Alles Teufelszeug? II

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sven23
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#321 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von sven23 » Fr 18. Mär 2016, 12:15

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Warum wird das immer wieder ignoriert?
Weil Deine Aussage de facto falsch ist. - Natürlich wird sich ein Wissenschaftler an die Form halten und sich in die Brust werfen, dass dies selbstverständlich KEINE Tatsachen seien. - Aber am Ende wird es so dargestellt, als sei es alternativlos, so lange es nicht falsifiziert sein.

Vergessen wird, dass es gar nicht um einen Fehler innerhalb der Methodik geht, sondern der Fehler in der MEthodik selbst liegt.

Mein Aussage ist nachweislich nicht falsch und ich habe nachweislich Kubitza mehrmals zitiert und Theißen, die beide explizit auf diese Problematik hingewiesen haben. Wenn Halmann das nicht mitbekommen hat, weil er selten anwesend ist, mag das noch durchgehen. Du bist aber täglich im Forum und solltest es besser wissen, es sei denn, du hast Probleme mit die Kurzzeitgedächtnis.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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closs
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#322 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von closs » Fr 18. Mär 2016, 12:52

sven23 hat geschrieben:Ich von der wissenschaftlichen Ebene, du von der glaubensdogmatischen Ebene.
Du aus Sicht EINER Methodik, ich multi-perspektiv. - Klingt schon ganz anders, gell?

sven23 hat geschrieben:Selbstverständlich kann die Forschung die Glaubenswelt Jesu und seiner jüdischen Zeitgenossen unter die Lupe nehmen.
Von außen - ja. - So wie ein Verhaltensforscher das Gebaren von Flugenten von außen untersucht - also ohne selbst Flugente zu sein.

sven23 hat geschrieben:Die Forschung muß lediglich davor "geschützt" werden, dass man ihre Ergebnisse aus ideologischen Gründen negiert oder ignoriert.
Gar nicht - inner-methodisch konsistente Forschungs-Ergebnisse werden nach wie vor uneingeschränkt akzeptiert und hoch geschätzt.

sven23 hat geschrieben:Die "logische" Problem hast du konstruiert, das gibt es in der Forschung gar nicht.
Richtig - innerhalb der HKM gibt es dieses Problem nicht - das ist doch genau das Problem.

sven23 hat geschrieben:Die Theologie steht vor dem Dilemma, dass sie Forschung betreiben muß, um eine Existenzberechtigung an den Universitäten zu haben.
Vollkommen abwegig. - Man betreibt Theologie, um geistig mehr zu erkennen - auch mit Hilfe der HKM.

sven23 hat geschrieben: Nun macht die Forschung ihre Aufgabe sehr ernsthaft und mit wissenschaftlicher Gründlichkeit und kommt dabei ärgerlicherweise zu Ergebnissen
Das ist eine Urban Legend innerhalb einer gewissen Sektion innerhalb der HKM - es ist kein Problem für die kirchliche Theologie. - Bzw. es ist nur dann ein Problem, wenn es die erwähnten Übergriffigkeiten gibt.

sven23 hat geschrieben:Das ist ein klassisches Dilemma, in dem sich die Theologie befindet, aus dem es aber keinen Ausweg gibt, wenn man an den Unis bleiben will.
Es ist ein methodisches Dilemma, aber kein theologisches Dilemma. - Wenn sich das Wissenschafts-Verständnis, das Du vertrittst, durchsetzt, wird WIssenschaft im philologischen/theologischen Bereich zukünftig eine immer weniger bedeutende Rolle spielen können. - Sie es mal von dieser Seite her.

sven23 hat geschrieben:Wer soll die HKM denn autorisieren?
Sie autorisiert sich selber durch die Möglichkeiten der von ihr gewählten Methodik - kommt es dabei zu Unregelmäßigkeiten, ist dies nachweisbar.

sven23 hat geschrieben:Mein Aussage ist nachweislich nicht falsch und ich habe nachweislich Kubitza mehrmals zitiert und Theißen, die beide explizit auf diese Problematik hingewiesen haben.
Mit welchem Ergebnis? - Dass formal nicht als Tatsachen dargestellte Aussagen nichtsdestoweniger als solche anzusehen sind.

sven23 hat geschrieben:Wenn Halmann das nicht mitbekommen hat, weil er selten anwesend ist, mag das noch durchgehen.
Halmann trifft den Nagel auf den Kopf - nicht unbedingt formal, aber inhaltlich.

