Thaddäus hat geschrieben:Man kann die Dinge eben nicht mit gleicher Sicherheit so oder auch ganz anders sehen.
"Sicherheit" gemessen woran? - Gemessen an einer ausgewählten Methodik, nicht wahr? - Also eine relative Sicherheit.
Thaddäus hat geschrieben:Es ist ein postmoderner Mythos und eine Falschaussage über die Welt, zu meinen, alle Ansichten seien irgendwie gleichberechtigt wahrscheinlich richtig. Das ist definitiv Unsinn.
Darin sind wir uns sehr einig - unsere Meinungs-Gesellschaft geht mir diesbezüglich sehr auf den Geist.
Thaddäus hat geschrieben:Die HKM weist auf, warum es mit hoher Wahrscheinlichkeit richtig ist, anzunehmen, dass Jesus sich eben nicht als Gottessohn (im griechischen Sinne eines abstrakten Gottesbegriffs) oder gar als trinitarischen Gott verstanden hat. Jesus hätte vermutlich nur mit dem Kopf geschüttelt über das, was das Konzil von Nicäa über sein göttliches Wesen dogamtisch festgelegt hat.
Und genau das kannst Du nicht wissen - und auch die HKM kann es nicht. - Es könnte genauso sein, dass Jesus sich im trinitarischen Gedanken theologisch gut getroffen fühlen würde.
Thaddäus hat geschrieben: Es ist unendlich unwahrscheinlich, dass sich Jesus als trinitarischen Bestandteil Gottes verstanden hat. Es wäre für ihn eine blasphemische Abscheulichkeit gewesen, dies von sich selbst zu glauben, weil er nämlich Jude war!
Verstehst Du nicht, dass Dein Maßstab Dein eigenes Verständnis ist?
Nicht dass Du nicht recht haben KÖNNTEST - die Juden ziehen diesbezüglich ja auch nicht mit und haben sicherlich gute theologische Gründe. - Aber begründbar ist beides ziemlich gut. - Meinst Du wirklich, die Theologen seit Boethius hatten alle nicht alles Tassen im Schrank? - Meinst Du wirklich, dass die HKM ein THEOLOGISCHER Fortschritt gegenüber Boethius, Augustinus, Thomas von Aquin und Ratzinger ist?
Die HKM ist eine tolle Methode - wirklich. - Aber kein Entscheider für geistige Fragen. - Auch kein Wahrscheinlichkeits-Wisser - das ist gar nicht das Mandat der HKM.
Thaddäus hat geschrieben:Wir können - historisch-kritisch - sehr genau herausfinden, wie Gaius Julius Cäsar sich selbst verstanden hat oder Nero oder warum Homer die Götter so schildert, wie er sie eben in der Ilias beschreibt. Eben weil Jesus mit höchster Wahrscheinlichkeit ein historische Person war, können wir das umso besser.
Nein - Begründung:
Du weißt ganz genau, dass Caesar nicht nur seinen "De Bello Gallico" geschrieben hat, sondern dass es unterschiedlichste Zeitzeugen gab, die ihn als historische Person beschrieben haben - von seinem Hofstaat über seine Feinde bis irgendwelche Feinde in Gallien. - Wir haben hier also, erstens, (mindestens) einen Text ("De Bello ...") aus seiner eigenen Hand sowie, zweitens, verschiedenst motivierte, also untereinander unabhängige Textverfasser UND, drittens, eine unmittelbare weltpolitische Wirkung seines Handelns. All das fehlt bei Jesus:
Erstens gibt es keine Schrift von Jesu Hand, zweitens ausschließlich SChriften aus seinem Umfeld (zum Teil auch noch synoptisch, drittens keine nennenswerte Wirkung zu Lebzeiten. - Wir haben im Grunde nur die Bibelschriften (plus Apokryphen), die halbwegs zeitnah verfasst wurden - wenn es Schriften von anderer Seite gibt, sind es Schriften für oder wider die Urchristen und Missionierenden - also auch da auf sekundärer Ebene.
Du überschätzt die Möglichkeiten der HKM grandios in Bezug auf substantielle geistige Aussagen zu Jesus.
Thaddäus hat geschrieben:Du hast keine Ahnung, was die "tatsächliche Wirklichkeit Jesu" war oder auch nur bedeuten könnte!
Prinzipiell richtig, weil dies prinzipiell für jeden zutrifft. - Die Wirklichkeit Jesu ist in der Tat nur indirekt ermittelbar - und zwar auf Glaubensbasis - kann also in die Hose gehen, muss aber nicht.
Dies gilt aber genauso für die HKM, weil sie nicht entscheiden kann, ob sich die späteren Evangelien-Texte (etc.) von der Wirklichkeit Jesu eher entfernt haben oder sich ihr im Gegenteil mehr genähert haben, weil erst mit der Zeit kapiert wurde, was Jesus war und was er gemeint hat. - Reine Spekulation sowohl von der kirchlichen Theologie als auch von den HKM-lern. - Man nennt das "Glaube".
Thaddäus hat geschrieben:Du postulierst stets nur, zu wissen, was die tatsächliche Wirklichkeit sei.
NIE.

