Alles Teufelszeug? VIII

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sven23
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#171 Re: Alles Teufelszeug? VIII

Beitrag von sven23 » Do 28. Dez 2017, 07:32

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Aber gerade deshalb ist sie ja in der historischen Forschung nicht zu gebrauchen.
In der historisch-kritischen Exegese ist es nicht vorgesehen - richtig. - Aber es kann nicht übergangen werden in Bezug auf "das, was historisch wirklich war".
Das ist ja dein generelles Problem. Man kann nicht darauf bestehen, keine historische Forschung betreiben zu wollen und hinterher den Anspruch erheben, mehr über den historischen Jesus wissen zu wollen, als die historische Forschung selbst.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Göttlichkeit Jesu können Glaubensdogmatiker "untersuchen"
Das tut keiner, wenn er nach der historischen Wirklichkeit zur Zeit Jesu fragt - da ist ausschließlich die Frage, auf welcher Basis Jesus als historische Person zu interpretieren ist: "So" oder "anders". - Nicht einmal die kanonische Exegese untersucht die Göttlichkeit Jesu - wie kommst Du darauf?
Du scheinst "Untersuchung von Jesus Göttlichkeit" zu verwechseln mit "Wie ist die Geschichte zu verstehen, wenn Jesus göttlich war" - das sind zwei grundverschiedene Dinge. .
Nein, das läuft auf dasselbe hinaus.

closs hat geschrieben: - Und weil Du sie anscheinend verwechselst (übrigens: wie einiges andere auch!), sprichst Du von "Wissenschaft versus Dogmatik" - obwohl das hier überhaupt keine Rolle spielt.
In der historischen Forschung spielt es sogar die entscheidende Rolle.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Kanonik hat kein "Modell zur Geschichte".
Kanonik untersucht geistig und untersucht deshalb in Bezug auf die historische Realität Jesu - besser so?
"Historische Realität" ist ein irreführender Begriff. Geglaubter und kirchlich verkündeter Christus trifft es besser, denn die Diskrepanz zwischen beiden ist deutlich belegt.

Der Jesus der Evangelien hat nie existiert.
Albert Schweitzer

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Naherwartung ergibt sich aus der Befundlage der Textquellen, unabhänig davon ob der Wanderprediger der angeblich uneheliche Sohn Gottes ist oder ein arbeitsscheuer Bohemian.
Nicht ausgeschlossen, aber unwahrscheinlich. - Und zwar deshalb, weil entsprechende Textstellen mit ganz wenigen Ausnahmen auch spirituell interpretiert werden können und sogar Standard innerhalb der Theologie sind.
Spiritualität ist kein Zauberstab, mit dem man alles so hinbiegen kann, wie man es möchte. Erst recht nicht in der historischen Forschung.


closs hat geschrieben: Was Du "Befund der Textquellen" nennst, klingt neutral, ist es aber nicht. - Es müsste heißen "Befund auf Basis historisch-kritischer Hermeneutik". - Und was HKM NICHT leisten kann, weißt Du sicherlich inzwischen.
Mir ist keine Einschränkung bei der Untersuchung aniker Texte bekannt. Du verwechselst das mit der inhaltlichen Überprüfung von Mythen, Märchen und Wundern. Das kann sie nicht leisten, das können aber auch Kanoniker nicht leisten. Sie wollen dran glauben, das ist aber was anderes.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Mit anderen Worten: die Naherwartung ist kein Umstand, der durch irgendwelche Setzungen präjudiziert würde. Die Ergebnisoffenheit wird nicht tangiert.
Das ist genau der Irrtum, auf dem Du und Deinesgleichen bestehen müssen, weil sonst das ideologische Gerüst zusammenfallen würde.
Das heißt nicht, dass die HKM ideologisch sei (das ist sie NICHT) - es heißt vielmehr, dass HKM nichts anderes macht als andere Wissenschaften, nämlich zu versuchen, dem was ist, mit ihrem spezifischen Modell so nah wie möglich zu kommen. - Alltag. - Und da sie in ihrem Modell nun mal nicht vorsieht, Spirituelles miteinzubeziehen (das darf sie), kann sie eben nicht beurteilen, wie die Texte in Bezug auf Jesus zu interpretieren sind, falls er göttlich ist. - Nicht mehr und nicht weniger - eigentlich ganz harmlos.
Deine falsche Behauptung wird durch Wiederhohlung nicht richtiger. Selbstverständlich beschreibt die Forschung spirituelle Glaubenskonstrukte. Du verwechselst das wie immer mit "dran glauben". Da musst du die Abteilung wechseln.

closs hat geschrieben: Warum, frage ich mich deshalb, wird dann dieses ideologische Gerüst gebaut, nur die HKM könne der historischen Wirklichkeit Jesu nah kommen? - Denk mal drüber nach.
Weil es nun mal so ist. Nur wer historische Forschung betreibt, hat die Chance, der "historischen Wahrheit" näher zu kommen.
Mit Mythen und Märchen gelingt das selten.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Versuche mal, Voraussetzungen und Ziele der kanonischen Exegese zu formulieren.
Das heißt: Die Voraussetzungen der Hermeneutik sind die Grundlagen der Interpretation. - Und da kann der eine sagen "Ich interpretiere jetzt mal so, als ob die Geschichte ausschließlich als naturalistischer Wirkungszusammenhang zu verstehen wäre" und der andere kann sagen "Ich aber interpretiere jetzt mal so, als gäbe es mit Jesus einen göttlichen Eingriff in die Welt, der damit historisch real ist". - Beides möglich.

Die Ziele wären in beiden Fällen, die Frage von Apg. 8,30 "Verstehst Du eigentlich, was Du da liest?" mit einem eigenen Verständnis auf Basis der gewählten Hermeneutik zu beantworten. - Auch das ist eigentlich ziemlich harmlos und in der Wissenschaft ("Ich untersuche aus dieser Perspektive/mit diesem Modell") höchst normal.