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Halman
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#323 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von Halman » Fr 18. Mär 2016, 15:19

Münek hat geschrieben:
closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Halmans Vorwurf, die Theologie würde üblicherweise ihre Forschungsergebnisse als Tatsachen verkaufen, ist nachweislich falsch.
Es wurde mehrfach so getan, als sei die Naherwartung Jesu (im Sinne Deines Verständnisses) "nachgewiesen" und somit maßstäblich für die diesbezügliche Interpretation der Bibel. - Willst Du das bestreiten?

Was heißt denn, "es wurde mehrfach so getan"...? Was willst Du denn damit zum Ausdruck bringen?

Fakt ist doch, dass die theologische Wissenschaft sich selbstverständlich bei ihren Forschungsergebnissen ganz
bewusst davor hütet, von "Tatsachen", "Nachweisen" oder "Beweisen" zu sprechen. Sie tut es nicht. Punkt. Nimm
es einfach zur Kenntnis!


Was also sollen Deine blödsinnigen Unterstellungen? Der fromme Halman soll mal belegen,
dass "die Theologie üblicherweise ihre Forschungsergebnisse als Tatsachen verkauft".

Ich wette, da kommt nix.
1. Hatte ich mich schon auf zwei Theologen bezogen, die ich persönlich kenne. In theologischen Gesprächskreisen mit Laien neigen sie dazu, vereinfach und mit freundlicher Bestimmtheit und Autorität theoretische Schlussfolgerungen, deren Wahrheit als recht wahrscheinlich gilt, als Tatsachen zu formulieren. Willst Du mir etwa unterstellen, ich würde lügen? Kommt da was?

2. Ich spreche nicht vom akademischen Kosmos der Fachwelt, sondern davon, wie die Theologie an Laien kommuniziert wird. Nun werde ich meine Freizeit nicht damit verbringen, hier die Zitate von Theologen rauszusuchen. Folgendes genügt hoffentlich:
Sven hatte HIER Trillhaas zitiert, der sich sehr gewählt ausdrückt. Das blau gefärbte markiert meiner Meinung nach Tatsachenaussagen, das rot markierte ist das vorsichtiger:
Der sog. historische Jesus und der Christus, an den die Gemeinde glaubt, sind nicht
identisch.
* Ob Jesus sich selbst verkündigt hat, ist zum mindesten sehr fraglich.² Die
christologischen Würdenamen sind ihm von der Gemeinde beigelegt worden.³ Jesus ist im
Wesentlichen eschatologischer Prophet gewesen.° Jesu Wirken ist mit seinem Tode zu Ende.`

Hat Jesus die nahe Parusie verkündigt und sie zur Basis seiner Forderung nach Umkehr und
seiner rigorosen Ethik gemacht, so gilt, dass diese Voraussetzung nicht eingetreten ist, dass
er also gescheitert ist. In der Geschichte dieses historischen Jesus kommt Ostern nicht
vor.^
”
Der "schwarze" Satz ist eine Feststellung und im Grunde ebenfalls eine Tatsachenaussage, die allerdings von der gesetzen Prämisse abhängig gemacht wird, deshalb habe ich ihn mal als dritte Aussagenform in der schwarzen Schriftfarbe belassen.

Irre ich mich, oder handelt es sich im obigen Zitat überwiegend um Tatsachen-Aussagen?

*Korrekt, sofern damit der historisch rekonstruierte Jesus gemeint ist. Dieser ist verschieden vom theologischen Jesus. Es genügt allerdings ein kleiner Schritt, um diese Rekontruktion mit den realen Jesus zu identifizieren und eben zu behaupten, dass die Jünger und Augenzeugen Jesu der Urchristengemeinde einen unrealen Jesus verkündigten.
²Immerhin bleibt hier Trillhaas noch im Konjunktiv, wenn auch schon am "Rande" einer Feststellung.
³Diesem stimme ich grundsätzlich zu. (Mag sein, dass es die eine oder andere Ausnahme gibt, dies habe ich jetzt nicht geprüft.)
°Diese Rezeption kann ich nachvollziehen.
`Diese Tatsachenbehauptung ist der eigentliche Knackpunkt.
^In der historischen Rekonstruktion nicht, diese ist allerdings ein theoretisches Konstrukt. Daraus abzuleiten, dass "Ostern" nicht beim realen Jeshua vorkam, halte ich für gewagt.

