Alles Teufelszeug?

Benutzeravatar
Savonlinna
Beiträge: 4300
Registriert: So 2. Nov 2014, 23:19

#41 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Savonlinna » So 7. Feb 2016, 14:11

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Wenn es nur im Rezeption geht, mag die kanonische Exegese geeignet sein. Will man aber zum möglichen Urkern der Jesusbotschaften vordringen, muß man die Texte von rezeptionsgeschichtlicher Kontaminierung befreien. Das geht nur mit der HKM.
Genau umgekehrt.
Umgekehrt ebenfalls nicht.

Alle neutestamentlichen Texte sind bereits Rezeption.
Die vorliegenden Texte sind literarischer Natur, sie werden mit literarischen Mitteln untersucht.
Es wird also untersucht, welches Jesusbild der jeweilige Evangelist hatte und wodurch er von diesem Bild geprägt wurde.

Das heißt, es wird die Auffassung des Autors untersucht und nicht die des historischen Jesus.
Das wird hier immer verwechselt.

Mit anderen Worten: der vorliegende Text ist bereits Theologie. Er muss sich keinesfalls unbedingt auf einen historischen Jesus beziehen.
Darum hat Thaddäus vollkommen Recht, wenn sie sagt, dass die historisch-kritische Methode geistige Haltungen aus den Texten herauspräpariert.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#42 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von closs » So 7. Feb 2016, 15:03

sven23 hat geschrieben:Und wer entscheidet, wie der Mensch die Bibel aufnehmen soll?
Das ist primär NICHT historisch-kritisch begründet - und beansprucht es auch nicht. - Das ist Lehramt.

sven23 hat geschrieben:Wenn man das wissen will, muß man erst mal die Ur-Botschaft Jesu heraus arbeiten, d. h. von rezeptionsgeschichtlicher Kontamination befreien.
Eeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeee-ben: Bereits die ersten Textquellen sind Rezeptions-Quellen - und um mehr kann sich die HKM nicht kümmern. - Es gibt keinen Urtext Jesu (Autograph oder Tonband-Mitschnitt).

Ich habe den Verdacht, dass Du unter "Rezeption" erst die späteren kirchlichen Interpretionen/Eingriffe/etc. verstehst.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#43 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von closs » So 7. Feb 2016, 15:05

Savonlinna hat geschrieben:Alle neutestamentlichen Texte sind bereits Rezeption.
Das ist doch meine Rede von Anfang an.

Savonlinna hat geschrieben:Es wird also untersucht, welches Jesusbild der jeweilige Evangelist hatte und wodurch er von diesem Bild geprägt wurde.
So ist es.

Savonlinna hat geschrieben:Das heißt, es wird die Auffassung des Autors untersucht und nicht die des historischen Jesus. Das wird hier immer verwechselt.
Exakt.

Savonlinna hat geschrieben:Mit anderen Worten: der vorliegende Text ist bereits Theologie. Er muss sich keinesfalls unbedingt auf einen historischen Jesus beziehen.
Jaaaa.

Savonlinna hat geschrieben:Darum hat Thaddäus vollkommen Recht, wenn sie sagt, dass die historisch-kritische Methode geistige Haltungen aus den Texten herauspräpariert.
Das wird eben nicht ganz klar - es entsteht gelegentlich bei ihr der Eindruck, dass sie meint, die HKM sei der Königsweg zum historischen Jesus (im Sinne von: Was er wirklich gemeint hat).

Benutzeravatar
sven23
Beiträge: 23476
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 15:55

#44 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von sven23 » So 7. Feb 2016, 15:09

Savonlinna hat geschrieben: Alle neutestamentlichen Texte sind bereits Rezeption.
Richtig, was aber nicht heißt, daß man nicht verschiedene Schichten der Rezeption heraus arbeiten kann.

Savonlinna hat geschrieben: Das heißt, es wird die Auffassung des Autors untersucht und nicht die des historischen Jesus.
Das wird hier immer verwechselt.
Trotzdem gelten verschiedene Passagen und "Herrenworte" als höchst wahrscheinlich authentisch, aus den verschiedensten Gründen.

Savonlinna hat geschrieben: Mit anderen Worten: der vorliegende Text ist bereits Theologie. Er muss sich keinesfalls unbedingt auf einen historischen Jesus beziehen.
Muß er nicht und tut es ja auch vielfach nicht, wie die Forschung gezeigt hat.
Ratzinger sieht das etwas anders. Er will alle Geschehnisse der Evangelien als historische Tatsachen verstanden wissen.

