Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

closs
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#321 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von closs » Mo 20. Jul 2015, 15:51

Scrypt0n hat geschrieben:Bereits getan.
Dann versuche dies einmal inhaltlich zu verarbeiten und konkret zu kommentieren.

Queequeg hat geschrieben:Warum eigentlich nicht Karl Barth beim Wort genommen
Da kann man sich anschließen.

Queequeg hat geschrieben:Christentum könnte doch eigentlich so einfach sein...
Ist es im Grunde auch. - Schwierig wird es, wenn man über 1.Kor. 13 und Röm. 2,14 hinaus eben diese Bibelstellen in Frage stellt. - Das gilt für die Christen genauso wie für die Agnostiker/Atheisten.

Es wird soviel Scheißdreck über Bibel und Bibelverse erzählt, dass man die Bibel eigentlich auf den Index setzen müsste - das einzige Ticket Entré dürften obengenannte Zitate sein. - Geht natürlich nicht.

Münek hat geschrieben:Und wen oder was hast Du denn zitiert?
Irgendwann hat sich mal jemand die Mühe gemacht, positive Aussagen von Menschen (Goethe, Kant, Nietzsche, Schopenhauer, etc) einzustellen, die immer nur mit negativen Sprüchen zitiert wurden - kam einiges zusammen. - Reine Fleißarbeit.

Münek hat geschrieben:Was verstehst Du unter dem "inneren Reich Gottes" ? Diese Wortschöpfung ist mir als eigenständiger Begriff in der theologischen Literatur noch nicht untergekommen.
Das haben wir hier gemacht, damit es keine Verwechslung gibt mit dem, was Ihr darunter versteht.

Natürlich kommt mit der Wiederkunft Jesu im Sinne der Offb. das "äußere" Gottesreich am Ende der "Weltzeit". - Aber ansonsten ist damit in erster Linie das Reich gemeint, das „mitten unter ihnen“ (Mt 12,28; Lk 11,20; 17,21) ist, also jetzt nahe ist:

Mt. 12,28 "Wenn ich aber die bösen Geister durch den Geist Gottes austreibe, so ist ja das Reich Gottes zu euch gekommen".

Lk. 17,20f "Als er aber von den Pharisäern gefragt wurde: Wann kommt das Reich Gottes?, antwortete er ihnen und sprach: Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man's beobachten kann; man wird auch nicht sagen: Siehe, hier ist es!, oder: Da ist es! Denn siehe, das Reich Gottes ist mitten unter euch".

Ich verstehe wirklich nicht, warum es diesen HKM-Streit überhaupt gibt.

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sven23
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#322 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von sven23 » Mo 20. Jul 2015, 16:21

closs hat geschrieben: Lk. 17,20f "Als er aber von den Pharisäern gefragt wurde: Wann kommt das Reich Gottes?, antwortete er ihnen und sprach: Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man's beobachten kann; man wird auch nicht sagen: Siehe, hier ist es!, oder: Da ist es! Denn siehe, das Reich Gottes ist mitten unter euch".

Ich verstehe wirklich nicht, warum es diesen HKM-Streit überhaupt gibt.

Seit Weiß/Schweitzer gibt es eigentlich keinen Zweifel mehr daran, daß mit dem Reich Gottes nicht die "innere Gottesgegenwart" gemeint ist, sondern das äußere ereignishafte. Denn vor der inneren Gottesgegenwart muß man keine Drohkulisse aufbauen im Sinne von: tut Buße, die Zeit ist nahe, kehrt um, bevor es zu spät ist. Das wurde inzwischen mit vielen neueren Forschungsergebnissen abgeglichen und bestätigt. Es ist die Mehrheitsmeinung der NT-Forschung, die auch qualitativ hochwertig begründet wird.
Man muß diese Sicht nicht teilen, aber dann muß man die Gegenposition qualitativ begründen. Und im Vergleich der Positionen hat sich das "innere Gottesreich" als bei weitem nicht so belastbar erwiesen wie das äußere. Deshalb auch das eindeutige Urteil der Mehrheit.
Man sollte nicht den Eindruck erwecken, als sei das Ergebnis willkürlich zu stande gekommen. Das ist mit Sicherheit nicht der Fall.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

closs
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#323 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von closs » Mo 20. Jul 2015, 16:45

sven23 hat geschrieben:Seit Weiß/Schweitzer gibt es eigentlich keinen Zweifel mehr daran, daß mit dem Reich Gottes nicht die "innere Gottesgegenwart" gemeint ist, sondern das äußere ereignishafte.
Hätten sich also Lukas & Co getäuscht?

sven23 hat geschrieben:Denn vor der inneren Gottesgegenwart muß man keine Drohkulisse aufbauen im Sinne von: tut Buße, die Zeit ist nahe, kehrt um, bevor es zu spät ist.
Vielleicht war es ursprünglich gar nicht drohend gemeint (ich weiss, dass es so drinsteht) - geistig naheliegender wäre: "Macht Euch bereit, denn ohne das geht's nicht" - aber das wären schon wieder geistige Anmerkungen, die man allerdings auch nie loskriegen wird.