Ferner hattest Du den wirklich bedeutenden Theologen Karl Rahner zitiert: "dass wir ... unbefangen, ehrlich, nüchtern und deutlich zugeben müssen, dass es bei Jesus wirklich eine zeitliche Naherwartung gegeben hat, die sich so, wie er sie sich vorstellte und in seinen Worten formulierte, nicht erfüllt hat." Nun ist dieses Zitat natürlich einem mir unbekannten Kontext entnommen und so wie ich Rahner kenne (wenn auch nur von "Ferne"), ist dieser bestimmt sehr komplext und nicht leicht zu verstehen, doch das Zitat lies sich für mich nicht wie eine Aussage im Konjunktiv, sondern wie eine Tatsachen-Aussage. Oder lese ich falsch?

Im Buch Der historische Jesus heißt es auf Seite 253:
Die irrtümliche Naherwartung Jesu (und der ersten Christen) hat im Urchristentum keine große Krise ausgelöst.
Dies ist ein Satz, der gleich drei Tatsachen behauptet:
1. Jesus hatte eine irrtümiche Naherwartung
2. Die ersten Christen hatten eine irrtümliche Naherwartung.
3. Diese hatte keine große Krise ausgelöst.
Vom vorsichtigen Konjunktiv lese ich da nichts. Du etwa?

Natürlich können Tatsachen-Behauptungen zutreffen. Mir geht es um den Streitpunkt, ob diese denn überhaupt getätigt werden, noch nicht um eine inhaltliche Bewertung.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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Halman
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#324 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von Halman » Fr 18. Mär 2016, 15:23

Münek hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:3. Dass Du gegen die Forschungsergebnisse nicht ankommst, liegt allein an Deinem Unvermögen, sie zu widerlegen.
Außerdem muss ich Forschungsergebnisse gar nicht widerlegen.

Nee nee - was anderes wird Dir redlicherweise nicht übrig bleiben, solange Du Forschungsergebnisse als falsch bezeichnest.
Das ist dichotomes Denken. Befremdet Dich der Gedanke, dass man u.U. auch mehrere Möglichkeiten alternierend nebeneinander stehen lassen könnte? Nicht alles ist intersubjektiv eindeutig klärbar.

Übrigens ist das alles recht kompliziert und hängt mit den Textschichten zusammen (Logien-Quelle Q usw.), der Modellierung der Rezeptionsgeschichte usw. Die Schlussfolgerungen basieren also auf theoretischen Prämissen, die historische Rekonstruktion ist Produkt einer Theorie. Sie mag stimmen, muss aber nicht stimmen.
Meine Haltung zu den Theorien und Hypothesen der HKM ist skeptisch, aber nicht kategorisch negierend.

Münek hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:
Münek hat geschrieben: Dreimal Widerspruch:
1. Dass es in der Theologie üblich sei, Forschungsergebnisse als Tatsachen zu verkaufen, ist absolut unzutreffend.
Mag sein, dass es in der Fachwelt üblich ist, sich hier sauberer auszudrücken, doch gegenüber Laien in theologischen Gesprächen äußern zwei mir bekannte Pastoren sich diesbzüglich so, dass ...

Was heißt denn hier "sauberer ausdrücken"? - Die Fachwelt drückt sich nicht soo aus, wie Du es ihr unterstellst..

Deine Behauptung, Theologie würde ihre Forschungsergebnisse als Tatsachen
verkaufen ist und bleibt falsch
.

Ich finde es unmöglich, dass Du hier solche unwahren Behauptungen aufstellst.
Noch mal zur Erinnerung: Ich bezog mich auf zwei Pfarrer, die ich aus theologischen Gesprächen persönlich kenne. Gegenüber "uns" Laien drücken sie sich nicht so lang, vorsichtig und differenziert aus, wie sie es vermutlich in der Universität tun würden.
'Die Auferstehungsgeschichte ist es später hinzugekommen', so fast wörtlich die Wiedergabe eines sehr netten Pastors, den ich sehr schätze. Er sagte sicher nicht: 'Mehrheitlich geht man davon aus, dass die österlichen Auferstehungsgeschichten höchstwahrscheinlich erst später erzählt wurden.'
'Das Markusevangelium ist das Älteste.'
'Der Psalm wurde 500 v. Chr. geschrieben.'
Da es frei aus meinem Gedächnis ist, habe ich die Zitate nicht in die üblichen Anführungszeichen gesetzt. Denkst Du wirklich, ich belüge Dich?

