Alles Teufelszeug?

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Thaddäus
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#1891 Christliche Okkupation 1

Beitrag von Thaddäus » So 6. Mär 2016, 02:02

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Du meinst wiederum christlich-geistliche Bildung
Das ist Definitions-Sache.
Das ist keine Defintionssache. Du interpretierst Bildung einfach christlich-geistlich. Das ist Fakt.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Die beginnt nämlich mit Homer 800 Jahre vor unserer Zeitrechnung und reicht bis zur Philosophie des Hellenismus. Da gab es noch kein Christentum.
"Geist" kann man als Entität nicht historisch sehen, sondern nur in seinen epochalen Ausdrucksformen.
"Geist" ist ein Begriff. Begriffe kann man gar nicht anders als historisch entstanden sehen.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Nein, moralisierend passt haargenau, denn du versuchst griechische Kultur von Sophokles bis zu den Sophisten und die obige Geschichte von Protagoras und Euathylos christlich-moralisch zu bewerten.
Ich versuche es universal zu bewerten, Du historisch.
Du bewertest gerade nicht universal, sondern nachweislich christlich.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben: Und das ist faktisch eine geistliche Vergewaltigung dessen, was sie zum Ausdruck bringen wollten.
Ich glaube nicht, dass Deine Interpretation zutreffend ist:
Weil du deine weltanschaulich-christliche Sicht selbst einem Sophokles überstülpen willst, der 500 Jahre vor Christus seine Dramen schrieb.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Aber Ödipus wird wegen seiner Verblendetheit von den Göttern bestraft
Seiner Verblendetheit des Wissen-Wollens!!! - Sonst würde er doch Teresias nicht gegen dessen Widerstand zwingen, ihn auf die "richtige" (= falsche) Spur zu bringen.
Du weißt aber schon, dass wir über das Drama König Ödipus schreiben? Theben wird doch nicht von der Pest heimgesucht, weil Ödipus wissen will, wer für den Zorn der Götter verantwortlich ist! Eine völlig unsinnige Interpretation. Er und Theben werden nicht bestraft, weil Ödipus unwissentlich Unrecht gegen göttliches Gesetz begangen hat. Er wird bestraft, weil er trotz Teiresias' Hinweisen nicht sehen und erkennen will, dass ER Unrecht begangen hat. Deshalb sticht er sich doch die Augen aus, mit denen er die Wahrheit nicht gesehen hat. Nach deiner Interpretation sollte Ödipus das pestverseuchte Theben am besten verlassen, dessen König er ist, um ja nicht herauszufinden, dass ER an allem schuld ist. Was soll das denn für eine Interpretation sein?

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben: Seine Tragik liegt in seiner Verblendung, nicht sehen zu können, dass er SELBST das Unheil der Pest über Theben brachte.
Das weiß doch Teresias auch - warum rückt er sein Wissen nur widerwillig heraus? - Meine Antwort: Weil er weiss, dass das Wissen Ödipus in die Katastrophe stürzen MUSS.
Nein! Die Katastrophe ist doch schon längst geschehen! Ödipus hat seinen Vater erschlagen und seine Mutter geheiratet und mit ihr Kinder gezeugt und Theben liegt unter der gottgeschickten Pest, wegen des Frevels des Vatermordes und der Inzucht. Jetzt geht es darum, dass Ödipus erkennt, dass ER schuld an allem ist. Aber er ist zu verblendet, um es sehen und erkennen zu können.
Und Teiresias kann nur Hinweise geben, weil Ödipus selbst es erkennen muss. Sein größter Frevel besteht darin, dies nicht zu tun.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Aber Ödipus wird wegen seiner Verblendetheit von den Göttern bestraft und nicht, weil er unwissentlich seinen Vater tötete und seine Mutter ehelichte.
Auch so was: Wie kann man jemanden bestrafen wenn "er unwissentlich seinen Vater tötete und seine Mutter ehelichte"? - DAS wäre moralisiernd.
Quatsch. Ödipus hat unwissentlich gegen göttliche Gesetze verstoßen (Vatermord und Inzucht). Der Seher Teiresias gibt ihm die Chance, zu erkennen, dass ER schuld ist. Aber er erkennt es nicht, trotz aller klaren Hinweise von Teiresias - und frevelt damit nochmals ...

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Nein, Ödipus will ja gerade nicht wissen!
Doch:
1) Er lässt sich etwas gegen den Willen des Teresias von ihm sagen - obwohl Tereisias genau deswegen da ist.
Nein, er lässt sich gerade nichts von Teiresias sagen. Hörte er auf ihn und käme zur Erkenntnis seiner Schuld, wäre der Fluch vorbei.
closs hat geschrieben: 2) Er glaubt es nicht und UNTERSUCHT es deshalb. - Er will es WISSEN.
Nein, er will es nicht wissen und glaubt vor allem nicht, dass ER etwas Unrechtes, also einen Verstoß gegen göttliches Gesetz, verschuldet haben könnte. Er ist verblendet. Beweis: er blendet sich am Ende selbst, WEGEN seiner vorhergehenden Verblendung.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Die Katharsis besteht bei Sophokles darin, dass man einsieht, dass Verblendung eine menschliche Eigenschaft ist, die eine "Sünde" darstellt.
Mit Verlaub: Das ist arg, arg flach - es tut mir leid, Dir das sagen zu müssen. - Als wäre dieses Stück ein Bänkelstück, ein Moritat.
Immerhin nicht so flach, als das du es verstehen würdest. Und das Drama ist auch kein Bänkelstück, dass zeigt deine Fehlinterpretation.
Zuletzt geändert von Thaddäus am So 6. Mär 2016, 02:05, insgesamt 3-mal geändert.

