Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

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sven23
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#211 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von sven23 » Fr 17. Jul 2015, 09:43

closs hat geschrieben:Du bist 50 - 100 Jahre zu spät. - Allerdings werden diese publizierten Ergebnisse nicht theologisch für wichtig angesehen.
Nein, Conzelmanns Aussage ist aktueller denn je. Die Ergebnisse werden dem breiten Publikum weder vorgestellt noch dikutiert. Man deckt den Mantel des Schweigens darüber, ähnlich wie bei Mißbrauchsfällen. Bloß keine schlafenden Hunde wecken.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Laut Definition im Duden versteht man unter "Hilfswissenschaft" eine Wissenschaft, die (hauptsächlich) Methoden und Kenntnis-
se für eine andere Wissenschaft bereitstellt.
Exakt so habe ich es gemeint - und so wird es auch weitgehend gehandhabt.
Und welcher anderen Wissenschaft soll sie dienen?
Zuletzt geändert von sven23 am Fr 17. Jul 2015, 09:48, insgesamt 1-mal geändert.
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sven23
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#212 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von sven23 » Fr 17. Jul 2015, 09:47

Queequeg hat geschrieben: Die HKM, von den Kirchen/Konfessionen mehr oder weniger verfemt und offen angefeindet, von den Wissenschaftlern belächelt, denn die letzte Konsequenz bleibt aus, will besagen - jeder Theologe, der sich gewissentlich und grundehrlich mit der HKM auseinanersetzt, müsste daraus als Atheist hervorgehen.
Und wie man an dem prominenten Beispiel Gerd Lüdemann sehen kann, passiert das auch.
Dagegen gutiert ein Herr Lindemann zwar die Ergebnisse der HKM, sagt aber gleichzeitig, daß es egal ist, ob Jesus der Sohn Gottes sei oder nicht.
Man muß sich wohl damit abfinden, daß die Glaubenswelt aus Widersprüchen und Irrationalitäten besteht.
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Pluto
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#213 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Pluto » Fr 17. Jul 2015, 10:03

closs hat geschrieben:Seine Frage war: "Wird da immer noch diskutiert - das ist doch längst gegessen".
Gegessen...?
Naja. Kann es sein, dass dein Theologe-Freund von seinen eigenen Dogmen überzeugt ist?

Wie genau soll man die Fakten die mit der HMK gewonnen werden, auslegen, und warum?


closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Ideologie macht die Menschen oft blind für Fakten.
Dieser Satz fällt hier oft und wird von beiden Seiten für die Gegenseite verwendet.
Das wäre mir neu.
Was hat denn die Spiritualität für falsifizierbare Fakten anzubieten?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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Queequeg
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#214 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Queequeg » Fr 17. Jul 2015, 10:08

sven23 hat geschrieben:
Queequeg hat geschrieben: Die HKM, von den Kirchen/Konfessionen mehr oder weniger verfemt und offen angefeindet, von den Wissenschaftlern belächelt, denn die letzte Konsequenz bleibt aus, will besagen - jeder Theologe, der sich gewissentlich und grundehrlich mit der HKM auseinanersetzt, müsste daraus als Atheist hervorgehen.
...
Man muß sich wohl damit abfinden, daß die Glaubenswelt aus Widersprüchen und Irrationalitäten besteht.

Muss die Welt des Glaubens nicht zwangsläufig eine Welt der Affektivitäten, des Irrationalismus, der tiefen Widersprüche, der unvereinbaren Gegensätze und letztendlich der seltsamsten Antinomien sein?

Jedenfalls für den "Außenstehenden", und wer Außenstehender ist, das bestimmt der jeweils seiner "Phänotypistik" unterworfene Edelchrist, hier dann Kraft seiner höchstpersönlichen Phantasmagorien, die er selbst natürlich immer - den wahren Glauben nennt.

Oder anders gesagt: Meister Eckhart war/ist ein Christ, Adolf Hitler war/ist es auch, wobei hier dann wieder das Aschenbrödel-Prinzip christlicher "Auswahlkriterien" in Kraft treten dürfte.

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Münek
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#215 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Münek » Fr 17. Jul 2015, 10:12

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Deshalb finde ich, sollte man die HKM nicht so abwerten wie du es tust.
Ich möchte die HKM nicht abwerten, sondern sie von ihr schadenden Missverständnissen befreien.

Über Deinen "Befreiungsversuch" würden die Theologen an den Fakultäten, wenn sie davon Kenntnis hätten, nur müde lächeln. :)

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Münek
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#216 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Münek » Fr 17. Jul 2015, 10:15

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Laut Definition im Duden versteht man unter "Hilfswissenschaft" eine Wissenschaft, die (hauptsächlich) Methoden und Kenntnis-
se für eine andere Wissenschaft bereitstellt.
Exakt so habe ich es gemeint - und so wird es auch weitgehend gehandhabt.

Lies Dir die Definition noch einmal durch - vielleicht fällt dann der Groschen.

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#217 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von closs » Fr 17. Jul 2015, 10:36

sven23 hat geschrieben: Die Ergebnisse werden dem breiten Publikum weder vorgestellt noch dikutiert.
Wieso "dem breiten Publikum"? Seit wann stellt man universitäre Forschungs-Ergebnisse einem breiten Publikum vor? - Meine Aussage war, dass diese Ergebnisse innerhalb der unterschiedlichen theologischen Disziplinen und bei den Theologen verarbeitet sind.

sven23 hat geschrieben:Und welcher anderen Wissenschaft soll sie dienen?
Der Theologie - wobei wir uns hoffentlich einig sind, dass eine philologische Wissenschaft methodisch anders funktioniert als Naturwissenschaft.

