Münek hat geschrieben:
Nimm Dir ein Beispiel an Thaddäus. Sie hat den vollen Durchblick. Du nicht.
Schön wäre es, - aber Danke der Ehre. Ich habe während meines Ausfluges in die ev. Theologie nur einen altestamentlichen und drei neutestamentliche Textstellen in Pro- und Hauptseminaren historisch-kritisch untersucht, unter anderem Jesu Vertreibung der Geldwechsler und Opferhändler aus dem Tempel in Mk.11,15ff, eine in ihrem Kern höchstwahrscheinlich historische Begebenheit übrigens.
Man kann die historisch-kritische Methode nur dann richtig einschätzen, wenn man sie einmal nach allen Regeln der Kunst selbst angewendet hat, denn dann macht man selbst die Erfahrung, welche Arbeitsschritte nötig sind und wie akribisch der biblische Text unter die Lupe genommen wird. Rein theoretisch betrachtet erschließt sie sich einem nicht in ihrer Plausibilität. Und selbstverständlich ist die HKM nicht nur eine hermeneutische Formalität, sondern es geht ja gerade darum, zu
theologisch-inhaltlich gesicherten Ergebnissen zu kommen. Insofern stimme ich closs nicht zu, die HKM gelange nicht zu "geistigen" bzw. direkten theologischen Aussagen. Natürlich tut sie das. Dafür ist sie da.
Es macht auch einen Unterschied, ob man biblische Texte historisch-kritisch untersucht oder andere antike Texte (Homer, Platon, Sophokles etc.) bzw. noch jüngere wie das Nibelungenlied, den Beowulf oder gar mittelalterliche oder noch jüngere, moderne Literatur.
Die Quellenlage ist bei biblischen Texten unvergleichlich komplizierter, weil es sehr viele unterschiedlich gute Quellen aus unterschiedlichen Jahrhunderten gibt. Die Quellenlage der Ilias z.B. ist weitaus schlechter, dafür aber einheitlicher, was die Textform angeht, weshalb die textkritische Untersuchung des Epos schnell erledigt ist.
Man muss auch jüngere Literatur historisch-kritisch analysieren, aber je jünger der Text, um so simpler fällt die historisch-kritische Analyse aus.