Descartes und Glaube

Novas
Beiträge: 7986
Registriert: Mi 20. Jun 2018, 21:23

#221 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von Novas » Sa 30. Apr 2016, 16:27

Pluto hat geschrieben:
Novalis hat geschrieben:Nicht Gott hat den Holocaust verübt, sondern die für ihre Handlungen und Gedanken verantwortlichen Menschen.
Das stimmt. Aber warum hat Gott weggeschaut?

Der Mensch ist ein freies und verantwortliches Wesen. Wäre es Dir lieber, Du wärest eine Maschine, die dafür aber moralisch perfekt ist? Die richtige Frage ist „Warum hat der Mensch den Holocaust zugelassen, gewollt oder einfach weggeschaut?“ - der Mensch hat den Holocaust verursacht durch Handlungen der Ungerechtigkeit und Apathie. Von uns hängt es ab ob sich soetwas wiederholt oder nie wieder. Der Mensch kann es verhindern durch Handlungen der Gerechtigkeit und Empathie.

Doch das funktioniert nur, wenn das auf der individuellen und kollektiven Ebene beherzigt wird.

Hier wären wir wieder beim Thema, denn das ist die genaue Bedeutung von „Glaube“. Wahre Theodizee ( → göttliche Gerechtigkeit) wird herrschen, wenn der Mensch, individuell und kollektiv, im Einklang mit den göttlichen Prinzipien der Gerechtigkeit und Liebe lebt, wie sie die spirituellen Lehren jeder wahren Religion lehren.

Die Frage ist doch: warum beachtet der Mensch das nicht? ;)

Benutzeravatar
Münek
Beiträge: 13072
Registriert: Di 7. Mai 2013, 21:36
Wohnort: Duisburg

#222 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von Münek » Sa 30. Apr 2016, 18:14

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: Das ist auch der Grund, warum ich den Begriff "Erbschuld" ablehne, den die Kirche den Menschen auferlegen will.
Das hat doch primär nichts mit den Kirchen zu tun - sie haben es doch nicht erfunden.
Was erzählst Du da? Lt. Wiki ist die von Augustinus von Hippo formulierte "Lehre von der Erbsünde" zentral für das westliche Christentum.

Das Judentum und der Islam kennen keine Erbsünde.

Benutzeravatar
sven23
Beiträge: 23476
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 15:55

#223 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von sven23 » Sa 30. Apr 2016, 19:15

Münek hat geschrieben:
closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: Das ist auch der Grund, warum ich den Begriff "Erbschuld" ablehne, den die Kirche den Menschen auferlegen will.
Das hat doch primär nichts mit den Kirchen zu tun - sie haben es doch nicht erfunden.
Was erzählst Du da? Lt. Wiki ist die von Augustinus von Hippo formulierte "Lehre von der Erbsünde" zentral für das westliche Christentum.

Das Judentum und der Islam kennen keine Erbsünde.

Wer hats erfunden? Wahrscheinlich mal wieder die Schweitzer. :lol:

"Die Sünden- und Erbsündenlehre hat einem oft eher optimistischen Menschenbild in der Antike den
Garaus gemacht und den Menschen in eine babylonische Gefangenschaft der Kirche gezwungen.
Schon beim Kirchenvater Tertullian findet sich um 200 eine Erbsündenlehre, aber ausgebaut und
wirkmächtig wurde sie erst durch Augustinus. Der Wahnsinn wurde bei ihm Methode, oder wie es
der Theologe Pöhlmann freundlicher formuliert: „Augustinus erfasst wie kein Theologe der Alten
Kirche die Tiefendimension der Sünde.“
Augustinus vertrat vor allem gegen die Pelagianer, die dem Menschen eine Mitwirkung am Heil und
die Anrechnung guter Werke durchaus zugestehenwollten, seine dunkle Sündenlehre. Sie entfaltete,
auch wenn sie im Mittelalter nur abgeschwächt vertreten wurde, eine enorme Fernwirkung. Die Erbsünde
war auch für die Reformatoren eine „so tiefe Verderbung menschlicher Natur, dass nichts Gesundes oder
Unverderbtes an Leib und Seele des Menschen, seinen innerlichen und äußerlichen Kräften geblieben“ ist.