Außerdem habe ich im letzten Beitrag drei Zitate von unterschiedlichen Theologen gebracht.

Zitiere doch bitte mal den einen der anderen Theologen zu der Naherwartung, Ostern oder was Dir auch beliebt. Achte mal auf Konjunktiv und Tatsachen-Behauptungen. Du wirst bestimmt beides finden. Je mehr man von der Fachwelt Richtung Populärwissenschaft geht, je mehr schwindet das Konjuntiv und weicht einem Indikativ.

Münek hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:2. Erst als sich die Naherwartung nicht erfüllte, verwandelte sie sich über viele Jahrzehnte in einer Fernerwartung.
Dies ist ein gutes Beispiel für eine Tatsachenformulierung; Du gebrauchst sie ja selbst.

Falsch ist Deine Aussage, im Urchristentum gab es sowohl eine Nah- als auch eine Stetserwartung.

Diese Erwartungen standen ja nicht gleichzeitig nebeneinander.

Man muss da fein differenzieren. Das wollte ich nur richtiggestellt haben. ;)
Am 12. Mai 2015 schrieb ich Dir u.a.:
Zitat von Halman:
Heute sprach in der ev. Gemeinschaft mit einem Prediger, der vier Jahre auf einer Bibelschule war. Er bestätigte, dass die Jünger und vermutlich wohl auch Paulus eine Naherwartung Christie zu ihren Lebzeiten erhofften. Diese Hoffnung mag damals in den urchristlichen Gemeinden präsent gewesen sein, wich aber mehr und mehr einer Stehtserwartung. Jesus kommt plötzlich und in diesem Sinne ist die Erwartung stehts präsent, weil sie zwar zeitlich unbestimmt, aber dem Glauben zufolge zuverlässig ist.
Warum ist so denke, hatte ich u.a. in meinem Beitrag Fr 7. Aug 2015, 21:22 dargelegt.
Nicht ohne Grund fragte ich: Wie ist Jesu Endzeitrede zu verstehen?
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#325 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von Halman » Fr 18. Mär 2016, 15:35

sven23 hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:2. Erst als sich die Naherwartung nicht erfüllte, verwandelte sie sich über viele Jahrzehnte in einer Fernerwartung.
Dies ist ein gutes Beispiel für eine Tatsachenformulierung; Du gebrauchst sie ja selbst..
Stop. Die Forschung spricht von wahrscheinlichen, plausiblen, nachvollziehbaren, in den historischen Kontext passende Ergebnisse, niemals von 100% sicheren und bewiesenen Tatsachen. Das ist auf Grund der dünnen Quellenlage auch gar nicht möglich und wurde hier schon oft genug betont. Die Forschung muß Rechenschaft über ihre Methoden ablegen, so werden die Ergebnisse transparent und nachvollziehbar.
So ist es sicher in der Fachwelt. Die Frage ist nur, wie dies in vereinfachter Form an Laien kommuniziert wird.

sven23 hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:3. Dass Du gegen die Forschungsergebnisse nicht ankommst, liegt allein an Deinem Unvermögen, sie zu widerlegen.
Dass die Stehtserwartung im NT verankert ist, hatte ich anhand der Schrift belegt. Dies wird nur nicht anerkannt.
Das wird aus gutem Grund nicht anerkannt, denn diese "Stetserwartung" ist bereits christliche Rezeption hin zur Parusieverzögerung.
Dass es eine solche Entwicklung in Teilen der Urchristengemeinde gab, ist nahezu sicher.