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Thaddäus
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#1892 Re: Christliche Okkupation 2

Beitrag von Thaddäus » So 6. Mär 2016, 02:03

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Bei Hiob besteht sie im Vertrauen darauf, dass alles recht ist, was der Gott macht
... bei Hiob geht es eigentlich um die Einsicht der grundsätzlichen Beschränktheit menschlichen Befindens und das Sich-Ausliefern-Müssen in ein Größeres
Du meinst, es geht im Hiob um sklavische Ergebenheit. Denn nicht Hiobs menschliches Befinden steht zum Thema, sondern dass Gott schlicht seine Ergebenheit prüft. Um wieviel flacher ist das als Sophokles Ödipus!

closs hat geschrieben:Bei Hiob kann der Satz stehen (Schlachter/Hiob 19,25):
"Ich weiß, daß mein Erlöser lebt, und er wird zuletzt über dem Staube stehen. (Jesaja 41.14) (2. Timotheus 1.12) 26 Und nachdem diese meine Hülle zerbrochen ist, alsdann werde ich, von meinem Fleische los, Gott schauen. (Psalm 17.15) (Psalm 73.24) 27 Den werde ich mir ansehen, meine Augen werden ihn schauen, ohne Ihm fremd zu sein".
Das hat mit Hiobs Geschichte nichts, aber auch gar nichts zu tun.

closs hat geschrieben: Nachdem Ödipus "bestraft" ist, ist die Story zu Ende - irgendwann geht's halt über den Styx (= Wupper :lol: ). - Im AT wird dagegen als sichere Aussicht formuliert:
a) Es gibt eine Existenz "vom Fleische los".
b) Es gibt ein Nicht-Fremd-Sein zwischen Mensch und Gott. - Das wäre bei Zeus nicht möglich.
Während du hier predigst, beschreibt Sophokles wahre menschliche Abgründe mit einem Drama zur Frage, ob man schuldig werden kann, obwohl man objektiv gar keine Schuld begangen hat!

closs hat geschrieben:Ach Du lieber Gott. - Meinst Du, man kann nur dann dialektisch schreiben, wenn man vorher den Begriff "Dialektik" akademisch durchgekaut hat?
Nein, aber du stülpst Sophokles wiederum deine Weltanschauung interpretatorisch über: nämlich angeblich dialektisch zu schreiben, obwohl er unter Dialektik allenfalls das hätte verstanden haben können, was Platon in seinen Dialogen an Dialektik hineingesteckt hat. Dann hätte Sophokles aber eine Art platonischen Dialog schreiben müssen und kein Drama.

closs hat geschrieben: "Dialektik" ist deshalb beschäftigungs-würdig, weil es ein Kernbegriff zum Verständnis des sog. "Sündenfalls" ist - egal ob man damals schon den Begriff "Dialektik" gekannt hat oder nicht.
Eine interpretatorische Zumutung sondergleichen und genau so abwegig, wie wenn man Genderfragen in die platonischen Dialoge hineinträgt und bemängelt, dass in seinen Dialogen keine Frauen vorkommen. Absurd ...

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Ich habe oben Sophokles Drama König Ödipus so interpretiert, wie es seiner Zeit entspricht.
Dann musst Du moralische Begründungen weglassen und "Schicksal" als a-moralische Größe ("Tyche") verstehen: Der Mensch ist ausersehen - basta. - Nix da mit "Selbstverantwortung"
Das Schicksal beeinträchtigt im griechischen Denken nicht die Freiheit der Handlungen des Menschen.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Aber an intellektuellem Format steht Sophokles Oidipos Basileus weit über der Hiob-Geschichte.
Ich habe beide gelesen - bei Hiob habe ich wesentlich länger gebraucht, um dialektisch durchzusteigen.
Ja klar: weil Hiob ja auch kein Buch ist, dass man dialektisch verstehen könnte. Das stülpst du dem armen Hiob zu all seinem Unglück auch noch über: Dialektik.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Offensichtlich lässt der Verfasser der Apg. Paulus eine kunstvolle Rede im Stile der Sophisten vor dem Areopag halten, um sich einer Anklage zu entziehen.
Auch das ist möglich - dann hätte er den Schwanz eingezogen. - Verständlich, aber nicht unbedingt authentisch.
Was soll den authentisch in diesem Zusammenhang bedeuten?

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Das meinst du jetzt aber nicht im Ernst?! :o Der Ruach Elohim ist etwas ganz anderes als der nous der Griechen und das mens der Römer, die beide säkulare Begriffe sind.
Eben - und "spiritus" ist nun mal keine säkulare Größe.
Eben, - und darum hat der ruach elohim auch nichts mit nous und dem mens zu tun!

closs hat geschrieben:Man kann allenfalls davon sprechen, dass die Griechen säkulare Begriffe gefunden haben, für die WIR das selbe Wort verwenden wie für den spirituellen Begriff.
Nein, man muss davon sprechen, dass du antike säkulare Begriffe christlich okkupierst.

