Von einer Jungfrau geboren?

closs
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#231 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von closs » Fr 15. Jan 2016, 11:59

Münek hat geschrieben: Ich habe ihn diesbezüglich schon mehrfach darum gebeten, konkret zu werden.
Du musst aber auch VERSTEHEN, wenn es konkret wird.

Münek hat geschrieben:Nur meine ich, Götter wurden mehr erfunden als gefunden
Das ist Teil der Heilsgeschichte: Dass zunächst eher intuitive Vorstellungen von etwas Transzendentem, was man spürt, immer konkreter und konsistenter werden, und somit die Wahrscheinlichkeit immer mehr wächst, dass man auf dem richtigen Weg ist ("Hermeneutischer Zirkel").

Münek hat geschrieben:Du ordnest etwas "Nichtbeweisbarem" (Gott) bestimmte Eigenschaften zu, die Du aus rein subjektiven Gründen für unabdingbar hälst und die angeblich "den Unterschied machen."
"Subjektiv" ist ALLLLLLES beim Menschen. - Die Frage ist, ob diese Subjektivität authentisch ist zu einem objektiven Sein/einer objektiven Entität/"Realität" - genau dies ist in geistigen Dingen nicht nachweisbar, selbst wenn man immer mehr philosophische Hinweise dazu hat.

Münek hat geschrieben:Das ist "Anthropozentrik" par exellence.
ALLES ist anthropozentrisch - deshalb muss man mit seiner anthropozentrischen Wahrnehmung versuchen, raus zu kommen, indem man sich selber in den Hintergrund stellt. - Genau das ist gemeint, was in der Bibel mit "Dein Wille geschehe" chiffriert ist.

Die erkannte Anthropozentrik kann also nur überwunden werden, wenn man sie als solche erkennt und die eigene Wahrnehmung NICHT maßstäblich nimmt. - Heidegger bringt einen Satz, der (woran auch immer Heidegger gedacht hat, als er ihn geschrieben hat) dies wunderbar erklärt:
„Solange das Dasein als Seiendes ‚ist‘, hat es seine ‚Gänze‘ nie erreicht. Gewinnt es sie aber, dann wird der Gewinn zum Verlust des In-der-Welt-Seins schlechthin. Als Seiendes wird es dann nie mehr erfahrbar.“

Man kann dies "vertikal" (also geistig statt existenzialistisch) interpretieren als: Solange der Mensch im Dasein ist, bleibt ihm nichts anderes übrig als anthropozentrisch zu sein. - "Gänze" geht nur dann, wenn er das Dasein verlässt (was naheliegenderweise der Tod ist).

Dies entspricht sehr genau dem, was die christliche Theologie unter "Weltbindung" versteht, die aufgehoben (Hegel!) werden muss, um un-anthropozentrisch Erkenntnis zu bekommen ("Visio Beatifica"). - Das ist gemeint mit dem, was Paulus in 1.Kor. 13, 12 sagt:
"Denn wir sehen jetzt mittels eines Spiegels wie im Rätsel, dann aber von Angesicht zu Angesicht; jetzt erkenne ich stückweise, dann aber werde ich erkennen, gleichwie ich erkannt bin".

Nein - Hegel und Heidegger hatten KEIN Interesse daran, "Visio Beatifica" und 1.Kor. 13,12 zu erklären. - Aber sie sind beide universal-denkende Philosophen, deren Lehren deshalb universal anwendbar sind.

Ist Dir das wieder nicht konkret? :|

closs
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#232 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von closs » Fr 15. Jan 2016, 12:02

sven23 hat geschrieben:Nee, das war die ursprüngliche Intention, nämlich Diskussion und Nachdenken ein für allemal zu beenden. Wer sich seiner Sache sicher ist, benötigt keinen Dogmenapparat.
Umgekehrt: Weil man sich seiner Sache sicher ist, gießt man es in einen Lehrsatz ("Dogma").

sven23 hat geschrieben:Was alles sein könnte wird doch im Reich der Fantasy, Science-Fiktion, Mythen, Sagen und Legenden bearbeitet.
Moment: Phantasie ist vornehmlich zuständig für das, was nicht "ist", aber vielleicht schön wäre. - Darüber hinaus decken Mythen, etc. das ab, was "sein" kann, selbst wenn es nicht bewiesen ist. - "Sein" heisst "Realität".

