Alles Teufelszeug?

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Thaddäus
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#1831 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Thaddäus » Sa 5. Mär 2016, 12:05

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:
closs hat geschrieben: Dies ist die Geburtsstunde des Lobbyismus, füge ich hinzu. - Nicht mehr die Frage, OB etwas gut ist, sondern WOZU etwas gut ist, steht im Vordergrund.
Nein, es ist die Geburtstunde der Gerichtsrede und der Redekunst.
Wieso "nein"? - Ist Deine Begründung kein "ja"?
Wieso "ja"? Ich kann doch nicht zustimmen, wenn du etwas Falsches schreibst: Staatsanwälte und Verteidiger sind keine Lobbyisten und Gerichtsrede und der Redekunst sind keine Merkmale von Lobbyisten oder Lobbyismus.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben: "Geist" im christlichen Sinne gibt es nicht, was soll das sein?
Das war keine romantische Aussage, sondern eine Spezifizierung meinerseits, damit Du nicht wieder mit naturalistischem Geist kommst.
Dann nehme ich meine Aussage zurück, es gäbe "Geist" nicht im christlichen Sinne, sondern korrirgiere sie dahin, dass du den begriff "Geist" ausschließlich christlich interpretierst, was seiner säkularen Bedeutung nicht gerecht wird.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Die Romantik ist keine Überwindung der Aufklärung, sondern eine Gegenbewegung zur Aufklärung.
Das widersprichst sich nicht.
Doch, das widerspricht sich, denn wenn eine geitstige Strömung oder eine bestimmte Idee, ein Modell oder eine Theorie überwunden ist, dann spielt sie keine Rolle mehr. Die Aufklärung spielt aber weiter eine Rolle, schon darum, weil unsere moderne Wissenschaft, Kultur und Politik weitaus mehr auf Ideen der Aufklärung beruht, als auf christlichen.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:denn der Geist ist gerade das Zeichen für Intellekt und Intellektualität einer Epoche oder bestimmter Menschen.
Klares Nein. - "Spiritus" ist NICHT IQ-gekoppelt - wenn ja, um so besser, aber substantiell irrelevant. - Aber wie Du siehst: "Geist" ist sehr unterschiedlich besetzt - aus christlicher Sicht wäre Deine Annahme ein irreführendes Missverständnis.
Ich spreche nicht von IQ, sondern von Intellekt und Intellektualität, die sich nicht im IQ erschöpfen, sondern vielmehr etwas mit Bildung zu tun haben.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:. Deine christlich-moralisierende Sicht auf dieses philosophische Lehrstück wird seinem intellektuellen Anspruch schlicht in keiner Weise gerecht.
DAS ist korrekt. - Das ist auch nicht das Ziel.
Eben. Dein Ziel einer christlich-moralisierende Sicht auf die säkulare Kultur wird weder der Kultur, noch der obigen Geschichte gerecht.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Dann begreifst du auch nicht, worum es in diesem Drama geht.
Diese Geschichte zeigt aber (in unserem Zusammenhang), dass Suche/WIssen-Wollen in die Katastrophe führen kann. - Auf dieses Motiv kommt es mir an, weil dieses Motiv klassisch und aufgeklärt ist. - Und das ist, was die Romantik checkt.
In Sophokles Drama König Ödipus geht es nicht darum, dass "Suche/WIssen-Wollen in die Katastrophe führt". Die Götter lassen nicht deshalb die Pest in Theben wüten, weil Ödipus herausfinden will, warum die Götter offenbar erzürnt sind. Sie haben die Pest auch nicht darum über Theben hereinbrechen lassen, weil Ödipus seinen eigenen Vater erschlagen und seine eigen Mutter geheiratet hat, denn er weiß ja gar nicht, dass es sein Vater war, den er erschlagen hat und es seine Mutter ist, die er geheiratet hat!
Die Götter sind erzürnt und bestrafen Ödipus und Theben deshalb, weil König Ödipus trotz aller Indizien auf die eigenen Verfehlungen (für die er gar nichts kann), in verstockter Weise nicht erkennt, dass er selbst derjenige ist, der Verfehlungen begangen hat (wenn auch unwissentlich). Sie bestrafen seine Verstocktheit und Uneinsichtigkeit! Erst als er den blinden Seher Teiresias fragt, welcher Mann die Schuld trägt und der ihm schließlich antwortet: "DU bist dieser Mann!", erkennt Ödipus das ganze tragische Ausmaß seiner "Blindheit", seiner Einsichtsblindheit. Deshalb reißt er sich in Verzweiflung die Augen aus: weil sie ihm nicht geholfen haben, die Wahrheit zu erkennen. DAS ist wahre, diffizil und meisterlich in dramtaische Form gebrachte Tragik. Da mag das Buch Hiob noch so sehr Weltlitaratur sein. Es hat der dramatischen Meisterlichkeit und hohen Geistigkeit eines Sophokles und Euripides wenig entgegenzusetzen.

