Queequeg hat geschrieben:Machen wir weiter mit der Geschichte des Grauens
Unter theologischen Gesichtspunkten wird das Grauen IMMER weitergehen. - Was Du beschreibst, ist nichts anderes als das "Fürstentum der Welt", das es immer und unter allen Flaggen geben wird. - Insofern hat der Satz Brechts "Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch." (Brecht hat sich am Ende seines Lebens übrigens selbst als "letzten katholischen Schriftsteller" bezeichnet) universalen Charakter.
Du beschreibst (wieder theologisch gesagt) "das Böse" innerhalb des Christentums - das gibt es selbstverständlich. - Aber das sagt nichts über das Christentum, sondern viel über den Menschen an sich aus. - Es wäre reine Fleißarbeit, ebenso "das Gute" im Christentum zu belegen.
Queequeg hat geschrieben:Die Tora unter der Deutungshoheit des Christentums?
Jesus hat sich als Erfüllung des AT verstanden - insofern ist es naheliegend, dass sich das NT als legitimer Torah-Ausleger versteht. - Das sehen Juden anders - aber bei Schismen ist das nun mal so. - Das gilt übrigens auch für Judentum/Isaak und Islam/Ismael.
sven23 hat geschrieben:Woher kam diese Judenfeindlichkeit?
Diese Frage kann man sehr pragmatisch beantworten:
* Judas (allein der Name) wurde als Verräter "unseres" Herrn verstanden.
* Israel wurde 70 n.Chr. pulverisiert - seitdem waren/sind Juden überall in der Welt Minorität, also prätestiniert für Verfolgung.
* Juden hatten einen spürbaren Einfluss in der Gesellschaft, weshalb man sie nicht übersehen konnte.
Schau Dir Pegida-Sprüche an: Die Leute sind diffus unzufrieden und fokussieren diese Unzufriedenheit auf Muslims. - Solche Muster können über Generationen konditioniert werden ("Du Zigeuner" - "Ich bin doch kein Jüd" - "Bei Dir sieht's aus wie beim Russ").
Über Jahrhunderte befeuert hat diesen Konflikt selbstverständlich das Christentum, weil es
a) in seiner Verbandelung mit weltlicher Macht de facto Staatsreligion war, und
b) in seinem öffentlichen Auftritt eher "dem Fürstentum der Welt" als dem jesuanischen Weltbild entsprochen hat.
Die eigentlichen Werte des Christentums wurden über Jahrhunderte eher im Hintergrund gepflegt - man nehme nur als beliebige Beispiele Leute wie den Hl. Franzislus und Meister Eckhart. - Wie es überhaupt die Tragik des Christentums ist, im Außenverhältnis nur mit Mitteln des AT überleben glauben zu können - da haben es Religionen wie der Islam leichter, weil sie von sich aus nicht pazifistisch sind.
Queequeg hat geschrieben:Machen wir weiter, mit der Beweisaufnahme, wie sehr das Christentum daran Anteil hatte, das der Faschismus überhaupt erst ermöglicht wurde.
Lieber Queequec, da musst Du aufpassen, richtig zu bewerten - These: Wäre Europa jüdisch oder islamisch geprägt gewesen UND hätte Deutschland dieselbe politische Geschichte und dieselbe Erbfeindschaft mit Frankreich gehabt UND hätte es dieselbe Sehnsucht gegeben, ein "einig Vaterland" zu haben, hätte der Nationalsozialismus dieselben Chancen gehabt.
NAtürlich ist diese These komplett theoretisch, weil man die Geschichte nicht unter anderen Bedingungen simulieren kann (Chaostheorie) - jedoch soll damit zum Ausdruck kommen, dass das Christentum nicht der Grund für den Faschismus ist, sondern eine zum Teil sehr willig Matrix, auf der der Faschismus gedeihen konnte.
Richtig ist, dass Hitler sich am Anfang bemüht hat, die Christen zu hofieren, um seine Macht zu stabilisieren - richtig ist auch, dass Hitler das Christentum als Feind des Nationalsozialismus bezeichnet hat. - Richtig ist, dass Hitler den Staatsvertrag ganz am Anfang seiner Kanzlerschaft unterschrieben hat - richtig ist auch, dass dieser Staatsvertrag vor seiner Amtsübernahme unterschriftsreif verhandelt war.
Wenn man zu Recht die zum Teil beschämende Rolle von christlichen Institutionen im Kontext des Nationalsozialismus thematisiert, sollte man dies nur vor dem Kontext tun, dass die deutschen Krisen und Kriege seit dem 30jährigen Krieg allesamt säkular begründet waren. - Diese Empfehlung, damit die Maßstäblichkeit gewahrt bleibt.