Alles Teufelszeug? III

closs
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#331 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Sa 2. Jul 2016, 23:10

Münek hat geschrieben:Die HKM ist keine Geschichts-Diziplin, sondern eine Methode der Auslegung historischer Texte. Sie ist nicht auf biblische Texte beschränkt.
Du drückst dasselbe mit anderen Worten aus, was ich gesagt habe. - Mir ging es darum, dass die HKM somit kein Teil der Theologie ist.

Münek hat geschrieben:Rin die die Kartoffeln, raus aus die Kartoffeln.
Du verwechselst Perspektiven-Wechsel mit "Eiern".

Münek hat geschrieben:Das kann man nicht so sehen - das IST so!
Geschenkt. - Das Entscheidende ist doch, dass Du damit ebenfalls erkennst, dass es hier um Auslegung von Rezeption und nicht um Auslegung des Originals geht - damit ist doch das Wesentliche erkannt.

sven23 hat geschrieben:Gerade weil unbekannte Schreiber am Werk waren, muss man sich doch fragen, warum sie den Irrtum der Naherwartung nicht einfach wegließen
Sie haben diesen Irrtum nicht weggelassen, weil sie ihn in ihren Quellen und/oder in ihrem Verständnis vorgefunden haben. - Der nächste Schritt, wäre zu reflektieren, WARUM es diesen Irrtum gab - und dazu gibt es historisch hinreichende Erklärungen.

Der entscheidende Schritt jedoch ist die Frage:
Was hat Jesus mit seinem "Das göttliche Reich ist nahe" gemeint:
a) Er hatte selber eine Naherwartung.
b) Er wollte die damalige Naherwartungs-Stimmung umdeuten in seinem Sinne.
Du und die HKM sagen im wesentlichen a) - weil sie in ihrem Ansatz gar nicht anders können. - Die systematische Theologie und ich sagen im wesentlichen b - weil sie in ihrem Ansatz gar nicht anders können.

sven23 hat geschrieben:Nicht trotzdem, sondern weil sie unterscheidet.
Verstehe ich nicht - WO unterscheidet sie?

sven23 hat geschrieben:Der Paradigmenwechsel lag ja gerade darin, dass Jesus annahm, die Heilswende habe schon begonnen und die Vollendung stehe unmittelbar bevor.
Stimmt genau - aber doch nicht in Sinne einer Vorwegnahme der Apokalypse - da liegt doch der Irrtum.

sven23 hat geschrieben: Platon meint doch wohl damit, dass man Wissen, auch scheinbar sicheres Wissen, hinterfragen darf. Eine Position des kritischen Rationalismus.
Das ist ein super Beispiel für die Profanisierung einer geistigen Erkenntnis - profan aufgeklärt.

sven23 hat geschrieben:Aber dass man nun gar nichts wüßte, ist ja nun auch Blödsinn.
Doch - im tiefsten philosophischen (ich würde es "ontologischen") Sinne ist es aber genau so. - Wenn man Descartes nicht versteht bzw. ablehnt, kann man das nicht verstehen. Nur durch diese Reduktion durch Nicht-Verständnis kann man überhaupt die Spät-Aufklärung begründen: Man zieht den Boden unter den Füßen weg und nennt es Fortschritt.

Pluto hat geschrieben:Jeder hat halt seinen Lieblingsspruch, den er gerne"Gipfel" bezeichnen möchte.
Um im Bild zu bleiben: Man hat sich heute mit den Mittelgebirgs-Hügeln als Gipfel arrangiert und nennt es "Aufklärung". - (Nicht nur) Mir ist das zu wenig.