closs hat geschrieben:Im Grunde meinst Du, dass das griechische Konstrukt dem unsrigen säkularen ÄHNLICHER ist, und schliesst daraus, dass es fortschrittlicher sein muss, weil unsere Epoche HEUTE meint, dass säkulare Größen über spirituellen Größen stehen. - Du transferierst heutige Befindlichkeiten auf vergangene Epochen.
Nein, ich halte mich lediglich an die Grundbedeutung und Etymologie von nous und mens. :wave:
closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben: Seine Tragik liegt in seiner Verblendung, nicht sehen zu können, dass er SELBST das Unheil der Pest über Theben brachte.
Das weiß doch Teresias auch - warum rückt er sein Wissen nur widerwillig heraus? - Meine Antwort: Weil er weiss, dass das Wissen Ödipus in die Katastrophe stürzen MUSS.
Nein! Die Katastrophe ist doch schon längst geschehen! Ödipus hat seinen Vater erschlagen und seine Mutter geheiratet und mit ihr Kinder gezeugt und Theben liegt unter der gottgeschickten Pest, wegen des Frevels des Vatermordes und der Inzucht. Jetzt geht es darum, dass Ödipus erkennt, dass ER schuld an allem ist. Aber er ist zu verblendet, um es sehen und erkennen zu können.
Und Teiresias kann nur Hinweise geben, weil Ödipus selbst es erkennen muss. Sein größter Frevel besteht darin, dies nicht zu tun.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Aber Ödipus wird wegen seiner Verblendetheit von den Göttern bestraft und nicht, weil er unwissentlich seinen Vater tötete und seine Mutter ehelichte.
Auch so was: Wie kann man jemanden bestrafen wenn "er unwissentlich seinen Vater tötete und seine Mutter ehelichte"? - DAS wäre moralisiernd.
*. Ödipus hat unwissentlich gegen göttliche Gesetze verstoßen (Vatermord und Inzucht). Der Seher Teiresias gibt ihm die Chance, zu erkennen, dass ER schuld ist. Aber er erkennt es nicht, trotz aller klaren Hinweise von Teiresias - und frevelt damit nochmals ...

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Nein, Ödipus will ja gerade nicht wissen!
Doch:
1) Er lässt sich etwas gegen den Willen des Teresias von ihm sagen - obwohl Tereisias genau deswegen da ist.
Nein, er lässt sich gerade nichts von Teiresias sagen. Hörte er auf ihn und käme zur Erkenntnis seiner Schuld, wäre der Fluch vorbei.
closs hat geschrieben: 2) Er glaubt es nicht und UNTERSUCHT es deshalb. - Er will es WISSEN.
Nein, er will es nicht wissen und glaubt vor allem nicht, dass ER etwas Unrechtes, also einen Verstoß gegen göttliches Gesetz, verschuldet haben könnte. Er ist verblendet. Beweis: er blendet sich am Ende selbst, WEGEN seiner vorhergehenden Verblendung.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Die Katharsis besteht bei Sophokles darin, dass man einsieht, dass Verblendung eine menschliche Eigenschaft ist, die eine "Sünde" darstellt.
Mit Verlaub: Das ist arg, arg flach - es tut mir leid, Dir das sagen zu müssen. - Als wäre dieses Stück ein Bänkelstück, ein Moritat.
Immerhin nicht so flach, als das du es verstehen würdest. Und das Drama ist auch kein Bänkelstück, dass zeigt deine Fehlinterpretation.[/quote]

Hemul
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#1893 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Hemul » So 6. Mär 2016, 02:08

closs hat geschrieben:
Hemul hat geschrieben:Welche "griechische Wurzel" kannst Du denn aufweisen?
Unser weltlich-aufgeklärtes Weltbild wie auch unsere wissenschaftliche Orientierung hat seine Wurzeln weit mehr in der griechischen Kultur als in der hebräischen Kultur.
Da unsere Zeit mehr säkular und wissenschaftlich geprägt ist als (spirituell-) geistig, spielt das griechische Erbe somit heute eine weitaus größere Rolle als das hebräische Erbe.
Stimmt. Besonders den Gott Hades hat sich die "Kirche des Unheils" einverleibt-gelle?

https://de.wikipedia.org/wiki/Hades
Hades, den Gesang des Orpheus um Euridice hörend, neben ihm Persephone, um welche ein melancholisches Schweigen herrscht.Hades (griech. Ἅιδης) bezeichnet in der griechischen Mythologie den Totengott und Herrscher über die Unterwelt, die ebenfalls Hades genannt wurde.Als Herrscher über die unterirdischen Gefilde wurde er sowohl mit Plutos (Πλοῦτος), dem Gott der (unterirdischen) Reichtümer, als auch mit dem Unterweltsgott Pluton (Πλούτων) identifiziert

denn die Waffen, mit denen wir kämpfen, sind nicht fleischlicher Art, sondern starke Gotteswaffen zur Zerstörung von Bollwerken: wir zerstören mit ihnen klug ausgedachte Anschläge (2.Korinther 10:4)

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Münek
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#1894 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Münek » So 6. Mär 2016, 02:45

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Man kann es auch ganz anders interpretieren
Das kann man so sehen, wenn man oberflächlich-säkular interpretiert. - Interpretationen sind Sache der Perspektive des Interpretierenden.

Der Philosoph Ernst Bloch ("Atheismus") und der Psychiater C. G. Jung ("Antwort") bevorzugten bei ihrer Interpretation des Hiobdramas sicherlich eine andere Perspektive als Du.

Sie hatten zumindest nicht die eisegetische Brille auf. Du magst diese Unvoreingenommenheit "oberflächlich-säkular" nennen.

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#1895 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Münek » So 6. Mär 2016, 04:06

closs hat geschrieben: Insofern ist Hiob einerseits dem Griechischen ähnlich, weil es der Tyche-Fluch ist, der einen trifft - allerdings gibt es einen Unterschied: Bei Hiob kann der Satz stehen (Schlachter/Hiob 19,25):
"Ich weiß, daß mein Erlöser lebt, und er wird zuletzt über dem Staube stehen. (Jesaja 41.14) (2. Timotheus 1.12) 26 Und nachdem diese meine Hülle zerbrochen ist, alsdann werde ich, von meinem Fleische los, Gott schauen. (Psalm 17.15) (Psalm 73.24) 27 Den werde ich mir ansehen, meine Augen werden ihn schauen, ohne Ihm fremd zu sein".