closs hat geschrieben: Im übrigen: Es fällt auf, dass Du - nunja - sehr selbstsicher bist, wenn es um das Verständnis großer Werke der Geistesgeschichte geht. ;)
Das mag daran liegen, dass du umgekehrt die großen Werke der Weltliteratur in ihrer meisterlichen Tiefgründigkeit möglicherweise nicht so recht verstehst?! ;)

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Paulus diese Rede halten zu lassen war kein Fehler des Verfassers der Apg., sondern sein eher hilfloser Versuch, ihn nicht als den Deppen dastehen zu lassen
Vielleicht hat er auch versucht, seine aus seiner Sicht überlegene Weltsicht in deren Sprache zu übersetzen (man muss die Leute da abholen, wo sie sind).
Ganz sicher hat der Verfasser der Apg. das versucht. Weil es eben auch nötig war, der paulinischen Lehre etwas mehr griechischen Geist und griechische Kultur zu verpassen, - WEIL es eben nicht die überlegene Weltsicht war.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Du verwendest wiederum den Ausdruck "geistig" falsch, weil du "christlich-geistlich" meinst und nicht "geistig".
Ich meine es im Sinne von "Spiritus". - Aber hier haben wir ein Problem, das ich schon oft beklagt habe: Die sog. "Aufklärung" hat rundum ihre semantischen Shifts durchgeführt, so dass Begriffe wie "Geist" (auch "Bewusstsein") mit der traditionellen, erheblich anderen Definition nicht mehr viel zu tun haben. - Warum hat man nicht NEUE Worte gesucht, wenn man anderes ausdrücken will?
Da drehst du die Faktenlage einfach um. Pneuma und Spiritus sind ursprünglich profane Begriffe, die von einem christlichen Verständnis okkupiert und umgedeutet wurden, so dass sie heute gar nicht mehr anders verstanden werden, als in ihrer christlichen Bedeutung. Gr. Pneuma heißt ursprünglich "Atemseele" und in der stoischen Philosophie bezeichnet es ein alles durchdringendes, feinstofflich-dynamisches Element (eine Art feurigen Hauch). Lat. Spiritus heißt ursprünglich "Atem" und "Hauchen", was mit dem christlichen sanctus spiritus nichts zu tun hat.
Der säkulare Ausdruck Geist, den du ausschließlich christlich okkupiert verwendest, also als Bezeichnung für eine Transzendenz oder abweichend im Sinne von geistlich, ist im Griechischen der nous (= die menschliche Fähigkeit, etwas geistig zu erfassen) und im Lateinischen mens (= Denken).


closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben: Es gab dort keine Kultur und die, die man dort finden konnte, hatten die Römer dorthin gebracht.
O.o. - Der nächste semantische Shift: Du verstehst wohl unter "Kultur" säkulare Geist-Leistungen.
Nein, denn Griechen und Römer hatten ja Götter. Die machten aber nicht ihre ganze Kultur aus, wie bei den Israeliten. Außerdem drängten die ihre Götter anderen Völkern nicht auf, sondern suchten eher danach, welche der fremden Götter, welchen der eigenen entsprachen. Sie assimilierten fremde Götter.

