Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

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sven23
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#271 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von sven23 » So 19. Jul 2015, 17:14

closs hat geschrieben:Nein - es ist tragisch, dass unter Verweis auf ERgebnisse der HKM weltanschauliche Behauptungen in die Welt gesetzt werden.
Es ist aber genau so naiv zu glauben, die Forschung hätte überhaupt keinen Einfluss. Das geht nur mit völligem Ignorieren und das ist dann Ideologie in Reinkultur.

closs hat geschrieben: Unter Einbeziehung der gesamten NT-Forschung wird dies mehrheitlich NICHT so gesehen - der Trick: Man lässt nur für das, was einem weltanschaulich folgt, den Begriff "NT-Forschung" zu.
Doch, so ist es. Ich verweise auf die Aussage Kubitzas oder Lindemanns, der es bestätigt.
Kleiner Tipp: ein Priesterseminar zählt nicht zur NT-Forschung. :lol:


closs hat geschrieben: Es wurde trotz mehrmaliger Nachfrage kein einziges Argument von Kubitza & Co präsentiert, aus dem ersichtlich wäre, dass man die zwei von mir genannten Motive ernsthaft behandelt hat.
Ich habe doch schon mehrfach Theißen/Merz empfohlen. Man kann die Pferde nur zur Tränke führen, saufen müssen sie schon selber.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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Pluto
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#272 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Pluto » So 19. Jul 2015, 17:21

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Es wäre eine Tragödie, wenn man die Ergebnisse der NT-Forschung vermittelt?
Nein - es ist tragisch, dass unter Verweis auf ERgebnisse der HKM weltanschauliche Behauptungen in die Welt gesetzt werden.
Das ist mir zu pauschal.

Sicher gibt es Einzelfälle, die man anfechten kann und auch sollte. Aber einen ganzen Wissenschaftszweig in Misskredit stellen zu wollen, halte ich für übertrieben. Viele (die Meisten) Ergebnisse der HKM sind vermutlich richtig sollten auch für Theologen richtungweisend sein.

closs hat geschrieben:Nochmal: Das, was hier über 100e von Seiten an Quellen-Kritik und historischen Fakten präsentiert wurde, ist innerhalb der christlichen Theologie bekannt und verarbeitet - nur interpretiert man es anders.
Wissenschaftliche Erkenntnisse die nach der HKM gewonnen werden, lassen allerdings weit weniger Spielraum für "Interpretation" zu. Wenn etwas historisch/archäologisch einwandfrei festgestellt wurde, was gibt es da noch zu interpretieren?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#273 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von closs » So 19. Jul 2015, 17:23

sven23 hat geschrieben:Es ist aber genau so naiv zu glauben, die Forschung hätte überhaupt keinen Einfluss.
Hat sie doch auch - durch die HKM wurde bspw. die Mär entlarvt, dass die vorliegenden Texte von den Evangelisten selbst stammen. - Und vieles mehr - das passt doch.

sven23 hat geschrieben:Ich verweise auf die Aussage Kubitzas oder Lindemanns, der es bestätigt.
Das ist doch Selbst-Bestätigung. - Wo steht geschrieben, dass agnostische Bibel-Forschung die einzige Art der NT-Forschung sei?

Wenn Du von "NT-Forschung" sprichst, meinst Du es synonym mit "HKM-Forschung". - Das allein wäre sogar diskutabel, wenn nicht der weltanschauliche Rattenschwanz klammheimlich mitgeliefert werden würde.

sven23 hat geschrieben:Ich habe doch schon mehrfach Theißen/Merz empfohlen.
Ihr wisst also selber nichts darüber? - Seid Ihr nicht daran interessiert, Eure Meinung belastbar zu machen?

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#274 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von closs » So 19. Jul 2015, 17:42

Pluto hat geschrieben: Aber einen ganzen Wissenschaftszweig in Misskredit stellen zu wollen, halte ich für übertrieben.
Das wäre nicht nur übertrieben, sondern sogar inakzeptabel. - Es stellt keiner die HKM in Frage, sondern deren weltanschauliche Kontaminierung durch Agnostiker/Atheisten.