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#332 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von Münek » So 3. Jul 2016, 02:12

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Die HKM ist keine Geschichts-Diziplin, sondern eine Methode der Auslegung historischer Texte. Sie ist nicht auf biblische Texte beschränkt.
Du drückst dasselbe mit anderen Worten aus, was ich gesagt habe. - Mir ging es darum, dass die HKM somit kein Teil der Theologie ist.
Da solltest Du als "geistig-spiritueller Experte" den theologischen Fakultäten aber flugs eine entsprechende Aufklärungs- E-Mail zukommen lassen, damit sie den störenden Wissenschaftsbetrieb endlich "aus der Theologie" ausgliedern. :lol:

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Rin die die Kartoffeln, raus aus die Kartoffeln.
Du verwechselst Perspektiven-Wechsel mit "Eiern".
Es geht hier überhaupt nicht um einen Perspektivenwechsel, sondern um eine eindeutige, von Dir offenkundig verweigerte Stellungnahme zu der von Dir vertretenen These, dass die Auslegung biblischer Texte ohne Berücksichtigung der Existenz Gottes EISEGETISCH ist.

Jetzt komme mal langsam zu Potte, stelle Dich nicht dümmer an, als Du bist - und lasse endlich diese unsägliche ausweichende Herumeierei sein.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Das kann man nicht so sehen - das IST so!
Geschenkt.
Wenn es geschenkt ist, warum stellst Du dann solche abstrusen Behauptungen auf? Es wird Dir doch wohl möglich sein festzustellen, dass unter den Begriffen "Exegese/Eisegese" ausschließlich die Auslegung historischer TEXTE zu verstehen ist.

closs hat geschrieben:Das Entscheidende ist doch, dass Du damit ebenfalls erkennst, dass es hier um Auslegung von Rezeption und nicht um Auslegung des Originals geht - damit ist doch das Wesentliche erkannt.
Welches Original? Was redest Du da? Die uns zugänglichen Quellen sind Abschriften. Mehr haben wir nicht.

An Deiner Stelle würde ich jetzt Nägel mit Köpfen machen und dem Vatikan knallhart mitteilen, dass die kirchlichen Dogmen lediglich auf (belanglosen) "Rezeptionen" beruhen. Vielleicht gibst dafür sogar eine Privataudienz. :)

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#333 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von Münek » So 3. Jul 2016, 02:55

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Der Paradigmenwechsel lag ja gerade darin, dass Jesus annahm, die Heilswende habe schon begonnen und die Vollendung stehe unmittelbar bevor.
Stimmt genau - aber doch nicht in Sinne einer Vorwegnahme der Apokalypse - da liegt doch der Irrtum.
Richtig - darin liegt der Irrtum Jesu, weil die von ihm als zeitnah angekündigte Apokalypse eben NICHT eintraf.

Denn schließlich hat er das Eintreffen des katastrophalen Endzeitgeschehens ausdrücklich seinen Jüngern noch zu
deren Lebzeiten
angekündigt (Mk. 13, 29):

"Genauso sollt IHR erkennen, wenn IHR das alles geschehen seht, dass das Ende vor der Tür steht."

Klare Ansage! Ich denke, eindeutiger geht es nicht!

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#334 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von sven23 » So 3. Jul 2016, 07:21

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Gerade weil unbekannte Schreiber am Werk waren, muss man sich doch fragen, warum sie den Irrtum der Naherwartung nicht einfach wegließen
Sie haben diesen Irrtum nicht weggelassen, weil sie ihn in ihren Quellen und/oder in ihrem Verständnis vorgefunden haben.
Da die Schreiber nicht zimperlich im Umgang mit der historischen Wahrheit waren, wäre es ein Leichtes gewesen, die Naherwartung wegzulassen, eben weil sie sich schon bei Abfassung der Evangelien als Irrtum erwiesen hat.

closs hat geschrieben: - Der nächste Schritt, wäre zu reflektieren, WARUM es diesen Irrtum gab - und dazu gibt es historisch hinreichende Erklärungen.
Diesen Irrtum gab es, weil Jesus (auch Johannes der Täufer, sein "Lehrer", und viele andere Endzeitpropheten) dachten, die Zeit sei reif für den großen Wandel. Jesus dachte sogar, dass der Umbruch so nahe sei, dass er schon begonnen hat, zu wirken.

closs hat geschrieben: Der entscheidende Schritt jedoch ist die Frage:
Was hat Jesus mit seinem "Das göttliche Reich ist nahe" gemeint:

Natürlich eine zeitliche Nähe, dazu nur 2 Beispiele:

"Genauso sollt IHR erkennen, wenn IHR das alles geschehen seht, dass das Ende vor der Tür steht."
(Mk. 13, 29)

"Ich versichere euch: Ihr werdet mit eurem Auftrag in den Städten Israels nicht fertig werden, bis der Menschensohn kommt."