Das kannst du sicher auch noch präziser und etwas schärfer formulieren.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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Andreas
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#172 Re: Alles Teufelszeug? VIII

Beitrag von Andreas » Do 28. Dez 2017, 09:55

closs hat geschrieben:Außerdem: Deine Aussage, dies sei ein Veto, ist doch gerade falsch - denn meine Aussage sagt, dass die universelle Vernunft (alias: Gott) auch in der Schöpfung erkennbar ist - deshalb habe ich Dir widersprochen mit "Mein Modell?". - Ich verstehe überhaupt nicht, worauf Du eigentlich rauswillst.
Ich hätte halt nach wie vor gerne eine Antwort auf meine Frage, die ich auch manden stellte, woran man denn nun in der Schöpfung die universelle Vernunft und Liebe Gottes erkennen könne.

Die Gravitation ist ein Beispiel dafür gewesen, dass man daran universelle Vernunft nicht erkennen kann - obwohl du das behauptet hast. Wenn man von dem Beobachtbaren der Gravitation ausgeht, erkennt man eine grandiose Gleichgültigkeit, aber keine universelle Vernunft und schon gar keine Liebe. Das trifft auf alle Naturgesetze zu. Wo ist da erkennbar Vernunft oder Liebe am Werk? Mit der Evolution verhält es sich leider nicht anders. Weder von Vernunft noch von Liebe ist da etwas zu erkennen, dass dein Modell bestätigen würde - ganz im Gegenteil: alles Beobachtbare widerspricht deinem Modell und legt damit ein "Veto" ein, gegen dein Modell, dadurch das es einfach anders "ist" als du es in deinem Modell darstellst. Es hilft ja nichts, so zu tun, als ob diese beobachtbaren Tatsachen nicht auch das wären, was der Fall ist.

closs hat geschrieben:
Andreas hat geschrieben: Dein Modell ist menschlich - was denn sonst? - weil du ein Mensch bist.
Natürlich - was denn sonst? - Gerade deshalb trenne ich es doch kategorial von "dem, was wirklich ist".
Gerade diese Trennung kannst du gar nicht machen, weil es ja der Ausgangspunkt und der Schluss deines Modells ist, dass "das, was der Fall ist" (Gott auch göttlicher Jesus), das sei, was wirklich, "echt", ontisch, "historisch", tatsächliche Geschichte, und real das ist, was der Fall ist. Da gibt es dann logischerweise nur eine Kategorie und keine zwei. Die wirklich beobachtbaren Tatsachen, müssen demnach logischerweise Teil deines modellhaften "das, was der Fall ist" sein, weil das ja alles einschließt und beschreibt, was der Fall ist, da ja alles aus diesem universellen und vernünftigen Geist ist. Etwas anderes gibt es ja schließlich gar nicht in deinem universellen Modell. Alles was ist, muss erkennbar auf diesen Geist hindeuten - aber nichts deutet auf diese universelle Vernunft hin, stattdessen widerspricht alles das, was tatsächlich erkennbar ist, deinem Modell einer universellen Vernunft und Liebe.

Falls du wirklich verstanden haben solltest, dass die Wissenschaft vorhandene beobachtbare Tatsachen untersucht und daraus ihre vernünftigen Modelle zu deren Beschreibung macht, tut sich da eine riesige Diskrepanz, ein diametraler Unterschied zwischen deinem Modell und den wissenschaftlichen Modellen auf in Bezug zu dem, was deinerseits, unerkennbar "das ist, was der Fall ist" und dem, was erkennbar tatsächlich der Fall ist. Wohlgemerkt, es geht dabei nicht um die jeweiligen Modelle - denn der heutige Tag ist auch ohne Modell erlebbar das, was der Fall ist, sondern um das Verhältnis des Erkennbaren zum Unerkennbaren. Da dürfte es keine Diskrepanz geben, weil es in deinem Modell keine Trennung von zwei unterschiedlichen "das, was der Fall ist" gibt, weil das eine ja aus dem anderen kommt - Materie kommt aus dem Geist. Materie (alles Vergängliche) ist Gleichnis (für Gott). Wenn das stimmt muss in allem die Vernunft und Liebe Gottes erkennbar sein, das eine dem anderen eben "gleichen".

Wie geht dein Verständnis von Wissenschaft und Religion zusammen? Einerseits behauptest du, das Gott wissenschaftlich nicht untersucht werden kann und andererseits, dass Gott in seiner Schöpfung erkennbar ist. Da klemmt es doch irgendwo, vermutlich in deinem Wissenschaftsverständnis, da die Wissenschaft, wie du selbst sagst, sehr gut darin ist, tatsächlich Vorhandenes zu untersuchen, wie die Natur (= Schöpfung Gottes), biblische Handschriften usw.

Nur ein Gott der nicht wohlmeinend wäre, ein Trickster, würde uns derart täuschen, dass gerade das Wesentlichste von Gott, Vernunft und Liebe, nicht in seiner Schöpfung erkennbar und beobachtbar wäre, was erklären würde, warum die Wissenschaft in Gottes Schöpfung nichts als grandiose Gleichgültigkeit findet. Also: woran ist die universelle Vernunft und Liebe in der Schöpfung erkennbar? Falls sie nicht erkennbar ist, warum ist das dann so, und was sagt das dann über Gott aus?

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#173 Re: Alles Teufelszeug? VIII

Beitrag von closs » Do 28. Dez 2017, 10:08

sven23 hat geschrieben:Man kann nicht darauf bestehen, keine historische Forschung betreiben zu wollen und hinterher den Anspruch erheben, mehr über den historischen Jesus wissen zu wollen, als die historische Forschung selbst.
Das ist keine Frage der Pfründe-Verteilung, sondern eine Sache der Wirklichkeit. - Und wenn die offizielle Geschichts-Wissenschaft aus methodischen Gründen auf gewisse Aspekte der Geschichte verzichtet, ist das nicht das Problem derer, die aus ganz anderen Gründen darauf stoßen. Außerdem: "Geschichts-Wissenschaft" im klassischen Verständnis beschäftigt sich mit äußerer Wirklichlichkeit einer Zeit.

sven23 hat geschrieben: closs hat geschrieben:

sven23 hat geschrieben:
Die Göttlichkeit Jesu können Glaubensdogmatiker "untersuchen"

Das tut keiner, wenn er nach der historischen Wirklichkeit zur Zeit Jesu fragt - da ist ausschließlich die Frage, auf welcher Basis Jesus als historische Person zu interpretieren ist: "So" oder "anders". - Nicht einmal die kanonische Exegese untersucht die Göttlichkeit Jesu - wie kommst Du darauf?
Du scheinst "Untersuchung von Jesus Göttlichkeit" zu verwechseln mit "Wie ist die Geschichte zu verstehen, wenn Jesus göttlich war" - das sind zwei grundverschiedene Dinge. .