closs hat geschrieben:Wärest Du überrascht, wenn man "Hiob" als eines der größten Werke der Weltliteratur nennen würde?
Nein, natürlich nicht. Der babylonische Gilgamensch-Epos ist ebenfalls Weltliteratur, kann den griechischen Epen und Tragödien und ihrer Lyrik (auch der römischen) aber ebenfalls nichts entgegensetzen.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Geprägt durch 1500 christlicher Geschichte vor allem im Abendland, haben wir uns lediglich daran gewöhnt, alles Christliche positiv zu bewerten.
Das kritisiere ich genauso wie Du - weil die Zustimmer meistens nicht wissen, welcher Kultur sie da zustimmen.
Warum okkupierst du dann den säkularen Begriff Geist weiterhin christlich?

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben: Kulturell und moralisch bedeutete die Ausbreitung des Christenums aber eine geistige Katastrophe gemessen an dem, was andere Völker und im Besonderen die Griechen an Kultur längst erreicht hatten.
Inhaltlich bist Du hier komplett daneben - aber: Es zeigt, was Du unter Kultur verstehst.
Dann lass' mal hören, inwiefern ich komplett daneben liege ... :wave:

closs hat geschrieben: Mit Deinen Auffassungen KANNST Du die Bibel nicht ansatzweise verstehen - das ist, als würde man mit einem Schuhlöffel Kuchen backen wollen.
Ich verstehe die biblischen Schriften sehr gut und kann sie auch als kulturelle Leistungen würdigen. Ich verkläre sie nur nicht christlich, wie du es offensichtlich tust. ;)
Zuletzt geändert von Thaddäus am Sa 5. Mär 2016, 14:29, insgesamt 7-mal geändert.

closs
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#1832 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von closs » Sa 5. Mär 2016, 12:45

sven23 hat geschrieben: Im übrigen sind Dogmen doch gerade Ausdrück eines Wahrheitsanspruchs.
Einer geglaubten Wahrheit - ja.

Münek hat geschrieben: für die Wissenschaft kommt ein solch anmaßender Unsinn nicht in Betracht.
Ja - sie macht noch kürzeren Prozess und sagt "Ich weiss es". :lol: - Man schafft Glauben ab, indem man Glauben Wissen nennt.

Münek hat geschrieben:Für die Menschen (einschließlich Wissenschaftler) besteht keine Notwendigkeit, die Existenz einer subjektun-abhängigen Welt zu setzen.
Eben - das ist doch der Punkt. - Sie ersetzt Glauben durch Wissen, obwohl sie es gar nicht wissen KANN.

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sven23
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#1833 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von sven23 » Sa 5. Mär 2016, 13:21

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Im übrigen sind Dogmen doch gerade Ausdrück eines Wahrheitsanspruchs.
Einer geglaubten Wahrheit - ja.
.
Das klingt so relativierend. Wenn es so harmlos wäre, dann bestünde kein Grund, anders- und nicht Gläubige zu ermorden.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

Hemul
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#1834 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Hemul » Sa 5. Mär 2016, 13:26

Wie weit ist es eigentlich noch bis nach Hornberg? :roll: Hoffentlich kommen wir noch rechtzeitig zum dortigen Schießen an. :lol:
https://de.wikipedia.org/wiki/Hornberger_Schie%C3%9Fen
Hornberger Schießen
Stadtbrunnen von Hugo Knittel in Hornberg, Landsknecht und Narr weisen auf das Hornberger Schießen hin. Inschrift:
Jedwedes Kind auf der weiten Erd v.
Hornberger Schiessen schon hat
gehört, das Pulver ging aus zur
schönsten Stund, so dass man nicht
mehr schiessen kunnt
! Anno 1564

Das Hornberger Schießen ist das Ereignis, das die Redewendung „das geht aus wie das Hornberger Schießen“ hervorgebracht hat. Die Wendung wird gebraucht, wenn eine Angelegenheit mit großem Getöse angekündigt wird, aber dann nichts dabei herauskommt und sie ohne Ergebnis endet
.
8-)
denn die Waffen, mit denen wir kämpfen, sind nicht fleischlicher Art, sondern starke Gotteswaffen zur Zerstörung von Bollwerken: wir zerstören mit ihnen klug ausgedachte Anschläge (2.Korinther 10:4)

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Savonlinna
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#1835 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Savonlinna » Sa 5. Mär 2016, 13:55

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben: für die Wissenschaft kommt ein solch anmaßender Unsinn nicht in Betracht.
Ja - sie macht noch kürzeren Prozess und sagt "Ich weiss es". :lol: - Man schafft Glauben ab, indem man Glauben Wissen nennt.
Du diffamierst erneut - wider besseres Wissen" - die Wissenschaft.