Der HeidelbergerKatechismus sieht den Menschen als „von Natur geneigt, Gott und (s)einen Nächsten
zu hassen“ (Frage 5), die verderbte Natur komme „aus dem Fall und Ungehorsam unserer ersten Eltern“."

Kubitza, Der Dogmenwahn.

Da kann man nur mit dem Kopp schütteln.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#224 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von closs » Sa 30. Apr 2016, 20:40

Münek hat geschrieben:Was erzählst Du da? Lt. Wiki ist die von Augustinus von Hippo formulierte "Lehre von der Erbsünde" zentral für das westliche Christentum.
NAtürlich wird irgendwann irgendwo von irgendjemandem eine Bezeichnung für etwas gefunden. - Meine Aussage zielt dahin, dass etwas ontologisch/philosophisch/theologisch sehr Konkretes dahinter steckt. Das gilt für Begriffe wie "Trinität" auch.

Solche Geistes-Entwürfe können sehr wohl optimiert werden - vielleicht hat man ja irgendeinen Aspekt übersehen. - Aber die Substanz, auf der solche Entwürfe stehen, ist doch ohnehin da. - Man "erfindert" so etwas doch nicht aus dem leeren Raum heraus.

Meinst Du ernsthaft, da würden sich Leute hinsetzen, um etwas zu erfinden, was nicht universal geistig empfunden wird? Judentum und Islam haben die Erbsünde nicht - aber echt gute Imame und Rabbis wissen sehr wohl um die Substanz des dahinter stehenden Gedankens - sie betonen halt ihre Religionen anders.

sven23 hat geschrieben:Da kann man nur mit dem Kopp schütteln.
Tue ich auch oft genug. - Die kirchliche Theologie ist einen Weg gegangen, der übersät ist mit Steinen des Irrtums. - Gleichzeitig hat sie eine durch und durch tiefe Fundamental-Theologie - beim Hobeln gibt's halt Späne. - Unsere Zeit beurteilt gerne aus der sicheren Höhle der geistigen Ignoranz heraus.

Aus meiner Sicht wird sich die Theologie in Richtung "Allversöhnung" entwickeln müssen - weil sie aus meiner Sicht die einzig widerspruchsfreie Möglichkeit ist. - Aber das ist eine Privatmeinung - die Zeit wird das Ihrige dazu tun.

Benutzeravatar
Münek
Beiträge: 13072
Registriert: Di 7. Mai 2013, 21:36
Wohnort: Duisburg

#225 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von Münek » So 1. Mai 2016, 00:23

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Was erzählst Du da? Lt. Wiki ist die von Augustinus von Hippo formulierte "Lehre von der Erbsünde" zentral für das westliche Christentum.
NAtürlich wird irgendwann irgendwo von irgendjemandem eine Bezeichnung für etwas gefunden. - Meine Aussage zielt dahin, dass etwas ontologisch/philosophisch/theologisch sehr Konkretes dahinter steckt.
Jetzt eiere mal nicht "ontologisch /philosophisch/theologisch" rum. Du hast unrichtigerweise behauptet, die Kirche habe mit dem Begriff "Erbsünde" primär nichts zu tun - sie hätte sie nicht erfunden. Das ist unzutreffend und das wollte ich nur richtigstellen.

Benutzeravatar
Münek
Beiträge: 13072
Registriert: Di 7. Mai 2013, 21:36
Wohnort: Duisburg

#226 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von Münek » So 1. Mai 2016, 00:49

closs hat geschrieben:Solche Geistes-Entwürfe können sehr wohl optimiert werden - vielleicht hat man ja irgendeinen Aspekt übersehen. - Aber die Substanz, auf der solche Entwürfe stehen, ist doch ohnehin da. - Man "erfindert" so etwas doch nicht aus dem leeren Raum heraus.
Nee - aus dem leeren Raum nicht. Dem Augustinus standen immerhin die alttestamentliche Paradieslegende sowie Pauli verquere Sünden-Vorstellungen zur Verfügung. Von SUBSTANZ kann da natürlich keine Rede sein.

closs hat geschrieben:Meinst Du ernsthaft, da würden sich Leute hinsetzen, um etwas zu erfinden, was nicht universal geistig empfunden wird? Judentum und Islam haben die Erbsünde nicht - aber echt gute Imame und Rabbis wissen sehr wohl um die Substanz des dahinter stehenden Gedankens - sie betonen halt ihre Religionen anders.
Fakt ist, dass es für "echt gute Imame und Rabbis" die von Christen erfundene "Erbsünde" schlicht nicht gibt. Eine solch absurd-abartige Erfindung findet in der Genesis nämlich nicht den geringsten Anhalt.
Zuletzt geändert von Münek am So 1. Mai 2016, 01:08, insgesamt 1-mal geändert.