Nein, das läuft auf dasselbe hinaus.
Wieder eine Erkenntnis für mich - natürlich ist das etwas ganz anderes. - Jetzt verstehe ich langsam, warum Du ständig vermischst: Du meinst, es sei dasselbe.

sven23 hat geschrieben:"Historische Realität" ist ein irreführender Begriff. Geglaubter und kirchlich verkündeter Christus trifft es besser
Jetzt umgekehrt: Du trennst kategorial Gleiches, weil die wissenschaftlichen Disziplinen so aufgeteilt sind. - Wie sollte das, was Jesus damals wirklich gedacht hat, NICHT (ontisch-) historisch sein? - Es fand doch in der Zeit statt!!!!

Wo man trennen muss, ist bei der Frage: Findet alles, was heute geglaubt und kirchlich verkündet wird, sein Gegenüber in tatsächliche Geschehenen? - Da ist die Antwort sicherlich unterschiedlich - mal so, mal so. - Aber zu glauben, der kerygmatische Jesus sei ein ganz anderer als der tatsächlich gelebt habende (ontisch-historische), ist mindestens fahrlässig.

Eher richtig ist: Der METHODISCH-historische Jesus ist ein anderer als der kerymatische Jesus. - Aber dann kommst Du wahrscheinlich wieder in die SChwierigkeit, dass Du METHODISCH-historisch und ONTISCH-methodisch in einen Topf schmeißt und verrührst, weil Du meinst, es sei dasselbe.

sven23 hat geschrieben:Spiritualität ist kein Zauberstab, mit dem man alles so hinbiegen kann, wie man es möchte. Erst recht nicht in der historischen Forschung.
Das gilt überall - auch für die historische Forschung. - Dafür müssen wir keinen Atem verschwenden.

sven23 hat geschrieben:Mir ist keine Einschränkung bei der Untersuchung aniker Texte bekannt.
Im methodischen Rahmen gibt es diese Einschränkung auch nicht - aber darüberhinaus fehlt halt noch was.

sven23 hat geschrieben:Selbstverständlich beschreibt die Forschung spirituelle Glaubenskonstrukte.
Du meinst jetzt wahrscheinlich die historisch-kritische Forschung - ja, auch sie tut das. - Aber sie kann nur das beschreiben, was sie versteht. - Und vor allem: Das hat nichts mit der Frage zu tun, wie man die Bibel im Sinne von Apg. 8,30 verstehen soll. - Apg. 8,30 ist jenseits der HKM angesiedelt.

sven23 hat geschrieben: Nur wer historische Forschung betreibt, hat die Chance, der "historischen Wahrheit" näher zu kommen.
Wenn man methodisch und ontisch verwechselt und vermischt, ist das wohl so. - Mir geht es um den Aspekt "Was wirklich in den Gedanken Jesu war".

Dazu hat auch die kanonische Exegese kein sicheres Rezept, aber wenigstens einen Ansatz, um es verstehen zu KÖNNEN - also nicht nur beschreiben, sondern auch verstehen. - Wobei einschränkend zu sagen ist: Das haben spirituell begabte HLM-ler auch, nur können sie es methodisch nicht umsetzen.

sven23 hat geschrieben:Das kannst du sicher auch noch präziser und etwas schärfer formulieren.
Nein - erstmal der Spur nach, um zu sehen, ob die unterschiedlichen Korridore einvernehmlich klar sind.

Davon abgesehen: Wie mehrfach gesagt, bin ich da in manchen Sachen selber nicht klar. - Allein deshalb, weil "Hermeneutik" begriffsgeschichtlich ziemlich heterogen besetzt ist, UND noch vielmehr, weil wir damals "Exegese" und "Hermeneutik" als getrennte Begriffe gelernt haben, die heute (zumindest aus Sicht der HKM) als in Eines zusammengeworfen erscheinen.

Deshalb hier das in einfachen Worten, was vor 40 Jahren gelehrt wurde:
1) Exegese ist die rein sachliche, gesinnungs-neutrale analytische Auslegung eines Textes (so formuliert es Ratzinger ja in etwa auch).
2) Hermeneutik ist die weltanschaulich hinterlegte Verständnis-Auslegung eines Textes ("Wie verstehe ich dies als Naturalist/Agnostiker/Jude/Christ?")

Mein Verdacht: Agnostiker könnten meinen, ihre Gesinnung sei neutral, weshalb sie unbewusst oder bewusst Exegese und Hermeneutik vermanschen und deshalb das vorliegende Problem gar nicht verstehen.

closs
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#174 Re: Alles Teufelszeug? VIII

Beitrag von closs » Do 28. Dez 2017, 11:04

Andreas hat geschrieben:Ich hätte halt nach wie vor gerne eine Antwort auf meine Frage, die ich auch manden stellte, woran man denn nun in der Schöpfung die universelle Vernunft und Liebe Gottes erkennen könne.
Das ist, wie alles, wenn es in die Tiefe geht, eine Glaubensfrage. - Man kann glauben, mit den Naturgesetzen sei alles erledigt - schließlich funktionieren sie auch, wenn man NICHT an Gott glaubt. - Man kann dem Grund dessen, was man sieht, einer Kraft zuordnen, die gemeinhin als "Gott" bezeichnet wird.

Natürlich sind solche agnostischen oder spirituellen Zuordnungen immer anthropogen (falls DAS Deine Aussage war, stimme ich Dir zu) - aber das, was von diesen Zuordnungen dann der Fall ist ("Es gibt Gott"/"Es gibt Gott NICHT") ist NICHT anthropogen, weil "Realität" dieser Art nicht anthropogen ist.

Andreas hat geschrieben:Die Gravitation ist ein Beispiel dafür gewesen, dass man daran universelle Vernunft nicht erkennen kann - obwohl du das behauptet hast.
Man kann sie nur unter Glaubensvorbehalt erkennen - wie immer. - Setzungslos kann man GAR nichts erkennen außer "Cogito".

