Thaddäus hat geschrieben:Sprechen gute Gründe dagegen, kann es in bestimmten Fällen auch anders sein.
Das ist doch schon was.
Thaddäus hat geschrieben:Sie besteht in deiner immuisierend-dogmatischen hermeneutischen Annahme, der Kanon könne nur vom Standpunkt des christlichen Glaubens, und zwar von einem Jetztzustand (im Grunde katholischer) Glaubensüberzeugungen aus richtig verstanden werden.
Ja - das ist prinzipiell richtig. - Aber das ist doch keine Garantie, dass es auch gelingt - man schaue nur auf einigen Blödsinn, der unter hermeneutischem Vorwand in 2000 Jahren im Namen des Christentums produziert wurde.
Jedoch ist es Voraussetzung - aus dem ganz einfachen Grund, weil die HKM aus Gründen der eigenen Methodik nur induktiv denken kann - also ohne geistigen Überbau interpretieren muss. - Dies ist ganz einfach mit folgenden Fragen nachweisbar:
a) Wie würdest Du die vorliegenden Bibel-Texte interpretieren, wenn Du wüsstest, dass Jesus Gott ist? - Kanonisch.
b) Dito, wenn Du davon ausgehen müsstest, dass Jesus NICHT Gott ist? - HKM.
DIESELBEN Texte würde in einem unterschiedlichen Licht stehen und dementsprechend anders interpretiert werden - meinst Du nicht?
JackSparrow hat geschrieben:Jetztzustand
Diesen Hinweis verstehe ich nicht ganz. - Unter "Jetztzustand" verstehe ich im besseren Falle, dass mit voranschreitender Zeit ein hermeneutischer Prozess besser entwickelt ist - das wäre an sich naheliegend. - Aber das impliziert genauso, dass eine spätere "Jetztzeit" noch näher dran wäre.
Wenn man etwas in Jetztzeit verbockt, ist es natürlich falsch - es ist nur im besseren Fall richtig, was man interpretiert. - Eine Jetztzeit kann auch Rückschritt bedeuten - das scheint mir persönlich in weiten Teilen der evangelischen Deutungen so zu sein. - Insofern sind wir uns einig, dass "Jetztzeit" keine Carte Blanche sein darf. - Das wäre ein Missverständnis.
Thaddäus hat geschrieben: Es geht um deine (und Ratzingers) dogmatisch-hermeneutische Grundhaltung.
Ich kann nur von MEINER Grundhaltung sprechen: Die Bibel ist nur
substantiell interpretierbar, wenn man einen spirituell-geistigen Zugang zu ihr hat. - Ich meine, dass Ratzi ebenfalls in diese Richtung denkt.
Thaddäus hat geschrieben:Wenn in einem Jesus-Evangelium aber zu lesen wäre, dass sich Jesus aus Nazareth für einen jüdischen Propheten gehalten hat, dann hätte das unmittelbare Konsequenzen z.B. für das Dogma der Dreieinigkeit Gottes.
Dazu wäre bspw. zu klären:
a) Wie stehen solche Aussagen zu anderen Aussagen, wonach Jesus sich als "Gott" versteht ("Mein Herr und mein Gott").
b) Wie ist die Aussage zu verstehen, wonach Jesus am See Genezareth (?) so was sagt wie: "Ich müsste nur mit dem Finger schnipsen und ich hätte göttliche Heere zur Verfügung" (finde die Stelle gerade nicht).
c) Hat Jesus sich als eine Prophet gehalten oder wurde er vom/von Textverfasser/n für einen Propheten gehalten?
d) ...
Thaddäus hat geschrieben:Nicht einmal ein Evangelium geschrieben von Jesus selbst könnte die mit dieser dogmatisch-hermeneutischen Grundhaltung verknüpften konkreten Glaubensüberzeugungen widerlegen.
Ich denke schon - wenn ein Evangelium auftauchte, das zweifellos authentisch wäre UND auch noch unmissverständlich wäre, würde dies selbstverständlich den "Jetztzustand" verändern.
Ich denke, dass die Pflöcke, die von den Ratzis eingerammt werden, sich gegen eine bewusst un-spirituelle Deutungs-Schule wenden, die rein induktiv erfassen möchten, was die Wahrheit der Bibel ist. - Auch Ratzi würde sich beugen, wenn Jesus käme und ihm sagen würde, dass er sich irrt.
Thaddäus hat geschrieben:Es kommt dabei nicht auf die konkreten Glaubensüberzeugungen an, sondern auf die selbstimmunisierend-dogmatisch-hermeneutische Prämisse, die du und Ratzinger setzen.
Es ist doch gar nicht so - die Bandbreite des Irrtums ist auch bei Ratzi gegeben. - Nur dass er (und da stimme ich ihm zu) als Voraussetzung einen spirituell-geistigen Zugang voraussetzt.
Thaddäus hat geschrieben:Sie führt zur Haltung des Großinquisitors, der aufgrund der gleichen dogmatischen Prämisse sogar Christus selbst Vorwürfe machen kann.
Da interpretierst Du wahrscheinlich über.
Thaddäus hat geschrieben:denn mit ihr kann man noch Jesus selbst darüber belehren, was er angeblich in Wahrheit gewollt und gepredigt hat.
Dito.
Thaddäus hat geschrieben:Das kommt darauf an, was in diesem Jesus-Evangelium geschrieben steht.
In Bezug auf die von mir genannten Dinge kommt es nicht darauf an. - Es kann allenfalls sein, dass die Bibel selbst ein Irrtum ist - also die Einlösung dieser Grundfragen, die auch in anderen geistigen Hochkulturen gestellt werden, nicht durch die Bibel geschieht - was ich jedoch glaube, nachdem ich das Ding ziemlich genau durchgelesen habe.