sven23 hat geschrieben:Es ist die Mehrheitsmeinung der NT-Forschung, die auch qualitativ hochwertig begründet wird.
Das bezweifle ich nicht - aber doch immer nur im Rahmen des eigenen Systems. - Pluto hat gestern zu Recht angemerkt, dass die dort behandelte Version (b) historisch-kritisch gar nicht fassbar ist - selbst wenn sie zutreffend ist/wäre.

sven23 hat geschrieben:Man muß diese Sicht nicht teilen, aber dann muß man die Gegenposition qualitativ begründen.
Gesamtbiblisch ist das kein Problem - die Frage ist, ob solche Argumente HKM-fähig sind (aus meiner Sicht müsste man HKM so weit definieren, dass sie HKM-fähig sind - aber ich weiss nicht, wie's heute gehandhabt wird).

sven23 hat geschrieben:Man sollte nicht den Eindruck erwecken, als sei das Ergebnis willkürlich zu stande gekommen.
Da stimme ich Dir zu - ich denke im Gegenteil sogar, dass es sehr redlich im Sinne des eigenen methodischen Verständnisses zustande gekommen ist.

Nur: Ein HKM-Forscher müsste bei aller Disziplin im Sinne seines Modells darüber hinaus dessen Grenzen verlassen und aus der Vogelperspektive andere Modelle genauso ernst nehmen können. - Denn letztlich sollte nicht die Frage entscheidend sein, welches Modell sich durchsetzt, sondern was damals passiert ist.

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Queequeg
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#324 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Queequeg » Mo 20. Jul 2015, 16:56

closs hat geschrieben:
Queequeg hat geschrieben:Warum eigentlich nicht Karl Barth beim Wort genommen
Da kann man sich anschließen.

Queequeg hat geschrieben:Christentum könnte doch eigentlich so einfach sein...
Ist es im Grunde auch. - Schwierig wird es, wenn man über 1.Kor. 13 und Röm. 2,14 hinaus eben diese Bibelstellen in Frage stellt. - Das gilt für die Christen genauso wie für die Agnostiker/Atheisten.

Es wird soviel Scheißdreck über Bibel und Bibelverse erzählt, dass man die Bibel eigentlich auf den Index setzen müsste - das einzige Ticket Entré dürften obengenannte Zitate sein. - Geht natürlich nicht.


Scheißdreck über die Bibel erzählen..., das ist dann ein kraftiges Lutherdeutsch, das der Wahrheit sehr, sehr nahe kommt.
(Hätte allerdings ich das geschrieben, ein wohl mehr quantitativer als qualitativer Anschiss aus "höheren Sphären" wäre mir wieder einmal sicher gewesen.)

Allerdings, dem einfachen Volksatheisten, dem Agnostiker, den Freigeistern und Freidenkern aus ihrem einfachen, moralisch und ethisch gerechtfertigten Sosein heraus*, sie alle lassen oft den lieben Gott mehr einen guten Mann sein, als die wahnversessene Riege der christlichen Fanatiker, der herzenskalten Biblizisten und der christlichen Dogmatiker aller konfessionellen Couleur.

* womit dann einmal wieder der von dir, und auch von mir, so oft zitierter Paulusvers in Kraft und Würde seine ewig fröhliche Auferstehung feiert...

Ich verstehe wirklich nicht, warum es diesen HKM-Streit überhaupt gibt.

das Ausmaß der parusieverzögerten Nachwehen absonderlicher Hybris ist dann auch, ich sage auch der Theologie eines postmodernen Atheismus..., was natürlich Nonsens ist, aber es klingt so schön überschwollen.

Aber dafür, das du hier bald nur noch als christlicher Einzelkämpfer agierst, dafür schlägst du dich dann ganz tapfer.

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sven23
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#325 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von sven23 » Mo 20. Jul 2015, 16:59

closs hat geschrieben:Hätten sich also Lukas & Co getäuscht?
Lukas vertritt einen etwas anderen Gottesreichbegriff, das ist der Forschung natürlich bekannt und wurde kontrovers diskutiert. Man versteht die "innere Gottesgegenwart" mehr als ein Vorgriff/Vorgeschmack/Versprechen auf das "echte" äußere Gottesreich, das dann die umwälzenden Veränderung bringen soll, auf die viele warteten.