Andreas hat geschrieben: Mit der Evolution verhält es sich leider nicht anders. Weder von Vernunft noch von Liebe ist da etwas zu erkennen, dass dein Modell bestätigen würde
Aha - ok. - Was WIR materiell erkennen können, ist biblisch gesehen "die gefallene Welt", also unser Sein im dialektischen Raum, der an sich gestört ist ("Fürstentum der Welt") - insofern kann man hier Gott nur sozusagen "über Bande" erkennen, also per geistiger Suche über das "Fürstentümliche" hinaus.

Gott und dessen Vernunft/Liebe sozusagen "im Original" zu erkennen, geht nach 1.Kor. 13,12 erst, wenn man "erkennt, wie man erkannt ist" - also nicht in diesem Leben. - Das beschreibt eher das, was die RKK "Visio Beatifica" nennt.

Andreas hat geschrieben:Es hilft ja nichts, so zu tun, als ob diese beobachtbaren Tatsachen nicht auch das wären, was der Fall ist.
SChon richtig. - Auf dieser Spur könnte man noch viel weiter gehen und auch Dinge einbeziehen wie Mord und Totschlag, Kriege und Pogrome. - Aber das ist eben die Welt, in denen geistig der "Fürst der Welt" der Chef ist.

Man muss darüber hinaus gucken, um universelle Vernunft und Liebe zu erkennen, die es in UNSEREM Raum NICHT gibt. - Und man muss mit jedem Verständnis haben, der nicht darüber hinaus gucken kann, weil nun mal UNSERE Realität so ist, wie sie ist.

Andreas hat geschrieben:Da dürfte es keine Diskrepanz geben, weil es in deinem Modell keine Trennung von zwei unterschiedlichen "das, was der Fall ist" gibt, weil das eine ja aus dem anderen kommt - Materie kommt aus dem Geist. Materie (alles Vergängliche) ist Gleichnis (für Gott). Wenn das stimmt muss in allem die Vernunft und Liebe Gottes erkennbar sein, das eine dem anderen eben "gleichen".
OK - verstanden. - Wenn in unserer Welt etwas "der Fall ist", dann betrifft das die physische Ebene und die geistige Offenbarungsebene - mehr nicht. - Das heißt: Das Paradisische ist bei uns NICHT der Fall, auch wenn Materie aus "paradisischem" Geist (SChöpfung/Genesis/vor dem Sündenfall) kommt.

Insofern würde ich "der Fall sein" schon trennen in "Was ist bei UNS der Fall" und "Was ist darüber hinausgehend der Fall". - Wenn "der Fall ist", dass Gott in unserer Welt am Kreuz stirbt, heißt dies nicht, dass Gott darüberhinaus in seinem Wesen sterben müsste. - Insofern wäre "der Fall sein" beschränkt auf die Ebene, auf die man es bezieht.

Andreas hat geschrieben:Wie geht dein Verständnis von Wissenschaft und Religion zusammen? Einerseits behauptest du, das Gott wissenschaftlich nicht untersucht werden kann und andererseits, dass Gott in seiner Schöpfung erkennbar ist. Da klemmt es doch irgendwo, vermutlich in deinem Wissenschaftsverständnis
Nee, klemmt nicht, weil ich trenne.

Zunächst einmal müsste man trennen zwischen Naturwissenschaft und Geisteswissenschaft. - Naturwissenschaft ist, wenn man experimentell, alos unabhängig, nachprüfen kann - bei Geisteswissenschaft geht das nicht (man kann "belegen", aber das ist meistens nicht unabhängig). Insofern verstehe ich Pluto, wenn er sinngemäß physikalistisch sagt: "Wissenschaft - Du hast in geistigen Disziplinen nichts zu suchen - obwohl ich selbst anderer Meinung bin.

Die Frage ist, ob nur Falsifizierbares oder auch logisch Widerlegbares oder Nachweisbares im Rahmen eines Modells Maßstab dafür sein kann, "Wissenschaft" zu sein oder nicht. - Konkret: Ist eine hermeneutische Wissenschaft wie die kanonische Exegese oder eine hermeneutisch interpretierende Wissenschaft wie die HKM "Wissenschaft" oder nicht? - Ich meine, ja. (Man kann aber auch NEIN dazu begründen)

Wenn man JA meint, gehen Wissenschaft und Religion problemlos zusammen: "Hermeneutische Setzung durch eine Religion/durch ein agnostisches Weltbild - deren Bearbeitung nach wissenschaftlichen Regeln - = Wissenschaft". - Aber damit ist noch kein religiöses Leben berührt - das ist etwas ganz anderes.

Andreas hat geschrieben:Also: woran ist die universelle Vernunft und Liebe in der Schöpfung erkennbar? Falls sie nicht erkennbar ist, warum ist das dann so, und was sagt das dann über Gott aus?
Zunächst: Wissenschaftlich gibt es dazu keine Antworten - allenfalls kann man Modelle dazu systematisch beschreiben.

Ob so etwas erkennbar ist, hängt von der eigenen ERkenntnis-Position ab, ist also ein rein persönliches Ding. - Deshlab kann ich nur für mich sagen, dass bei mir die Summe aus einerseits philosophischen/ontologischen/logischen/dialektischen/etc. Erwägungen und andererseits tiefem inneren Empfinden/innerer Sicherheit dazu führen, hier etwas zu erkennen.

Voraussetzung ist, "Himmlisches Reich" und "Fürstentum der Welt" kategorial zu trennen - zwar ist nach christlichem Glauben bereits heute "das Himmelreich unter uns", aber es IST nicht das Himmelreich, in dem wir leben. - Wir leben also in einer Mischung aus "gefallener Welt" und "inwendigem Himmelreich" - außen und innen. - Und das könnte bereits die Antwort sein, warum universelle Vernunft und Liebe im Äußeren nicht erkennbar ist.

