Allversöhnung

closs
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#1801 Re: Allversöhnung

Beitrag von closs » Do 24. Mär 2016, 09:43

sven23 hat geschrieben:Kann man das mit dem Matrix-Quark mal endlich zu den Akten legen? Wir waren doch eigentlich schon viel weiter.
Dass wir es alle so nicht glauben, ist ja nicht das Thema. - "Weiter" sind wir, wenn wir begreifen, dass wir nicht wissen, was wir glauben.

Es geht NUR darum, diese unsinnige Version zu falsifizieren, dass Naturwissenschaft WEISS und Theologie GLAUBT - BEIDE glauben. - Der Naturalismus aufgrund dieser Matrix-Geschichte - die Theologie ohnehin.

Wenn wir dieses Thema ungeklärt zu den Akten legen (wäre ja nicht das erste Mal), wird immer wieder die grundlegend undurchdachte Version kommen: "Wir wissen, Ihr glaubt nur".

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erbreich
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#1802 Re: Allversöhnung

Beitrag von erbreich » Do 24. Mär 2016, 10:17

closs hat geschrieben:Aus dieser Sache kommt niemand raus. - Und es wäre gut, wenn endlich der Letzte begreifen würde, dass wir nur auf Basis von Glaube wissen können. - Aber das scheint der Anthropozentrismus des sich als "aufgeklärt" bezeichnenden Denkens (noch) nicht zuzulassen.
Ich zitiere aus "Paul Debes beantwortet Fragen zu buddhistischer Anschauung und Lebensführung":

Das naive, unkritische Denken sagt: "Ich nehme den dortigen Gegenstand wahr, weil er dort ist, und ich nehme hier diesen Gegenstand wahr, weil er hier ist. Mein Wahrnehmen ist ein geistiges Ablesen von wirklich Seiendem, von der Realität. Weil die Welt so ist, darum nehme ich sie so wahr."

Gegen diese naive Auffassung setzte sich immer wieder eine gewisse Erkenntniskritik durch mit etwa folgendem Gedankengang: (...) "Durch Wahrnehmung, Bewusstsein, also durch einen geistigen Akt weiss ich, was ich weiss. (...) Also: durch Wahrnehmung bedingt ist all unser Erleben und Erfahren." - Von da aus folgerte die Erkenntniskritik weiter: "Da alles Erleben und Erfahren ein geistiger Vorgang ist bzw. wir nur von im Geiste Auftauchendem, Erscheinendem, also von der Erscheinung leben, so können wir nie wissen, wie die Welt 'wirklich' ist."
(...)
In anderer Form sprach der Philosoph Kant vom 'Ding an sich' und 'Ding als Erscheinung'. Wiederum handelt es sich hier um das Problem der Realität oder Idealität der Welt, und dieses Problem ist hier im Westen noch ungelöst.
(...)
Dagegen ist der Begriff "Maya", wie er in Asien und ganz besonders in der Lehre des Erwachten verstanden wird, eine dritte Auffassung über das Sein. Diese Auffassung besagt: "Da alles Wissen und Behaupten von 'Seiendem' immer nur wahrnehmungsbedingt ist, immer nur auf geistiger Erscheinung beruht, so 'ist' die Welt Erscheinung. Nicht gibt es neben dem Erscheinen noch ein anderes unzugängliches 'Sein' der Welt, sondern das Sein der Welt ist Erscheinung.
(...)
Zugleich wird die Abhängigkeit der Qualität jener Erscheinungsszenerie zwischen heiter, friedvoll, freundlich, beglückend, erhaben und streithaft, banal, schrecklich, brutal bis höllisch erkannt als Abhängigkeit vom eigenen Wirken (karma). Ein jeder Mensch erlebt, verdirbt oder erlöst mit sich zugleich immer sein gesamtes Weltall.
(Anm: womit wir beim Thema 'Allversöhnung' - im buddhistischen Verständnis - wären...)