(Mt. 10, 23)

closs hat geschrieben: a) Er hatte selber eine Naherwartung.
Ja, hatte er.

closs hat geschrieben: b) Er wollte die damalige Naherwartungs-Stimmung umdeuten in seinem Sinne.
Ja, hat er auch, indem er im Gegensatz zur jüdischen Tradition die Herrschaft Gottes bereits angebrochen und wirksam sah. Die endgültige Wende steht unmittelbar bevor.

closs hat geschrieben: Du und die HKM sagen im wesentlichen a) - weil sie in ihrem Ansatz gar nicht anders können.
Nein, weil die Auswertung der Quellen diesen Schluss nahe legen

closs hat geschrieben: - Die systematische Theologie und ich sagen im wesentlichen b - weil sie in ihrem Ansatz gar nicht anders können.
Ihr sagt das, weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Und weil die Dogmatik gar nicht interessiert, was authentische Jesusworte sind und was Erfindungen der Schreiber sind. Ob Texte nachträglich hineingefälscht wurden und warum man dies tat, etc. So entsteht natürlich ein verklärtes, völlig entstelltes Bild, das mit der historischen Wahrheit nur noch sehr wenig zu tun hat.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Der Paradigmenwechsel lag ja gerade darin, dass Jesus annahm, die Heilswende habe schon begonnen und die Vollendung stehe unmittelbar bevor.
Stimmt genau - aber doch nicht in Sinne einer Vorwegnahme der Apokalypse - da liegt doch der Irrtum.
Dass Jeusus sich geirrt hat, wissen wir inzwischen alle. Nur, welche Konsequenzen hat das?

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Jeder hat halt seinen Lieblingsspruch, den er gerne"Gipfel" bezeichnen möchte.
Um im Bild zu bleiben: Man hat sich heute mit den Mittelgebirgs-Hügeln als Gipfel arrangiert und nennt es "Aufklärung". - (Nicht nur) Mir ist das zu wenig.
Für einen Holländer ist ein Mittelgebirgsgipfel ein schönes Ziel. Und mit Verlaub: auch für einen closs ist der Mount Everest eine Nummer zu hoch. :lol:
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#335 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » So 3. Jul 2016, 09:41

Münek hat geschrieben:dass die Auslegung biblischer Texte ohne Berücksichtigung der Existenz Gottes EISEGETISCH ist.
Historisch-kritisch ist sie dann nicht eisegetisch, aber theologisch. - Bei Dir habe ich umgekehrt den Eindruck, dass aus Deiner Sicht die Auslegung biblischer Texte MIT Berücksichtigung der Existenz Gottes EISEGETISCH ist. - Wahrscheinlich wäre dies Anlass, mal generell über das Wort "eisegetisch" nachzudenken.

Münek hat geschrieben:Die uns zugänglichen Quellen sind Abschriften. Mehr haben wir nicht.
Nicht nur das - es gibt dazu nicht einmal eine letztliche Urschrift, sondern nur andere Rezeptionen. - Fände mal ALLES, was nach dem Tod Jesu geschrieben wurde, würde man ausschließlich Interpretationen/Rezeptionen dessen finden, was man meint, was Jesus gemeint hat.

Münek hat geschrieben: und dem Vatikan knallhart mitteilen, dass die kirchlichen Dogmen lediglich auf (belanglosen) "Rezeptionen" beruhen.
Die Rezeptionen sind ja nicht belanglos - aber man kann aus ihnen keine Exegese in Bezug auf Jesus machen, wenn man 08/15 historisch-kritische Routinen überträgt. Das kann man nur mit einem geistig-spirituellen Zwischenglied. - Lässt man dieses weg, ist es ausschließlich eine Untersuchung der SChreiber und nicht Jesu.