Pluto
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#175 Re: Alles Teufelszeug? VIII

Beitrag von Pluto » Do 28. Dez 2017, 11:19

closs hat geschrieben:Das tut keiner, wenn er nach der historischen Wirklichkeit zur Zeit Jesu fragt - da ist ausschließlich die Frage, auf welcher Basis Jesus als historische Person zu interpretieren ist: "So" oder "anders". - Nicht einmal die kanonische Exegese untersucht die Göttlichkeit Jesu - wie kommst Du darauf?
Du scheinst "Untersuchung von Jesus Göttlichkeit" zu verwechseln mit "Wie ist die Geschichte zu verstehen, wenn Jesus göttlich war" - das sind zwei grundverschiedene Dinge. .
Meine Frage wäre, warum hinterfragt (prüft) die Kanonik ihre Prämisse Jesus sei göttlich, nicht?

closs hat geschrieben:Wie sollte das, was Jesus damals wirklich gedacht hat, NICHT (ontisch-) historisch sein? - Es fand doch in der Zeit statt!!!!
Ja klar. Aber aus heutiger Sicht ist es nicht eruierbar.

closs hat geschrieben:Aber dann kommst Du wahrscheinlich wieder in die SChwierigkeit, dass Du METHODISCH-historisch und ONTISCH-methodisch in einen Topf schmeißt und verrührst, weil Du meinst, es sei dasselbe.
Was ist denn nach deiner Meinung der Unterschied?

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Spiritualität ist kein Zauberstab, mit dem man alles so hinbiegen kann, wie man es möchte. Erst recht nicht in der historischen Forschung.
Das gilt überall - auch für die historische Forschung. - Dafür müssen wir keinen Atem verschwenden.
Ja. Aber warum besteht die Kanonik darauf a priori die göttlichkeit Jesus' anzunehmen. Ist das nicht so als würde man den Zauberstab einsetzen wollen?

closs hat geschrieben:Im methodischen Rahmen gibt es diese Einschränkung auch nicht - aber darüberhinaus fehlt halt noch was.
Was fehlt denn?

closs hat geschrieben:Aber sie kann nur das beschreiben, was sie versteht. - Und vor allem: Das hat nichts mit der Frage zu tun, wie man die Bibel im Sinne von Apg. 8,30 verstehen soll. - Apg. 8,30 ist jenseits der HKM angesiedelt.
Was meinst du damit? Ist Apg. 8,30 nicht Teil des Textes?

closs hat geschrieben:Mir geht es um den Aspekt "Was wirklich in den Gedanken Jesu war".
Das, mein Freund, wirst DU niemals erfahren.
Was die Evangelisten darüber geschrieben haben, deutet klar auf eine Naherwartung. Als andere hinterher merkten, dass sich Jesus geirrt hatte, bemühten sie sich, die Naherwartung in immer weiterer Ferne zu rücken. Nur... ob dies näher an den Gedanken Jesus' war, bezweifle ich. Welche konkreten Hinweise hast du, dass Jesus keine Naherwartung hatte?

closs hat geschrieben:Dazu hat auch die kanonische Exegese kein sicheres Rezept, aber wenigstens einen Ansatz, um es verstehen zu KÖNNEN
Das bezweifle ich. Wie kann man sicher sein, dass die Kanonik es besser versteht?

closs hat geschrieben:Deshalb hier das in einfachen Worten, was vor 40 Jahren gelehrt wurde:
1) Exegese ist die rein sachliche, gesinnungs-neutrale analytische Auslegung eines Textes (so formuliert es Ratzinger ja in etwa auch).
2) Hermeneutik ist die weltanschaulich hinterlegte Verständnis-Auslegung eines Textes ("Wie verstehe ich dies als Naturalist/Agnostiker/Jude/Christ?")
Warum hört man nicht bei (1) auf und überlässt (2) den Spekulanten?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#176 Re: Alles Teufelszeug? VIII

Beitrag von Münek » Do 28. Dez 2017, 12:01

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Spiritualität ist kein Zauberstab, mit dem man alles so hinbiegen kann, wie man es möchte. Erst recht nicht in der historischen Forschung.
Das gilt überall - auch für die historische Forschung.
Warum benutzt Du dann Deine Setzungen wie einen Zauberstab?

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Mir ist keine Einschränkung bei der Untersuchung aniker Texte bekannt.
Im methodischen Rahmen gibt es diese Einschränkung auch nicht - aber darüberhinaus fehlt halt noch was.
Ja - der GLAUBE an die Existenz transzendenter Welten und Wesen. Dieser Glaube fällt in den ausschließlichen Zuständigkeitsbereich der DOGMATIK (Glaube an göttlich offenbarte Wahrheiten). In der EXEGESE brauchst Du damit nicht - auch nicht als wissenschaftlich objektiv untersuchbare "historische MÖGLICHKEIT " :lol: - zu kommen.

Mit Jenseitsspekulationen und göttlichen Heilsplänen hat Wissenschaft nichts am Hut. Die sind lediglich Sache des persönlichen Glaubens.

="closs"
sven23 hat geschrieben:Selbstverständlich beschreibt die Forschung spirituelle Glaubenskonstrukte.
Du meinst jetzt wahrscheinlich die historisch-kritische Forschung - ja, auch sie tut das. - Aber sie kann nur das beschreiben, was sie versteht.
Die in den Schriften überlieferten Glaubenszeugnisse sind ja nun wirklich alles andere als schwer zu verstehen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Nur wer historische Forschung betreibt, hat die Chance, der "historischen Wahrheit" näher zu kommen.
Wenn man methodisch und ontisch verwechselt und vermischt, ist das wohl so. - Mir geht es um den Aspekt "Was wirklich in den Gedanken Jesu war".
Der Zug ist leider abgefahren. Jesus ist vor 2000 gestorben; den kannst Du nicht mehr befragen. Wir sind deshalb auf die Worte Jesu angewiesen, die in den Evangelien überliefert worden sind - ausgenommen die unauthentischen (unechten) Jesusworte.

closs hat geschrieben:Dazu hat auch die kanonische Exegese kein sicheres Rezept, aber wenigstens einen Ansatz, um es verstehen zu KÖNNEN.
Die Ratzinger-Exegese wird wegen Unbrauchbarkeit an den theologischen Fakultäten nicht praktiziert. Was bringt es Dir, sie hier ständig ins Feld zu führen, als stünde sie als Gegenmodell zur HKM?
Zuletzt geändert von Münek am Do 28. Dez 2017, 12:12, insgesamt 2-mal geändert.

