- und Differential-Rechnung eingebleut und ich habe es NICHT verstanden - 10 Jahre später ist mir mit einem Klick gekommen, dass dies ("Ableitung") vom Gedanken her dasselbe ist wie die Hegelsche Dialektik. - Das hat hier inhaltlich nicht zu suchen - es geht mir darum zu zeigen, dass das späte Fallen eines Groschens ("etwas hören - es aufnehmen - es irgendwie halbseiden oder falsch verstehen - es sacken lassen: Und plötzlich ist ein Impuls da: 'Ach - DAS war damit gemeint' ").

Und jetzt das Problem: Eine Methodik wie die HKM, die durchaus begründbar nach dem Motto verfährt "Je älter die Quelle, desto authentischer", kann mit solchen hermeneuetischen Prozessen des Verstehens, die ja erst mit der Zeit kommen, nichts anfangen - und schon kommen ganz andere Interpretationen raus.

Pluto hat geschrieben:Man braucht nur das NT zu lesen. Es steht dort schwarz auf weiß.
Aber doch nur, wenn man es so interpretiert.

Pluto hat geschrieben:Wie stellst du dir das vor, wo die HKM nichts setzt?
Die HKM setzt (genauso wie die Theologie) nichts, wenn es um reine "technische" Sachfragen geht:
* Wer war damals Statthalter?
* Wie war die Reiseroute von Paulus?
* Wie waren die Lebensumstände zu dieser Zeit in Palästina?
* Was bedeutet "logos" damals im griechischen Sinn und "memra" im hebräischen Sinn?
* etc.

Dazu braucht man keine interpretativen Vorannahmen, wie es HKM und christliche Theologie haben.

Pluto hat geschrieben:Was wäre, wenn die Theologie NICHTS setzen würde?
Interpretativ geht das gar nicht - sie würde aus irgendeiner Hermeneutik interpretieren. - So wie die HKM aus ihrer Hermeneutik interpretiert.

Pluto hat geschrieben:Die Heilsgeschichte ist nicht biblisch.
NAtürlich ist sie das - guck nur mal, wie oft in der Bibel "Anfang" und "Ende" vorkommt.

Pluto hat geschrieben:Was genau hat das alles mit der HKM zu tun?
Zur HKM passt "Realität ist intersubjektiv nachweisbar, weil der kR es sagt" - oder in Ableitung davon: "Wir interpretieren Jesus nur als Mensch, solange er nicht als göttlich nachgewiesen ist (also nie)". - Aus solchen Grundlagen entstehen Argumentationen die genauso viel oder genauso wenig zirkelreferent sind wie bei den christlichen Auslegungen - WENN man Zirkelereferenz so interpretiert wie Sven - ICH tue es nicht.

Pluto hat geschrieben:Wer sagt das?
HKM - warum dies zwingend so ist, habe ich Dir mehrfach erläutert.

Pluto hat geschrieben:meistens MUSS man einfach das nehmen was schwarz auf weiß da steht.
Nein - sprich mal mit 2Lena. :)

Pluto hat geschrieben:Ich wehre mich dagegen, etwas als Maß anzunehmen, das auch falsch ein könnte.
Das ist unvermeidbar. - Falls Jesus historisch göttlich ist, ist das interpretative HKM-Maß für die Tonne, da falsch. - Falls Jesus wirklich nur Mensch ist, gilt dasselbe für die Theologie. - Wir können das nicht entscheiden.

Pluto hat geschrieben:In der Theologie gibt es dazu keine Parallele, denn alles ist nur eine Folge eines Glaubensbekenntnisses und es gibt keinerlei Reproduzierbarkeit.
Das ist ein Unterschied zwischen Naturwissenschaft und Geisteswissenschaft - wir können es nicht ändern, wenn zu untersuchende Objekte kategorial unterschiedlich sind.

Pluto hat geschrieben:Die Kanonik kann sich NUR auf das Glaubensbekentnis stützen. Die HKM stützt sich auf die Fakten
Das ist einfach falsch. - Die Kanonik stützt sich auf diesselben (sachlichen) Fakten wie die HKM und stützt sich auf dieselben Quellen wie die HKM (wollen wir wissenschaftliche Streitfragen, die es überall gibt, einmal beiseitelassen).

