@ closs
@ silverbullet
Euer beider Gedankenaustausch strotzt nur so von fundamentalen Fehlern und Missverständnissen auf beiden Seiten, die alle richtig zu stellen, praktisch unmöglich ist, weil es grundsätzliche philosophische und philosophiehistorische Fehler sind. Man müsste viel tiefer auf sie eingehen, um zu zeigen, in welch erheblichen Ausmaß es Fehler und Missverständnisse sind. Ich begnüge mich damit, einige besonders schlimme einfach nur zu benennen.
closs hat geschrieben:
WIE sollte Kant WISSEN, ob Gott eine Idee oder real ist? - Natürlich kann er seine Version aus seinem Denksystem begründen - aber WISSEN? - Sprichst Du der Philosophie ontologische Gestaltungsfähigkeit zu?
Kant gelangt zu der
beweisbaren Einsicht, dass wir allenfalls das WISSEN können, dass Gott eine Idee ist, niemals aber, ob er real ist. Aussagen über eine etwaige Realität Gottes sind grundsätzlich unmöglich, weil es das Erkenntnisvermögen des Menschen grundsätzlich übersteigt. Inwiefern es das Erkenntnisvermögen grundsätzlich übersteigt, darum geht es in seiner
Kritik der reinen Vernunft, wo Kant ausführt, was der Mensch erkennen kann und was nicht.
closs hat geschrieben:
Es gibt universal denkende Philosophen, zu denen mir Hegel und auch Heidegger zu gehören scheinen. - Mit "universal" meine ich, dass sie Grundstrukturen zur Erklärung der Welt finden, die von ihnen in IHREM Kontext entwickelt und ausgeführt werden, jedoch auch außerhalb ihres Systems Verwendung finden können.
Bei Hegel ist dies seine Dialektik mit dem Gedanken der Aufhebung im dreifachen Sinne - bei Heidegger ist dies die Ontologie mit ihrer Aussage der ontologischen Differenz zwischen Sein und Seinendem.
Die hegelsche Dialektik gehört zu den philosophischen Methoden und ist insofern inhaltlich neutral. Wenn du sie dazu verwenden willst, Gott plausibel zu machen, dann darfst du das natürlich machen. Man kann diese Methode aber genauso dazu verwenden, die Entwicklung eines
dialektischen Materialismus zu erklären, wie Friedrich Engels es gemacht hat, um Hegel mit seiner eigenen Methode
vom Kopf auf die Füße zu stellen so dass am Endpunkt der Geschichte kein sich selbst begreifender Weltgeist mehr steht, sondern die kommunistische Gesellschaft.
Die dialektische Methode kann dein Vorhaben, closs, Gott damit irgendwie plausibel machen zu wollen, also gar nicht leisten, denn man kann mit ihr auch das Gegenteil plausibel machen, wie der dialektische Materialismus beweist.
Aber selbst, wenn man Hegel christlich uminterpretieren will, muss das scheitern, weil Hegel den christlichen Gott im Fortgang seiner Philosophie gerade überwindet und ihn durch das rein vernünftige Absolute, nämlich den
Weltgeist, ersetzt. Und dieser Weltgeist, als Begriff für die Totatlität des Seins, steht
am Ende aller natürlichen und historischen Entwicklung und nicht am Anfang. Hegels System schließt aus, dass es einen christlichen Gott
am Anfang der Geschichte gegeben haben könnte. Wenn überhaupt, dann wäre
Gottes Sein im Werden, wie das der ev. Theologe Eberhardt Jüngel ausgedrückt hat.
Die dialektische Methode kann aber auch darum keinen Gott erweisen oder auch nur plausibel machen, weil sie einen steten Fortgang zum Besseren impliziert, nämlich zur Selbsterkenntnis des Geistes. Historisch sind aber viele Rückschritte menschlichen Wissens und menschlicher Kultur belegbar, was die dialektische Mehtode als solche zweifelhaft werden lässt.
closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben: Ich bin geradezu verstört darüber, wie du dir die Philosophen katholisch zurechtbiegst
Ich gehöre der RKK nicht an. -
Das ist völlig unerheblich. Du vertrittst sogar erzkatholische Glaubensinhalte, allerdings mit synkretistisch zusammengesuchten philosophischen Versatztheoremen, wobei du - und das ist das Zeichen für Synkretismus - gänzlich außer Acht lässt, was diese philosophischen Versatzstücke ursprünglich bedeuten und welchen Sinn sie in ihrem ursprünglichen philosophischen Kontext haben.
closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:ebenso wie deine Ansicht, man müsse lediglich etwas als begründungslos denkmöglich erachten, um es anderen als gesicherte Wirklichkeit zu verkaufen.
Das ist jetzt das VIERTE Mal, dass ich diese Deine Falschmeldung dementiere - die ersten beiden Male habe ich noch an einem Missverständnis geglaubt ...
Und wenn du es noch ein 5'es Mal dementierst, du setzt einfach deine Geist-Interpretation (und einiges andere), ohne es plausibel zu begründen.
closs hat geschrieben:Das ist meine These. - Demnach ist - vor dem Hintergrund, dass der Mensch immer vom Ich aus urteilt, also immer anthropozentrisch urteilt - die Einsicht nötig, dass dieses Ich nicht der absolute Maßstab, sondern nur ein operativer Maßstab sein kann. - Aus meiner Sicht ist nicht mehr nötig als das.