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#177 Re: Alles Teufelszeug? VIII

Beitrag von sven23 » Do 28. Dez 2017, 12:06

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Man kann nicht darauf bestehen, keine historische Forschung betreiben zu wollen und hinterher den Anspruch erheben, mehr über den historischen Jesus wissen zu wollen, als die historische Forschung selbst.
Das ist keine Frage der Pfründe-Verteilung, sondern eine Sache der Wirklichkeit. .
Wobei "Wirklichkeit" wieder eine im nebligem Gewabere der ontischen Realtität versteckte Allzweckwaffe zu sein scheint, mit der man historische Erkenntnisse unterlaufen will.

closs hat geschrieben: - Und wenn die offizielle Geschichts-Wissenschaft aus methodischen Gründen auf gewisse Aspekte der Geschichte verzichtet, .
Welche Aspekte sollen das sein?

closs hat geschrieben: Du scheinst "Untersuchung von Jesus Göttlichkeit" zu verwechseln mit "Wie ist die Geschichte zu verstehen, wenn Jesus göttlich war" - das sind zwei grundverschiedene Dinge. .
Es läuft aber zirkelreferent auf dasselbe hinaus.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:"Historische Realität" ist ein irreführender Begriff. Geglaubter und kirchlich verkündeter Christus trifft es besser
Jetzt umgekehrt: Du trennst kategorial Gleiches, weil die wissenschaftlichen Disziplinen so aufgeteilt sind. - Wie sollte das, was Jesus damals wirklich gedacht hat, NICHT (ontisch-) historisch sein? - Es fand doch in der Zeit statt!!!!
Was nach historischer Forschung "wirklich" stattfand, ist nicht wirklich bekannt. Es gibt ein paar Eckdaten, mehr nicht, weil man offenbar schon zu Lebzeiten wenig Interesse am echten Wanderprediger hatte. ( Der Jesus im Fleische geht uns nichts an). Er war für die paulinische Theologe wenig brauchbar. Dagegen war der tote Jesus die ideale Projektionsfläche für Paulus und die Evangelisten.

closs hat geschrieben: Aber zu glauben, der kerygmatische Jesus sei ein ganz anderer als der tatsächlich gelebt habende (ontisch-historische), ist mindestens fahrlässig.
Nein, es ist das Ergebnis der historischen Jesusforschung mind. seit 150 Jahren und heute besser bestätigt denn je. Es wird sogar von Vertetern der systematischen Theologie eingestanden. Es zu leugnen, wäre unklug.

closs hat geschrieben: Eher richtig ist: Der METHODISCH-historische Jesus ist ein anderer als der kerymatische Jesus. - Aber dann kommst Du wahrscheinlich wieder in die SChwierigkeit, dass Du METHODISCH-historisch und ONTISCH-methodisch in einen Topf schmeißt und verrührst, weil Du meinst, es sei dasselbe.
Man muss das nicht ständig wiederholen. Natürlich geht die Forschung davon aus, dass der mit historisch-kritischer Methode ermittelte Jesus mit großer Wahrscheinlichkeit der historische Jesus ist. Immer auf Basis der Quellenlage. Es ist aber auch klar, dass der historische Jesus nicht mehr vollständig rekonstruierbar ist. Dafür ist die Quellenlage zu dünn und zu sehr von Legenden überwuchert.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Mir ist keine Einschränkung bei der Untersuchung aniker Texte bekannt.
Im methodischen Rahmen gibt es diese Einschränkung auch nicht - aber darüberhinaus fehlt halt noch was.
Was denn?

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Selbstverständlich beschreibt die Forschung spirituelle Glaubenskonstrukte.
Du meinst jetzt wahrscheinlich die historisch-kritische Forschung - ja, auch sie tut das. - Aber sie kann nur das beschreiben, was sie versteht. - Und vor allem: Das hat nichts mit der Frage zu tun, wie man die Bibel im Sinne von Apg. 8,30 verstehen soll. - Apg. 8,30 ist jenseits der HKM angesiedelt.
Auch das ist definitv falsch. Ohne Vorverständnis ist ein Text kaum einzuordnen und gerade das Besteben der Forschung, die ursprüngliche Intention des Verfassers zu ermitteln, ist entscheidend für dessen Verständnis.
Was spätere Redaktoren daraus gemacht haben, ist dann noch mal eine andere Geschichte.
Kanonik interessiert sich aber nicht dafür, sondern nur für das dogmatisierte Endprodukt aus dem 4. Jahrhundert.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Nur wer historische Forschung betreibt, hat die Chance, der "historischen Wahrheit" näher zu kommen.
Wenn man methodisch und ontisch verwechselt und vermischt, ist das wohl so. - Mir geht es um den Aspekt "Was wirklich in den Gedanken Jesu war".
Wie schon 100 mal gesagt: Gedankenlesen kann niemand. Man kann sich nur auf die Textquellen beziehen.


closs hat geschrieben: Deshalb hier das in einfachen Worten, was vor 40 Jahren gelehrt wurde:
1) Exegese ist die rein sachliche, gesinnungs-neutrale analytische Auslegung eines Textes (so formuliert es Ratzinger ja in etwa auch).
Auch das stimmt so definitiv nicht und zeigt deine Fehleinschätzung.

Die biblische Exegese ist von der Biblischen Hermeneutik zu unterscheiden. Exegese ist die Auslegung eines konkreten (biblischen) Textes, Hermeneutik beleuchtet und klärt die Voraussetzungen und die Ziele einer Auslegung.
Quelle: Wikipedia

Mit anderen Worten: Auch Exegese verfolgt bestimmte Ziele.

Im Falle der Kanoniker und der gammatisch-historischen Exegese sind die Ziele klar definiert:

Bestätigung des dogmatischen Glaubenskonstrukt aus dem 4 Jahrhundert.

Hermeneutische Voraussetzung für die Bearbeitung der Texte ist die Annahme der göttlichen Inspiriertheit und Irrtumslosigkeit und Historizität der Berichte.