Pluto hat geschrieben:Aber stelle dir mal die Frage, ob dies vielleicht aus Gewohnheit geschieht (Ich bin es gewohnt zu setzen, also müssen alle anderen auch setzen.)
Das hat nichts mit Gewohnheit zu tun, sondern mit philosophischem Grundwissen (und eigenem Nachdenken sowieso).

Pluto hat geschrieben:Welche geheimen Quellen gibt es noch, aus denen die Kanonik ihr Glaubensbekenntnis formuliert?
Keine - sogar alle Dogmen sind Schlussfolgerungen aus DEN Texten, die auch die HKm bearbeitet - aber man interpretiert unterschiedlich.

Pluto hat geschrieben:So weit ich weiß, gibt es nur eine einzige Übersetzung, die eher selten verwendete Buber Übersetzung, die das Wort Generation meidet (vermutlich aus dem Glaubensbekenntnis).
Nee - Buber hat nur das AT übersetzt. - Aus dem Gedächtnis meine ich, dass Schlachter so übersetzt - und ich weiß, dass die messianische Bibel so übersetzt. - Ich meine, insgesamt mal 4 gezählt zu haben - also nicht die Mehrheit, aber auch nicht die Ausnahme.

Pluto hat geschrieben:Warum tut es die Theologie dann immer und immer wider?
Sie tut es genauso wenig oder mehr wie die HKM - nochmals: "Wissenschaft" ist nicht der Versuch, Setzungen nachzuweisen, sondern auf ihrer Basis zu forschen. - Und genau das tun HKM und (bspw.) Kanonik.

Pluto hat geschrieben:Du hast mich falsch verstanden. Ich meinte, die einzig redliche Art zu untersuchen ist GAR NICHT ZU SETZEN!
Dann sind ALLE Exegeten unredlich - das kann ja nicht gemeint sein. - Wenn ich hier (gegen meine Art) qualifizieren sollte, würde ich sagen: "Der ist unredlich, der Setzungen nicht erkennt oder verschweigt und dann so tut als habe er keine".

Pluto hat geschrieben:Sind mögen i der Theologie notwendig sein, aber nicht wenn man wissenschaftlich arbeitet.
Bei der Bibelexegese ist diese Aussage falsch, sobald man über reine technische Sachanalysen hinausgeht.

Pluto hat geschrieben: Das ist keine Setzung, sondern Grundlage der Untersuchbarkeit.
Das ist doch exakt dasselbe.

Pluto hat geschrieben:Die HKM setzt NICHT dass Jesus nur Mensch war
Doch - genau das tut sie vorab in ihrer Anlehnung an kritisch-rationale Denkweise: "Was nicht falsifizierbar ist, ist irrelevant". - Wie könnte etwas Irrelevantes Grundlage für eine Interpretation sein?

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sven23
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#466 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von sven23 » Mo 12. Jun 2017, 21:25

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Einverstanden, aber eine Interpretation mit hohem Wahrscheinlichkeisgrad auf Grund der Quellenlage.
Nein - für die christliche Auslegung ist die Quellenlage genauso wichtig, wird aber anders interpretiert.
Die Quellen werden willkürlich so ausgelegt, dass sie das Glaubenskonstrukt nun ja nicht gefährden. Kann man in der historischen Forschung vergessen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Naherwartung gehört nun mal mit hoher Wahrscheinlichkeit zur "Wirklichkeit Jesu"
Unter theologischen Gesichtspunkten ist sie unwahrscheinlich.
Dass sich Glaubensdogmatiker alles so hinbiegen, wie sie es gerne hätten, ist bekannt.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Es ist ein theologisch-mythisches Konstrukt. Ein Erklärungsversuch, mehr nicht.
Es ist ein Erklärungs-Versuch in Auslegung der Bibel - mehr geht nicht.
Eben, einen Sündenfall gab es nie.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Mit größerem zeitlichen Abstand werden die Darstellungen immer legendenhafter und bizarrer.
Wie willst Du das un Bezug auf "das, was ist", beurteilen. - Es mag bizarr sein im Sinne Deiner Weltanschauung - aber was heißt das schon?
Vielleicht sind in deiner Weltanschauung durch die Luft fliegende Apostel normal. :lol:


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:da würdest du intellektuell den kürzeren ziehen.
Auch hier: Wie willst Du das beurteilen außer über Deine Weltanschauung?
Och, wer den helleren Intellekt hat, traue ich mir schon zu beurteilen zu können.