- Und zwar wiederholt NIE. - Von mir wirst Du IMMER hören, dass es für den Menschen nur inner-methodisches Wissen gibt - nur da ist das Wort "Wissen" angebracht. - Alles darüber Hinausgehende ist "Glaube".
Thaddäus hat geschrieben:Was du da versuchst zu tun, ist intellektuell und wissenschaftlich komplett unredlich.
Möglicherweise ganz im Gegenteil. - Halte es für möglich, dass "Aufklärung" erst dann eintritt, wenn man sich der Relativität seines methodischen und somit begrenzten Mandats ab und zu bewusst wird.
Und nochmal: HKM ist WIRKLICH eine großer Fortschritt in der Philologie/Theologie - sicherlich hast Du dazu Ratzingers, Savonlinnas und ThomasM's Äußerungen dazu gehört, die mir alle drei sehr gut gefallen haben, selbst wenn sie untereinander Unterschiede aufweisen. - Alle drei sehen die Grenze der HKM - das tat übrigens auch Kant, als er am Ende seines Lebens einsah, dass die Vernunft so begrenzt sei, dass dahinter etwas sein müsse.
Wir dürfen nicht Werkzeuge mit Inhalten verwechseln - es kann nicht sein, dass HKM-Vertreter meinen, mit ihrer Methodik in die großen philosophischen oder theologischen Fragen eingreifen zu können. - Das ist nicht ihr Mandat. - Sie können beitragen, aber nicht mehr.
Thaddäus hat geschrieben:Nein, das ist gerade nicht reine Glaubenssache! Vielmehr ist es die Frage, was man über die HKM über den historischen Jesus herausfinden kann.
Möglicherweise bist Du hier etwas ideologisch. - Die HKM kann viel über die Rezeption über Jesus herausfinden, aber nichts darüber, was die Textverfasser zum Zeitpunkt ihrer Textverfassung selber (noch) nicht kapiert hatten.
"Heilsgeschichte" ist ein Erkenntnis-PROZESS. - Wenn Jesu (gemutmaßtes) Wirken (auch das ist Glaubenssache) sofort verstanden worden wäre (am Ende auch noch von allen

), hätte es keine Erkenntnis-Prozesse im Einzelnen und in der Menschheitsgeschichte mehr bedurft. - Schön wär's - aber das war eben gerade NICHT der Sinn.
Thaddäus hat geschrieben:DU kannst nichts begründet darüber sagen, was die wahre Identität Jesu ist. Die HKM kann begründet erklären, was vermutlich dem tatsächlichen Selbstbild Jesu am nächsten kommt
Zumindest kann sie mehr intersubjektiv nachvollziehbar dazu sagen. - Insofern ist die HKM methodisch qualitativ besser mit ihren Aussagen. - Und jetzt? - Was sagt dies darüber aus, was WIRKLICH der Fall ist?
Man kann doch nicht methodische Korrektheit zum Maßstab dafür machen, ob das Ergebnis sich danach als korrekt herausstellt.

- So in dem Sinne von:
"Lieber Gott, wir können nachweisen, dass alle unsere Ergebnisse wissenschaftlich sauber erbracht wurden - jetzt erwarten wir aber auch, dass Du Dich danach richtest". - Laut § 47,11 der Gewerbeordnung haben wir einen Anspruch darauf - bei Nicht-Erfüllung dieses Anspruchs werden wir uns juristische SChritte vorbehalten".
Wir sind geistig hinter Hiob zurück gefallen.
An die Naturwissenschaftler:
Naturwissenschaft funzt anders als Geisteswissenschaft. - Es gibt keine Streigkeiten dieser Art, wenn Physiker oder Chemiker neue Werkstoffe entwickeln, aus denen man ganz tolle Brücken bauen kann. - In physikalischen/chemischen (etc.) Belangen ist Wissenschaft im engeren Sinne immer das Mittel der Wahl. - Wenn aber der Gegenstand aber nicht "Werkstoff/Brücke" heisst, sondern Fragen der menschlichen Existenz berührt, kommen ganz andere Gesetze ins Spiel. (Nur damit mir nicht wieder jemand Wissenschafts-Feindlichkeit unterstellt - es ist keinesfalls der Fall)