Allerdings gilt auch: Man kann es nicht beliebig lesen, selbst wenn es HK-methodisch sauber gelesen wird. - Das reicht nicht. - Aber wie soll man das vermitteln?
Thaddäus hat geschrieben:Ich glaube, du verstehst nicht, warum ich auf diese Binnenerzählung und die hermeneutische Haltung des Großinquisitors überhaupt verweise.
Vielleicht schon. - Vielleicht versuche ich ja, Deiner Interpretation etwas ganz anderes entgegen zu setzen.
Diese Geschichte fand ich immer sehr gut, weil sie in der Praxis sehr aktuell ist - so ist der Mensch. - Aber so darf es nicht sein. - Andererseits führt kein Weg daran vorbei, mit einer geistigen Setzung ("Wir lesen die Bibel so, als sei Jesus tatsächlich der, den die Kirche meint, ihn ihm zu erkennen.") reinzugehen - eben weil alles andere induktives Gestupfel ist ohne spirituelle Verständnisebene.
Thaddäus hat geschrieben:Es trifft auf deine und Ratzingers dogmatisch-selbstimmunisierend-hermeneutische Prämisse voll zu. Warum steht oben.
Halte es für möglich, dass Du Dich hierin irrst.
Thaddäus hat geschrieben:deine und Ratzingers dogmatisch-selbstimmunisierend-hermeneutische Prämisse.
In diesen Ausdruck scheinst Du Dich verliebt zu haben

- aber er wird nicht wahrer durch ständige Wiederholung.
Thaddäus hat geschrieben:Das ist recht hilflos, findest du nicht?!
In der Tat. - Wir haben das Dilemma, dass man ohne spirituelle Prämisse die Bibel nicht substantiell verstehen kann UND dass damit das Feld des Falsifizierbaren verlassen werden muss. - Alternative: Man beschränkt sich auf die HKM-Ebene - um den Preis, dass man nichts Substantielles sagen kann. - Was ist besser????
Thaddäus hat geschrieben:denn die HKM macht keine dogmatisch-selbstimmunisierend-hermeneutischen Prämissen wie du oder Ratzinger.
Zu Ende gedacht schon. - Denn da die HKM aus Gründen der Selbst-Disziplin nicht davon ausgehen DARF, dass Jesus Gott ist, kann sie die Bibel nur so lesen, als sei es irgendein Wanderprediger, der genauso Thaddäus oder Closs heißen könnte.
Somit hat die HKM die Prämisse (egal, ob sie es so nennt oder nicht - ich meine es rein faktisch), die Bibel nicht unter kanonischer Prämisse, sondern rein säkular zu lesen - die Ergebnisse sind somit genauso vorbestimmt wie die Ergebnisse der kanonischen Exegese.
Thaddäus hat geschrieben:dann nähme die HKM das genau so zur Kenntnis wie alle anderen Quellenfakten und zöge ihre Schlüsse daraus.
Ihre säkularen Schlüsse. - Und die wären meinetwegen: Jesus hat sich nicht nur als Prophet, sondern als Gott verstanden.
In Anbetung auf die Knie würde die HKM deswegen nicht gehen

, weil sie - methodisch bedingt - gar nicht auf diese Idee kommen kann. - Man würde vermutlich eher medizinische Nachforschungen betreiben, welche heute bekannten psychotischen Krankheitsbilder dazu passen. - Also auch hier gäbe es keinen spirituell-geistigen Einstieg, weil dies methodisch nicht vorgesehen ist.
Conclusion:
HKM ist ein wertvoller Fakten-Lieferant in Bezug auf historische, spach-historisch, sonstwas-historische Gegebenheiten, aber sui generis nicht geeignet, inhaltliche Deutungen geistiger Art zu stemmen - WENN man Dein Verständnis von HKM zugrunde legt. - Es wäre ein Oxymoron.
Und genau so wird die HKM seitens Ratzi (nach meinem Verständnis) gesehen: Wichtige Grundlage, aber ungeeignet als substantielle Deutungs-Autorität. - Das sehe ich echt genauso.
Eine Frage hast Du übrigens noch nicht beantwortet:
Stelle Dir vor, Du wärest aus welch einem Grunde auch immer subjektiv sicher, dass Jesus Gott ist. - Nun würdest Du die Bibel privat in diesem subjektiven Bewusstsein lesen und zu einem klaren Ergebnis kommen. - Im Dienst erforschst Du auf HKM-Basis die Bibel - mit (meinetwegen) ebenfalls einem klaren Ergebnis. - Beide Ergebnisse widersprechen sich.
Im Fall eins ist Dir aus dem Gesamttext des Kanons absolut klar, dass Jesus KEINE "äußere" Naherwartung hatte - im Fall zwei ist Dir HKM-mäßig klar, dass er eine hatte. - "Wem" glaubst Du mehr? - Was würdest Du tun?
Thaddäus hat geschrieben: Dann würden die theologischen Lehrbücher so umgeschrieben, dass in ihnen nun festgestellt würde, dass Jesus eben keine Naherwartung hatte, dass er sich selbst für Gottes Sohn hielt, dass er schon eine Dreifaltigkeit lehrte usw. usf. und zwar unter Hinweis auf genau dieses gefundene Jesus-Evangelium.
Das glaube ich Dir. - Aber wie würde die HKM begründen, dass sie vorher Gegenteiliges "nachgewiesen" hätte?