Das heisst:
Nachdem Ödipus "bestraft" ist, ist die Story zu Ende - irgendwann geht's halt über den Styx (= Wupper :lol: ). - Im AT wird dagegen als sichere Aussicht formuliert:
a) Es gibt eine Existenz "vom Fleische los".
b) Es gibt ein Nicht-Fremd-Sein zwischen Mensch und Gott.
- Das wäre bei Zeus nicht möglich.

In der "Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft", Bd. 4, Heft 1, S. 107, Nov. 2009 heißt es aber:

"Wiewohl die Worte Hiob 19, 23-27 für sich betrachtet auf eine Unsterblichkeit der Seele bezogen werden kön-
nen, so widerspricht dem doch der Inhalt und der Gedankenaufbau des Buches..."

In dem Studienbuch "Einleitung in das Alte Testament" von Erich Zenger u.a. heißt es auf S. 344:

"Hiob 14, 7-22 weist die möglicherweise neu aufgekommene Ansicht von einem Fortleben des Menschen nach
dem Tode zurück
und nimmt damit in dieser Frage die gleiche ´protosadduzäische`Haltung ein wie Koholet (3,
16-22; 9, 5-6, 10)."

Die Sadduzäer glaubten nicht an eine Wiederauferstehung von den Toten.

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#1896 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von closs » So 6. Mär 2016, 09:29

Thaddäus hat geschrieben:Du interpretierst Bildung einfach christlich-geistlich. Das ist Fakt.
Zu einfach. - Ich interpretiere universal vor abendländischem Hintergrund.

Thaddäus hat geschrieben:Begriffe kann man gar nicht anders als historisch entstanden sehen.
Aber das, was in ihnen chiffriert ist, doch nicht.

Thaddäus hat geschrieben:Theben wird doch nicht von der Pest heimgesucht, weil Ödipus wissen will, wer für den Zorn der Götter verantwortlich ist!
Das ist auch nicht meine Aussage. - Du beschreibst die äußere Handlung - die äußere Rechtfertigung. - Mich interessiert Ödipus selbst.

Thaddäus hat geschrieben: dass ER Unrecht begangen hat
"Unrecht" im Tyche-Sinn und nicht "Ich-habe-etwas-wissentlich-ausgefressen"-Sinn. - Hier geht es - transferiert - um das, was das Christentum "Erbschuld" nennt und nicht um persönlich verursachte Schuld.

Thaddäus hat geschrieben:Nach deiner Interpretation sollte Ödipus das pestverseuchte Theben am besten verlassen, dessen König er ist, um ja nicht herauszufinden, dass ER an allem schuld ist.
Nein - ich verweise auf das Phänomen, dass Ödipus wissen will (sonst würde er nicht nachforschen) und deshalb in die persönliche Tragödie stürzt. - Das Stück ist vielschichtig.

Thaddäus hat geschrieben:Sein größter Frevel besteht darin, dies nicht zu tun.
Vergiss nicht, dass er nach heutigen Maßstäben NICHT schuld ist. - Sonst könnte heute jemand kommen und es Dir als Frevel anrechnen, dass Du letztes Jahr einen Verehrer abgewiesen hast, der sich danach umgebracht hat - oder dass Du Deiner Freundin aus Gutmütigkeit 100 Euro geliehen hat, von denen sie sich ohne Dein Wissen Heroin gekauft hat.

Das ist das erste. - Das zweite: Warum forscht denn Ödipus aktiv nach, ob Teresias recht hat? - Er forscht aktiv nach und Du rechnest es ihm als Frevel an, dass er NICHT nachforscht. - Was soll das?

Thaddäus hat geschrieben:Aber er erkennt es nicht, trotz aller klaren Hinweise von Teiresias - und frevelt damit nochmals ...
Warum forscht er dann nach, wenn er es nicht wissen will?

Thaddäus hat geschrieben: Hörte er auf ihn und käme zur Erkenntnis seiner Schuld, wäre der Fluch vorbei.
Dann ist er jetzt halt ein paar Tage später vorbei, nachdem er es "aufgeklärt" selber rausgefunden hat.

Es ist interessesant, dass wir hier die Rollen getauscht haben:
Du kommst plötzlich mit Argumenten, die ich von mir gewohnt bin ("Schuld ist Attribut des Mensch-Seins an sich") - ich komme plötzlich aufgeklärt ("Man muss Informationen überprüfen").

Thaddäus hat geschrieben:deine Fehlinterpretation.
Wir sind hier traditionell in zwei Welten daheim.

Du definierst als selbst-ernannter aufgeklärter Mensch Ödipus als schuldig, obwohl er nichts anderes macht, als ein Aufgeklärter tut: Selber aktiv rausfinden. Mir schwant, dass hier etwas zeitgenössische Gesellschafts-Konformität durchbricht ("Wenn halt damals die Gesetze so waren, dann ist er schuldig - Punkt").

Ich dagegen sehe die Person selbst, die sucht und dadurch in die persönliche Katastrophe stürzt. - Du bringst noch eine dritte Variante mit ein, wenn Du auf die Verbindung "Pest - Person" (zu Recht) hinweist - letztlich führt dies aber in die Märtyrer-Frage, die aber nie gestellt wird ("Wenn Du Teresias glaubst, ohne nachzuprüfen, dann geht die Pest weg"). - Dann wären wir bei dem Märtyrer-Untertanen-Typ, den Du aber genau NICHT magst.