closs hat geschrieben: Es liegt mir fern, sie zu missionieren, aber ich hoffe, dass das Sediment solcher Diskussionen bei ihr runterrieselt und zum rechten Moment im Leben wieder aufgewirbelt wird.
Jeder Taucher weiß das. Aufgewirbeltes Sediment nimmt die Sicht.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wenn die Bibel göttlich inspiriert ist, dann hat das Konsequenzen. Man muss dann nichts kritisch hinterfragen, weil man keinen Unterschied zwischen historischem Geschehen und Überlieferung vermutet, wie die HKM. Die Forschung hat aber gezeigt, dass es da große Diskrepanzen gibt.
Dein Ansatz ist falsch: "Göttlich inspiriert" ist nicht dasselbe wie "historisch authentisch".
Aber da die Texte angeblich göttlich inspiriert sind, sind sie automatisch historisch authentisch in der Logik der Kanoniker und Glaubensdogmatiker.
Von kritischer Hinterfragung ist man hier weit entfernt.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Eine Theologin für Systematische Theologie sagt klipp und klar, dass es eine große Diskrepanz zwischen dem historischen Jesus und der Überlieferung der Kirche gibt.
Es ist richtig, dass die Kirche dazu neigt(e), geistige Aussagen als historische Geschehnisse zu chiffrieren - aber allein aus der Tatsache, dass sogar die RKK heute die Evolutions-Theorie voll anerkennt und trotzdem die Genesis-Geschichte erzählt, sollte Dir klar machen, dass der Sinn der Genesis nicht die historische Authentizität, sondern deren geistige Aussage ist.
Hier geht es nicht um die ET, die nebenbei von der Kirche heftig bekämpft wurde, sondern um die Diskrepanz zwischen kirchlicher Überlieferung und dem historischen Jesus.
Hast du dir wenigstens das Video angeschaut?

closs hat geschrieben: Das ist eh das große Missverständnis: Man scheint in Kreisen der HKM zu meinen, der Begriff "göttliche Inspiration" sei beschädigt, wenn Jesus wahrscheinlich nicht Bethlehem, sondern sonstwo geboren wurde - dieser Ansatz ist falsch (davon abgesehen, dass hier auch noch viel Interpretation hineinspielt, die je nach Hermeneutik ganz unterschiedlich sein kann).
Der Ort ist zweitrangig, Wichtig ist, warum die Geburtslegenden erfunden wurden. Sie wurden einzig aus dem Grund erfunden, Gründe für die Vergottung liefern zu können, denn auch damals gab es berechtigte Zweifel an der Göttlichkeit.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Doch, wie man an der Naherwartung sieht.
Am Thema "Naherwartung" sieht man, wie zwei polarisierte Weltanschauungen bei gleicher Quellenlage zu komplett unterschiedlichen Interpretationen kommen können - das ist kein Pluspunkt für HKM, auch nicht für christliche Exegesen - es ist einfach so.
Die Interpretationen von Glaubensogmatikern sind in der historischen Forschung irrelevant. :roll:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wenn die Forschung den Volksglauben untersuchen kann, dann auch den Glauben des Wanderpredigers.
Was Jesu Denken angeht, kann das die theologische Forschung besser untersuchen, weil sie im Gegensatz zur HKM geistig argumentieren kann.
Geistig argumentieren ist für dich das gleiche wie dran glauben. Das ist aber in der historischen Forschung irrelevant. Es genügt, das Glaubenskonstrukt zu beschreiben und zu verstehen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Mit der Aufklärung war der Spuk vorbei.
Die HKM hat einige Undinge bei der theologischen Exegese korrigiert, dabei aber auch das Kind mit dem Bade ausgeschüttet - wer Jesus nur als Mensch interpretiert, ist kein Vertreter geistiger Aufklärung, sondern Vertreter EINER hermeneutischen Grundausrichtung.
Das siehst du völlig falsch. Die Leben-Jesu Forschung ist ja gestartet mit der Hoffnung, mehr über Jesus erfahren zu können. Man hat dann ja auch mehr erfahren, aber anders, als sich viele das erhofft hatten. Wie die Textquellen zeigen, hat man versucht, aus einem Menschen einen Gott zu machen. Die Forschung hat diesen Vorgang ganz klar aufgezeigt. Aus einem vermeintlichen Gott wurde wieder der einfache Mensch. Ist doch irgendwie sympatisch, meinst du nicht auch?