Zusammengefasst ergibt sich also: Die unkritische Auffassung lautet: "Weil die objektive Welt real besteht, darum erleben wir sie"; die westliche Erkenntniskritik behauptet: "Uns ist nur durch Wahrnehmung, Bewusstsein die Erscheinungswelt zugänglich, darum können wir nie wissen, wie die Welt 'wirklich' ist; die indisch/buddhistische Auffassung sagt: "Dasein ist Erscheinen und ist abhängig von der charakterlichen und geistigen Qualität."

So ist das naive Denken eindeutig von einer "objektiven Welt" überzeugt, das westliche kritische Denken unterscheidet das "Ding-als-Erscheinung" vom "Ding-an-sich", und das östliche kritische Denken sieht eine vom Geist bzw. Charakter entworfene Erscheinungswelt.

closs
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#1803 Re: Allversöhnung

Beitrag von closs » Do 24. Mär 2016, 10:28

erbreich hat geschrieben:Ich zitiere
Vielen Dank. :thumbup: :thumbup:

erbreich hat geschrieben:So ist das naive Denken eindeutig von einer "objektiven Welt" überzeugt, das westliche kritische Denken unterscheidet das "Ding-als-Erscheinung" vom "Ding-an-sich", und das östliche kritische Denken sieht eine vom Geist bzw. Charakter entworfene Erscheinungswelt.[/i]
Da nun würde ich wieder eher westlich denken:

Ich GLAUBE, dass es ein "Ding an sich" (Entität) gibt, aber ich WEISS es nicht. - Unter naiv würde ich verstehen: "Ich weiss es".

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sven23
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#1804 Re: Allversöhnung

Beitrag von sven23 » Do 24. Mär 2016, 10:34

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Kann man das mit dem Matrix-Quark mal endlich zu den Akten legen? Wir waren doch eigentlich schon viel weiter.
Dass wir es alle so nicht glauben, ist ja nicht das Thema. - "Weiter" sind wir, wenn wir begreifen, dass wir nicht wissen, was wir glauben.

Es geht NUR darum, diese unsinnige Version zu falsifizieren, dass Naturwissenschaft WEISS und Theologie GLAUBT - BEIDE glauben. - Der Naturalismus aufgrund dieser Matrix-Geschichte - die Theologie ohnehin.

Wenn wir dieses Thema ungeklärt zu den Akten legen (wäre ja nicht das erste Mal), wird immer wieder die grundlegend undurchdachte Version kommen: "Wir wissen, Ihr glaubt nur".
Wenn man Wissen mit Glauben gleichsetzt, dann hast du Recht. Aber so ist es ja nicht. Die Unterschiede sind eigentlich sauber und nachvollziehbar definiert. Es bringt nichts, diese Grenzen zu verwischen.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#1805 Re: Allversöhnung

Beitrag von JackSparrow » Do 24. Mär 2016, 12:18

Münek hat geschrieben:Und wer hat die Welt erträumt, als es noch keine Menschen gab?
Bestimmt die gleichen Leute, die sich eine Zukunft erträumen, in der es keine Menschen mehr geben wird.

und funktionierenden Naturgesetzen zu erträumen?
Das ist kein Problem. Die stellt man ja immer erst hinterher auf, nachdem man sie schon beobachtet hat.

an die Naturgesetze bin ich auch gebunden. Diese könnte ich aber ausschalten, wenn es mein Traum wäre.
Aber Albträume lassen sich für gewöhnlich nicht beeinflussen.


closs hat geschrieben:Ich GLAUBE, dass es ein "Ding an sich" (Entität) gibt
Weil du es dir in der letzten Kaffeepause erträumt hast.