"Die sonst bei der historisch-kritischen Arbeit gültigen Gesetze gälten bei der historisch-kritischen Bibelexegese nur eingeschränkt, umso mehr, als der biblische Text gemäß kirchlicher Lehre von Gott inspiriert sei.
...
Benedikt weist die in der Schulexegese vertretene These zurück, dass frühchristliche Gemeinden schöpferisch die älteste christliche Lehre von Christus ausgebildet haben, und hält es für auch "historisch viel logischer, dass das Große am Anfang steht"
...
doch erweist sein Inhalt es als eine unverblümte Darstellung des römisch-katholischen Glaubens in historischem Gewand, bei dem die Inspiriertheit der Schriften, die Gottheit Jesu und die Irrtumslosigkeit der Schriften vorausgesetzt werden."

Quelle

Gerd Lüdemann schreibt in der Frankfurter Rundschau:
"Unter dem Strich ist dieses Buch inhaltlich zu dürftig, um die gut begründeten Voraussetzungen und Ergebnisse der historischen Kritik zu erschüttern."

Savonlinna hat geschrieben: Darum hat Thaddäus vollkommen Recht, wenn sie sagt, dass die historisch-kritische Methode geistige Haltungen aus den Texten herauspräpariert.
Ja natürlich, sie hat aber auch Recht, wenn sie sagt:

"Selbst die meisten katholischen Theologen schüttlen über das Zeug, das Ratzinger über Jesus zu wissen meint, eher hilflos den Kopf.
...
Aber den überdimensionierten Firlefanz, den Ratzinger von Jesus in seinem Buch zu erzählen weiß: das ist tatsächlich nichts als Phantasterei, - eben weil er nicht wissenschaftlich arbeitet!
...
Die Ratzinger-Exegese (die die HKM einschließen will) tut nichts anderes, als die Historisch-Kritische Methode zu korrumpieren, indem sie sie für die eigenen Belange missbraucht, um sich selbst einen Anschein von Wissenschaftlichkeit zu verpassen, obwohl sie den gerade aushebeln will.
...
Kein ernst zu nehmender und intellektuell redlicher Theologe bedient sich deshalb der Ratzinger-Exegese. Die, die es tun, sind als nichts anderes anzusehen, als katholische Ideologen.

Sowohl die Ratzinger-Exegese als auch die Kanonische Exegese sind - wie alle anderen fundamentalistischen Exegeseformen - ihrer Natur nach ideologisch, denn sie unterwerfen die wissenschaftlichen theologischen Methoden, also vor allem die HKM, die Archeologie und die Geschichtswissenschaft, einer explizit weltanschaulich-ideologischen Glaubenssicht, die eben vom Primat der Glaubenssicht über die wissenschaftlich arbeitenden Analyseformen ausgeht."


Thaddäus hat eben den Durchblick. ;)
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#45 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von closs » So 7. Feb 2016, 15:11

Thaddäus hat geschrieben:es geht ja gerade darum, zu theologisch-inhaltlich gesicherten Ergebnissen zu kommen.
Da wäre die Gretchenfrage: "Gesichert" in Bezug auf die Textverfasser oder in Bezug auf Jesus?

Thaddäus hat geschrieben:Insofern stimme ich closs nicht zu, die HKM gelange nicht zu "geistigen" bzw. direkten theologischen Aussagen. Natürlich tut sie das. Dafür ist sie da.
In Bezug auf die Rezipienten (= Textverfasser) stimme ich Dir zu - bei Jesus selbst halte ich es für notwendig, gesamt-kanonische Aspekte mit-zu-berücksichtigen. - Da wird man um das "Geistige" im Sinne von "Was hat Jesus mutmaßlich im Gesamt-Kontext von AT und NT gemeint?" und "Was davon haben die Textverfasser wann kapiert?". - Aus meiner Sicht ist dies eine schwere (überfordernde?) Aufgabe für die HKM.

Thaddäus hat geschrieben:Die Quellenlage ist bei biblischen Texten unvergleichlich komplizierter, weil es sehr viele unterschiedlich gute Quellen aus unterschiedlichen Jahrhunderten gibt.
Stimmst Du zu, dass man dabei - egal wie man es dreht und wendet - immer nur die Texte/Textverfasser (also die Rezeption) theologisch beurteilen kann?