Was für ein kolossaler logischer Fehler mal wieder.
Wenn es stimmt, dass der Mensch
immer vom Ich aus urteilt (besser: innerhalb der Grenzen seines Erkenntnisvermögens), dann trifft das auch auf deine Aussage zu, es handele sich dabei
nicht um einen absoluten Maßstab, sondern um einen operativen.
Das bedeutet: die Annahme,
das Ich sei kein absoluter Maßstab wird erhoben von einem Ich, welches stets nur von sich selbst ausgehen kann und
sich selbst damit absoluter Maßstab sein muss, denn von etwas anderem kann es nicht ausgehen.
closs hat geschrieben:
Geistiges Denken beruht darauf, dass es nicht aus sich selbst ist, sondern Ableger von etwas Höherem ist - dieses Denken ist außerordentlich gut begründbar.
Ein weiterer logischer Widerspruch:
Du schreibst gerade, dass der Mensch immer vom Ich aus urteilt. Jetzt schreibst du, das geistiges Denken ein Ableger von etwas Höherem sei und auch noch "gut begründbar". Wenn das Ich tatsächlich
stets von seinem Ich aus
urteilt, dann ist es offensichtlich überhaupt nicht begründbar, dass "sein geistiges Denken" von etwas Höherem kommt, weil dieses URETIL wiederum nur das Urteil eines Ich ist, welches nur von sich selbst ausgehen kann, niemals aber eine andere Sicht als diese seines Ichs einnehmen kann.
SilverBullet hat geschrieben:
Du bist eher genau dem Weg gefolgt, den Hegel als „Zugang zum Christentum“ entworfen hat.
Nein, closs folgt Hegel keineswegs.
Hegel beginnt seine philosophisches Denken theologisch mit dem Wunsch, das Absolute, also Gott, im christlichen Sinne erklären zu können. Im Laufe seines Denkens und der Ausarbeitung seines Systems, gelangt er aber zu der philosophischen Einsicht, dass der christliche Gott längst als tot empfunden wird und es nur einen sich am Ende der vernünftigen Weltgeschichte selbst erkennenden Weltgeist geben kann, der die Totalität dieser Entwicklung ist. Der Weltgeist steht am Ende der vernünftigen Geschichte der Welt, nicht am Anfang. Und er ist ein rein vernünftiges Prinzip, kein christlicher Gott.
SilverBullet hat geschrieben:
Schritt 1:
Das Wahrnehmungssystem kommt zu der Einstellung: „ich kann es nicht entscheiden, ich muss es ausprobieren“.
Das "Wahrnehmungssystem" kommt zu überhaupt keiner Einstellung!
Menschen gelangen zu Einstellungen. Das Wahrnehmungssystem ist lediglich Teil des menschlichen Organismus, es ist aber nicht identisch mit dem Menschen. Es wäre auch absurd, so etwas behaupten zu wollen, denn die Wahrnehmung ist nur ein spezieller sinnesphysiologischer und cerebraler Teil der biologisch-organischen Einheit Mensch. Hinzu kommt, dass Wahrnehmung nur existiert, weil
Urteile über Sinnesempfindungen getroffen werden. Nach welchen Kriterein diese Urteile gefält werden, gehört nicht zum Wahrnemungssystem selbst.
SilverBullet hat geschrieben:
Schritt 2:
Die experimentelle Bestätigung bzw. Korrektur eines Zusammenhanges geschieht mit 100prozent Wahrscheinlichkeit ausserhalb der Wahrnehmung.
D.h. die Wahrnehmung verlässt sich nicht auf die eigenen Denkfähigkeiten.
Was ist denn das für ein Unsinn?!
"
Wahrnehmung" hat keine Denkfähigkeiten! Riechen und Schmecken haben auch keine Denkfähigkeiten. Und auch meine Ohren und mein Hintern haben keine Denkfähigkeiten.
Ich verbuche das einmal unter einfach schlampig und unüberlegt hingeschrieben ...
Wenn du mit "außerhalb der Wahrnehmung" meinst, die empirisch-experimentelle Überprüfung von Sachverhalten messe sich an realen Gegebenheiten außerhalb des Menschen (im Sinne von Kants "Ding an sich"!), dann ist das zwar richtig, gleichwohl ist jede empirisch-experimentelle Überprüfung selbst wieder ein Wahrnehmungsakt, findet also nicht außerhalb davon statt.
SilverBullet hat geschrieben:
Bereits die Denkgültigkeit ist eine Voraussetzung, die du noch nicht bewiesen hast.
Denkgültigeiten sind bestimmte logische Fundamentalprinzipien, die nicht infrage gestellt werden können, weil sie eine unhintergehbare Grundlage jedes vernünftigen Denkens selbst darstellen (und darum auch nicht bewiesen werden müssen!). Sie infrage zu stellen, setzt sie bereits voraus. Das sind vor allem der
Satz der Identität und der
Satz vom ausgeschlossenen Widerspruch. Jeder vernünftige Gedanke und jede vernünftige Aussage basieren bereits auf der Anwendung dieser beiden logischen Fundamentalprinzipien.
Usw.usw.