Münek hat geschrieben:darin liegt der Irrtum Jesu, weil die von ihm als zeitnah angekündigte Apokalypse eben NICHT eintraf.
Ich habe wirklich lange gebraucht, bis ich kapiert habe, dass "Das Reich Gottes ist nah" überhaupt so interpretieren KANN. - Gehe davon aus, dass dies innerhalb der Nicht-HKM, also eigentlich in der Theologie, vollkommen abwegig ist.

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#336 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » So 3. Jul 2016, 10:00

sven23 hat geschrieben:Da die Schreiber nicht zimperlich im Umgang mit der historischen Wahrheit waren, wäre es ein Leichtes gewesen, die Naherwartung wegzulassen, eben weil sie sich schon bei Abfassung der Evangelien als Irrtum erwiesen hat.
Aber sie haben doch möglicherweise selber daran geglaubt und sich WIRKLICH gewundert, dass nix kam. Sie hatten es doch womöglich selber im weltlichen Sinn verstanden, bis ihnen ein Licht aufging.

sven23 hat geschrieben:Diesen Irrtum gab es, weil Jesus (auch Johannes der Täufer, sein "Lehrer", und viele andere Endzeitpropheten) dachten, die Zeit sei reif für den großen Wandel.
Stimmt - war sie mit Jesus doch auch.

sven23 hat geschrieben:Jesus dachte sogar, dass der Umbruch so nahe sei, dass er schon begonnen hat, zu wirken.
Er "dachte" es nicht nur, er "wusste" es.

sven23 hat geschrieben:Nein, weil die Auswertung der Quellen diesen Schluss nahe legen
Bei meiner Bibel-Lektüre wäre ich nicht auf diesen Schluss gekommen - weil ich die Bibel gesamt-kanonisch lese (auch ohne Ratzinger). - Gehe davon aus, dass die geistig-spirituelle-philosophische Welt geistige Texte anders liest als die HKM-Welt. - Hier steht die Philosophie/Theologie gegen die Historie.

sven23 hat geschrieben:Und weil die Dogmatik gar nicht interessiert, was authentische Jesusworte sind und was Erfindungen der Schreiber sind.
Die Dogmatik versucht, Jesus in den Mund gelegte Worte geistig zu authentizieren. - Vergiss nicht: Bis auf Paulus waren die Text-Verfasser keine "Theologen" - und bei den Abschreibern/Veränderern/Fälschern weiss man nicht immer, WAS sie richtig und falsch verstanden haben.

Deswegen ist die nachträgliche geistige Authentifizierung der Bibel-Texte durch die Einführung des Heiligen Geistes, der den Griffel geführt habe, mindestens missverständlich. - Zwar ist es korrekt, dass der HG in der Bibel (insgesamt) wirkt - aber erstens tut er dies nicht an jeder Stelle (so wie sie uns überliefert ist), zweitens ist er vielmehr bei den heutigen Lesern vonnöten. - Wenn man Gold nicht von SCheiße unterscheiden kann, ist es egal, ob man Gold oder SCheiße geschenkt bekommt.

sven23 hat geschrieben:Dass Jeusus sich geirrt hat, wissen wir inzwischen alle.
Pfeifen im Wald. - Im wesentlichen lehnt die Theologie diese Interpretation ab und begründet es. - Das sollte man ab und zu mal zwischendrin sagen, damit nach außen nicht ein falscher Eindruck entsteht.

sven23 hat geschrieben:Für einen Holländer ist ein Mittelgebirgsgipfel ein schönes Ziel.
So lange man nicht nach dem Urlaub behauptet, man sei auf dem Mount Everest gewesen, ist das ok.

sven23 hat geschrieben:Und mit Verlaub: auch für einen closs ist der Mount Everest eine Nummer zu hoch.
Da sind ganz andere - die in der Regel nicht einmal Akademiker sind. Auf den Mount Everest wird man berufen - da beruft man sich nicht selbst.

Ich wäre schon zufrieden, wenn die säkularen Bibel-Exegesen darauf verzichten würden, selber auf dem Mount Everest zu sein. - Meine Einordnung derselben: Harzer Brocken (immerhin noch besser als Hartz4). :lol:

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#337 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von Pluto » So 3. Jul 2016, 10:24

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Jesus dachte sogar, dass der Umbruch so nahe sei, dass er schon begonnen hat, zu wirken.
Er "dachte" es nicht nur, er "wusste" es.
Menschen können das gar nicht wissen. Du setzt also voraus, dass Jesus Gott war?