Benutzeravatar
Münek
Beiträge: 13072
Registriert: Di 7. Mai 2013, 21:36
Wohnort: Duisburg

#227 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von Münek » So 1. Mai 2016, 01:04

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Da kann man nur mit dem Kopp schütteln.
Tue ich auch oft genug. - Die kirchliche Theologie ist einen Weg gegangen, der übersät ist mit Steinen des Irrtums. - Gleichzeitig hat sie eine durch und durch tiefe Fundamental-Theologie.
Das erscheint Dir nur so, weil Du entsprechend gepolt bzw. eingenordet bist. Würdest Du für einen Moment Deine Glaubensbrille abnehmen und die "tiefe Fundamental-Theologie" mal wirklich nüchtern in Augenschein nehmen, würde Dir mit Sicherheit vieles
sehr viel klarer erscheinen.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#228 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von closs » So 1. Mai 2016, 01:28

Münek hat geschrieben: Du hast unrichtigerweise behauptet, die Kirche habe mit dem Begriff "Erbsünde" primär nichts zu tun
Sie benennt etwas, was biblisch drin steckt - man hätte es auch anders oder gar nicht nennen können. - Die Sache selbst steckt in der Genesis drin - reine Sprachsache - da ist etwas und man thematisiert es oder halt nicht. - Normaler Fall.

Münek hat geschrieben:Eine solch absurd-abartige Erfindung findet in der Genesis nämlich nicht den geringsten Anhalt.
NAtürlich tut es das.

Münek hat geschrieben:Fakt ist, dass es für "echt gute Imame und Rabbis" die von Christen erfundene "Erbsünde" schlicht nicht gibt.
Sie können es aber geistig nachvollziehen und verstehen es, selbst sie es nicht betonen.

Münek hat geschrieben:Würdest Du für einen Moment Deine Glaubensbrille abnehmen und die "tiefe Fundamental-Theologie" mal wirklich nüchtern in Augenschein nehmen, würde Dir mit Sicherheit vieles sehr viel klarer erscheinen.
Da irrst Du Dich kolossal. - So etwas versteht man oder versteht es nicht - völlig unabhängig davon, ob man es glaubt oder nicht.

Das ist doch die Tragik der Moderne: Sie kritisiert oder ersetzt gar etwas, was sie philosophisch/geistig nicht stemmen kann.

Benutzeravatar
sven23
Beiträge: 23476
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 15:55

#229 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von sven23 » So 1. Mai 2016, 07:09

Novalis hat geschrieben: Das braucht aber „Glaube“ oder „Hoffnung“, sonst steht niemand auf und riskiert etwas. Es gibt auch Atheisten, die das erkannt haben, beispielsweise Ernst Bloch stellte das „Prinzip Hoffnung“ in den Mittelpunkt all seines Denkens.
Er sagte auch:

Das Beste was das Christentum hervorgebracht hat sind seine Ketzer.
(Ernst Bloch, dt. Philosoph, 1885-1977)
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

Benutzeravatar
sven23
Beiträge: 23476
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 15:55

#230 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von sven23 » So 1. Mai 2016, 07:18

closs hat geschrieben: Die kirchliche Theologie ist einen Weg gegangen, der übersät ist mit Steinen des Irrtums. - Gleichzeitig hat sie eine durch und durch tiefe Fundamental-Theologie.
Was an dem durch und durch verkorksten Erbsünden-Fetischismus zu erkennen ist. :roll:

"Der Glaube an die Erbsünde hat die wahre Erbsünde geschaffen. Das Christentum predigte so lange die Bösheit der menschlichen Natur, bis diese wirklich böse wurde."
(Richard Graf von Coudenhove-Kalergi, österr. Politiker u. Publizist, 1894-1972)

Das Menschenbild des christlichen Mittelalters fällt weit hinter das eher positive Menschenbil der Antike zurück. Ein fataler Rückschritt.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

Antworten