Pluto hat geschrieben:Was hat denn die Spiritualität für falsifizierbare Fakten anzubieten?
Nur auf logischer Ebene - empirisch nicht.

Pluto hat geschrieben:Das wäre mir neu.
Wollen wir differenziert denken: Keiner behauptet, dass Wissenschaft ideologisch ist (das ist sie gerade NICHT), sondern dass wissenschaftliche Ergebnisse ideologisch instrumentalisiert werden.

Pluto hat geschrieben:Wie genau soll man die Fakten, die mit der HMK gewonnen werden, auslegen, und warum?
Erstens sollte man zwischen Fakten und Interpretationen unterscheiden - und damit wäre eigentlich die Antwort schon gegeben.

Um es praktisch (anhand des lang diskutierten Parusie-Motivs) darzulegen:

Fakt kann z.B. sein,
* dass der Text x nach 80 n.Chr, aber vor 120 n.Chr entstanden ist,
* dass der Schreiber Worte verwendet, die meinetwegen nur in Klainasien verwendet wurden,
* dass es im 1. Jh. n.Chr. eine große Naherwartungs-Bewegung gab,
* dass der Schreiber diese Bewegung auf Jesus zurückführt,
* dass der Schreiber selbst dieser Bewegung angehört (oder nicht angehört)
* etc.
Das sind wissenschaftliche Ergebnisse auf dem ehrenwerten Feld der HKM.

Weltanschauliche SChlussfolgerungen aus diesen Fakten können sein,
* dass diese wissenschaftlichen Ergebnisse falsch seien, weil gemäß der Schrift die Evangelisten die Evangelien selbst verfasst hätten (Ideologie),
* dass (von der anderen Seite) Jesus selbst eine Naherwartung hatte, weil die Schreiber es meinen (Ideologie oder wissenschaftliche Disziplinlosigkeit).

Unsere langen Diskussionen wären mit einem Schlag einvernehmlich beendet, wenn wir es schaffen würden, neutrale und TATSÄCHLICH ergebnisoffene wissenschaftliche Beobachtungen kategorial trennen könnten von weltanschaulichen Schlussfolgerungen daraus.

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#218 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von closs » Fr 17. Jul 2015, 10:42

Münek hat geschrieben:Über Deinen "Befreiungsversuch" würden die Theologen an den Fakultäten, wenn sie davon Kenntnis hätten, nur müde lächeln.
"Theologie" ist die Lehre von Gott - HKMler sind streng genommen Historiker oder Textkritiker, die nicht deshalb zu Theologen werden, weil die von ihnen behandelten Texte zufällig theologischen Hintergrund haben. - Wenn jemand Texte zum Abwassersystem im alten Rom textkritisch bearbeiten, sind es deshalb keine Klemptner.

Natürlich ist es praktisch, wenn an theologischen Schriften arbeitende historisch-kritische Methodiker auch Theologen sind - man versteht da einfach mehr, um was es geht. - Aber streng genommen sind es zwei vollkommen unterschiedliche Wissenschaftszweige.

Münek hat geschrieben:Lies Dir die Definition noch einmal durch - vielleicht fällt dann der Groschen.
"Laut Definition im Duden versteht man unter "Hilfswissenschaft" eine Wissenschaft, die (hauptsächlich) Methoden und Kenntnis-
se für eine andere Wissenschaft bereitstellt", hast Du geschrieben - das ist nach wie vor eine super Definition.

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#219 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Scrypt0n » Fr 17. Jul 2015, 10:45

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Konstellationen können aber auch nur erdachte Konstrukte sein.
Der Unterschied zwischen "er-funden" und "ge-funden" ist leider nicht mit säkularen Mitteln (mit historisch-kritischen Mitteln eh nicht) beschreibbar
Die Wahrscheinlichkeiten für die eine oder andere aber durchaus - und zwar auch OHNE willkürlichen Glaubensdogmen. Bringt man letztere ins Spiel kann das nur in Zirkelschlüsse enden.

closs hat geschrieben:Geistige Dinge dagegen sind generell nicht falsifizierbar - man kapiert oder nicht.
Falsch.
Man besitzt diesen oder jenen Wahn (= Glaubensdogmen) - oder nicht.

So ist es richtig. ;)

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Denkt man daran, daß die Bergpredigt nicht von Jesus ist, sondern eine Eigenkomposition von Matthäus, dann ist das gar nicht so weit her geholt.
Auch das ist nicht falsifizierbar
Falsch.
Vieles ist durch die Geschichtswissenschaft selbstverständlich auch dann falsifizierbar, unabhängig davon ob es Vergangenes Betrift.
Niedliche Ausrede aber.

closs hat geschrieben:
Scrypt0n hat geschrieben:Was die Aussage von Jesu gewesen ist konnten jene, die ihn kannten und mit ihm lebten sicherlich besser beurteilen
Behauptung.
Eine, die nahe liegt.
Denn die andere Version, nämlich, dass du die Aussagen von Jesus besser verstehst als jene, die seine Aussagen hörten und mit ihm reisten, ist nicht nur absurd sondern absoluter Wahn!
Und an diesem hältst du, wie man erkennt, auch verzweifelt fest. Die Argumentation bewegt sich bei dir zwar am Nullpunkt entlang, aber das macht ja nichts gell? ^_-

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#220 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Scrypt0n » Fr 17. Jul 2015, 10:47

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Was hat denn die Spiritualität für falsifizierbare Fakten anzubieten?
Nur auf logischer Ebene
Auf logischer Ebene wurde ein Gott bzw. dessen postulierten Eigenschaften wie Allmacht und Allwissenheit bereits falsifiziert.
Aber auf die logische Falsifikation wolltest du ja nicht eingehen und hast dein Schwänzchen eingezogen.

So wird das aber nichts. ;)

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