Differenziertes Denken geht leicht hopps, wenn man plakativ die eigene Sicht durchboxen will.
Münek ist kein Wissenschaftler, und er versteht nichts davon. Er kapiert nicht, dass Wissenschaft per definitionem sowohl die wissenschaftliche Methode als auch das zu untersuchende Feld klar umreißen und damit auch Prämissen setzen muss.

Das rechtfertigt aber nicht, dass Du genauso dilettantisch pauschal der Wissenschaft unterstellst, sie schaffe Glauben ab, indem sie Glauben Wissen nenne.

Diese Pauschalität kennzeichnet Dich. Man kann Dich zwar ab und zu darauf aufmerksam machen, und dann wird wieder eine Weile sorgfältig argumentiert - aber die Lust am Pauschalisieren nimmt immer wieder neu überhand, darum sind Deine Texte so wenig wert und können nur noch langweilen. Ich kann sie, wenn sie länger sind, nicht mal mehr runterkriegen.

Das Niveau, auf dem Du Dich bewegst, ist indiskutabel.

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#1836 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von closs » Sa 5. Mär 2016, 14:02

SilverBullet hat geschrieben:Auch Philosophen entscheiden hierbei nichts, sie beachten bloss Zusammenhänge nicht und denken sich in Positionen hinein, die sie gar nicht einnehmen können.
Ja - aber sie WISSEN nicht, ob das, was sie "sehen", "echt" ist oder Vorstellung. Und das entscheiden sie per Glaubens-Aussage ("Es ist echt alias unabhängig von meiner Vorstellung").

SilverBullet hat geschrieben:Wurde das Weltbild eigentlich auch vom Schöpfer erschaffen?
Das Potenzial dazu - ja.

SilverBullet hat geschrieben:ich dachte das christliche Weltbild möchte vermitteln, dass die „Hinwendung zu Gott“ die zentrale Handlung für einen Menschen sein soll.
Es ist das Ziel, auf das man im Dasein sein Handeln ausrichten soll. - Insofern werden die naturalistischen Einrichtungen des Menschen schon gebraucht.

Etwas sprachlich dick aufgetragen: "Der Mensch soll alles, was er im Hier tut 'Ad maiorem Gloriam Dei' genießen oder ertragen". - Aber auch: Es gäbe kein Hier, wenn es nicht als solches wertvoll wäre.

SilverBullet hat geschrieben:Diese „spätere Setzung“ („geistige Welt“) kam auf, weil „unbekannte Denker“ mit der anfänglichen Setzung von „Gott“ nicht mehr ganz zufrieden waren.
Das "Spätere" ist ausschließlich Folge menschlicher Entwicklung - als der Mensch noch Affe war, hat er sich nur um das Hier und Jetzt gekümmert. - Nachdem heute diese Auffassung wieder an Boden gewinnt, sind die Schlussfolgerungen ähnlich wie in der "vor-geistigen" Zeit.

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#1837 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von closs » Sa 5. Mär 2016, 14:55

Thaddäus hat geschrieben:Staatsanwälte und Verteidiger sind keine Lobbyisten und Gerichtsrede und der Redekunst sind keine Merkmale von Lobbyisten oder Lobbyismus.
Aber selbstverständlich ist das so. - Ich meine dabei Lobbyist nicht im Sinne einer engen Bedeutungs-Führung ("Lobbyist in Brüssel"), sondern im Sinne von: "Interessensvertreter in Gesellschaft und Poitik" - jemand, der nie fragt, OB etwas gut ist, sondern WOZU es gut ist (nämlich seine Interessen).