Benutzeravatar
sven23
Beiträge: 23476
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 15:55

#46 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von sven23 » So 7. Feb 2016, 15:15

closs hat geschrieben: Ich habe den Verdacht, dass Du unter "Rezeption" erst die späteren kirchlichen Interpretionen/Eingriffe/etc. verstehst.
Ausdrücklich nein. Trotzdem kann die Forschung jüngere und ältere Rezeptionsschichten heraus arbeiten oder möglicherweise authentische "Herrenworte" identifizieren.
Daß man alles in Zusammenhang mit Jesus der Evangelien als historische Tatsachen zu betrachten habe, wird doch nicht von der historisch kritischen Forschung behauptet, sondern von Ratzinger und Co.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

Benutzeravatar
Savonlinna
Beiträge: 4300
Registriert: So 2. Nov 2014, 23:19

#47 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Savonlinna » So 7. Feb 2016, 15:20

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Alle neutestamentlichen Texte sind bereits Rezeption.
Das ist doch meine Rede von Anfang an.
Ich habe auch nicht DIR widersprochen.
Ich widerspreche Dir doch nicht immer. :D

Allerdings zu einem hohen Preis.
Wenn ich Dir nicht immer widerspreche, zählt man mich zu den gläubigen Christen, die nicht bis drei zählen können und nicht Regale voller theologischer Bücher zu Hause haben.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#48 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von closs » So 7. Feb 2016, 15:21

sven23 hat geschrieben:Sowohl die Ratzinger-Exegese als auch die Kanonische Exegese sind - wie alle anderen fundamentalistischen Exegeseformen - ihrer Natur nach ideologisch, denn sie unterwerfen die wissenschaftlichen theologischen Methoden, also vor allem die HKM, die Archeologie und die Geschichtswissenschaft, einer explizit weltanschaulich-ideologischen Glaubenssicht, die eben vom Primat der Glaubenssicht über die wissenschaftlich arbeitenden Analyseformen ausgeht."
Da ist vom Grundgedanken was dran. - Ich würde nur nicht von "unterwerfen", sondern von "ergänzen" sprechen. - Und zwar ergänzen um etwas, was die HKM gar nicht erbringen KANN.

Es gibt aus meiner Sicht zwei Möglichkeiten:
1) Man macht Rezeptions-Arbeit, indem man die verschiedensten (Rezeptions-Quellen) von der Quelle "Q" an untereinander korreliert und Zusammenhänge aufzeigt - das hat aber nur sekundär mit Jesus und dem, was er wirklich gemeint hat, zu tun.

2) Man nimmt die HKM-Arbeit als Basis, um darauf eine über das HKM-Mandat hinausgehende geistige Deutung zu machen (die selbst NICHT historisch-kritisch ist, sondern einfach etwas anderes ist, jedoch nicht im Gegensatz zu den Ergebnissen einer disziplinierten (!) HKM steht/stehen sollte).

Die HKM kann (2) nicht übernehmen - darf aber auch nicht so tun, als könne sie es. - Also schließt man (2) an (1) an oder lässt (2) einfach weg. - NUR aus (1) ist (2) nicht machbar - da muss der "Spiritus" dazu oder man lässt es.

sven23 hat geschrieben:"Die sonst bei der historisch-kritischen Arbeit gültigen Gesetze gälten bei der historisch-kritischen Bibelexegese nur eingeschränkt"
Da muss man nicht besondern geistig inspiriert sein, um es bei selbst-kritischem Betrachten der HKM nicht selber zu merken (Zur Erinnerung: Wir haben lediglich Rezeptions-Quellen und keine authentische Quelle").

