Anton B. hat geschrieben:Dein Problem ist und bleibt -- was Du ja anderen auch manchmal durchaus zu recht vorwirfst -- die Aussagen der Wissenschaft über ihre Abgrenzung hinaus zu strapazieren.
So ist es - allein diese Erkenntnis würde schon viel kitten.
Anton B. hat geschrieben:Was sie macht, ist die Intention der Autoren, den Werdegang der Verschriftlichung und Überlieferung, sowie -- im Rahmen ihrer Begründungsfähigkeit -- den historischen Kontext in Kombination mit anderen Wissenscftsdisziplinen entwickeln.
So ist es.
Anton B. hat geschrieben:Das wüsstest Du auch, wenn Du Deine Renitenz gegenüber dem Lesen dieser Art wissenschaftlicher Literatur überwinden könntest.
Verdammt noch mal: Was erzähle ich denn die ganze Zeit mit leider mäßigem Erfolg? - Doch genau das, was Du sagst.
Anton B. hat geschrieben:Nur einer -- nämlich Du -- wird, wie die sprichwörtliche Motte vom Licht, vom Begriff "Wirklichkeit" unwiderstehlich angezogen.
Ja - als Phänomen, auf das es am Ende als einziges ankommt, das aber keiner weiss, sondern nur glauben kann. - Oder geht es hier nur um Wahrnehmungs-Technik-Ranking? - Mir geht es um das, weshalb es überhaupt Wahrnehmung gibt: Die Wirklichkeit. - Und wir haben eben einige Kandidaten, die meinen, sie hätten mit einer bestimmten Methodik ein Monopol auf Wirklichkeits-Bestimmung. - Dagegen setze ich, dass man Wirklichkeit ("das, was ist/war") nur glauben kann UND dieser Glaube je nach weltanschaulicher Setzung unterschiedlich ist.
Anton B. hat geschrieben:Du stellst es so dar, als wenn die Methodik durch direkte "Setzung" vorgegeben wäre. Das ist sie aber nicht.
Deswegen habe ich geschrieben, dass diese Setzung nicht "expressis verbis" sei. - Sie ist methodik-immanent. - Denn wenn man den Satz "Jesus ist Gott" nicht nachweisen kann, ist er methodisch irrelevant. - Somit kann die Bibel nur unter dem Aspekt untersucht werden, dass Jesus nur ein "normaler" Mensch war - unter diesem Aspekt deutet man aber identische Aussagen anders, als wenn Jesus "Gottes Sohn" wäre. - Also blendet man eine Interpretation im Sinne der Wirklichkeits-Möglichkeit "Jesus ist 'Gottes Sohn'" aus - also ist man in Bezug auf die Wirklichkeit nicht ergebnisoffen, eben weil man nur EINE Option ("Jesus ist 'normaler' Mensch") untersucht.
Anton B. hat geschrieben:Du kannst sehr wohl andere Methoden verwenden, wenn sie aber durch den Wissensbegriff nicht ausreichend begründet sind, produzierst Du alles mögliche damit, nur definitionsgemäß eben kein Wissen.
Moment: Was ist "Wissen"? - In der Naturwissenschaft ist dies relativ leicht ermittelbar - man erbringt intersubjektiv nachvollziehbare Ergebnisse und hält sich an Popper, der ausdrücklich ontologisch-philosophische Erwägungen ("Cogito"/"Res extensa") vermeidet und die Welt so nimmt, wie sie im Alltagsverstand verstanden wird. - Also nicht philosophisch, sondern pragmatisch (was ich GUT finde).
In der Geistes-Wissenschaft ist es NICHT bis gar nicht ermittelbar, was "Wissen" ist, da geistes-wissenschaftlich weder ermittelbar ist, ob Jesus "Sohn Gottes" war, noch ob Chopins Nocturne Nr. x über den Tod oder Verzweiflung "spricht" (obwohl man es als geistiger Mensch aus allen Kulturen merkt). - Man kann also nur mit all denen, die es auch verstehen, glauben. - Dies führt dazu, dass man zum ersten Mal im Leben irgend jemanden aus Kasachstan trifft, der "es" auch "merkt", weil eben das Geistige universal, aber eben nicht wissenschaftlich nachweisbar ist.