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#1806 Re: Allversöhnung

Beitrag von closs » Do 24. Mär 2016, 14:46

sven23 hat geschrieben:Wenn man Wissen mit Glauben gleichsetzt, dann hast du Recht.
Es ist NICHT dasselbe. - "Wissen" ist, wenn man unter entsprechenden Prämissen etwas falsifizieren kann - "Glaube" ist, wenn man etwas gut begründen kann, es aber nicht falsifizierbar ist.

sven23 hat geschrieben:Es bringt nichts, diese Grenzen zu verwischen.
So ist es.

JackSparrow hat geschrieben:Weil du es dir in der letzten Kaffeepause erträumt hast.
Nein, weil ich es gut begründen kann, es aber nicht falsifizierbar ist.

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Savonlinna
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#1807 Re: Allversöhnung

Beitrag von Savonlinna » Do 24. Mär 2016, 15:36

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Sie scheiden als Träumer zwingend aus.
Denkfehler. - Und zwar deshalb, weil die einzige Instanz eines jeden Menschen die eigene Wahrnehmung ist, bei der niemand falsifizieren kann, ob sie "echt" oder "Traum" ist.

Konkret:
WENN Deine Wahrnehmung, also auch Deine Wahrnehmung unserer Diskussion, Traum wäre, wären auch die Milliarden bereits Verstorbener Teil dieses Traums.

Und damit hier nicht falsche Eindrücke verstehen:
Selbstverständlich glaube ich, dass es "echt" ist und KEIN Traum ist, was ich wahrnehme - dies wäre spirituell gut begründbar. - ABER: Ich MUSS es glauben, weil ich nichts als meine Wahrnehmung habe und deshalb nicht falsifizieren kann, ob der Mond in meiner Vorstellung erscheint oder echt ist. - Auch wenn ich mich vom Mond abwende und wieder zurückgucke, kann das Teil des Traums sein.

Aus dieser Sache kommt niemand raus. -
Umgekehrt: in diese Sache muss niemand rein.

Außer solchen, die sich freiwillig da reinbegeben.
Es gibt eine ganz einfache Lösung für dieses Scheinproblem, aber die will man nicht zur Kenntnis nehmen, wenn man mit diesem Scheinproblem wieder viel Zeit verbringen kann.

closs hat geschrieben:Und es wäre gut, wenn endlich der Letzte begreifen würde, dass wir nur auf Basis von Glaube wissen können. - Aber das scheint der Anthropozentrismus des sich als "aufgeklärt" bezeichnenden Denkens (noch) nicht zuzulassen.
Wenn es hart auf hart kommt, leugnest auch Du den Anthropozentrismus. Für Dich selber gilt er ja nicht immer.
Das wirst Du gleich wieder leugnen, und kaum bin ich weg, wirst Du es "wieder tun".
Ich habe mich vor Monaten damit abgerackert, Dir klar zu machen, dass die Aussage "Gott ist" bereits Wahrnehmung sei.
Völlig vergeblich. Diesen Anthropopentrismus willst Du nicht wahrhaben.

Und der gleiche Anthropozentrismus ermöglicht dieses Scheinproblem der "Matrix".
Auch hier bist Du voll Materialist und nicht einmal gedanklich in der Lage, davon zu abstrahieren.

Sprache ist nun einmal lediglich ein Kürzelverzeichnis, sie bildet keine Wahrheiten ab.
Auch die Wörter "Realität" und "Traum" sind von Menschen gebildet und sollen voneinander klar Unterschiedenes bezeichnen.

Wenn Menschen in einen Zustand geraten, der traumhaft wirkt - in Schockzuständen etc. -, dann befindet er sich sicherlich in einem Grenzbereich. Aber dieser Grenzbereich ist DER BEREICH DER SPRACHE. Wenn sprachliche Begriffe an ihre Grenzen kommen, dann ist man keineswegs selber an seiner Grenze.

Dieser als traumhaft empfundene Zustand ist aber - wenn man den Begriff "Realität" erweitert - ebenfalls Realität.

Insofern ist es einfach dasselbe, ob jemand etwas "Vorstellung" oder "Realität" nennt.
Die Sprache entscheidet solche Dinge nicht.
Und die Sprache kann auch nicht trennen, "was zusammengehört".