Sofern man von dem im theologischen Mainstream zugrundelegtem Modell der Textschichten usw. ausgeht, kann man darüber hinaus spekulieren.

sven23 hat geschrieben:
Halman hat geschrieben: Dass die kanonische Exegese anders zu verstehen ist, als sie hier von Euch verstanden wird, hatte ich mit Verweis auf Zenger belegt. Dass der emeritierte Papst auf hohem wissenschaftlichem Niveau gearbeitet hatte, hatte ich mit einem Zenger-Zitat belegt, es wird nur nicht akzeptiert.
Auch das wird aus gutem Grund nicht akzeptiert, denn wie du inzwischen wissen solltest, wird in der Leben-Jesu-Forschung nur die historisch-kritische Methode angewandt, nicht die kanonische Exegese, die zirkelreferent arbeitet.
Ratzinger weiß das natürlich auch, weshalb er ja den Glaubensentscheid fordert. Dass dies unwissenschaftlich ist, brauche ich wohl nicht extra zu betonen.
Offenkundig wurden meine Links und Zitate vom Zenger zur kanonischen Exegese nicht wirklich verstanden. Wurden sie denn überhaupt gelesen?

sven23 hat geschrieben:
Halman hat geschrieben: Außerdem muss ich Forschungsergebnisse gar nicht widerlegen, ich muss lediglich imstande sein, eine alternative Sichtweise als Möglichkeit aufzuzeigen..
Wenn man nicht den Aspruch auf Wissenschaftlichkeit erhebt, kann man das machen. Auf wissenschaftlicher Ebene konnte auch Ratzinger die Forschungsergebnisse nicht widerlegen, deshalb sein Glaubensentscheid, der sich natürlich wunderbar mit kanonischer Exegese untermauern läßt.
Natürlich schrieb Ratzinger nicht nur als Theologe, sondern er schrieb vor allem als Papst. Sein Buch ist ein Glaubenszeugnis, ein sehr persönliche Sicht auf Jesus, wie Zenger feststellte, allerdings eine auf hohem wissenschaftlichen Niveau. Zenger lobte und kritisierte das Jesusbuch des Papstes sehr differenziert. Das ist wirkliche Kritik.
Der Glaubensentscheid spielt übrigens in einem anderen Zimmer als die kanonische Exegese.
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#326 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von sven23 » Fr 18. Mär 2016, 16:24

Halman hat geschrieben:Es wurde mehrfach so getan[/b], als sei die Naherwartung Jesu (im Sinne Deines Verständnisses) "nachgewiesen" und somit maßstäblich für die diesbezügliche Interpretation der Bibel. - Willst Du das bestreiten?
Es gibt aber im Bezug auf die Naherwartung schon lange einen großen, mehrheitlichen Konsens in der Leben-Jesu-Forschung.


Halman hat geschrieben: 1. Hatte ich mich schon auf zwei Theologen bezogen, die ich persönlich kenne. In theologischen Gesprächskreisen mit Laien neigen sie dazu, vereinfach und mit freundlicher Bestimmtheit und Autorität theoretische Schlussfolgerungen, deren Wahrheit als recht wahrscheinlich gilt, als Tatsachen zu formulieren. Willst Du mir etwa unterstellen, ich würde lügen? Kommt da was?
Also ich kenne das auch. Unter vier Augen plaudert manch ein Theologe- besonders jüngere- gern mal aus dem Nähkästchen, was sie aber offiziell nie sagen würden.


Halman hat geschrieben: Im Buch Der historische Jesus heißt es auf Seite 253:
Die irrtümliche Naherwartung Jesu (und der ersten Christen) hat im Urchristentum keine große Krise ausgelöst.
Dies ist ein Satz, der gleich drei Tatsachen behauptet:
1. Jesus hatte eine irrtümiche Naherwartung
2. Die ersten Christen hatten eine irrtümliche Naherwartung.
3. Diese hatte keine große Krise ausgelöst.
Vom vorsichtigen Konjunktiv lese ich da nichts. Du etwa?
Ich hatte auch schon aus dem Vorwort zum Jesusbuch von Theißen/Merz zitiert. Dort hatte Theißen explizit darauf verwiesen, dass es in der Leben-Jesu-Forschung keine 100% Sicherheit geben kann. Dafür ist die Quellenlage einach zu dünn und - wie man heute weiß- nahm man es damals mit der historischen Wahrheit nicht so genau.
Trotzdem lassen sich mit der historisch-kritischen Methode Aussagen treffen, die eine hohe Wahrscheinlichkeit und Plausibilität aufweisen. Wenn dem nicht so wäre, wäre die NT-Forschung eine ziemlich nutzlose Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Theologen, oder schlimmer noch, hätte sie eine Alibifunktion für die Theologie, um über die Forschung den Fuß in den Türen der Uiniversitäten zu behalten.