Pluto hat geschrieben:Wenn etwas historisch/archäologisch einwandfrei festgestellt wurde, was gibt es da noch zu interpretieren?
Viel. - Nehmen wir unser eingeführtes Beispiel "Parusie":

Wissenschaftlich wird man bspw. im Sinne der HKM sagen können:
* Text x ist nicht vor 80 n.Chr. entstanden (das sagen Handschriftforscher und Linguisten)
* Der Schreiber zitiert Jesus als jemand, der eine äußere Naherwartung hatte ("Das Reich Gottes ist nahe")
* Im 1. Jh. gab es eine weitverbreitete äußere Naherwartung

Diese 3 ausgesuchten Aussagen wird von der NT-Forschung (egal ob atheistisch oder christlich) einvernehmlich anerkannt.

Jetzt kommen die Interpretationen:
(a) Die Textlage zeigt uns in Verbindung mit historischen Kenntnissen, dass Jesus selbst eine äußere Naherwartung hatte.
(b) Die Textlage zeigt und in Verbindung mit korrespondierenden AT-/NT-Motiven, dass Jesus eine innere Naherwartung predigte, die aber aufgrund der zeitgenössischen geistigen Formatierung falsch rezipiert wurde.

(a) und (b) sind völlig unterschiedliche Interpretationen, obwohl die historisch-kritische Beobachtungslage exakt diesselbe ist. - Beide Interpretationen sind weltanschaulich geprägt. - Die Lösung des Problems: Man präsentiert seine Schlussfolgerungen nur zusammen mit den Bedingungen, unter denen sie zustande kommen:

(a) FALLS man unmittelbare textliche und historische Erkenntnisse zum Maßstab macht und eine Fehl-Rezeption des Schreibers ausschließt, hatte Jesus eine eigene äußere Naherwartung. - Dies ist aus meiner Sicht ein sauberer wissenschaftlicher Satz.
(b) FALLS man die das die Bibel durchziehenden Motive des "inneren Gottesreichs" (seit Salomo) und des "Der Mensch versteht Gott nicht" berücksichtigt, hatte Jesus keine äußere Naherwartung des Gottes-Reiches, sondern ein inneres Wissen desselben. - Auch das wäre wissenschaftlich sauber formuliert.

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sven23
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#275 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von sven23 » So 19. Jul 2015, 18:24

closs hat geschrieben:Hat sie doch auch - durch die HKM wurde bspw. die Mär entlarvt, dass die vorliegenden Texte von den Evangelisten selbst stammen. - Und vieles mehr - das passt doch.
Super, aber selbst das wissen die wenigsten Kirchenmitglieder, weil man es ihnen nicht sagt, bzw. sie in dem Glauben läßt.

closs hat geschrieben: Wo steht geschrieben, dass agnostische Bibel-Forschung die einzige Art der NT-Forschung sei?
Es müssen aber schon bestimmte Kritierien erfüllt sein.
https://www.uni-due.de/EvangelischeTheo ... hode.shtml
Zitat daraus:
"Erhebt die Methode der Interpretation den Anspruch auf Wissenschaftlichkeit, so muss sie den Standards wissenschaftlichen Vorgehens genügen."
Kleiner Tip: Glaubensdogmen erfüllen diese Anforderung nicht. ;)


closs hat geschrieben: Ihr wisst also selber nichts darüber? - Seid Ihr nicht daran interessiert, Eure Meinung belastbar zu machen?
Deshalb lese ich doch Fachliteratur, um mich auf neuesten Stand zu bringen. Du bist es doch, der sich neuen Erkenntnissen verweigert.

closs hat geschrieben:[- Die Lösung des Problems: Man präsentiert seine Schlussfolgerungen nur zusammen mit den Bedingungen, unter denen sie zustande kommen:
Wenn du schon so penibel sein willst, dann müßte jeder Pfarrer seine Lesung beginnen mit: Jesus soll angeblich gesagt haben, daß...... :lol:
Zuletzt geändert von sven23 am So 19. Jul 2015, 18:41, insgesamt 1-mal geändert.
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#276 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von closs » So 19. Jul 2015, 18:39

sven23 hat geschrieben:aber selbst das wissen die wenigsten Kirchenmitglieder, weil man es ihnen nicht sagt
Die in Bibel-Kursen Aktiven wissen das schon. - Es ändert nichts an dem, was da steht - und darüber spricht man ja.

sven23 hat geschrieben:Es müssen aber schon bestimmte Kritierien erfüllt sein.
Das ist kein Problem für christliche Theologen.

Das postest Du zum x-ten Mal - und ich habe DIr einige Male gesagt,
a) dass der Inahlt ok und allgemeiner Standard ist, und
b) das Problem wo ganz woanders liegt.

sven23 hat geschrieben:Deshalb lese ich doch Fachliteratur, um mich auf neuesten Stand zu bringen.
Dein neuester Stand ist unkritisch, weil Du offensichtlich immer nur in derselben weltanschaulichen Ecke liest - Du solltest auch mal Ausführungen christlicher Theologen lesen.