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#1808 Re: Allversöhnung

Beitrag von closs » Do 24. Mär 2016, 16:10

Savonlinna hat geschrieben:Ich habe mich vor Monaten damit abgerackert, Dir klar zu machen, dass die Aussage "Gott ist" bereits Wahrnehmung sei.
Aus Sicht des Menschen ist das auch richtig - ich kann mir nicht vorstellen, Dir dabei widersprochen zu haben.

Savonlinna hat geschrieben:Und der gleiche Anthropozentrismus ermöglicht dieses Scheinproblem der "Matrix".
Umgekehrt: Anthropozentrismus löst dieses Scheinproblem. - Denn wenn man die Welt ausschließlich aus Sicht der menschlichen Wahrnehmung versteht, ist es wurscht, ob sie "echt" oder Vorstellung ist. - Dann ist alles gleich.

Es ist nur dann nicht gleich, wenn man die Welt denkerisch NICHT anthropozentrisch versteht ("Was wäre die Welt, wenn es keine Menschen gäbe?" - "Gäbe es dann überhaupt eine Welt?" - "Wie wäre Gott zu verstehen, wenn es (noch) keine Menschen gäbe?"). - Dass natürlich diese Projektion von UNS dann auch nur aus Sicht unserer Wahrnehmung gemacht werden kann, ist klar - wir haben ja nichts anderes. - Aber es ist doch ein Unterschied, ob man anthropozentrisch ("ICH und die Welt um mich rum") oder theozentrisch projeziert VERSUCHT zu verstehen ("Gott und die Welt um ihn herum").

Savonlinna hat geschrieben:Dieser als traumhaft empfundene Zustand ist aber - wenn man den Begriff "Realität" erweitert - ebenfalls Realität.
Anthropozentrisch gesehen ist das richtig - "meine" Realität.

Savonlinna hat geschrieben:Insofern ist es einfach dasselbe, ob jemand etwas "Vorstellung" oder "Realität" nennt.
Ich verstehe Dich wirklich - aber jetzt wird es sprachlich schwierig, weil "Realität" je nach Weltanschauung ganz einfach unterschiedlich definiert wird.

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Savonlinna
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#1809 Re: Allversöhnung

Beitrag von Savonlinna » Do 24. Mär 2016, 16:21

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Ich habe mich vor Monaten damit abgerackert, Dir klar zu machen, dass die Aussage "Gott ist" bereits Wahrnehmung sei.
Aus Sicht des Menschen ist das auch richtig - ich kann mir nicht vorstellen, Dir dabei widersprochen zu haben.
Du bestandest sogar kürzlich noch auf den kategorialen Unterschied zwischen Sein und Wahrnehmung.
"Sein" war davor sogar für Dich noch identisch mit "Gott", den Du kategorial von Wahrnehmung getrennt hast.

Inzwischen siehst Du es anders?

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sven23
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#1810 Re: Allversöhnung

Beitrag von sven23 » Do 24. Mär 2016, 16:36

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wenn man Wissen mit Glauben gleichsetzt, dann hast du Recht.
Es ist NICHT dasselbe. - "Wissen" ist, wenn man unter entsprechenden Prämissen etwas falsifizieren kann - "Glaube" ist, wenn man etwas gut begründen kann, es aber nicht falsifizierbar ist.
Nicht ganz. Ein schönes Beispiel ist die Homöopathie. Obwohl mit jeder neuen Studie die Behauptungen der Homöopathie falsifiziert werden, man also weiß, dass Homöopathie nicht mehr als den Placeboeffekt bringt, glauben die Anhänger trotzdem dran.
Die Ursachen mögen vielfältig sein und reichen von ökonomischem Eigeninteresse bis hin zur völligen Unkenntnis der Bedeutung von Studien und evidenzbasierter Medizin.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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