Theißen/Merz schreiben ihr komplettes Jesusbuch natürlich nicht im Konjunktiv, weil das sehr mühsam zu lesen wäre. Sie erledigen das im Vorwort.

„Als Jesus den gegenwärtigen Beginn der Gottesherrschaft verkündigte, rechnete er mit deren Kommen während seines Lebens.“
Gerd Theißen

In diesem Zusammenhang muß auch die Ethik Jesu gesehen werden, die nicht auf Langfristigkeit ausgelegt ist.

"Die Bezogenheit der Königsherrschaft Gottes auf sein Schöpfersein macht zugleich die Radikalität ihres Anspruchs aus. Jesus konfrontierte den ganzen Menschen mit der anbrechenden Heilswende.
...
Dieser Radikalität des Anspruches der Gottesherrschaft entspricht auch die Ethik Jesu.
...
So handeln kann nur, wer sein Vertrauen ganz auf Gott und seine anbrechende Herrschaft setzt. Für irdische Lebenssicherung bleibt da kein Platz (Mt 6,24 par)"

Quelle: bibelwissenschaft.de
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#327 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von sven23 » Fr 18. Mär 2016, 16:43

Halman hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:
Dies ist ein gutes Beispiel für eine Tatsachenformulierung; Du gebrauchst sie ja selbst..
Stop. Die Forschung spricht von wahrscheinlichen, plausiblen, nachvollziehbaren, in den historischen Kontext passende Ergebnisse, niemals von 100% sicheren und bewiesenen Tatsachen. Das ist auf Grund der dünnen Quellenlage auch gar nicht möglich und wurde hier schon oft genug betont. Die Forschung muß Rechenschaft über ihre Methoden ablegen, so werden die Ergebnisse transparent und nachvollziehbar.
So ist es sicher in der Fachwelt. Die Frage ist nur, wie dies in vereinfachter Form an Laien kommuniziert wird.
Da sprichst du einen ganz wunden Punkt an. Wie der Theologe Conzelman bereits vor langem sagte:
"Die Kirche lebt praktisch davon, daß in ihr die Ergebnise der Leben-Jesu-Forschung nicht publik sind"

Savonlinna z. b. bestreitet dies zwar immer wieder, aber sie hatte vor ein paar Tagen zugegeben, dass sie die Ergebnisse der Leben-Jesu-Forschung gar nicht kennt, obwohl sie sich schon mit Theologie beschäftigt hatte. Sie selbst ist also das beste Beispiel dafür, dass Conzelmann immer noch aktuell ist.


Halman hat geschrieben: Dass die kanonische Exegese anders zu verstehen ist, als sie hier von Euch verstanden wird, hatte ich mit Verweis auf Zenger belegt. Dass der emeritierte Papst auf hohem wissenschaftlichem Niveau gearbeitet hatte, hatte ich mit einem Zenger-Zitat belegt, es wird nur nicht akzeptiert.

Ob Zenger selig dafür eine kompetente Adresse ist, weiß ich nicht. Ich habe nur gelesen, dass er dem AT wieder eine stärkere Bedeutung zukommen lassen wollte, das er in 1. Testament umbenennen wollte. Dabei vertritt doch das AT eine Ethik, die heute indiskutabel ist und die mit dem NT überwunden zu sein schien.


Halman hat geschrieben: Natürlich schrieb Ratzinger nicht nur als Theologe, sondern er schrieb vor allem als Papst. Sein Buch ist ein Glaubenszeugnis, ein sehr persönliche Sicht auf Jesus, wie Zenger feststellte, allerdings eine auf hohem wissenschaftlichen Niveau. Zenger lobte und kritisierte das Jesusbuch des Papstes sehr differenziert. Das ist wirkliche Kritik.
Der Glaubensentscheid spielt übrigens in einem anderen Zimmer als die kanonische Exegese.
Na ja, meine Meinung dazu ist: wenn man für seine Argumentation den Antichristen bemühen muß, zeugt das nicht gerade von besonders hohem wissenschaftlichen Niveau. Auf dieser Ebene hat Ratzinger nichts neues zu bieten, geschweige denn, dass er Forschungsergebnisse widerlegen könnte.
Was bleibt ist der "Glaubensentscheid".
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#328 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von sven23 » Fr 18. Mär 2016, 17:00