Die Zirkelrefernz dieser Vorgehensweise wird klar ersichtlich und findet sich auch hier im Forum bestätigt.
So fordert der gläubige Roland, man solle doch die Bibel als verläßliche historische Quelle betrachten, denn schließlich stehe ja in den Texten selber drin, dass die verläßlich sind. :lol:
Zu seiner Ehrenrettung muss man aber sagen, dass auch Ratzinger und Berger auf dem gleichen intellektuellen Niveau unterwegs sind. Man sollte sich seine Vorbilder also etwas genauer anschauen.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#178 Re: Alles Teufelszeug? VIII

Beitrag von Andreas » Do 28. Dez 2017, 12:20

Ich habe dir diese Zitate gestern vorgelegt, um klar zu machen, was ich unter DEINEM Modell verstehe. Vielleicht hätte ich das dir bei meiner Fragestellung eben noch einmal in Erinnerung rufen sollen.
closs hat geschrieben:Ich bin erst zum Christentum gestoßen, NACHDEM ich auf anderem Weg geistige Kontexte erkannt habe - die ich dann - für mich überraschenderweise!!!! - im Christentum wiedergefunden habe.
closs hat geschrieben:Das Christentum interessiert mich erst seit gut 10 Jahren - NACHDEM ich philosophisch alles mir Verfügbare zusammengezählt hatte.
closs hat geschrieben:Kleines Geheimnis:
* Ich bin erst zur Bibel gestoßen, NACHDEM ich für mich die Frage dialektisch gelöst hatte, was eigentlich Gott ist, und dann festgestellt habe, dass es im Wesentlichen dem entspricht, was in der Bibel steht.
Ich habe daher eine Antwort von dir ohne Bezugnahme auf die Bibel erwartet. Sündenfall, Fürst der Welt und ähnliches, musst dir vorher anders eingeleuchtet sein, weil du ja erst NACHDEM auf das Christentum und die Bibel gestoßen bist. Du hast also an "unserer Welt", wie du das tatsächlich Wahrnehmbare jetzt nennst, irgendwie die andere Welt, das was der Fall ist erkannt. Wie und woran?

closs hat geschrieben:Das ist, wie alles, wenn es in die Tiefe geht, eine Glaubensfrage.
Du bist ja erst zum Glauben gekommen, NACHDEM du die Frage dialektisch gelöst hattest, was eigentlich Gott ist.
closs hat geschrieben:- Man kann glauben, mit den Naturgesetzen sei alles erledigt - schließlich funktionieren sie auch, wenn man NICHT an Gott glaubt.
Das betrifft doch meine Frage nicht. Dass sie funktionieren ist doch klar. Was für Schlüsse sind aus ihren funktionellen Eigenschaften zu ziehen? An den Naturgesetzen sind die Eigenschaften Vernunft, Zielgerichtetheit, Liebe nicht feststellbar. In Bezug auf die Lebewesen das genaue Gegenteil: Zufälligkeit, Ziellosigkeit und Gleichgültigkeit.
closs hat geschrieben:- Man kann dem Grund dessen, was man sieht, einer Kraft zuordnen, die gemeinhin als "Gott" bezeichnet wird.
Wie bist du denn ausgerechnet darauf gekommen, wenn das was du bis dahin wahrgenommen haben kannst, in die entgegengesetzte Richtung weist? Zur Zeit deiner dialektischen Fragenstellerei, warst du noch nicht gläubig, vermutlich ein Agnostiker.
closs hat geschrieben:Natürlich sind solche agnostischen oder spirituellen Zuordnungen immer anthropogen (falls DAS Deine Aussage war, stimme ich Dir zu) - aber das, was von diesen Zuordnungen dann der Fall ist ("Es gibt Gott"/"Es gibt Gott NICHT") ist NICHT anthropogen, weil "Realität" dieser Art nicht anthropogen ist.
Oh bitte, lass doch diese anthropo-Begriffe einfach mal weg, und erspare mir das immer ins Deutsche übersetzen zu müssen - damit wir uns gegenseitig richtig verstehen.

Meine Übersetzung:
Natürlich sind solche agnostischen oder spirituellen Zuordnungen immer menschengemacht (falls DAS Deine Aussage war, stimme ich Dir zu) - aber das, was von diesen Zuordnungen dann der Fall ist ("Es gibt Gott"/"Es gibt Gott NICHT") ist NICHT vom Menschen gemacht, weil "Realität" dieser Art nicht menschengemacht ist.

Dass die Kräfte, die in der Natur wirken, nicht vom Menschen gemacht sind ist doch klar. Keiner weiß, wie sie entstanden sind. Die Naturgesetze sind menschengemachte Modelle, welche diese Wechselwirkungen beschreiben. Gott ist ein menschengemachtes Modell, auch da sind wir uns einig, weil die einen Es gibt Gott und die anderen Es gibt Gott nicht oder Es gibt Gott nicht so, sondern anders bevorzugen. Was davon der Fall ist, weiß keiner und daher weiß auch keiner, ob es "Realität" dieser Art gibt oder nicht. So oder so, sind wir uns einig, dass die erkennbare "Realität" (Naturkräfte) nicht von Menschen gemacht ist, sondern nur die Modelle, welche sie beschreiben.

Die andere Realität von der du sprichst, ist entweder eine Realität oder eben nicht, je nachdem ob sie der Fall ist oder nicht. Falls sie der Fall ist, ist aber dieses Modell der anderen Realität menschengemacht, in dem Fall dein Modell. So habe ich deinen Satz jetzt verstanden, bin mir aber sicher, dass das nicht das ist, was du ausdrücken wolltest. Deshalb wirst du jetzt vermutlich anfangen, die von dir verwendeten Begriffe anders zu definieren, damit ich dich verstehe. Nach wie vor zielte meine Frage darauf ab, wie du von der einen Realität auf die andere kommst oder gekommen bist, als nicht Gläubiger Mensch. Gläubige verstehen dich ja auf Anhieb richtig (mit einer Ausnahme: Andreas). Also, wie war das bei dir - ohne Bibel, Sündenfall, Fürst der Welt usw. bitte.

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sven23
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#179 Re: Alles Teufelszeug? VIII

Beitrag von sven23 » Do 28. Dez 2017, 14:25

Stichwort Inquisition und Hexenverbrennung.

closs hat geschrieben: Es hat sich medial durchgesetzt, dass man solche Begriffe proletarisch stammeln kann - damit sind sie geeignet für den Transport von Ressentiments. - Natürlich gab es so um die 30.000 tödliche Opfer der Inquisition - und das sind 30.000 zuviel. - Aber das darf eine seriöse Betrachtung solcher Begriffe nicht ausschließen.