Thaddäus hat geschrieben:sondern korrirgiere sie dahin, dass du "Geist" ausschließlich christlich interpretierst, was seiner säkularen Bedeutung nicht gerecht wird.
Das ist korrekt. - Der semantische Shift ist zu groß - wir haben deshalb in guter akademischer Tradition immer gesagt "<Begriff> im Sinne von Hegel, Marx, Dick oder Doof" - weil jeder etwas anderes darunter versteht.

Thaddäus hat geschrieben:denn wenn eine geitstige Strömung oder eine bestimmte Idee, ein Modell oder eine Theorie überwunden ist, dann spielt sie keine Rolle mehr.
Das stimmt nicht: Wenn sie "richtig" überwunden ist, ist sie verarbeitet, also entweder inhaltlich als Irrtum verworfen oder als in ihrem Bereich gültig. - Letzteres trifft auf "Vernunft" im naturalistischen Sinne zu - sie wird etwa in der Naturwissenschaft gebraucht.

Die Romantik hat die Vernunft nicht verworfen, sondern erkannt, dass sie "bis dahin" kann und nicht weiter - "bis dahin" kann sie trotzdem das Mittel der Wahl sein.

Thaddäus hat geschrieben:Ich spreche nicht von IQ, sondern von Intellekt und Intellektualität, die sich nicht im IQ erschöpfen, sondern vielmehr etwas mit Bildung zu tun haben.
Oje - was ist Bildung? - Ich erkenne heute fast ausschließlich nur noch (berufliche) Ausbildung.

In MEINEM Verständnis von "Bildung" stimmt ich Dir zu - ich möchte aber Wetten, dass Du geistige ("spiritus") Bildung gerade NICHT als Attribut Deines Bildungs-Verständnisses verstehst. - Und schon fällt die Katze wieder auf die alten Füße.

Thaddäus hat geschrieben: Dein Ziel einer christlich-moralisierende Sicht auf die säkulare Kultur wird weder der Kultur, noch der obigen Geschichte gerecht.
Es wird einem semantisch geshifteten Kultur-Begriff und Deiner Interpretation von Rhetorik NICHT gerecht, weil sie es nicht will.

Außerdem ist "moralisierend" unrichtig - lies mal Bubers AT-Übersetzung - ich habe nie mehr gelernt als da, wie man durch Sprache das Moralisierende durch Phänomenisierendes ersetzen kann. - Keine Spur von Moral, sondern einfach die (übrigens sehr genaue) Wiedergabe des Phänomens: "So-ist-es". - Ich habe Christentum nie als moralisierend verstanden, sondern immer als Phänomene-Beschreibendes. - Das Moralisierende kommt durch Interpretation (und schon wären wir wieder beim Unterschied zwischen griechischem und hebräischen Denken - unter dem Vorbehalt, dass Buber hier nicht einen Streich spielt, was ich nicht glaube).

Thaddäus hat geschrieben:In Sophokles Drama König Ödipus geht es nicht darum, dass "Suche/WIssen-Wollen in die Katastrophe führt".
"Der blinde Seher Teiresias enthüllte widerwillig, von Ödipus dazu gedrängt, diesen als den Mörder des Laios. Ödipus glaubte ihm nicht, kam jedoch nach eigener Untersuchung der alten Vorfälle selbst zu der Erkenntnis, dass er Laios getötet hatte, dass Laios sein Vater und Iokaste, seine Frau, auch seine Mutter ist. Daraufhin erhängte sich Iokaste an ihrem Schleier und Ödipus stach sich mit zwei goldenen Nadeln aus Iokastes Gewand die Augen aus".

Darum geht es mir: Hätte Ödipus auf den weisen Teiresias gehört, hätte es keine Katastrophe gegeben - aber Ö. wollte wissen - mit der Folge einer toten Iokaste und eines blinden Mannes. - Das offene Ende KÖNNTE nichtsdestoweniger zu einem Sehen in höherer Form führen - siehe Bielam:
„Erlauten des Mannes erschlossenen Augs, Erlauten des Hörers göttlicher Sprüche, Mitwissers um das Wissen des Höchsten, der die Schau des Gewaltigen schaut, hinsinkend, bar die Augen" (Numeri 24,16) - Das wäre dann die Katharsis.

