stereotyp hat geschrieben: ↑Sa 4. Apr 2020, 12:28
Naqual hat geschrieben: ↑Sa 4. Apr 2020, 10:43
Und die wären nie auf die Idee gekommen, es müsste meine Schwester stellvertretend geopfert werden, damit sie wieder beruhigt mit mir sind.
Falls man dieser Analogie folgen wollte, hätte niemand größere Liebe bewiesen, als die Schwester. Stellt man sich vor, wie sich der "verlorene Sohn" in dieser Situation fühlen muss, kann man natürlich nachvollziehen, dass er den Vater anklagt. Und er hat in dieser Situation zwei Möglichkeiten.. entweder er verwirft das Opfer und klagt den Vater an, oder er bereut seine Verfehlungen.
Die Schwester hat dann große Liebe bewiesen, wenn sie sich für einen anderen opfert. Egal ob das Erfordernis dieses Opfers bestand oder nicht. Eine Option behandelst Du nicht bei Deinen Möglichkeiten: der Sohn bereut seine Verfehlungen, findet es aber nicht gut, dass der Vater Vergeltung benötigt um überhaupt vergeben zu können.
Der Widerspruch zwischen einem Gott der Liebe und einem, der ein blutiges Vergeltungsopfer benötigt, entsteht ja daraus, dass die Notwendigkeit für das Opfer nicht belegt oder sinnvoll beschrieben werden kann. Der Erste, der in der christlichen Dogmengeschichte näher auf das Vergeltungsopfer am Kreuz eingegangen ist, ein Bischof Anselm, über ein Jahrtausend nach Jesu Ableben, sah die Notwendigkeit darin, dass der Teufel ein Preis benötigt um die Seele wieder zu Gott zu lassen. Ade Monotheismus ist nur eines der makaberen Folgen dieser Vorstellung.
Ich gebe zu, dass diese tragische Analogie Fragen aufwirft (gelinde gesagt). Aber als ehemaliger Christ, und "durch Liebe mit Gott verbundener Person" müsstest du mir eingestehen, dass die Heilsgeschichte etwas komplexer ist, als das.
Hier machst Du ein Wortspiel, das ein wenig das von mir Gesagte verdreht oder zumindest polemisiert ohne zur Sache selbst beizutragen. Ich schrieb nicht, dass ich ein "durch Liebe mit Gott verbundene Person bin", sondern dass ich wie alle anderen ein Adam bin, für den dies zutrifft. Also mir hier ein Prädikat zu verpassen, mit dem ich mich selbst über andere setze, war sicherlich nicht mein Ansinnen. Ich kenne allerdings das innere Abwehrverhalten auf Kritik, deren Urheber als arrogant zu werten, aus eigener Erfahrung.
Ja, wobei zu dieser Prämisse gehört, dass dieses Opfer notwendig war. Zu sagen, Gott "wollte" ein "kaltblütiges" Opfer für Sünden, die in Wahrheit keine sind, ist keine nachvollziehbare Kritik, sondern eine Hasstirade, die deine (bitte bildlich verstehen) vorpubertäre Emanzipation von "deinen Eltern" rechtfertigen soll.
Hier ist der Clou: worin siehst Du die Notwendigkeit des Opfertodes? Warum kann Gott nicht vergeben ohne Vergeltung, wenn er selbst von Menschen verlangt 7x 70x zu vergeben ohne Vergeltung? Wozu dient der Opfertod, wem nützen die Todeskrämpfe, die Schmerzen, die Entwürdigung?
Meine Ausführungen haben nichts mit Hasstiraden zu tun. Ich versuche nur ganz sachlich die Vorstellung eines Gottes der Liebe der verbreitesten christlichen Vorstellung gegenüber zu stellen ohne hier in den ausgeführten Punkten eine Übereinstimmung zu sehen. Anderes Beispiel: kann man jemanden Hasstiraden vorwerfen, wenn er von Mord berichtet und dabei die Gräuel benennt?
Aus meiner Sicht verklage ich keinen existenten Gott, sondern bestreite die Existenz eines Gottes mit den genannten Eigenschaften aufgrund nicht auflösbarer Widersprüche zur Liebe.
Methodisch ist Dein "Deine vorpupertäre Emanzipation von deinen Elten" auf einer Stufe mit dem Einwand eines Psychoanalytikers, der sich gerade geirrt hat und auf die Kritik eines Klienten entgegnet, das sei der unbewusste Widerstand gegen die Vaterfigur. Man nennt dies auch Selbstimmunisieren gegen Kritik von Ideologien.
Ich kann nicht leugnen, dass ich ein Interesse daran habe, darüber zu diskutieren. Aber nicht um mich über dich lustig zu machen. Sondern um meinen Glauben zu rechtfertigen. Vielleicht mehr vor mir, als vor dir. Aber außer der wütenden Anklage, der Gott Israels sei ungerecht, hat "dein Gott" noch nicht viel über sich verraten. Daher meine Anspielung auf einen der Väter (oder Söhne, bin nicht sicher) der eher mystischen Gottes-Vorstellungen.
Es wäre doch interessant zu wissen, in welchem Rahmen sich dessen "Heilsgeschichte" entwickelt, oder nicht?
Ich kenne keine wütende Anklage des Gottes Israels, weil mir schon die Vorstellung abstrus ist, dass ein Volk einen Gott hat. Allenfalls eine spezifische Vorstellung. Und die Gottesvorstellung der Juden ist m.E. konsequenter als die christliche. Da soll man sich kein Bild machen von Gott und die Christen brauchen dann einen Menschen Jesus als Bild um Gott zu erfassen. Das ist quasi der Kardinalfehler vor dem der jüdische Glaube gewarnt hat. Der jüdische Glaube kennt allerdings erzieherische Strafen eines Gottes sei es als Generalprävention (Abschreckung) oder als individuelle HIlfestellung für den einzelnen. Bei den jüdischen Opfern gibt auch der Bereuende etwas von sich, etwas was für ihn von Wert ist, symbolisch für die Ernsthaftigkeit seines Wollens vor Gott. Gott braucht keine toten Lämmer. Das war den Juden wohl recht klar. Aber wie begründet man nur den stv. Opfertod? Es ist ja recht einfach und egoistisch, die Schuld einen anderen tragen zu lassen. Der reuige Sünder, von Liebe erfüllt, müsste eigentlich entsetzt ablehnen, jemand anderes seine Schuld tragen zu lassen.
Väter und Söhne mystischer Vorstellungen? Was ist das? Was meinst Du?