Laut Wikipedia spricht man von 40-60 Tausend Ermordeten und 3 Millionen Verfahren und unterträglichen Folterqualen, denen vor allem Frauen zum Opfer fielen.

Aktuell läuft ein 2-Teiler im TV.
Wer den ersten Teil verpaßt hat:

http://www.ardmediathek.de/tv/Filme-im- ... d=48743818

Der 2. Teil läuft morgen auf der ARD

Besonders verstörend ist, dass in manchen Entwicklungsländern der Aberglaube weitergepflegt wird. Hexenverfolgungen sind immer noch ein trauriger Teil der Realität.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

closs
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#180 Re: Alles Teufelszeug? VIII

Beitrag von closs » Do 28. Dez 2017, 15:33

Pluto hat geschrieben: warum hinterfragt (prüft) die Kanonik ihre Prämisse Jesus sei göttlich, nicht?
Weil das PRINZIPIELL gar nicht geht - "prüfen" in Deinem Sinne geht nur im naturalistischen Kontext, der hier nicht gegeben ist. - Man kann diese Prämisse ellenlang begründen, aber nicht im naturalistischen Sinn verifizieren.

Pluto hat geschrieben:Aber aus heutiger Sicht ist es nicht eruierbar.
Richtig - und weil es nicht in Deinem Sinne "eruierbar" ist, ist es eine Prämisse, die selbst nicht Gegenstand der Untersuchung ist. - Die Untersuchung fragt: "Was wäre nach wissenschaftlicher Systematik, wenn diese nicht-falsifizierbare Prämisse authentisch zu dem wäre, was der Fall ist?".

Dasselbe haben wir umgekehrt bei der Fragestellung: " "Was wäre nach wissenschaftlicher Systematik, wenn die nicht-falsifizierbare Prämisse, dass Jesus nur Mensch ist, authentisch zu dem wäre, was der Fall ist?".

Pluto hat geschrieben: Aber warum besteht die Kanonik darauf a priori die göttlichkeit Jesus' anzunehmen. Ist das nicht so als würde man den Zauberstab einsetzen wollen?
Nein - denn es gibt innerhalb der wissenschaftlichen Systematik keinen Zauberstab, sondern nur intersubjektiv nachvollzierbare Darstellungen für diesen Fall.

Pluto hat geschrieben:Was meinst du damit? Ist Apg. 8,30 nicht Teil des Textes?
Schon - aber dieser Teil des Textes ist nur spirituell ermittelbar. - Das ist in der Musik dasselbe: Der Musikwissenschaftler ermittelt Dinge, die er auch als Tauber ermitteln könnte - der Unmusikalische hört Geräusche, ohne aus ihnen etwas zu erkennen - der Künstler spürt, "was sich da tut". - "Was sich spirituell tut", ist nicht Thema der HKM.

Pluto hat geschrieben:Das, mein Freund, wirst DU niemals erfahren.
Beweisen kann das niemand - aber man kann dem im gesamtem spirituellen Kontext nahezukommen versuchen. - Was Bach bei der Verfassung der Goldstein-Variationen gedacht hat, kann man auch nicht beweisen - aber der Künstler spürt, "wo diesbezüglich die Musik spielt".

Pluto hat geschrieben:Was die Evangelisten darüber geschrieben haben, deutet klar auf eine Naherwartung. Als andere hinterher merkten, dass sich Jesus geirrt hatte, bemühten sie sich, die Naherwartung in immer weiterer Ferne zu rücken. Nur... ob dies näher an den Gedanken Jesus' war, bezweifle ich. Welche konkreten Hinweise hast du, dass Jesus keine Naherwartung hatte?
Es gibt sich widersprechende Aussagen dazu von "Noch Eure Generation wird es erleben" bis "Das Gottesreich ist inwendig in Euch".

Ja - selbst Paulus hat zeitweise an eine Naherwartung in Eurem Verständnis geglaubt. - Die Frage ist nun, ob sein Abrücken davon Ausdruck einer mühsamen Gesichtswahrung oder wahrer Erkenntnis war - im Sinne von: "Ach - JETZT habe ich begriffen, was Jesus damals gemeint hat". - Beides ist möglich.

Falls Jesus göttlich war (was wir weder verifizieren noch falsifizieren können, was aber historisch möglich, aus christlicher Sicht sogar wahrscheinlich ist), ist davon auszugehen, dass Jesus dies so gemeint hat, wie es die Theologie heute weitgehend deutet: "Mit mir, Jesus, bzw. spätestens mit meiner Auferstehung ist die Ankunft des Gottesreiches erfüllt". - Das ist keine closssche Theorie, sondern Standard der Theologie.

Der Punkt: Dies ist nur dann plausibel, wenn man Jesu Göttlichkeit "setzt" - oder man setzt, Jesus nur als menschliche Person zu interpretieren, dann ist plausibel, dass er tatsächlich eine Naherwartung in Deinem Sinne hatte.

Pluto hat geschrieben: Wie kann man sicher sein, dass die Kanonik es besser versteht?
Das gilt nur bei GEISTIGEN Fragestellungen - denn da die Kanonik sich selbst als buchstäblich Geistes-Wissenschaft versteht, also bewusst vom Geist ausgeht, hat sie überhaupt den Ansatz, geistige Fragestellungen adäquat anzugehen.

Pluto hat geschrieben:Warum hört man nicht bei (1) auf und überlässt (2) den Spekulanten?
Das wäre prinzipiell auch meine Meinung. - Wobei klar sein müsste, dass "Spekulation" nicht im ideologisch-pejorativen Sinn der heutigen Zeit, sondern positiv im Ursprungssinn zu verstehen wäre:
"Spekulation (von lateinisch speculari = beobachten) ist eine philosophische Denkweise zu Erkenntnissen zu gelangen, indem man über die herkömmliche empirische oder praktische Erfahrung hinausgeht und sich auf das Wesen der Dinge und ihre ersten Prinzipien richtet" (wik)

Allerdings setzt ich mich mit meiner und jetzt auch Deiner Meinung nicht durch. - SOO haben wir damals "Exegese" (rein sachlich) und "Hermeneutik" (Interpretation) unterschieden. - Das Problem: In der HKM scheint es eingerissen zu sein, beides in sich selbst zu vermengen.

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