Das Stück ist einfach vielschichtig (und dies ist wirklich keine relativierende oder aufweichende Empfehlung).
* Hier äußere Verantwortung ("Wir haben Pest - was kann ich als König tun? - ich gebe sogar mein Leben für ein Ende der Pest" = christlicher Opfertyp).

* Dort innere Schuld ("Was habe ich getan? - Keine Ahnung. - Das interessiert mich jetzt - das will ICH jetzt rausfinden")
wik: "Der blinde Seher Teiresias enthüllte widerwillig, von Ödipus dazu gedrängt, diesen als den Mörder des Laios. Ödipus glaubte ihm nicht, kam jedoch nach eigener Untersuchung der alten Vorfälle selbst zu der Erkenntnis".
Mit Verlaub: Das ist Aufklärung.

* Und dann noch die philosophische Ebene: Wie stehen Erkenntnis und Schicksal in Korrelation? - Ich wiederhole meine Ausführungen dazu hier nicht.

Man muss also ECHT in die Tiefe und die Tragik zwischen Tyche-Gewalt und persönlicher Unschuld thematisieren - und vor allem fragen, wie es sein kann, dass der Mensch (hier Ödipus) unschuldig schuldig werden kann. - Versteht man die Bibel, hat man eine Antwort.

Ich bin keinesfalls der Meinung, dass die griechische Philosophie der hebräischen überlegen ist - in der Elaboriertheit der Sprache und der rhetorischen Technik sicherlich, aber genauso sicherlich substantiell nicht, wenn es um die großen Fragen geht. - Mir ist verstaubtes Gold lieber als vergoldeter Staub.

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#1897 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von closs » So 6. Mär 2016, 10:18

Thaddäus hat geschrieben:Das hat mit Hiobs Geschichte nichts, aber auch gar nichts zu tun.
Ähm - das ist die Quintessenz - und ein Zitat aus dem Buch "Hiob". - Du stellst es gerade so hin, als sei Hiob ein Beispiel für die unaufgeklärte Unterwerfung, wo es ihm im Gegenteil um aufgeklärte Aufhebung geht. - Auf der anderen Seite bezeichnest Du Ödipus unaufgeklärt als "schuldig", obwohl er nach aufgeklärten Maßstäben unschuldig ist.

Sophokles' Ödipus ist geistesgeschichtlich archaischer als Hiob - darüber darf die viel zivilisierter Kultur der Griechen doch nicht hinwegtäuschen. - Du siehst, da steckt ein ganz anderer Sprengstoff dahinter.

Thaddäus hat geschrieben: beschreibt Sophokles wahre menschliche Abgründe mit einem Drama zur Frage, ob man schuldig werden kann, obwohl man objektiv gar keine Schuld begangen hat!
Nach meinem Verständnis ist dieser Konflikt gerade NICHT thematisiert (Dramen wurden öffentlich aufgeführt).
Was Du beschreibst, ist exakt das Thema von "Hiob".

Thaddäus hat geschrieben:nämlich angeblich dialektisch zu schreiben
Du verstehst schon wieder historisch und nicht inhaltlich. - Ich habe überhaupt nicht an Platons Dialektik gedacht, sondern UNSEREN Dialektik-Begriff gemeint.

Natürlich sagt Sophokles nicht "Ich schreibe jetzt dialektisch" (wenn es jemand wirklich programmatisch gemacht hat, war es der Hiob-Verfasser) - aber er zeigt mit seiner Story etwas, was WIR als dialektisch erkennen.

Thaddäus hat geschrieben: aber du stülpst Sophokles wiederum deine Weltanschauung interpretatorisch über
Im Gegenteil: Ich versuche das Stück vielschichtig sowohl aus seiner Zeit heraus (Schicksal = Tyche) als auch aus unserem Verständnis heraus ("Was passiert hier aus UNSERER Sichtweise?") zu interpretieren. - Beide Perspektiven führen zu unterschiedlichen Interpretationen.

Du scheinst eine Mischung in EINER Interpretation zu machen, indem Du erstens abnickst, dass Ödipus nach damaligen Maßstäben "schuldig" sein, und zweitens den Eindruck erweckst, er sei er es auch nach UNSEREN Maßstäben. - Tust Du dies aber, wendest Du Dich komplett von der Aufklärung ab.

Das tue ich auch - aber bewusst. - Denn ich glaube universal zu erkennen, dass der Mensch IMMER unschuldig schuldig ist (= Erbsünde). - Dass ich das Wort "Erbsünde" einfüge, hat aber nichts damit zu tun, dass ich primär christlich interpretiere, sondern weil ich eine christliche Chiffre für ein Universales verwende. - Klingt kompliziert, ist aber manchmal nicht zu vermeiden, wenn man es mit verschiedenen Dimensionen zu tun hat.

Thaddäus hat geschrieben:Eine interpretatorische Zumutung sondergleichen
Dir geht universales Denken ab - Du scheinst streng historisch zu denken. - In den Geschichtswissenschaften geht das - in Philosophie und Literatur sollte es kein Maßstab sein, weil dann Chiffre mit Substanz verwechselt wird.

Thaddäus hat geschrieben:Das Schicksal beeinträchtigt im griechischen Denken nicht die Freiheit der Handlungen des Menschen.
Genauso wie bei christlicher Fügung. - Ja und? - Was schließt Du daraus? - Dass Ödipus auch nach aufgeklärten Maßstäben schuldig ist, weil er sich sein Grab selber schaufeln darf?