Was ist denn die Katharsis dieses Stückes aus DEINER Sicht?

Thaddäus hat geschrieben:Da mag das Buch Hiob noch so sehr Weltlitaratur sein. Es hat der dramatischen Meisterlichkeit eines Sophokles und Euripides wenig entgegenzusetzen.
Ich kenne den "Klassiker" Sophokles und "Romantiker" Euripides (Stichwort: romantische Ironie) relativ gut - und wäre nie auf die Idee gekommen, beide mit dem Hiob-Verfasser zu vergleichen. - Hier steht ein dramatisches Theaterstück versus dialektisches Lehrstück gegenüber.

Thaddäus hat geschrieben:Das mag daran liegen, dass du umgekehrt die großen Werke der Weltliteratur in ihrer meisterlichen Tiefgründigkeit nicht so recht verstehst?!
Das kann man nie ausschließen - nimm aber zur Kenntnis, dass es mal mein Beruf war, die europäischen dramatischen Schriften von Aischylos bis zur Klassik/Romantik zu kennen.

Ich würde es eher anders und neutraler formulieren:
Geistige Paradigmen-Wechsel führen zu einem anderen Verständnis. - Ich traue Dir intellektuell sehr wohl zu, Schriften kohärent zu lesen - aber eben aus der Formatierung Deines Weltbildes heraus.

Thaddäus hat geschrieben:Weil es eben auch nötig war, der paulinischen Lehre etwas mehr griechischen Geist und griechische Kultur zu verpassen, - WEIL es eben nicht die überlegene Weltsicht war.
Oder gerade, weil es DOCH die überlegene Weltsicht war. - Wie erkläre ich es meinem Kinde?

Thaddäus hat geschrieben:Pneuma und Spiritus sind ursprünglich profane Begriffe, die von einem christlichen Verständnis okkupiert und umgedeutet wurden
Historisch ganz einfach falsch - die Ruach ist älter. - Die hebräische Kultur ist älter als die griechische.

Thaddäus hat geschrieben:Der säkulare Ausdruck Geist, den du ausschließlich christlich okkupiert verwendest, also als Bezeichnung für eine Transzendenz oder abweichend im Sinne von geistlich, ist im Griechischen der nous (= die menschliche Fähigkeit, etwas geistig zu erfassen) und im Lateinischen mens (= Denken).
Ich rekrutiere "Geist" nicht aus der griechischen, sondern aus der hebräischen Kultur - also der älteren Kultur. - Dass dies dann im NT vermischt wurde, weil damals das Griechische dominant war, ist richtig. - Genau aus diesem Grund bedauere ich es, dass Paulus auf griechische geschrieben hat. - Allein die Übersetzung von "memra" in "logos" ist eine Irreführung.

Thaddäus hat geschrieben: denn Griechen und Römer hatten ja Götter.
Das waren keine geistigen, sondern säkulare Götter.

Thaddäus hat geschrieben:Warum okkupierst du dann weiterhin den säkularen Begriff Geist weiterhin christlich?
Gemessen an der Ruach, wurde "Geist" von den Griechen okkupiert. - Aber darüber müssen wir uns nicht streiten - das könnte man sprachlich lösen.

Das eigentliche Problem ist, dass DEIN Verständnis von "Geist" etwas vollkommen anderes beschreibt als das, was in der europäischen Kulturgeschichte unter "spiritus" verstanden wurde - bei dieser Gelegenheit: Die erste Uni-Vorlesung in deutscher Sprache auf deutsch-sprachigem Boden fand meines Wissens irgendwann im 18. Jh. in Freiburg/Schweiz statt - die ganze "Geist"-Literatur bis ins 18. Jh. kannte also nur "spiritus" - und das ist etwas ganz anderes als "Dein" "Geist".

Thaddäus hat geschrieben:Dann lass' mal hören, inwiefern ich komplett daneben liege ...
Du vergleichst Äpfel mit Birnen - als wären beide auf selber Ebene unterwegs und dort im Wettbewerb.

