Pluto hat geschrieben:Thaddäus hat geschrieben:
[...]
Es herrschte damals die größenwahnsinnige Auffassung, die KI-Forschung würde innerhalb der nächsten 10 bis 20 Jahre eine künstliche Intelligenz schaffen, die der menschlichen weit überlegen sein würde. Davon sind die KI 'ler auch heute, am Ende des Jahres 2015, nicht nur meilenweit entfernt, es herrscht unter den Klügeren dieser Disziplin mittlerweile sogar die Überzeugung, dass ihnen dies auch in den nächsten 100 Jahren und womöglich niemals gelingen wird.
Und wenn es hundert Jahre oder mehr dauert... Du wirst dich noch in deinem Grab umdrehen, und deine eigenen Worte verspeisen.
Lieber Pluto, mein Text ist natürlich ganz arg polemisch. Aber manchmal macht es mir einfach Spaß so polemisch zu schreiben. Ich hoffe doch nicht, mich schon demnächst im Grabe herumdrehen zu müssen. Dafür fühle ich mich dann doch noch erheblich zu jung.
Immer, wenn ich so etwas Kritisches zum naturwissenschaftlichen Weltbild (besser: dem Physikalismus) oder der Neurowissenschaft schreibe, scheinst du zu denken, dass ich dann ja nur eine ganz gegensätzliche, geistmetaphysische Haltung einnehmen kann. Als ob ich mich in manchen Beiträgen als naturwissenschaftsfreundlich nur tarne, um an passender Stelle dann mein böses wahres, substanzdualistisches und esoterisches Weltbild aus dem Hut zu zaubern und es euch unterzujubeln versuche. Ich kann dir aber versichern, dem ist nicht so. Ich habe einfach nur sehr differenzierte Ansichten zu vielen Themen und versuche bewusst meine philosophischen Überzeugungen nicht nach Weltanschauungen oder schlimmer: Ideologien auszurichten. Anders glaube ich nicht, philosophieren zu können.
Wenn ich oben also kritisch auf der KI-Forschung herumhacke, dann nur deshalb, weil sie (wie die Neurowissenschaften noch heute) in ihrer frühen Euphorie wirklich viel zu viel versprochen hat und die Komplexität ihres Gegenstandes (auch philosophisch) weitgehend verkannt hat. Sie kriegt im Augenblick vor allem von einigen ausgezeichneten Philosophen eins aufs Dach, - aber weil sie sich besinnen soll, nicht weil sie sich zum Teufel scheren soll.
Wenn die Natur ein Gehirn auf natürlichem Wege evolutionär erschaffen konnte, mit all seinen mentalen Fähigkeiten, dann vermag der
"im erfindenden Geiste nimmer verhoffter Dinge Meister" (Sophokles,
Antigone),
nämlich der Mensch, es auch irgendwann nachzubauen bzw. ein vergleichbar komplexes Artefakt zu erschaffen, das dann vielleicht tatsächlich auch denken kann und mentale Zustände aufweist. Dass er dies bislang nicht geschafft hat, liegt meiner Ansicht nach daran, weil die KI-Forschung ein viel zu schlichtes Bild vom Funktionieren des Gehirns hat und die Sache darum falsch angeht.
Was ich dezidiert nicht glaube ist, dass es niemals gelingen kann, intelligente Maschinen zu bauen, weil man grundsätzlich keine feinstofflich-freischwebende Seele in eine Silizium-CPU hineinbekommen kann.

Aber vielleicht ist ja der Ansatz, es mit einer CPU auf Siziliumbasis zu versuchen, schon ein grundsätzlicher Fehlansatz.
Pluto hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Stattdessen widersteht das "Rätsel des Bewusstseins" und mentaler Vorgänge im menschlichen Hirn wie ein erratisches Bollwerk jedem Versuch der KI-Forschung, es zu enträtseln oder es gar zu simulieren.
Ha ha ha...

Interessante Meinung!
Nun ja, um der Wahrheit die Ehre zu geben, hat die KI-Forschung niemals versucht,
Bewusstsein zu simulieren. Die wollte immer nur wirklich intelligente Programm entwickeln. Insofern tue ich ihr tatsächlich unrecht. In der Tat hat aber der Versuch der KI-Forschung, Programme entwickeln zu wollen, die natürliche Sprache verstehen und produzieren können, dazu geführt, dass die Informatiker auf das Problem des Bewusstseins gestoßen sind über den Umweg symbolverarbeitender Systeme. Sie haben bemerkt, dass es schon unfassbar schwierig ist, auch nur Programme zu entwickeln, die natürlich gesprochene Sprache phonetisch, also auf der Lautebene, sauber und sicher verstehen können. Von Semantik, also der Bedeutungsebene der Sprache, ist da noch gar nicht die Rede. Das ist - offensichtlich - nochmals viel schwieriger in den Griff zu bekommen, sonst gäbe es längst Programme, die mit einem Menschen ein ganz normales Gespräch führen können, ohne dass dem Menschen auffiele, dass es sich um KI handelt.
Pluto hat geschrieben:
Mir stach neulich ein Buch von Antonio Damasio ins Auge. Der Titel lautet:
Ich fühle, also bin ich. So habe ich es mir bestellt.
Besonders interessant fand ich dabei den Untertitel:
Die Entschlüsselung des Bewusstseins
Nun bin ich gespannt, was er so schreibt. Soll ich dich auf dem Laufenden halten?
Aber ja, darüber würde ich mich sogar sehr freuen! Ich habe zwar meine Ansichten und Überzeugungen, lese aber oft auch Bücher, die diese meine Ansichten und Überzeugungen gerade nicht teilen. Mich interessiert brennend, was es an Gegenargumenten gibt, sonst kann ich ja nichts lernen! Aber ich vermute, ich würde Antonio Damasios Ausführungen in diesem Buch vermutlich gar nicht vehement widersprechen, denn das ist ein ziemlich kluger Kopf und ich nehme keine Fundamentalopposition zu ihm ein.