Thaddäus hat geschrieben:Ja klar: weil Hiob ja auch kein Buch ist, dass man dialektisch verstehen könnte.
Mein Gott - da täuscht Du Dich fulminant. - Du hast "Hiob" echt nicht verstanden.

Thaddäus hat geschrieben:Was soll den authentisch in diesem Zusammenhang bedeuten?
Hebräisch weiterzureden und zu sagen: "Entweder Ihr versteht oder nicht". - Aber es wäre vielleicht ungeschickt gewesen - insofern kein Vorwurf meinerseits.

Thaddäus hat geschrieben:Eben, - und darum hat der ruach elohim auch nichts mit nous und dem mens zu tun!
Auch eben - und darum darf man "nous" und "mens" nicht mit "Spiritus" übersetzen, weil "Spiritus" abendländisch mit "spirituellem Geist" besetzt ist. - Oder man folgt wik:
"Geist (griechisch πνεῦμα pneuma,[1] griechisch νοῦς nous[2] und auch griechisch ψυχή psyche,[3] lat. spiritus,[4] mens[5], animus bzw. anima,[6] hebr. ruach und arab. rÅ«h, engl. mind, spirit, franz. esprit) ist ein aus historischen Gründen uneinheitlich verwendeter Begriff der Philosophie, Theologie, Psychologie und Alltagssprache".
Und dann muss man eben kennzeichnen, WELCHEN "Geist" man meint.

Thaddäus hat geschrieben:man muss davon sprechen, dass du antike säkulare Begriffe christlich okkupierst.
Du neigst dazu, Falsches zu wiederholen. - Mir geht es um die Begriffs-Linie "ruah - spiritus - Geist".

Thaddäus hat geschrieben: ich halte mich lediglich an die Grundbedeutung und Etymologie von nous und mens
Und ich an die Linie "ruah - spiritus - Geist".

Was lernen wir daraus? - Es gibt verschiedene historische Linien, die zu einem gemeinsamen Wort namens "Geist" führen. - Deshalb sollten wir zuküftig kenntlich machen, welchen Geist wir meinen: Den hebräisch-christlichen Spiritus-Geist oder den griechisch-säkularen "nous-/mens-Geist". - Wir werden beide nicht ändern können, dass im Wort "Geist" so unterschiedliche Inhalte subsummiert sind - also müssen wir kenntlich machen.

Thaddäus hat geschrieben:Aber er ist zu verblendet, um es sehen und erkennen zu können.
Heute würde man sagen: "Er ist aufgeklärt verblendet. - Er kann nicht verstehen, dass er schuldig sein soll für eine Sache, in die er unschuldig reingerutscht ist". - Das Christentum würde sagen: "Schuld ist ein Kreuz, das unabhängig davon zu tragen ist, ob man gewollt oder ungewollt in einer Sache steckt". - Nähert sich Deine Aufklärung etwa diesem Bild jetzt an?

closs
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#1898 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von closs » So 6. Mär 2016, 10:50

Münek hat geschrieben:Die Sadduzäer glaubten nicht an eine Wiederauferstehung von den Toten.
Das ist ja gerade der Kampf. - Hier eine Ansicht der damaligen Zeit - dort der geistige Druck nach Veränderung dieser Ansicht. - Da entwickelt sich etwas.

Münek hat geschrieben:"Hiob 14, 7-22 weist die möglicherweise neu aufgekommene Ansicht von einem Fortleben des Menschen nach
dem Tode zurück und nimmt damit in dieser Frage die gleiche ´protosadduzäische`Haltung ein wie Koholet (3,
16-22; 9, 5-6, 10)."
Ja - das geht hin und her. - Und wie Du unschwer erkennen kannst, ist 19, 25 NACH 14, 7ff. - Hiob ENTWICKELT sich und reißt damit neue Türen auf.

Ich kann Dir sogar noch ein Argument in DEINEM Sinne mitgeben:
Der Schluss des Hiob-Buchs fällt hinter die Erkenntnis von 19, 25 zurück (das kann AUCH damit zu tun haben, dass es aus verschiedenen Text-Fragmenten bestehen soll). - Es ist ein Auf und Ab, innerhalb dessen 19,25 eine ganz neue Annäherung an das darstellt, was man später "NT" nennen wird.

Münek hat geschrieben:Der Philosoph Ernst Bloch ("Atheismus") und der Psychiater C. G. Jung ("Antwort") bevorzugten bei ihrer Interpretation des Hiobdramas sicherlich eine andere Perspektive als Du.
Ganz sicher ist das so. - Und wie wir wissen, "macht" die Perspektive die Interpretation.

SilverBullet
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#1899 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von SilverBullet » So 6. Mär 2016, 10:56

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:„bautechnisch“ bedeutet dass eine „phänomenal Bedeutung“ vorliegt und keine Interpretation im Verstehen/Bewusstsein abläuft.
Das geht doch gar nicht. - Nicht jede Interpretation ist kognitiv-bewusst - aber interpretiert wird selbst vom Baby der Schnuller.
Wenn ich von „bautechnisch“ spreche, dann bedeutet es, dass es automatisch vorhanden ist und automatisch abläuft, ohne bewusste Willensentscheidung und ohne Möglichkeit der willentlichen Beeinflussung.

Wenn ich von „Mechanismus“ spreche, dann Ziele ich dabei selbstverständlich auf einen Ablauf ab.