Das Christliche thematisiert unterm Strich nicht die Verfeinerung säkularer Lebensart, sondern spricht immer im Kontext des "Diesseits - Jenseits". - Beide Ansätze haben soviel gemein wie "Schriftsteller" und "Schriftsetzer". - Das Problem: Der Schriftsetzer geriert sich mit der Zeit als Schriftsteller - dadurch entsteht dann wirklich eine Konkurrenz - übrigens dasselbe Thema wie bei "HKM" und "kanonisch".

Thaddäus hat geschrieben:Ich verstehe die biblischen Schriften sehr gut und kann sie auch als kulurelle Leistungen würdigen.
Das glaube ich Dir - aber niemand kann sie substantiell verstehen, wenn man Dein Weltbild hat.

Thaddäus hat geschrieben: Ich verkläre sie nur nicht christlich, wie du es offensichtlich tust.
Nee - gar nicht. - Für mich ist das Christentum der nach meinem Horizont gelungenste Versuch, ein universales Weltbild zu thematisieren - mir geht es ausschließlich um das Universale. - Die Aufhebung der Dialektik.

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#1838 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Pluto » Sa 5. Mär 2016, 16:07

closs hat geschrieben: Ich meine dabei Lobbyist nicht im Sinne einer engen Bedeutungs-Führung ("Lobbyist in Brüssel"), sondern im Sinne von: "Interessensvertreter in Gesellschaft und Poitik" - jemand, der nie fragt, OB etwas gut ist, sondern WOZU es gut ist (nämlich seine Interessen).
Geht es uns nicht allen gleich, im Kleinen wie im Großen?
Sind wir nicht alle darauf aus, unsere eigenen Interessen und Meinungen, anderen einreden zu wollen?

closs hat geschrieben:Der semantische Shift ist zu groß - wir haben deshalb in guter akademischer Tradition immer gesagt "<Begriff> im Sinne von Hegel, Marx, Dick oder Doof" - weil jeder etwas anderes darunter versteht.
Das ist keine Antwort auf die Frage. Das Wort Geist bedeutet heute nun mal nur etwas Christliches. Im Gegenteil: Darauf zu pochen, dass es nur im christlichen Sinn interpretiert werden DARF, deutet auf ein obskurantistisches Motiv hin.

closs hat geschrieben:Oje - was ist Bildung? - Ich erkenne heute fast ausschließlich nur noch (berufliche) Ausbildung.
Das entspricht absolut nicht meinen Erfahrungen.

closs hat geschrieben:Ich habe Christentum nie als moralisierend verstanden, sondern immer als Phänomene-Beschreibendes.
Genau das ist aber das Motiv vieler Fundamentalisten. Sie wollen unbedingt die veralteten biblischen Moralvorstellungen wieder einführen, und merken nicht, dass die Zeit sie links überholt hat.
Wir leben nicht mehr im biblischen Zeitalter.

closs hat geschrieben:Das Moralisierende kommt durch Interpretation.
Das stimmt!
Aber wie heißt es so schön? Wenn das Pferd tot ist, sollte man absteigen.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Pneuma und Spiritus sind ursprünglich profane Begriffe, die von einem christlichen Verständnis okkupiert und umgedeutet wurden
Historisch ganz einfach falsch - die Ruach ist älter. - Die hebräische Kultur ist älter als die griechische.
Das geht nur wenn man die alten Hebräer überhaupt als eine Kultur bezeichnen will.
Zudem lehnt sich das Christentum sehr viel mehr am griechischen Gedankengut (vor allem an den Lehren von Aristoteles) als am Hebräischen.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben: denn Griechen und Römer hatten ja Götter.
Das waren keine geistigen, sondern säkulare Götter.
Hättest du so etwas in jener Zeit gewagt zu sagen, wärst du als Heide im Kerker gelandet.

closs hat geschrieben:Das eigentliche Problem ist, dass DEIN Verständnis von "Geist" etwas vollkommen anderes beschreibt als das, was in der europäischen Kulturgeschichte unter "spiritus" verstanden wurde.
Das stimmt. Der moderne Begriff des Geistes lehnt sich am Bewusstsein an. Vor allem seit der Dualismus des Geistes entzaubert wurde.