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#233 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von Pluto » Fr 15. Jan 2016, 12:09

closs hat geschrieben:Wie erklärst Du Dir, dass er um das Jahr 1797 an seinen Freund Christian Garve sinngemäß geschrieben hat, er habe die Vernunft an ihr Ende gebracht, um Platz für den Glauben zu haben?
Diese Aussage ist bekannt, und wird oft von Gläubigen aus seinem Kontext gerissen und zitiert, um zu suggerieren, dass Kant ein gläubiger Mensch war. Hinzu kommt, dass er in einem pietistischen Umfeld in Königsberg aufwuchs.

Sieht man sich aber den Kontext genauer an, erkennt man, dass dass Kant NICHT wie oft angenommen, den Glauben an Gott meinte, sondern den Glauben an Vorstellungen.

closs hat geschrieben:Kant wird nicht umsonst nicht nur der Höhepunkt, sondern auch der Überwinder der Aufklärung genannt - die Romantik ist nicht umsonst in dieser Zeit entstanden.
Kants Beitrag zum Humanismus ist unumstritten, aber ob das was mit Romantik zu tun hatte, bezweifle ich.
Romantik geht Hand in Hand mit Patriotismus.

closs hat geschrieben:Mein EIndruck ist manchmal wirklich, dass geglaubt wird, Gott und Teufel stünden in einem Verhältnis wie in "Star Wars", bei der nicht sicher ist, ob "die Guten" oder Darth Vader" gewinnt. - Vollkommen abwegig. - WÄRE es so, gäbe es Gott nicht.
So wird es aber den Menschen immer wieder eingetrichtert. Man beschwört Bilder von Gut und Böse, Himmel und Hölle (vgl. Dante) auf, um zu die Gegensätze zwischen Gott und Satan zu verdeutlichen.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Die Ontologie bestimmt lediglich, was ist und was nicht ist.
Und "Sein kann".
Wie kommst du bloß darauf? Was "sein kann" ist nichts weiter als menschliche Fantasie.
Erst mit Hilfe der Empirie lässt sich endgültig unterscheiden, zwischen dem was ist und was nicht ist.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#234 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von Münek » Fr 15. Jan 2016, 12:29

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Deine Prämisse "Gott" ist da von ganz anderem, nämlich Glaubens- Kaliber.
Unter Glaubens-Gesichtspunkten ist es dasselbe Kaliber. - Der eigentliche Unterschied ist, dass "die Welt" methodisch per Wahrnehmung objektivierbar ist und Gott nicht.

Deshalb sind sie ja gerade NICHT vom gleichen Kaliber.

Da gibt es nichts zurechtzubiegen und schönzureden.

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#235 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von closs » Fr 15. Jan 2016, 13:13

SilverBullet hat geschrieben:Auszug-Zitat
Schönes Zitat.
SilverBullet hat geschrieben:OK, jetzt bin ich nicht mehr beruhigt
:lol:

SilverBullet hat geschrieben:es war seine Designabsicht.
Nein - es war NICHT sein Ausgangspunkt - es war sein Ergebnis.

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#236 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von Münek » Fr 15. Jan 2016, 13:14

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Du ordnest etwas "Nichtbeweisbarem" (Gott) bestimmte Eigenschaften zu, die Du aus rein subjektiven Gründen für unabdingbar hälst und die angeblich "den Unterschied machen."
"Subjektiv" ist ALLLLLLES beim Menschen. - Die Frage ist, ob diese Subjektivität authentisch ist zu einem objektiven Sein/einer objektiven Entität/"Realität" - genau dies ist in geistigen Dingen nicht nachweisbar, selbst wenn man immer mehr philosophische Hinweise dazu hat.

Feuerbach lässt wieder mal ganz herzlich grüßen. :thumbup:

Ich sehe hier nur Wunsch und Willkür. Weist man Dich darauf hin, folgen nur Floskeln wie "Kann man nicht ausschließen", "Es könnte ja sein", "Geistige Dinge sind nicht nachweisbar", "Transzendenzfähigkeit" und ähnliches.

Nun: Nichts kann man ausschließen, alles könnte sein, Fantasiegebilde sind nie nachweisbar. Also: triviale Allgemeinplätze, leeres Wortgeklingel, hohle Phrasen, sinnfreie Floskeln, nichts Substanzielles.