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Alles richtig, nur hier geht es um historische Forschung
Und diese versucht, sich anhand ihrer Methodik "dem, was war", anzunähern. - Und "das, was war", ist historisch. - Und wenn Geistiges war, ist das auch historisch, aber nicht über die HKM annäherbar.
Das sind nur Schutzbehauptungen. Man kann für jede Religion einen Sonderstatus und eine Singularität postulieren. Was soll das bringen außer einem völligen Kauderwelsch an religiösen Ideologien.
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#467 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von sven23 » Mo 12. Jun 2017, 21:35

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: Dreimal darfst du raten, wer ihnen das gepredigt hat.
In diesem Verständnis hat es Jesus NICHT gepredigt - meint die Theologie und auch Meinereiner. - Das Volk hat in einer Zeit der Erfüllungs-Sehnsucht gelegt, hat ihre Naherwartung umgedeutet in eine nicht-materielle, sondern geistige Himmelreich-Nähe, wurde aber (erwartungsgemäß) nicht verstanden - das war dann späteren Rezeptions-Sichten vorbehalten.
Das Volk wurde nicht verstanden??? Von wem?

closs hat geschrieben: * Wie war die Reiseroute von Paulus?

Apropos Paulus.
Auch bei ihm gibt es große Ungereimtheiten. Wenn er wirklich ein historische Person war, ist er der Einzige im gesamten Neuen Testament, der namentlich bekannt ist.
Wie auch immer, Paulus bleibt umstritten.

"An Paulus scheiden sich die Geister. Das geht so weit, dass selbst Theologen behaupten, es habe Paulus überhaupt nicht gegeben und andere, z. B. der Ketzer Marcion, hätten die Paulusbriefe verfasst. Fest steht wohl nach sprach-wissenschaftlichen Untersuchungen, dass von den 14 in der Bibel enthaltenen Paulusbriefen, nur 7 aus derselben Feder stammen und zwar: – der Brief an die Römer, – der erste Brief an die Korinther, – der zweite Brief an die Korinther, – der Brief an die Galater, – der Brief an die Philipper, – der erste Brief an die Thessalonicher, – der Brief an Philemon.

Doch auch an der Echtheit dieser verbliebenen Briefe sind schon im 18. Jahrhundert Zweifel aufgetaucht. Warum etwa schreibt Paulus an die römische Gemeinde einen langen Brief, wenn er anschließend gleich selbst nach Rom reist? Warum wendet er sich an das Bergvolk der Galater in so komplizierten Worten, dass ihn dort bestimmt keiner verstanden hat? Warum spielt er zwischen 50 und 60 schon auf die Zerstörung Jerusalems im Jahre 70 an? Und warum tauchen die Briefe erst im 2. Jahrhundert auf? Weshalb erwähnt ihn sonst nur die Apostelgeschichte und keine andere zeitgenössische Quelle, wenn er angeblich doch so eine überragende Persönlichkeit war?"

Quelle: glauben&wissen
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#468 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von closs » Mo 12. Jun 2017, 22:14

sven23 hat geschrieben:Die Quellen werden willkürlich so ausgelegt
Beliebige Behauptung - arbeite Dich mal in Theologie ein, dann wirst Du verstehen, was ich meine.

sven23 hat geschrieben:Dass sich Glaubensdogmatiker alles so hinbiegen, wie sie es gerne hätten, ist bekannt.
Dito - was Du sagst, deutet eher auf eine Ideologisierung und Traumatisierung Deinerseits hin.

sven23 hat geschrieben:Eben, einen Sündenfall gab es nie.
Was verstehst Du unter "gab es nie"? - Auf welcher Ebene?

sven23 hat geschrieben:Aber da die Texte angeblich göttlich inspiriert sind, sind sie automatisch historisch authentisch in der Logik der Kanoniker und Glaubensdogmatiker. Von kritischer Hinterfragung ist man hier weit entfernt.
Moment: INNERHALB dieses Systems ist man genauso kritisch wie INNERHALB des Systems der HKM.