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Dass Jeusus sich geirrt hat, wissen wir inzwischen alle.
Pfeifen im Wald. - Im wesentlichen lehnt die Theologie diese Interpretation ab und begründet es.
Nee. Ablehnen tun es nur Wenige.
Die meisten Theologen anerkennen, dass Jesus sich geirrt haben könnte.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#338 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von sven23 » So 3. Jul 2016, 10:52

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Da die Schreiber nicht zimperlich im Umgang mit der historischen Wahrheit waren, wäre es ein Leichtes gewesen, die Naherwartung wegzulassen, eben weil sie sich schon bei Abfassung der Evangelien als Irrtum erwiesen hat.
Aber sie haben doch möglicherweise selber daran geglaubt und sich WIRKLICH gewundert, dass nix kam. Sie hatten es doch womöglich selber im weltlichen Sinn verstanden, bis ihnen ein Licht aufging.
Das Markusevangelium ist das älteste und entstand um 70 n. Chr.. Da war eigentlich schon klar, dass es mit dem zeitlich nahen Gottesreich wohl nix mehr werden würde. Die Schreiber hätten also schon bei Abfassung der Evangelien ihren "Irrtum" korrigieren können. Taten sie aber nicht. Auch der später gefälschte 2. Petrusbrief, der eigens für diese Problematik geschrieben wurde, streitet die Naherwartung Jesu nicht ab, sondern bestätigt sie indirekt. "Wo bleibt er denn, er hat doch gesagt, dass er wiederkommt....". Es wird also ausdrücklich nicht gesagt: nein, das hat er gar nicht gesagt, sondern die Schreiber kommen nun mit der Ausrede des "göttlichen Zeitmasses".
"Nahe" ist also demnach nach göttlichem Mass mindestens 2000 Jahre. Israel muß also ein sehr großes Land gewesen sein, dass man für dessen Missionierung 2000 Jahre braucht. :lol:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Diesen Irrtum gab es, weil Jesus (auch Johannes der Täufer, sein "Lehrer", und viele andere Endzeitpropheten) dachten, die Zeit sei reif für den großen Wandel.
Stimmt - war sie mit Jesus doch auch.
Im Sinne der Thoraverschärfung ja, nicht im Sinne der Naherwartung.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Jesus dachte sogar, dass der Umbruch so nahe sei, dass er schon begonnen hat, zu wirken.
Er "dachte" es nicht nur, er "wusste" es.
So wie alle religiösen Fanatiker ihre "Wahrheit" zu wissen glauben.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Nein, weil die Auswertung der Quellen diesen Schluss nahe legen
Bei meiner Bibel-Lektüre wäre ich nicht auf diesen Schluss gekommen - weil ich die Bibel gesamt-kanonisch lese (auch ohne Ratzinger).
Auch hier hat die Forschung gezeigt, dass die angebliche große "Einheit der Schrift" gar nicht existiert. Zu unterschiedlich sind die Traditionen und Intentionen der Schreiber. Die Kirche hat sie zu einem Kanon vergewaltigt und noch kräftig daran "gearbeitet", diese angebliche Einheit hinzubiegen.
Wann man das alles ingnoriet, kann man freilich von kanonischer Exegese träumen, aber was hat das damit zu tun, "was der Fall" ist?

closs hat geschrieben: - Gehe davon aus, dass die geistig-spirituelle-philosophische Welt geistige Texte anders liest als die HKM-Welt. - Hier steht die Philosophie/Theologie gegen die Historie.
Richtig, das hat die Forschung doch sauber herausgearbeitet. Das NT oder die Bibel insgesamt bietet nur wenig historisches, das meiste sind legendenhafte Erzählungen.

closs hat geschrieben: Die Dogmatik versucht, Jesus in den Mund gelegte Worte geistig zu authentizieren.
Was heißt das?