Dass dieser Mechanismus nicht als Ablauf im Verstehen/Bewusstsein verwaltet wird, ist klar und genau das habe ich geschrieben.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Basismechanismus
Ich vermute, dass Dein "Basis-Mechanismus" unzureichend durchdacht ist. - Irgendwas stimmt da nicht.
Warum schreibst du nicht, was da nicht stimmen soll?
Im Wachzustand verwendest du den Mechanismus die ganze Zeit.
Wenn du das hier liest, ist dies überhaupt nur möglich, weil du deinen Bildschirm und die Abbildung für die Wirklichkeit hältst.
Du kannst dir jeder zeit das „gesehene Bild“ merken, die Augen zumachen und dich an das Aussehen erinnern – es wird keine Wirklichkeit sein.
Du kannst viele Tests durchführen und „fleissig wie ein Bienchen“ daran arbeiten.

Ich habe dir Beispiele gegeben, ich habe dir Experimente genannt.
Wenn du nun sagst, dass da etwas nicht stimmt, musst du etwas liefern.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:und hätte doch keine Sekunde in Wachheit oder Traum verbringen können, ohne dass ihm das „Hier und Jetzt“ zwanghaft zur Verfügung stand (-> „bauartbedingt“!).
Der Stein hätte ihm doch genauso zur Verfügung gestanden ("bauartbedingt"), wenn er "nur" eine Vorstellung wäre!!!!!!
Innerhalb der Wahrnehmung ist es immer nur eine „Vorstellung“, ein Verstehen und nie „das Ding selbst“. Diesen Punkt können wir abhaken.

Es geht darum, ob sich ein Mensch entscheiden kann, ob er „seine Vorstellung“, das Verstehen, als Wirklichkeit ansieht oder nicht.

Ich sage: der Philosoph kann zwar eine Entscheidung vorgaukeln, aber kann nie einen Stein ansehen, ohne ihn für Wirklichkeit zu halten.

Man kann sich nun überlegen, ob es irgendwo Leute gibt, die das mal versucht haben.
Tatsächlich gibt es sie:
In Indien gibt es die Yogis, die von einer „Verstrickung des Geistes mit der materiellen Welt“ ausgehen. Sie nennen es die „Illusion“ (Sanskirt: Maya).
Das Überwinden dieser Illusion stellt dabei das behauptete Ziel dar, damit der Geist sein wahres Selbst erkennt (das sollte dir irgendwie bekannt vorkommen, wobei die Indische Version deutlich älter ist, als das Christentum – ein Schelm, der Böses dabei denkt :-) )
Die Yogis investieren sozusagen ihre ganze Kraft darin, den Basismechanismus, um den es bei uns gerade geht, zu überwinden.

Nun ist es schwer, diesen Meditationsexperten ein Ergebnis anzudeuten, denn es ist (laut Lehre) subjektiv, bzw. das Überwinden des Subjektiven und damit kein Bestandteil der „illusorischen Welt“ mehr. Du würdest dies als „Transzendenz“ bezeichnen.
(Wie man sieht hat die Idee, alle Zusammenhänge ins Unsichtbare/Unerreichbare zu verlagern, vielleicht eine sehr alte kulturelle Quelle)

Nehmen wir mal an, die Yogis schaffen es tatsächlich, dann kann man sich fragen, wie lange dauert es?
Indizien:
- Yogis verbringen ihr ganzes Leben in Abgeschiedenheit und gelten (laut Legenden) sogar als besonders langlebig. Dies bedeutet aber: solange man sie noch sieht, sind sie nicht am Ziel.
- Exakt innerhalb dieser indischen Lehre, gibt es den Entwurf „der Wiedergeburt“, woraus man schliessen kann, dass die Effekte, die man in einer Lebensspanne erreicht, wohl nicht allzu „umwerfend“ sein können.
- Es gibt Legenden, in denen erfahrene Yogis eine Gottheit (von denen gibt es mehrere) fragen, wie oft sie noch wiedergeboren werden, bis sie ans Ziel kommen -> „so oft, wie Blätter an einem Baum.“

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Zusatzinfos:
-Yogis können zum Teil auch schweben/fliegen (über Wasser dürfte das kein Problem sein)
-Wilde Tiere leben ganz friedlich in ihrer Nähe
-Körperenergiekontrolle mit Schmerzunempfindlichkeit und Heilungskräften
-Nahrung benötigen sie nicht mehr
-Begraben bei verlangsamter Körperaktivität und späteres „Auferstehen“, kein Problem
(alles phantastische Fähigkeiten, die dem aufmerksamen Beobachter von Religionen irgendwie bekannt vorkommen)

Das bedeutet, selbst bei den „Fachleuten im Überwinden der eigenen Funktionsweise“ wird eine Verlagerung in nicht nachvollziehbare Zusammenhänge (weitere Leben) benötigt, um den „Eindruck einer Überwindbarkeit des Basismechanismus“ zu erzeugen.

Wenn sich also ein Mensch nicht mit einem „Fingerschnipsen“ bezüglich der Wirklichkeit entscheiden kann und das christliche Weltbild von einem Schöpfer ausgeht, dann bedeutet dies, dass exakt dieser Wirklichkeitsmechanismus gewollt ist.
Dann ist es natürlich extrem widersprüchlich, wenn exakt diese „Implementierung“ ein Hindernis für die vom christlichen Weltbild so „wichtige Handlung“, dem „Eigen-Erkennen“ oder „Glauben an Gott“ oder welchen unsichtbaren/unerreichbaren Zusammenhängen auch immer, darstellt.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:es gibt eine Setzung, aber sie ist fest verankert und läuft nicht, wie bei anderen Weltbildern über eine Denkauswertung, die erst ab dem Erwachsenenalter nachvollzogen werden kann.
Was "ist", ist eh unabhängig von kognitiver Nachvollziehbarkeit. - "Nach-Vollziehen" ist ein "Nach-Holen" von etwas, was "ist" - z.B. "Basis-Mechanismus".
Du bist Wahrnehmung.
Wenn du von „was ist, ist eh unabhängig von kognitiver Nachvollziehbarkeit“ sprichst, hat das keinerlei Bedeutung, weil du „das Andere“ nie erreichen wirst. Das Einzige, auf das du aufbauen kannst, ist der Basismechanismus – genau das machst du jede Sekunde (du musst es sogar machen).