sven23 hat geschrieben:Hast du dir wenigstens das Video angeschaut?
Zufällig sogar im Original im TV - nichts Neues. - Es tut nichts zur Sache bei Antworten auf geistige Fragestellungen wie "Was hat Jesus historisch wirklich gedacht" - FALLS er nicht nur Mensch war - das ist die Geschäftsgrundlage.

sven23 hat geschrieben:Sie wurden einzig aus dem Grund erfunden, Gründe für die Vergottung liefern zu können, denn auch damals gab es berechtigte Zweifel an der Göttlichkeit.
Aus meiner persönlichen Sicht war dies der falsche Weg, weil geistige Wahrheiten keine materiellen Stammbäume haben - andererseits: Vielleicht war dieser Weg die einzige Chiffre, um Göttlichkeit verständlich zu machen - ich weiß es nicht. - Was ich damit sagen will: Das ist alles viel komplizierter, als Du Dir dies in Verengung auf HKM-Ergebnisse gerne vorstellen magst.

sven23 hat geschrieben:Die Interpretationen von Glaubensogmatikern sind in der historischen Forschung irrelevant.
Das ist umgekehrt genauso: Historisch-kritische Interpretationen sind im Zweifelsfall für Christliche Hermeneutik, der es um die Wirklichkeit Jesu geht, ebenfalls irrelevant. - Die Grundlagen beider sind zu unterschiedlich.

sven23 hat geschrieben:Geistig argumentieren ist für dich das gleiche wie dran glauben.
Auf diese Idee bin ich noch gar nicht gekommen - nein, das ist etwas anderes. - Ich habe Rabbis gekannt, die das Christentum geistig super verstanden und geehrt haben, aber gleichzeitig gesagt haben: "Ich glaube, dass unser jüdischer Zugang zu Gott besser ist".

sven23 hat geschrieben:Aus einem vermeintlichen Gott wurde wieder der einfache Mensch.
Das wäre nun sogar aus meinem Verständnis von "Zirkelreferenz" eine solche.

Man beachte bei seiner Untersuchung nur das, was nachweisbar ist ("Jesus ist Mensch"), interpretiere dementsprechend, und komme dann zum Ergebnis, dass Jesus entgegen den Schriften nur Mensch ist. - Geil!!!!! - Und DU besitzt die Kühnheit, der kanonischen Exegese Zirkelreferenz vorzuwerfen? :lol:

sven23 hat geschrieben:Man kann für jede Religion einen Sonderstatus und eine Singularität postulieren.
Naja - wenn eine Schrift um die Göttlichkeit Jesu geht: Ist es dann ein Sonderstatus, wenn man es ernstnimmt?

sven23 hat geschrieben:Das Volk wurde nicht verstanden??? Von wem?
Mein Fehler: Jesus wurde auf Basis der bestehenden Volkssehnsucht nach einer Naherwartung Deiner Art vom Volk nicht verstanden.

sven23 hat geschrieben:Wenn er wirklich ein historische Person war, ist er der Einzige im gesamten Neuen Testament, der namentlich bekannt ist.
Wie? - Die anderen Namen sind nichts?

Im übrigen: Es gab ernsthafte Forschungen, ob Shakespeare jemals gelebt hat. - Ändert das etwas an der Substanz "seiner" Werke?

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#469 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von Münek » Mo 12. Jun 2017, 22:52

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Doch, wie man an der Naherwartung sieht.
Am Thema "Naherwartung" sieht man, wie zwei polarisierte Weltanschauungen bei gleicher Quellenlage zu komplett unterschiedlichen Interpretationen kommen können - das ist kein Pluspunkt für HKM, auch nicht für christliche Exegesen - es ist einfach so.
Wie oft denn noch - dem Konsens in der neutestamentlichen Forschung über Jesu Naherwartung und Irrtum wurde bisher von Seiten der RKK NICHT widersprochen Jedenfalls ist mir kein offizielles Dokument bekannt. Täte sie es, müsste sie sich nämlich mit den Argumenten der wissenschaftlichen Exegese sachlich im Detail auseinandersetzen. Davor scheut sie sich, weil ihr bewusst ist, dass sie in einer solchen Sachauseinandersetzung mangels Kompetenz den Kürzeren ziehen würde.