closs hat geschrieben: - Vergiss nicht: Bis auf Paulus waren die Text-Verfasser keine "Theologen" - und bei den Abschreibern/Veränderern/Fälschern weiss man nicht immer, WAS sie richtig und falsch verstanden haben.
Unterschätze sie mal nicht, das waren durchaus gebildete und clevere Schreiber, denen es aber nicht um historische Wahrheit ging. Sie wären sicher befremdet darüber, was die Kirche daraus gemacht hat.

closs hat geschrieben: - Wenn man Gold nicht von SCheiße unterscheiden kann, ist es egal, ob man Gold oder SCheiße geschenkt bekommt.
Manche halten sogar Scheiße für Gold. Und manche machen aus Scheiße Gold. Denke nur mal an den wertvollen Guano-Dünger. :lol:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Dass Jeusus sich geirrt hat, wissen wir inzwischen alle.
Pfeifen im Wald. - Im wesentlichen lehnt die Theologie diese Interpretation ab und begründet es. - Das sollte man ab und zu mal zwischendrin sagen, damit nach außen nicht ein falscher Eindruck entsteht.
Sie "begründet" es mit Glaubensdogmen und wie Ratzinger mit "Glaubensentscheiden". Das sind aber keine ebenbürtigen, sachlichen Begründungen, sondern eher hilflose Ausflüchte nach dem Motto: ich will aber, dass es anders ist als die Forschung sagt. Widdewiddewitt bum bum.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Und mit Verlaub: auch für einen closs ist der Mount Everest eine Nummer zu hoch.
Da sind ganz andere - die in der Regel nicht einmal Akademiker sind. Auf den Mount Everest wird man berufen - da beruft man sich nicht selbst.
Wer hat denn die 200 "berufen", die bis heute ums Leben kamen?

closs hat geschrieben: Ich wäre schon zufrieden, wenn die säkularen Bibel-Exegesen darauf verzichten würden, selber auf dem Mount Everest zu sein. - Meine Einordnung derselben: Harzer Brocken (immerhin noch besser als Hartz4). :lol:
Die forschenden Theologen sind weit entfernt von HarzIV. Vom Gehalt her gleichgestellt wie höherer Dienst, allerdings bei Katholen ohne Kindergeld. :lol:

Fazit: Jesus verkündete das nahe Gottesreich und wie Gerd Theißen sagt: es kam aber das Christentum. Manche sagen: es kam aber die Kirche, was eigentlich noch schlimmer war.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#339 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » So 3. Jul 2016, 14:59

Pluto hat geschrieben: Du setzt also voraus, dass Jesus Gott war?
Was "ich" voraussetze, ist nebensächlich. - Wichtig ist, dass es eine mögliche und somit notwendig zu untersuchende Perspektive gibt. Diese Perspektive entspricht in etwa der Perspektive der katholischen, orthodoxen und protestantischen Kirchen.

Pluto hat geschrieben:Die meisten Theologen anerkennen, dass Jesus sich geirrt haben könnte.
Das Wort "meiste" kommt dadurch zustande, dass viele unter "Theologen" heute ausschließlich HKM-Theologen meinen - was an sich eine merkwürdige Wortschöpfung ist.

Konkret: Ich habe in den letzten 2 Jahren wirklich aufgrund dieser Forums-Diskussion viele Theologen von Dorfpfarrer bis Uni-Dozent zu diesem Thema befragt:
Die Antwort war con variazione immer dieselbe: Dies sei alle seit Jahrzehnten ausdiskutiert - heute würde niemand mehr ernsthaft theologisch behaupten, dass Jesus selber eine Naherwartung hatte. Man wisse aber um die methodische Folgerichtigkeit einer solchen Behauptung aus Sicht der HKM.

sven23 hat geschrieben:Es wird also ausdrücklich nicht gesagt: nein, das hat er gar nicht gesagt
Natürlich nicht - und zwar deshalb, weil Jesus (mutmaßlich) WIRKLICH gesagt hat, dass das Gottesreich nahe sei. Man hat es nur anders verstanden, als es Jesus gemeint hat.