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#277 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von sven23 » So 19. Jul 2015, 18:46

closs hat geschrieben:Die in Bibel-Kursen Aktiven wissen das schon. - Es ändert nichts an dem, was da steht - und darüber spricht man ja.
Ich glaube nicht, daß so etwas in konservativen/fundamentalen Bibelkursen diskutiert wird. Das ist doch Teufelszeug. :lol:


closs hat geschrieben: Das postest Du zum x-ten Mal - und ich habe DIr einige Male gesagt,
a) dass der Inahlt ok und allgemeiner Standard ist, und
b) das Problem wo ganz woanders liegt.
Es scheint aber immer noch nicht angekommen zu sein, daß NT-Forschung diese Kriterien erfüllen muß. Welche "andere" NT-Forschung hast du im Sinn, die den Namen verdient?

closs hat geschrieben: Dein neuester Stand ist unkritisch, weil Du offensichtlich immer nur in derselben weltanschaulichen Ecke liest -.
Der war gut. Mein zweiter Vorname ist criticus. :lol:
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#278 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Pluto » So 19. Jul 2015, 19:01

closs hat geschrieben:Jetzt kommen die Interpretationen:
(a) Die Textlage zeigt uns in Verbindung mit historischen Kenntnissen, dass Jesus selbst eine äußere Naherwartung hatte.
(b) Die Textlage zeigt und in Verbindung mit korrespondierenden AT-/NT-Motiven, dass Jesus eine innere Naherwartung predigte, die aber aufgrund der zeitgenössischen geistigen Formatierung falsch rezipiert wurde.

(a) und (b) sind völlig unterschiedliche Interpretationen, obwohl die historisch-kritische Beobachtungslage exakt diesselbe ist. - Beide Interpretationen sind weltanschaulich geprägt. - Die Lösung des Problems: Man präsentiert seine Schlussfolgerungen nur zusammen mit den Bedingungen, unter denen sie zustande kommen:
Ich kann aus (b) nicht erkennen, dass man man überhaupt etwas über die zeitgenössische Rezeption schließen kann. Das gibt gibt die HK nicht her.


closs hat geschrieben:(a) FALLS man unmittelbare textliche und historische Erkenntnisse zum Maßstab macht und eine Fehl-Rezeption des Schreibers ausschließt, hatte Jesus eine eigene äußere Naherwartung. - Dies ist aus meiner Sicht ein sauberer wissenschaftlicher Satz.
(b) FALLS man die das die Bibel durchziehenden Motive des "inneren Gottesreichs" (seit Salomo) und des "Der Mensch versteht Gott nicht" berücksichtigt, hatte Jesus keine äußere Naherwartung des Gottes-Reiches, sondern ein inneres Wissen desselben. - Auch das wäre wissenschaftlich sauber formuliert.
Nun bin ich etwas verwirrt.
Hatte Jesus demzufolge sowohl eineiInnere als auch eine äußere Naherwartung?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#279 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Halman » So 19. Jul 2015, 19:06

Queequeg hat geschrieben:Oder anders gesagt: Meister Eckhart war/ist ein Christ, Adolf Hitler war/ist es auch, wobei hier dann wieder das Aschenbrödel-Prinzip christlicher "Auswahlkriterien" in Kraft treten dürfte.
Dieses irrige Behauptung wird immer wieder vorgetragen. Durch wiederholen wird dieser Unsinn nicht richtiger. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen. Einfach mal nachdenken.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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#280 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von sven23 » So 19. Jul 2015, 19:13

Halman hat geschrieben:
Queequeg hat geschrieben:Oder anders gesagt: Meister Eckhart war/ist ein Christ, Adolf Hitler war/ist es auch, wobei hier dann wieder das Aschenbrödel-Prinzip christlicher "Auswahlkriterien" in Kraft treten dürfte.
Dieses irrige Behauptung wird immer wieder vorgetragen. Durch wiederholen wird dieser Unsinn nicht richtiger. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen. Einfach mal nachdenken.
Ich glaube auch, daß Hitler die christliche Religion für seine Zwecke instrumentalisierte. Richtig ist aber auch, daß er anfangs in großen Teilen der Kirchen Zustimmung erfuhr und die christliche Religion der letzten 2000 Jahre die Klaviatur lieferte, auf der Hitler den Antisemitismus spielen konnte.
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