closs hat geschrieben:bei dieser Gelegenheit: Die erste Uni-Vorlesung in deutscher Sprache auf deutsch-sprachigem Boden fand meines Wissens irgendwann im 18. Jh. in Freiburg/Schweiz statt - die ganze "Geist"-Literatur bis ins 18. Jh. kannte also nur "spiritus" - und das ist etwas ganz anderes als "Dein" "Geist".
Ja und...?
Begriffe ändern sich und wir schreiben heute das 21. Jahrhundert.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#1839 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von NIS » Sa 5. Mär 2016, 16:13

Pluto hat geschrieben:Die erste Uni-Vorlesung in deutscher Sprache auf deutsch-sprachigem Boden fand meines Wissens irgendwann im 18. Jh. in Freiburg/Schweiz statt - die ganze "Geist"-Literatur bis ins 18. Jh. kannte also nur "spiritus" - und das ist etwas ganz anderes als "Dein" "Geist".
Spiritus brennt Gut! ;) :thumbup: :D
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#1840 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von closs » Sa 5. Mär 2016, 16:20

Pluto hat geschrieben:Geht es uns nicht allen gleich, im Kleinen wie im Großen?
Natürlich - geht mir genauso. - Man bemüht sich zwar, aber es geht einem trotzdem so.

Aber es geht dem Idealismus und eben auch dem Christentum in seiner Reinform (also so, wie es idealerweise gemeint ist - die andere Wange hinhalten) NICHT so.

Pluto hat geschrieben:Darauf zu pochen, dass es nur im christlichen Sinn interpretiert werden DARF, deutet auf ein obskurantistisches Motiv hin.
Wenn man ab dem Jahr 2017 mit "Geist "einen Briefträger meint oder eine Pizza meint, habe ich echt nichts dagegen - daran soll es nicht liegen.

Es darf nur nicht sein, dass man Zeiten, in denen die Bedeutung anders war, daran misst - "Heiliger Geist" bedeutet dann eben NICHT "Heiliger Briefträger" oder "Heilige Pizza". - Aber genau das passiert heute: Man liest Augustinus, Descartes, Hegel, etc. und wendet seinen geshifteten Geist-Begriff darauf an.

Pluto hat geschrieben:Das entspricht absolut nicht meinen Erfahrungen.
Es hängt davon ab, was man unter "Bildung" versteht.

Pluto hat geschrieben:Sie wollen unbedingt die veralteten biblischen Moralvorstellungen wieder einführen
Ich bin nicht mal sicher, ob es im AT den Begriff "Moral" überhaupt gab - vielleicht gibt es überhaupt keine veralteten biblischen Moralvorstellungen.

Pluto hat geschrieben:Aber wie heißt es so schön? Wenn das Pferd tot ist, sollte man absteigen.
Pferde sterben nicht dadurch, dass man sie durch Esel ersetzt. ;) - Deinen Satz würde ich umformulieren: Wenn ein Pferd nicht mehr gebraucht wird, reitet man woanders hin oder sattelt ab. - Tot ist es nicht.

Pluto hat geschrieben:Zudem lehnt sich das Christentum sehr viel mehr an die griechische Kultur (Stichwort: Aristoteles) als an der Hebräischen.
Es war in der Tat ein großer Kampf, bis der Neu-Hellenismus aus dem Christlichen wieder entfernt war. - Ja, Du hast recht - ein großes Problem.

Pluto hat geschrieben:Hättest du so etwas in jener Zeit gewagt zu sagen, wärst du als Heide im Kerker gelandet.
Oja - jede Zeit hat ihre Religionen als Feigenblätter gebraucht. - Um so empörter verteidigt man sie, wenn das Feigenblatt abhanden zu kommen droht.

Pluto hat geschrieben:Begriffe ändern sich und wir schreiben heute das 21. Jahrhundert.
[/quote]Siehe oben: Solange man Neu-Bedeutungen eines Wortes nicht auf die Vergangenheit bezieht, ist es ok - zwar lästig, da man alles übersetzen muss, aber ok.

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