Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

closs
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#201 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von closs » Do 16. Jul 2015, 23:46

Pluto hat geschrieben:Deshalb finde ich, sollte man die HKM nicht so abwerten wie du es tust.
Ich möchte die HKM nicht abwerten, sondern sie von ihr schadenden Missverständnissen befreien. - Natürlich ist Wissenschaft INNERHALB der Theologie wichtig - sie ist aber kein Ersatz FÜR Theologie.

Pluto
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#202 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Pluto » Do 16. Jul 2015, 23:49

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Deshalb finde ich, sollte man die HKM nicht so abwerten wie du es tust.
Ich möchte die HKM nicht abwerten, sondern sie von ihr schadenden Missverständnissen befreien.
Seit wann ist Aufklärung aufgrund von Tatsachen schädlich?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
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#203 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von closs » Do 16. Jul 2015, 23:54

Pluto hat geschrieben:Seit wann ist Aufklärung aufgrund von Tatsachen schädlich?
Das wird sie nie sein - aber das ist doch hier nicht der Fall.

Hier werden streng historisch-kritische Erkenntnisse ("der Schreiber x schreibt um das Jahr 110 n.Chr. folgenden Text, in dem er meint, dass Jesus selbst eine Naherwartung hatte") transformiert in ideologische und somit unwissenschaftliche Aussagen ("Jesus hatte selbst eine Naherwartung"). - Das stört mich - und das hat nichts mit Aufklärung im edlen Sinn zu tun.

Mich stört NICHT, was der Schreiber versteht und schreibt - das ist wirklich seine Sache - und selbstverständlich historisch-kritisch hoch interessant. - Mich stört die Manipulation dieser Erkenntnis in eine weltanschauliche Aussage hinein.

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#204 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Pluto » Fr 17. Jul 2015, 00:08

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Seit wann ist Aufklärung aufgrund von Tatsachen schädlich?
Das wird sie nie sein - aber das ist doch hier nicht der Fall.
Anscheinend doch, denn die HKM liefert Fakten die Kritiker oft am Liebsten unter den Teppich kehren wollen, um so zu tun, als gäbe es sie nicht.

closs hat geschrieben:Hier werden streng historisch-kritische Erkenntnisse ("der Schreiber x schreibt um das Jahr 110 n.Chr. folgenden Text, in dem er meint, dass Jesus selbst eine Naherwartung hatte") transformiert in ideologische und somit unwissenschaftliche Aussagen ("Jesus hatte selbst eine Naherwartung"). - Das stört mich - und das hat nichts mit Aufklärung im edlen Sinn zu tun.
Das ist keine Erkenntnis der HKM; dazu braucht man lediglich die Bibel zu lesen.
Das eigentliche Problem: Ideologie macht die Menschen oft blind für Fakten.

closs hat geschrieben:Mich stört die Manipulation dieser Erkenntnis in eine weltanschauliche Aussage hinein.
Das mag in Einzelfällen so sein, denn es gibt überall "schwarze Schafe". Aber man sollte sehr vorsichtig sein, einen ganzen Berufszweig (die HKM) pauschal zu verurteilen, bloß weil man mit den Ergebnissen nicht einverstanden ist.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#205 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von closs » Fr 17. Jul 2015, 00:34

Pluto hat geschrieben:Aber man sollte sehr vorsichtig sein, einen ganzen Berufszweig (die HKM) pauschal zu verurteilen, bloß weil man mit den Ergebnissen nicht einverstanden ist.
Würde ich auch nie tun - im Gegenteil: Als assistierende Größe für die Theologie finde ich die HKM hervorragend - aber HKM ist selbst keine Theologie.

Pluto hat geschrieben:denn die HKM liefert Fakten die Kritiker oft am Liebsten unter den Teppich kehren wollen
Natürlich gibt es innerhalb christlicher Denominationen wissenschafts-resistente Menschen. - Aber da muss man differenzieren - gerade gestern habe ich mit einem Theologen gesprochen und ihm unsere Diskussion hier auf dem Forum skizziert - für ihn war das wirklich kalter Kaffee.

Warum? - Weil es Standard in der NT-Forschung ist, was einzelne SChreiber geschrieben haben - oder dass etwa der 2. Petrus-Brief nicht von Petrus sein kann - oder dass die Menschen damals tatsächlich eine (äußere) Naherwartung hatten und deshalb so geschrieben haben. - Seine Frage war: "Wird da immer noch diskutiert - das ist doch längst gegessen".

Mit anderen Worten: Die HKM-Fakten werden ganz und gar nicht unter den Teppich gekehrt - allerdings stört man sich, wenn Ergebnisse der HKM aus ideologischen Gründen unsauber kommuniziert werden. - Und das unterstellt man in der Tat.

Pluto hat geschrieben:Ideologie macht die Menschen oft blind für Fakten.
Dieser Satz fällt hier oft und wird von beiden Seiten für die Gegenseite verwendet.

