closs hat geschrieben:
Was ist denn die Katharsis dieses Stückes aus DEINER Sicht?.
Die Katharsis besteht bei Sophokles darin, dass man einsieht, dass
Verblendung eine menschliche Eigenschaft ist, die eine "Sünde" darstellt. Bei Hiob besteht sie im Vertrauen darauf, dass alles recht ist, was der Gott macht, - und mag es noch so *Scheiße* sein.
closs hat geschrieben:
... und wäre nie auf die Idee gekommen, beide mit dem Hiob-Verfasser zu vergleichen. - Hier steht ein dramatisches Theaterstück versus dialektisches Lehrstück gegenüber.
Doch, man kann sie vergleichen, und Hiob ist kein dialektisches Lehrstück. Der Verfasser des Buches Hiob wusste nicht, was Dialektik überhaupt ist. Vergleichen kann man beide Bücher, weil Sophokles
Oidipous Basileus von viel höherer Geistigkeit zeugt, als dies das Buch Hiob tut.
closs hat geschrieben:Thaddäus hat geschrieben:Das mag daran liegen, dass du umgekehrt die großen Werke der Weltliteratur in ihrer meisterlichen Tiefgründigkeit nicht so recht verstehst?!
Das kann man nie ausschließen - nimm aber zur Kenntnis, dass es mal mein Beruf war, die europäischen dramatischen Schriften von Aischylos bis zur Klassik/Romantik zu kennen.
Das will ich dir auch gar nicht absprechen. Aber wenn du dich mit mir über die Auslegung der Klassiker unterhalten willst, dann möchte ich auch bemerken dürfen, dass deine Interpretation stimmiger als meine ist.
closs hat geschrieben:Ich traue Dir intellektuell sehr wohl zu, Schriften kohärent zu lesen - aber eben aus der Formatierung Deines Weltbildes heraus.
Ich habe es nicht nötig, mir von einer christlich-katholischen Sicht erklären zu lassen, was angeblich mein Weltbild ist.
Ich habe oben Sophokles Drama
König Ödipus so interpretiert, wie es seiner Zeit und Geisteskultur entspricht. Wenn du mir nachweisen kannst, dass diese nicht-christlich-okkupierende Interpretation nicht stimmig ist, dann reden wir weiter. Nicht ich versuche den griechischen Dramatiker Sophokles christlich-geistlich zu vergewaltigen, sondern du, der du ihm eine viel spätere christlich-moralisierende Sichtweise für die Interpretation überstülpen willst.
closs hat geschrieben:Thaddäus hat geschrieben:Weil es eben auch nötig war, der paulinischen Lehre etwas mehr griechischen Geist und griechische Kultur zu verpassen, - WEIL es eben nicht die überlegene Weltsicht war.
Oder gerade, weil es DOCH die überlegene Weltsicht war. - Wie erkläre ich es meinem Kinde?
Das ist ganz einfach.
Offensichtlich lässt der Verfasser der Apg. Paulus eine kunstvolle Rede im Stile der Sophisten vor dem Areopag halten, um sich einer Anklage zu entziehen. Das würde er nicht tun, wenn er es nicht für nötig hielte.
Und das war es auch schon ...
closs hat geschrieben:Thaddäus hat geschrieben:Pneuma und Spiritus sind ursprünglich profane Begriffe, die von einem christlichen Verständnis okkupiert und umgedeutet wurden
Historisch ganz einfach falsch - die Ruach ist älter. - Die hebräische Kultur ist älter als die griechische.
Das meinst du jetzt aber nicht im Ernst?!
Der
Ruach Elohim ist etwas ganz anderes als der
nous der Griechen und das
mens der Römer, die beide
säkulare Begriffe sind. Außerdem hat der
Ruach der Hebräer nichts zu tun mit (d)einer katholischen Geistlichkeit eines spiritus sanctus.
Da gibt es auch keine weitere Diskussion drüber. Das ist einfach Unsinn.
closs hat geschrieben:
Ich rekrutiere "Geist" nicht aus der griechischen, sondern aus der hebräischen Kultur - also der älteren Kultur.
Das heißt, du stülpst den säkularen Begriffen
nous und
mens das althebräische Verständnis von
ruach über, welches aus einer völlig anderen Kultur stammt. Genau das nenne ich christlich-geistliche Vergewaltigung und Okkupation von Begriffen.
closs hat geschrieben:Gemessen an der Ruach, wurde "Geist" von den Griechen okkupiert. - Aber darüber müssen wir uns nicht streiten - das könnte man sprachlich lösen.
Natürlich kann man das sprachlich lösen! Die Griechen haben nämlich ihren Begriff
nous ganz allein selbst erfunden. Und sie wussten auch nichts von den althebräischen Schiften. Die hatten ihren Homer und ihren Herodot und dann ihre Philosophen und Dramatiker. Die waren doch nicht auf religiöse Schriften aus dem hintersten Winkel Palästinas angewiesen.
closs hat geschrieben:
Das eigentliche Problem ist, dass DEIN Verständnis von "Geist" etwas vollkommen anderes beschreibt als das, was in der europäischen Kulturgeschichte unter "spiritus" verstanden wurde
Die europäische Kultur beginnt nicht mit dem Christentum, wie du ernsthaft zu meinen scheinst. Sie beginnt mit Homer, Herodot und den ionischen Naturphilosophen, die bereits mehr über die Welt und das Universum herausgefunden hatten, als alles hebräische Schrifttum zusammen!
closs hat geschrieben:Thaddäus hat geschrieben:Dann lass' mal hören, inwiefern ich komplett daneben liege ...
Du vergleichst Äpfel mit Birnen - als wären beide auf selber Ebene unterwegs und dort im Wettbewerb.
Na das ist ja ein Superargument! Da kann ich natürlich nichts gegen erwidern ...
closs hat geschrieben:Thaddäus hat geschrieben:Ich verstehe die biblischen Schriften sehr gut und kann sie auch als kulurelle Leistungen würdigen.
Das glaube ich Dir - aber niemand kann sie substantiell verstehen, wenn man Dein Weltbild hat.
Es ist genau umgekehrt: man kann sie nicht verstehen, wenn man bereits ein christlich-katholisches Verständnis hat, denn dann stülpt man ALLEM nur noch sein christlich-katholisches Weltbild über, wie das bei dir ziemlich gut zu beobachten ist.