Deshalb herrscht im dogmatischen/fundamental-theologischen Walde zu diesem Thema beredtes Schweigen im Walde.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wenn die Forschung den Volksglauben untersuchen kann, dann auch den Glauben des Wanderpredigers.
Was Jesu Denken angeht, kann das die theologische Forschung besser untersuchen, weil sie im Gegensatz zur HKM geistig argumentieren kann.
In historischen Fragen (die Naherwartungs-Frage ist ganz gewiss KEINE "geistige Frage") hätte der persönliche Gottesglaube sowieso nichts zu suchen. Aber die "theologische Forschung", von der Du sprichst und die sich mit diesem Thema befasst, existiert an den theologischen Fakultäten bekanntlich nicht.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Mit der Aufklärung war der Spuk vorbei.
Die HKM hat einige Undinge bei der theologischen Exegese korrigiert, dabei aber auch das Kind mit dem Bade ausgeschüttet - wer Jesus nur als Mensch interpretiert, ist kein Vertreter geistiger Aufklärung, sondern Vertreter EINER hermeneutischen Grundausrichtung.
Klar - wer den historischen Jesus nicht als den Sohn eines Gottes anerkennt, ist kein Vertreter des christlichen Glaubens. Das hat aber nichts mit mangelnder Aufklärung zu tun. Gottseidank ist die Zeit der allmächtigen, alles bestimmenden RKK schon lange vorbei. Dank
der "pöhsen ungeistigen" Aufklärung!
:thumbup:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Alles richtig, nur hier geht es um historische Forschung
Und diese versucht, sich anhand ihrer Methodik "dem, was war", anzunähern. - Und "das, was war", ist historisch. - Und wenn Geistiges war, ist das auch historisch, aber nicht über die HKM annäherbar.
Ja WENN ... Wenn es den Weihnachtsmann gibt, dann ist er selbstverständlich historisch. Wer würde Dir da widersprechen? :)

closs
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#470 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von closs » Mo 12. Jun 2017, 23:31

Münek hat geschrieben: dem Konsens in der neutestamentlichen Forschung über Jesu Naherwartung und Irrtum wurde bisher von Seiten der RKK NICHT widersprochen
Vielleicht wurde in den letzten Jahrzehnten nicht mehr widersprochen (kann ich nicht beurteilen) - entscheidend ist, dass die gesamte Theologie auf der Basis aufbaut, dass Jesus göttlich ist, Wunder und somit Auferstehung historisch möglich sind und "nahes Himmelreich" nicht apoklayptisch, sondern auf Jesus und dessen Auferstehung hin zu interpretieren ist. - Dass es zwischenzeitlich zu Hype-Zeiten der HKM auch innerhalb der Theologie Versuche gab, der HKM zu folgen, wird nicht bestritten - es wurde aber nach kurzer Zeit wieder abgeblasen, weil deren hermeneutischer Ansatz einfach nicht zur Theologie passt. - Es ist weltfremd zu meinen, dass die großkirchlichen Theologien im Großen und Ganzen der Naherwartung in Deinem Verständnis folgen würden - das Gegenteil ist der Fall. - Dazu wurde übrigens hier schon massig Literatur eingestellt.

Münek hat geschrieben:die Naherwartungs-Frage ist ganz gewiss KEINE "geistige Frage"
Und wie. - Sich in das Denken von Jesus hineinzusuchen, ist ein rein geistiger Vorgang - da nützen Quellen über Volksglauben zur Zeit Jesu nichts.

Münek hat geschrieben: Aber die "theologische Forschung", von der Du sprichst und die sich mit diesem Thema befasst, existiert an den theologischen Fakultäten bekanntlich nicht.
:?: - Das ist jetzt schon extreme Verdrängung Deinerseits.

Münek hat geschrieben: wer den historischen Jesus nicht als den Sohn eines Gottes anerkennt, ist kein Vertreter des christlichen Glaubens. Das hat aber nichts mit mangelnder Aufklärung zu tun.
So formuliert kann man diesen Satz stehen lassen - man kann nactürlich auch als Verfechter eines säkularen Weltbildes aufgeklärt sein. - "Aufklärung" ist nicht von Meinungen abhängig, sondern wie man sie vertritt.

Münek hat geschrieben:Wenn es den Weihnachtsmann gibt, dann ist er selbstverständlich historisch.
Und wenn Jesus nur Mensch war, ist das selbstverständlich ebenfalls historisch.

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