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#206 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von sven23 » Fr 17. Jul 2015, 07:40

closs hat geschrieben: Meine Aussage zur Bergpredigt war, dass es geistig egal ist, wo sie her kommt
Finde ich nicht, vielleicht mußt du dann Matthäus anbeten. ;)

closs hat geschrieben: - dass sie geistig typisch Jesus ist, ist allerdings klar.
Typisch ist das, wie die Schreiber uns Jesus glauben machen wollen.
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#207 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von sven23 » Fr 17. Jul 2015, 07:46

closs hat geschrieben: Mit anderen Worten: Die HKM-Fakten werden ganz und gar nicht unter den Teppich gekehrt - allerdings stört man sich, wenn Ergebnisse der HKM aus ideologischen Gründen unsauber kommuniziert werden. - Und das unterstellt man in der Tat.
Das Problem ist eher, daß sie überhaupt nicht seitens der Kirche kommuniziert werden. Hier gilt nach wie vor Conzelmanns Statement:
"Die Kirche lebt praktisch davon, daß die Ergebnisse der wissenschaftlichen Leben-Jesu-Forschung in ihr nicht publik sind."
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#208 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Münek » Fr 17. Jul 2015, 08:38

closs hat geschrieben:
Queequeg hat geschrieben:Braucht man sie wirklich, diese mehr als ominöse HKM? Ich denke eher - nicht.
Doch - als Hilfswissenschaft ist sie schon wichtig - aber nicht als theologische Größe im Sinne des Wortes "Theologie".

Die an den theologischen Fakultäten angewandte historisch-kritische Methode ist mitnichten eine HILFSWISSENSCHAFT.

Laut Definition im Duden versteht man unter "Hilfswissenschaft" eine Wissenschaft, die (hauptsächlich) Methoden und Kenntnis-
se für eine andere Wissenschaft bereitstellt. Ergo: Dein Versuch, die HKM abzuwerten, war mal wieder "ein Schuss in den Ofen".

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#209 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von closs » Fr 17. Jul 2015, 08:52

sven23 hat geschrieben:Das Problem ist eher, daß sie überhaupt nicht seitens der Kirche kommuniziert werden. Hier gilt nach wie vor Conzelmanns Statement
Du bist 50 - 100 Jahre zu spät. - Allerdings werden diese publizierten Ergebnisse nicht theologisch für wichtig angesehen.

Münek hat geschrieben:Laut Definition im Duden versteht man unter "Hilfswissenschaft" eine Wissenschaft, die (hauptsächlich) Methoden und Kenntnis-
se für eine andere Wissenschaft bereitstellt.
Exakt so habe ich es gemeint - und so wird es auch weitgehend gehandhabt.

Münek hat geschrieben:Dein Versuch, die HKM abzuwerten, ...
Das Gegenteil ist der Fall: Die HKM ist eine klasse wissenschaftliche Einrichtung, die man aus der ideologischen Schusslinie nehmen muss - eben damit sie nicht abgewertet wird.

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#210 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Queequeg » Fr 17. Jul 2015, 09:20

Pluto hat geschrieben:
closs hat geschrieben:
Queequeg hat geschrieben:Braucht man sie wirklich, diese mehr als ominöse HKM? Ich denke eher - nicht.
Doch - als Hilfswissenschaft ist sie schon wichtig - aber nicht als theologische Größe im Sinne des Wortes "Theologie".
Die HKM ist der "rettende Anker" der es der Theologie gestattet, sich wissenschaftlich zu geben. Was wäre die Theologie ohne sie? Ein Haufen Dogmen und Mythen?

Deshalb finde ich, sollte man die HKM nicht so abwerten wie du es tust.

Deine Meinung sei dir natürlich belassen.

Trotz alledem halt ich die HKM für janusköpfig und die führenden Köpfe der HKM für Katzelmacher.

Denn in letzter Konsequenz und mit aller gebotenen Aufrichtigkeit wäre, auch und gerade durch die HKM, von Jesus und dem Neuen Testament nicht viel übrig geblieben, vielleicht nicht einmal mehr der "Mythos".
Und der Mensch als oberste deutende Instanz, vor dem sich die Bibel verantworten und rechtfertigen muss, denn irgenwie wurde ein aktiv in/aus der Geschichte heraus handelnder Gott von den Weisheitsadepten der HKM ja mehr oder weniger zum Statisten degradiert, also der Mensch im Handeln und Ausfluss der HKM sitzt dann doch praktisch zwischen allen Stühlen.

Die HKM, von den Kirchen/Konfessionen mehr oder weniger verfemt und offen angefeindet, von den Wissenschaftlern belächelt, denn die letzte Konsequenz bleibt aus, will besagen - jeder Theologe, der sich gewissentlich und grundehrlich mit der HKM auseinanersetzt, müsste daraus als Atheist hervorgehen.

Entweder man dient dem Geist (der Bibel) oder dem Geist mehr oder weniger "weltlicher" Wissenschaftlichkeit, oder anders gesagt: eine weitesgehend wissenschaftliche Systematik, die sich "säkularer" Methoden bedient, ist diese überhaupt noch Theologie zu nennen?

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