Und deshalb konnten die Anders-Versteher (und das waren vermutlich die Allermeisten) fragen: "Ja, wo isser er denn jetzt?". - Und dann kamen die nächsten, die aus ihrem Parusie-Fehlverständnis in der Tat Verzögerungs-Ausreden herausgekramt haben - UND: Es gab auch welche, bei denen der Groschen gefallen ist, was Jesus WIRKLICH gemeint hatte, als er vom nahen Gottesreich sprach. - Und so mischen sich Irrtum und Wahrheit durch die Schriften - aus meiner Sicht normal.

sven23 hat geschrieben:So wie alle religiösen Fanatiker ihre "Wahrheit" zu wissen glauben.
Auch in diesem Punkt mischen sich Irrtum und Wahrheit - Quod licet Iovi, non licet bovi. - Das Problem: Intersubjektiv ist in geistigen Dingen nicht ermittelbar, wer ist "bos" und wer ist "jupiter. - Konkret: Wissenschaftlich ist nicht unterscheidbar, wer religiöser Fanatiker und wer Gott ist.

sven23 hat geschrieben:Auch hier hat die Forschung gezeigt, dass die angebliche große "Einheit der Schrift" gar nicht existiert.
GEISTIG habe ich das gemeint - nicht historisch-kritisch. Natürlich ist die Bibel ein heterogenes Gemisch.

sven23 hat geschrieben:Wann man das alles ingnoriet, kann man freilich von kanonischer Exegese träumen, aber was hat das damit zu tun, "was der Fall" ist?
Wenn man den Kontext historisch-kritisch sieht, hast Du recht. Ignoriert man dabei zudem, dass es hier um einen geistigen Kontext geht, hat man eigentlich in der substantiellen Auslegung der Bibel nichts zu suchen.

sven23 hat geschrieben:Unterschätze sie mal nicht, das waren durchaus gebildete und clevere Schreiber, denen es aber nicht um historische Wahrheit ging.
Moment - nach damaligen Maßstäben war das überdurchschnittlich historisch (Halman hat dazu mal einen tollen Link eingestellt).

Dass die Schreiber gebildet und clever waren, bestreite ich nicht. - Ich sprach von "keine Theologen".

sven23 hat geschrieben:ich will aber, dass es anders ist als die Forschung sagt
Du ideologisiert unnötigerweise. Deine Auffassung beruht auf EINER Methodik/Perspektive, der man Glauben schenkt - es gibt aber auch andere Perspektiven, die von Deiner Auffassung nicht abgedeckt werden können (das haben Perspektiven so an sich).

Die Frage ist also NICHT, welche Perspektive methodisch sauber arbeitet, sondern mit welcher Perspektive man das Wesentlich sieht - in geistig-spirituellen Dingen vermag dies die HKM nicht - und HKM-ler, die auch geistig-spirituell aktiviert sind, wissen das auch. - Perspektiven sind Selbstläufer, die entweder authentisch sind zur "Realität" oder nicht. OB sie es sind, können sie selber nicht entscheiden - das geht nur per Meta-Ebene.

sven23 hat geschrieben:Wer hat denn die 200 "berufen", die bis heute ums Leben kamen?
Keine Antwort, weil ich weiß, dass Du weißt, dass dies ein Sinnbild war.

sven23 hat geschrieben:Jesus verkündete das nahe Gottesreich und wie Gerd Theißen sagt: es kam aber das Christentum.
Da hat er recht: Geplant war die Erfüllung der Heilsgeschichte innerhalb des Judentums. - Mit einer Vorziehung der Apokalypse hat das nichts zu tun.

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#340 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von sven23 » So 3. Jul 2016, 16:29

closs hat geschrieben: Konkret: Ich habe in den letzten 2 Jahren wirklich aufgrund dieser Forums-Diskussion viele Theologen von Dorfpfarrer bis Uni-Dozent zu diesem Thema befragt:
Die Antwort war con variazione immer dieselbe: Dies sei alle seit Jahrzehnten ausdiskutiert
Ein Thema ist nicht dadurch ausdiskutiert, indem eine Seite sagt, wir wollen aber, dass alles so ist wie vor der Aufklärung. Das ist eine rückwärts gewandte und längst überholte Einstellung.