Wie kommst Du z.B. dazu, den "Schöpfer des Universums"
mit der Eigenschaft "väterlicher Liebe" auszustatten? :o

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#237 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von closs » Fr 15. Jan 2016, 13:26

Pluto hat geschrieben:Diese Aussage ist bekannt, und wird oft von Gläubigen aus seinem Kontext gerissen, zitiert, um zu suggerieren, dass Kant ein gläubiger Mensch war.
"Gläubig" im christlichen Sinne war er meiner Auffassung nach NICHT. - Aber er hat analytisch erkannt, dass die menschliche (!) Vernunft ihre Grenzen hat, was automatisch etwas übrig lässt, was mit menschlicher Vernunft nicht fassbar ist. - An diese über-menschliche Vernunft kannt man deshalb nur glauben, auch wenn man sie nicht kennt. - Den Anspruch, sie in Formen von metaphysischen oder religiösen Konstrukten dann doch können zu wollen, hat Kant abgelehnt.

Pluto hat geschrieben:Kants Beitrag zum Humanismus ist unumstritten, aber ob das was mit Romantik zu tun hatte, bezweifle ich.
An "Humanismus" habe ich gar nicht gedacht - der Kategorische Imperativ ist ein Begriff INNERHALB der Ausklärung - das sprengt die Aufklärung nicht.

"Romantik" soll hier dafür stehen, dass die Welt eher von Tyche als von Nemesis geprägt ist, oder dass "der gute Drang", der nach Goethe "sich des rechten Weges wohl bewusst" ist, genauso den falschen Weg bestreiten kann (siehe Ödipus oder Schillers "Demetrius"), dass das neugierige Öffnen der Büchse der Pandora mehr Unheil als Heil bringen kann.

Wenn man so will: Dass das, was der Mensch als "Erkenntnis" missinterpretieren kann, statt zu Ordnung zu führen zu Chaos führt. Das wäre dem klassischen Schiller der früheren Erziehungs-Schriften oder dem Goethe in seiner klassischen Zeit nie in den Sinn gekommen - sie wären erschrocken gewesen (wobei Goethe hier andererseits recht früh weitsichtig war, während SChiller in seinem Pathos leidenschaftlich undistanziert sein konnte). - Aber das führt jetzt wahrscheinlich zu tief.

Pluto hat geschrieben:Man beschwört Bilder von Gut und Böse, Himmel und Hölle (vgl. Dante) auf, um zu die Gegensätze zwischen Gott und Satan zu verdeutlichen.
Das wiederum ist ja korrekt. - Es GIBT diesen Widerspruch aus Wahrnehmungs-Sicht - für den Menschen erscheinen Gott und Satan als Pärchen.

Pluto hat geschrieben: Was "sein kann" ist nichts weiter als menschliche Fantasie.
Es ist aus Sicht der Wahrnehmung nicht objektiv gestützt - schon richtig. - Aber das, was "fantasiert" wird, "ist" doch Realität, WENN es zutreffend ist - oder nicht?

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#238 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von closs » Fr 15. Jan 2016, 13:32

Münek hat geschrieben:Deshalb sind sie ja gerade NICHT vom gleichen Kaliber.
Ontologisch sind sie vom selben Kaliber, aus Perspektive unserer Wahrnehmung sind sie unterschiedliche Kaliber.

Münek hat geschrieben:Wie kommst Du z.B. dazu, den "Schöpfer des Universums" mit der Eigenschaft "väterlicher Liebe" auszustatten?
Erstmal ist "väterliche Liebe" eine Chiffre für "Liebe" ("Vater" deshalb, weil die weltliche Vater-Figur am besten mit dem korreliert, was man "Schöpfer" ("Zeugung") nennt.

Was wäre dann "Liebe"? - "Liebe" steht hier für das Bewusstsein Gottes, mit seiner Schöpfung untrennbar verbunden zu sein. - Wenn Jyhwe irgendwo sagt "Ich verlasse Dich nicht", dann ist dies gleichbedeutend mit "Du kriegst mich nicht los" und "Ich Dich auch nicht".