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Magst du nicht, was Gott erschaffen hat?
Der Mensch ist auch auf Geistiges festgelegt - das lässt Du einfach außen vor, weil es naturalistischen Gedankengängen nicht folgt, nicht wahr?
Es geht nicht um „naturalistische Gedankengänge“, sondern darum, dass Wahrnehmung keinerlei Wirklichkeitserkennung aufbauen kann, wenn nicht eindeutig eine Interaktion mit einer Wahrnehmungsunabhängigkeit vorliegt (siehe Kätzchenexperiment).
Dem philosophisch/religiösen Wort „Geist“ kann weder ein Inhalt noch eine „Interaktion mit einer Wahrnehmungsunabhängigkeit“ unterstellt werden -> keine Wirklichkeit.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Eine „höchste Intelligenz“ würde keinen Wirklichkeitswiderspruch einbauen, wenn das Wirklichkeitsverständnis derart elementar ist.
Dann müsstest Du Dir die Genesis vornehmen, WARUM es eigentlich den sog. "Sündenfall" gibt - DA sind die Antworten.
Achso, weil ein Mensch in einen Apfel gebissen hat, um „Denken“ zu können, wurde ihm kurzer Hand ein Basismechanismus eingebaut, der ihm bei der Erlösung von seiner „Schandtat“ ganz gehörig im Weg steht.
(„schöne Geschichte“)

closs
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#1900 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von closs » So 6. Mär 2016, 11:09

SilverBullet hat geschrieben:Dass dieser Mechanismus nicht als Ablauf im Verstehen/Bewusstsein verwaltet wird, ist klar und genau das habe ich geschrieben.
Aber dieser Mechanismus gilt doch auch für Geistiges. - Das Problem: Da man Geistiges naturalistisch interpretieren kann, subsummiert man es unter "Naturalismus".

SilverBullet hat geschrieben:Warum schreibst du nicht, was da nicht stimmen soll?
Weil ich noch nachdenke. - Vermutlich ist obige Anmerkung bereits die Antwort:
Da man Geistiges naturalistisch interpretieren kann, subsummiert man es unter "Naturalismus" - fälschlicherweise. - Man nimmt also etwas Geistiges weg und fragt dann den anderen, wo es ist.

SilverBullet hat geschrieben:Es geht darum, ob sich ein Mensch entscheiden kann, ob er „seine Vorstellung“, das Verstehen, als Wirklichkeit ansieht oder nicht.
Es gibt zwei Fälle:
1) "Ich nehme einen Stein und lasse ihn auf den Fuß fallen. Ich erkenne dadurch NICHT, ob dieser Stein als Vorstellung einen Schmerz verursacht oder als Entität (also "echt")".
2) "Ich stelle mir vor, eine Weltreise zu machen und erkenne, dass es lediglich eine Vorstellung ist".

SilverBullet hat geschrieben:Das bedeutet, selbst bei den „Fachleuten im Überwinden der eigenen Funktionsweise“ wird eine Verlagerung in nicht nachvollziehbare Zusammenhänge (weitere Leben) benötigt, um den „Eindruck einer Überwindbarkeit des Basismechanismus“ zu erzeugen.
Welchen Sinn macht dies alles, wenn man eh nicht wissen kann, ob der Stein "echt" ist?

SilverBullet hat geschrieben:Wenn du von „was ist, ist eh unabhängig von kognitiver Nachvollziehbarkeit“ sprichst, hat das keinerlei Bedeutung, weil du „das Andere“ nie erreichen wirst.
Klassisch anthropozentrischer Trugschluss:
Du meinst: Es hat keiner Bedeutung FÜR DICH - ob es darüber hinaus eine Bedeutung hat, weisst Du einfach nicht.

SilverBullet hat geschrieben:Dem philosophisch/religiösen Wort „Geist“ kann weder ein Inhalt noch eine „Interaktion mit einer Wahrnehmungsunabhängigkeit“ unterstellt werden -> keine Wirklichkeit.
Das haut nicht hin - es ist ebenfalls anthropozentrisch gedacht.

Stelle Dir vor, Geist wäre tatsächlich Wirklichkeit - und er würde uns hier zuhören. - Er müsste dann hören, warum er keine Wirklichkeit sein kann. - In anderen Worten:

Wir können definieren, was wir unter "Wirklichkeit" verstehen, nicht aber, was Wirklichkeit "ist".

SilverBullet hat geschrieben:Achso, weil ein Mensch in einen Apfel gebissen hat, um „Denken“ zu können, wurde ihm kurzer Hand ein Basismechanismus eingebaut, der ihm bei der Erlösung von seiner „Schandtat“ ganz gehörig im Weg steht.
Viel zu einfach - bzw. zu kompliziert.

Der Sündenfall steht für den Eintritt des Menschen in eine Welt aus Materie und Geist, die gleich präsent, aber unterschiedlich wahrnehmbar sind.

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