Benutzeravatar
sven23
Beiträge: 23476
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 15:55

#49 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von sven23 » So 7. Feb 2016, 15:22

closs hat geschrieben:Stimmst Du zu, dass man dabei - egal wie man es dreht und wendet - immer nur die Texte/Textverfasser (also die Rezeption) theologisch beurteilen kann?
Nein, das wäre nur zutreffend, wenn Jesus eine rein mythologische Figur wäre. Da die Forschung aber mehrheitlich von einer historischen Gestalt ausgeht, wäre es höchst befremdlich, wenn diese historische Gestalt nun überhaupt keine Gemeinsamkeiten mit dem überlieferten Jesus hätte. Es muß also ein Grundkonstrukt wie etwa die Verkündigung des nahen Gottesreiches gegeben haben, auch wenn dann vieles um die Person legenden- und mythenhaft drum herum gebastelt wurde.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

Benutzeravatar
Magdalena61
Beiträge: 15073
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 20:44

#50 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Magdalena61 » So 7. Feb 2016, 15:25

sven23 hat geschrieben:
Magdalena61 hat geschrieben: Im biblischen Original war "Dummkopf" jedoch eine Beschimpfung, die äußerste Verachtung zum Ausdruck bringen sollte: "Nichtsnutz, Hohlkopf, Idiot!" (Quelle: Fußnoten anderer Übersetzungen)-- Beleidigungen dieser Art sollten vom hohen Rat, also von einem weltlichen Gericht, verfolgt und geahndet werden.
Es ist doch völlig egal, ob Narr, Dummkopf oder sonst was gemeint ist.
Nein, eben nicht.

Es ist nicht egal, ob ich jemanden einen Vollpfosten nenne- das betrifft nicht seinen geistlichen Status, sondern ist eine Beleidigung, die auf der Ebene zwischen Mensch und Mensch geklärt oder nicht geklärt werden kann. Oder ob ich einen Gläubigen, in dem der Hl. Geist Wohnung genommen hat, als "Satansdiener" bezeichne, als "Gottlosen" und ihn verfluche.

Der "Narr" steht für Letzteres.

Selbst in unserem Staatswesen werden üble Nachrede, falsche Anklage, Verleumdung/ Rufmord als Straftat gewertet und verfolgt. Warum sollte Gott solche Übertretungen dann blöde lächelnd "vergeben", noch dazu, wenn der Aggressor noch nicht einmal um Vergebung bittet, da er sich "im Recht" zu sein wähnt?

Keine Sorge, Gott schmeißt niemanden aus nichtigem Grund aus der Gnade. Er warnt und drängt... und erst dann, wenn der Mensch stur und eigensinnig seinen falschen Weg weiter verfolgt, zieht Gott die Zügel schärfer an bis hin zu ernsthafteren Züchtigungen. Wer sich weigert, "Gold zu kaufen", fällt irgendwann aus der Gnade. Aber nicht von heute auf morgen.
Die Sünde gegen den Hl. Geist wurde in diesem Zusammenhang thematisiert. Die Pharisäer und Schriftgelehrten zogen es vor, die ihnen zur Verfügung stehenden Infos über die Erkennungszeichen des Messias zu ignorieren und Jesus anzufeinden, indem sie sein Wirken der Macht Satans zuschrieben. Daraufhin warnte Jesus vor der (einzigen) Sünde, die nicht vergeben wird, was mehr oder weniger einem Veredammnisurteil gleichkommt. Genau das meint Mt. 5,22, in einer anderen Farbe.

Wenn ich jemanden in die Hölle wünsche, dann habe ich selbst die Hölle verdient, DAS hat Jesus (eigentlich) gesagt. Weil mit mir genauso verfahren werden wird, wie ich es anderen angedeihen lasse. "Selig sind die Barmherzigen"... und was ist mit den Unbarmherzigen? Die sind nicht "selig", die dürfen sich auf gnadenlose Zeiten freuen.
Das ewige Höllenfeuer ist eine völlig überzogene Strafe dafür. Es wäre vergleichbar mit der Todesstrafe für Falschparker.
Wenn man oberflächlich recherchiert und nicht dazu bereit ist, von den Verwaltern der Schriften zu lernen, muß man allerdings zu diesem Schluß kommen. Dann erzählt man halt Nonsens.
Es ist aber geradezu ein Kennzeichen für übertriebenen religiösen Eifer, wenn nicht mehr differenziert wird. Man kann das heute noch sehr schon beim IS beobachten. Da geht dann jedes vernünftige Maß verloren.
Dass der IS den Koran für unehrenhafte Zwecke mißbraucht ist mittlerweile bekannt, sollte man meinen.

Entartete Gläubige, abtrünnige Mogelpackungen... waren für Israel immer ein teilweise sogar existenzbedrohendes Problem.
LG
God bless you all for what you all have done for me.

Antworten