Münek hat geschrieben:Feuerbach lässt wieder mal ganz herzlich grüßen.
Vollkommen daneben. - Du scheinst die Substanz dessen, was ich sage, nicht annähernd zu verstehen. - Dies nennst Du dann "Floskeln" und "leeres Wortgeklingel". Da solltest Du etwas selbstkritischer werden.

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#239 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von Pluto » Fr 15. Jan 2016, 13:40

closs hat geschrieben:An diese über-menschliche Vernunft kannt man deshalb nur glauben, auch wenn man sie nicht kennt.
Ja, aber das können auch unerfüllte Sehnsüchte sein. Z.B. war ich in noch nie in Afrika, südlich der Sahara. Und ich hätte so gerne die Tiere in der Wildnis beobachtet.

closs hat geschrieben:"Romantik" soll hier dafür stehen, dass die Welt eher von Tyche als von Nemesis geprägt ist, oder dass "der gute Drang", der nach Goethe "sich des rechten Weges wohl bewusst" ist, genauso den falschen Weg bestreiten kann (siehe Ödipus oder Schillers "Demetrius"), dass das neugierige Öffnen der Büchse der Pandora mehr Unheil als Heil bringen kann.
Darüber haben wir schon oft debattiert.
Die Romantik ist für mich die Sehnsucht nach der alten Ordnung. Aus ihr ging der Patriotismus des 19. Jahrhundert hervor.

closs hat geschrieben:Wenn man so will: Dass das, was der Mensch als "Erkenntnis" missinterpretieren kann, statt zu Ordnung zu führen zu Chaos führt.
Ja. Wie Romantik und Patriotismus schief gehen können, haben wir im 1. WK gesehen. 16 Millionen Tote Soldaten.

closs hat geschrieben:Aber das, was "fantasiert" wird, "ist" doch Realität, WENN es zutreffend ist - oder nicht?
Nee. Realität ist es erst, wenn es empirisch bestätigt wird. Der Rest ist Wunschdenken.
Die Stärke der Wissenschaft ist es, eine Methodik zu liefern, mit der man die Spreu (Vorstellung) vom Weizen (Realität) trennen kann.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#240 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von closs » Fr 15. Jan 2016, 14:06

Pluto hat geschrieben:Ja, aber das können auch unerfüllte Sehnsüchte sein.
Richtig. - Es können sogar unerfüll-bare Sehnsüchte sein - also Dinge, die ausschließlich Produkt der eigenen Vorstellung sind. - Vom "Gefühl" her ist dies schwer bis nicht zu unterscheiden von Sehnsüchten nach etwas, was tatsächlich eine Entität "ist", also "real" ist.

Hält man Gott für "unerfüllbar", sprechen wir vom Feuerbach-Ansatz - hält man Gott für "erfüllbar", sprechen wir vom christlichen Ansatz. - Die Frage, wer von beidem recht hat, kann keine Philosophie der Welt falsifizieren. - Aber beides gibt es: Das unerfüllbar Unbekannte und das erfüllbar Unbekannte.

Pluto hat geschrieben:Die Romantik ist für mich die Sehnsucht nach der alten Ordnung. Aus ihr ging der Patriotismus des 19. Jahrhundert hervor.
Das ist EIN Strang davon, hat aber mit der philosophischen Romantik wenig zu tun - in der philosophischen Romantik geht es eigentlich ums Gegenteil: Die Pulverisierung jeglicher traditioneller philosophischer Ordnung. - Hier liegen bspw. die Wurzeln des atheistische Existenzialismus wie des Materialismus überhaupt.

Pluto hat geschrieben:. Realität ist es erst, wenn es empirisch bestätigt wird.
Das zeigt wieder mal unseren Dissenz.

Meine Haltung ist: Wenn "Dunkle Materie" "IST", ist sie es nicht erst seit dem Zeitpunkt, an dem sie empirisch bestätigt wird. - Die Schwerkraft "ist" nicht erst seit dem Zeitpunkt, an dem sie physikalisch beschrieben wurde. - Wenn Gott "ist", ist er erst nicht, seitdem wir es erkennen.

Das weisst Du genauso wie ich - deshalb meinst Du etwas anderes, als Du schreibst - Du meinst:
"Realität kann wahrnehmungs-mäßig erst dann als solche anerkannt werden, wenn sie empirisch nachgewiesen wurde". - Das ist etwas ganz anderes und klingt schon ganz anders.

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