closs hat geschrieben: - Denn letztlich sollte nicht die Frage entscheidend sein, welches Modell sich durchsetzt, sondern was damals passiert ist.
Genau, und dafür gibt es keine geeignetere Methode als die historisch-kritische.
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Zeus
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#326 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Zeus » Mo 20. Jul 2015, 17:04

closs hat geschrieben:Nur: Ein HKM-Forscher müsste bei aller Disziplin im Sinne seines Modells darüber hinaus dessen Grenzen verlassen
Von was für einem "Modell" redest du? :o
Offensichtlich erwechselst du (schon wieder) Modell und Methode.
lieber Kurt, versuche dir zu merken, das "M" in HKM steht für M E T H O D E.
Und bitte zur Kenntnis nehmen:
Die historisch-kritische Methode ist bis heute in der evangelischen und katholischen Kirche die Standardmethode der Bibelauslegung.(Wiki)
closs hat geschrieben:und aus der Vogelperspektive
Meinst du aus der Perspektive derer, die einen religiösen Vogel haben? :P
e^(i*Pi) + 1 = 0
Gott ist das einzige Wesen, das, um zu herrschen, noch nicht einmal existieren muss.
(Charles Baudelaire, frz. Schriftsteller, 1821-1867)

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#327 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Martinus » Mo 20. Jul 2015, 17:37

Münek hat geschrieben: - Und wen oder was hast Du denn zitiert? I
in der Sache, jetzt nicht böse sein, würde ich Sven auf Platz 1 setzen.


Kurt, das zeichnet ihn aus, hat eine eigene Meinung :clap:
Angelas Zeugen wissen was!

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#328 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von closs » Mo 20. Jul 2015, 18:47

Queequeg hat geschrieben:sie alle lassen oft den lieben Gott mehr einen guten Mann sein, als die wahnversessene Riege der christlichen Fanatiker
Da würde ich ja zustimmen - wer nicht interpretiert, interpretiert auch nicht falsch. - Im übrigen ist der Ausdruck "den lieben Gott einen guten Mann sein lassen" tiefer, als er auf den ersten Blick erscheint - denn dies kommt dem "Ich-bin-und-Punkt"-Gedanken Jahwes, verbunden mit dem "Ihr sollt Euch kein Bildnis machen" sehr nahe.

Queequeg hat geschrieben:die wahnversessene Riege der christlichen Fanatiker, der herzenskalten Biblizisten und der christlichen Dogmatiker aller konfessionellen Couleur.
Du vergisst dabei die agnostischen und atheistischen Kommentatoren, die in Punkto Dogmatismus dazu gehören.

Zeus hat geschrieben:Offensichtlich erwechselst du (schon wieder) Modell und Methode.
Eigentlich nicht - mit Modell meine ich, dass man innerhalb der HKM entscheidet, was man als berücksichtigungs-würdig versteht und was nicht.

sven23 hat geschrieben:Man versteht die "innere Gottesgegenwart" mehr als ein Vorgriff/Vorgeschmack/Versprechen auf das "echte" äußere Gottesreich
Das ist nicht mal falsch - natürlich ist das nahe innere Gottesreich das irdisch Mögliche, dem am Ende der "Weltzeit" oder mit dem eigenen Tod das "lux et pax" folgt.

Zeus hat geschrieben:Die historisch-kritische Methode ist bis heute in der evangelischen und katholischen Kirche die Standardmethode der Bibelauslegung.
Da scheint man aber sehr Unterschiedliches darunter zu verstehen. - Außerdem klingt das sehr verkürzt: Wie würdest Du die Disziplin nennen, die dafür zuständig ist, was substantiell-geistig in der Bibel steht? - Das kann doch nicht Aufgabe der HKM sein - oder glaubst Du das?

sven23 hat geschrieben:und dafür gibt es keine geeignetere Methode als die historisch-kritische.
Wenn die HKM ihre Grenzen kennt, ist sie super.

Wie ist es möglich, dass mit Verweis auf die HKM (die hier zitierten) Sätze von Augstein kommen, die nichts als weltanschauliche Ausrufe sind?

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#329 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Pluto » Mo 20. Jul 2015, 19:26

closs hat geschrieben:Wenn die HKM ihre Grenzen kennt, ist sie super.
Die HKM ist eine Methode und keine Person. Sie KANN die Grenzen nicht kennen.
Jemand muss also die Grenzen setzen. Wer sollte das deiner Meinung nach sein?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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Zeus
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#330 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Zeus » Mo 20. Jul 2015, 20:59

closs hat geschrieben:
Zeus hat geschrieben:Offensichtlich erwechselst du (schon wieder) Modell und Methode.
Eigentlich nicht - mit Modell meine ich,
Egal was du meinst, es handelt sich um DIE anerkannte M e t h o d e und nicht um irgend ein Modell.
Zeus hat geschrieben:Die historisch-kritische Methode ist bis heute in der evangelischen und katholischen Kirche die Standardmethode der Bibelauslegung.
closs hat geschrieben:Da scheint man aber sehr Unterschiedliches darunter zu verstehen.
Tut "man" das? Was versteht "man" denn darunter Unterschiedliches? Wer ist "man"?
Übrigens findest du eine präzise Definition hier.
e^(i*Pi) + 1 = 0
Gott ist das einzige Wesen, das, um zu herrschen, noch nicht einmal existieren muss.
(Charles Baudelaire, frz. Schriftsteller, 1821-1867)

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