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Ich von der wissenschaftlichen Ebene, du von der glaubensdogmatischen Ebene.
Du aus Sicht EINER Methodik, ich multi-perspektiv. - Klingt schon ganz anders, gell?.
Aus einer wissenschaftlichen Methodik, das ist richtig. Multi-perspektiv ist Geschwurbel.

closs hat geschrieben: Gar nicht - inner-methodisch konsistente Forschungs-Ergebnisse werden nach wie vor uneingeschränkt akzeptiert und hoch geschätzt.
Wenn sie genehm sind, sonst natürlich nicht. Das ist Cherry-Picking, wie Thaddäus sagt und geht in der Wissenschaft gar nicht.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Theologie steht vor dem Dilemma, dass sie Forschung betreiben muß, um eine Existenzberechtigung an den Universitäten zu haben.
Vollkommen abwegig. - Man betreibt Theologie, um geistig mehr zu erkennen - auch mit Hilfe der HKM.
Wenn dem so wäre, würde Ratzinger nicht vom Antichristen schwafeln.

Warum fällt es dir eigentlich so schwer, einzugestehen, dass du keinen wissenschaftlichen Anspruch hast? Treffe deinen Glaubensentscheid wie Ratzinger es vorschlägt und gut ist es.
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#329 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von Münek » So 20. Mär 2016, 00:16

sven23 hat geschrieben:Warum fällt es dir eigentlich so schwer, einzugestehen, dass du keinen wissenschaftlichen Anspruch hast? Treffe deinen Glaubensentscheid wie Ratzinger es vorschlägt und gut ist es.

Der Glaubensentscheid reicht unserem Kurti nicht. Er braucht den "wissenschaftlich-theologischen TÜV-Stempel". :thumbup:
Den erhält er selbstverständlich NICHT (Stichwort: Intellektuelle Redlichkeit) - und die Ergebnisse der HKM stechen
ihm wie Stacheln im Fleisch.
.

Mit seiner speziellen Glaubenshypothese steht er auf weiter Flur allein.

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#330 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von closs » So 20. Mär 2016, 17:28

sven23 hat geschrieben:Multi-perspektiv ist Geschwurbel.
Münek hat geschrieben: Er braucht den "wissenschaftlich-theologischen TÜV-Stempel". :thumbup:
Den erhält er selbstverständlich NICHT (Stichwort: Intellektuelle Redlichkeit)
Im Grunde haben wir es hier eine ideologische Diskussion - nach wie vor.

Denn es ist - pardon - wissenschaftlich leicht untersuchbar,
a) dass es wissenschafts-theoretisch unterschiedliche Auffassungen gibt, was Wissenschaft ist.
b) dass bestimmte Kriterien je nach Modell (Stichwort: multi-perspektiv) berücksichtigt werden oder nicht.

Wäre Wissenschaft nur das, was durch Euch vertreten wird, hätte Wissenschaft in der Tat in der Theologie nur am Rande etwas zu suchen. - Und für die Theologie wäre das nicht schlimm - aber für die Wissenschaft. - Denn dann müsste sich Wissenschaft aus Philologie und Theologie substantiell so gut wie verabschieden - das wäre schade.

Da es aber aber andere Auffasssungen von Wissenschaft gibt, wird dies nicht geschehen.

Gerade am Wochenende hatte ich die Gelegenheit, mich über dieses Thema mit einer habilitierten Theologin zu unterhalten. - Dieses Problem ist bekannt. - Ein anderes Problem wurde hinzu genannt: Die Theologie sei inzwischen derart säkularisiert, dass man weitgehend nicht mehr von einer "Lehre von Gott" sprechen könne, sondern von einer rein kultur-wissenschaftlichen Disziplin, die komplett außenstehend unter dem Namen "Theologie" auftrete.

Also geht davon aus, dass man sehr wohl auf dem Laufenden ist - und in diesem Kontext sind übrigens auch Ratzinger und Bergers Aussagen zu verstehen - denen besagte Dame ausdrücklich zugestimmt hat, obwohl sie lutherisch geprägt ist.

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