Mit anderen Worten: Man kann über die Bibel außer Rumedum-Sachen nichts "wissen" - der eigentliche Gehalt ist durch - hier konkret - HKM nicht erreichbar.- Eben weil man dort nur die Intention der Autoren, den Werdegang der Verschriftlichung und Überlieferung, sowie -- im Rahmen ihrer Begründungsfähigkeit -- den historischen Kontext in Kombination mit anderen Wissenscftsdisziplinen entwickeln kann. - Und das ist ja schon eine Menge - aber nichts, was die Substanz der Bibel selbst betrifft.
Genauso wie man bei Chopins Nocturne Nr. x nachzeichnen kann, dass Chopin dieses Stück 1847 geschrieben hat, zu dieser Zeit Lungenentzündung hatte, gerade von seiner Frau verlassen worden war und das Stück auf Papier niedergeschrieben wurde, das in Bologna geschöpft worden war. - Und dass das Notenbild darauf hinweist, dass er damals schon Parkinson hatte, weil es verwackelt ist - und dass es Jahrzehnte lang als Freudentanz rezipiert worden war, weil man es zu schnell gespielt hatte (alles erfundene Sachen - nur zur Verdeutlichung). - Aber man kann NICHT ermitteln, was der geistige Gehalt dieses Stückes ist.
Nun stelle Dir einmal vor, solche musik-wissenschaftlichen Ergebnisse würden zum Zentrum der Pianistik gemacht werden? "Nur die Musikwissenschaft weiss, was das Nocturne Nr. x bedeutet". - Das ist Schwachsinn pur - auch die Musikwissenschaft ist nur ein zwar hilfreicher, aber überhaupt nicht entscheidender Trabant der Musik selbst. - Und genauso spielt die Musik der Bibel nicht in der HKM - sie ist auch nichts anderes als ein Trabant um das Eigentliche. - Das ist doch nicht entwertend gemeint.
Hier aber wird der Eindruck entwickelt, als sei die HKM maßgebliches Instrument für das Eigentliche der Bibel, was ich in höchstem Maße unwissenschaftlich finde - es sei denn, die HKM öffnet sich zum Geistigen hin, wie Ratzinger sagt, was aber die HKM gerade entrüstet ablehnt. - Also was jetzt? - Egal was: Man kann Spirituelles nicht ablehnen und sich gleichzeitig als mehr als als Trabanten innerhalb der Theologie verstehen. - Das ärgert mich: Diese Duschen-und-nicht-naß-werden-wollen-Mentalität.
Und dann wird noch de facto beansprucht, man könne die Bibel nur dann wissenschaftlich untersuchen, wenn man Jesus NICHT als "Sohn Gottes" versteht. - Das geht, wenn man keine tieferen Ansprüche hat - aber die hat man ja. - Also was jetzt? - Ich stelle mir immer vor, wir hätten bei unseren Internationalen Klavierwettbewerben für die Jury die Bedingung gestellt: "Ihr dürft KEIN Klavier spielen können, weil Ihr sonst voreingenommen im Urteil seid". - Wahnsinn - und kaum einer scheint es zu merken.
Anton B. hat geschrieben:Und was Einzeltechniken wie die HKM betrifft: In der Wissenschaft sprechen wir auch von "Begründungsleitern", die zu einem bestimmten Wissen führen.
"Wissen" im Sinne der Methodik - natürlich. - Keiner streitet doch inner-methodisches Wissen ab.
Anton B. hat geschrieben:ede einzelne Sprosse unterliegt dem Anspruch auf vernünftige Begründbarkeit.
Das wäre ein eigenes Thema: Wäre etwa die leibliche Auferstehung Jesu unwahrscheinlich, weil sie naturwissenschaftlicher, also menschlicher Vernunft widerspricht. - Vorsicht. - Es könnte auch eine göttliche Vernunft über unseren menschlichen Vernunft geben.