closs hat geschrieben: - heute würde niemand mehr ernsthaft theologisch behaupten, dass Jesus selber eine Naherwartung hatte. Man wisse aber um die methodische Folgerichtigkeit einer solchen Behauptung aus Sicht der HKM.
Das ist eben die viel besprochene Diskrepanz zwischen Forschung und Dogmatik. Die Dogmatiker argumentieren nach dem Motto: es kann nicht sein, was nicht sein darf. Natürlich keine ernst zu nehmende Argumentation für die Forschung.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Es wird also ausdrücklich nicht gesagt: nein, das hat er gar nicht gesagt
Natürlich nicht - und zwar deshalb, weil Jesus (mutmaßlich) WIRKLICH gesagt hat, dass das Gottesreich nahe sei. Man hat es nur anders verstanden, als es Jesus gemeint hat.
Woher willst du wissen, was Jesus gemeint hat? Die Quellenlage ist eine andere. Was du oder die Dogmatiker gerne hätten, ist dabei irrelevant.

closs hat geschrieben: - Konkret: Wissenschaftlich ist nicht unterscheidbar, wer religiöser Fanatiker und wer Gott ist.
Gibt es auch fanatische Götter? :lol:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Auch hier hat die Forschung gezeigt, dass die angebliche große "Einheit der Schrift" gar nicht existiert.
GEISTIG habe ich das gemeint - nicht historisch-kritisch. Natürlich ist die Bibel ein heterogenes Gemisch.
Aus der man aber eine "geistige" Einheit machen wollte, die so gar nie bestanden hat. (Ratzingers "wartende Herrenworte")

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wann man das alles ingnoriet, kann man freilich von kanonischer Exegese träumen, aber was hat das damit zu tun, "was der Fall" ist?
Wenn man den Kontext historisch-kritisch sieht, hast Du recht. Ignoriert man dabei zudem, dass es hier um einen geistigen Kontext geht, hat man eigentlich in der substantiellen Auslegung der Bibel nichts zu suchen..
Die sogenannte Substanz ist ja gerade das Produkt unhistorischer Legenden. Wann man natürlich Legenden und Mythen als historisch postuliert, wie die Kirche, kann man sich alles nur erdenkliche zusammen phantasieren.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Unterschätze sie mal nicht, das waren durchaus gebildete und clevere Schreiber, denen es aber nicht um historische Wahrheit ging.
Moment - nach damaligen Maßstäben war das überdurchschnittlich historisch (Halman hat dazu mal einen tollen Link eingestellt).
Halmann stellt schon mal Links ein, die seine Position gar nicht untermauern. Ich erinnere nur an den Schwabenprofessor Zimmer zum Sintflutthema.
Das Video von Prof. Thiede, das du sicher meinst, weist ja gerade darauf hin, dass es sich bei den Evangelien um Glaubenspropgagandaschriften handelte und nicht um historisch zuverlässige Berichte. Das deckt sich auch mit den Forschungsergebnissen.

closs hat geschrieben: Die Frage ist also NICHT, welche Perspektive methodisch sauber arbeitet, sondern mit welcher Perspektive man das Wesentlich sieht - in geistig-spirituellen Dingen vermag dies die HKM nicht
Wie kommst du nur auf diesen Unsinn? Natürlich kann die Forschung die Theologie des Paulus oder die Glaubenskonstrukte der Evangelisten untersuchen und beschreiben. Das heißt aber nicht, dass sie sich damit inhaltlich identifizieren muss. Du verwechselst immer wieder Wissenschaft mit Glaubendogmen.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Jesus verkündete das nahe Gottesreich und wie Gerd Theißen sagt: es kam aber das Christentum.
Da hat er recht: Geplant war die Erfüllung der Heilsgeschichte innerhalb des Judentums. - Mit einer Vorziehung der Apokalypse hat das nichts zu tun.
Genau, die Planung Jesu ging nicht auf. Paulus hat aus dieser Niederlage die Kreuzestheologie gebastelt, so dass man eigentlich nicht vom Christentum, sondern vom Paulinismus sprechen müßte. Das rief dann weitere unbekannte Schreiber auf den Plan, die den Plot aufgriffen und weiter ausschmückten. Als die Zahl der Evangelien auf 60 angewachsen war, wurde es selbst der Kirche zu viel.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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