Andreas hat geschrieben:Historisch ist das, was man aufgrund vorhandener Tatsachen methodisch als historisches Modell rekonstruieren kann und nicht unbedingt das, was historisch tatsächlich passiert ist.
Wenn es ist, dann ist mir diese Sprachregelung entgangen, weil ich es aus der Wissenschaft gewohnt war, die genau Methodik zu nennen ("methodisch-kritisch war es so"/"im Bewusstsein der Menschen war es so"/"kanonisch war es so"/"etc".) Wie auch immer: dann aber sollte man dies gegenüber der Öffentlichkeit jedesmal sagen, weil Otto Normalverbraucher darunter in der Tat versteht "historisch = tatsächlich passiert".
Gut, das ist Sprache. - Die Frage würde sich anschließen: Warum lässt man eine solche Sprachregelung zu, wenn man nicht täuschen will? Warum erweckt man den Eindruck, methodisch Geschehenes sei dasselbe wie tatsächlich Geschehenes? Orwell, ich hör Dich trappsen.
Andreas hat geschrieben:Da kann doch die HKM nix für, dass sie von Ideologen verzerrt dargestellt wird.
Das sind nicht nur Sven& Co, sondern eine Reihe von Wissenschaftlern und Multiplikatoren, die weitgehend den öffentlichen Raum beherrschen.
Andreas hat geschrieben:Soll das heißen, dass die Ergebnisse der kanonischen Exegese das Echte beschreiben?
Moment: Beide wollen das Echte beschreiben. - Der entscheidende Unterschied liegt woanders: Die kanonische Exegese schickt einen Glaubensvorbehalt voraus (="alles, was jetzt folgt, basiert auf dem Glauben, dass Jesus göttlich ist"), während die HKM ihre Setzungen in der Regel NICHT vorausschickt (= "wir untersuchen nur, was kritisch-rational fassbar ist, können also Wunder und Auferstehung nicht wörtlich verstehen, selbst wenn es historisch so ist").
Andreas hat geschrieben:Was damals tatsächlich passiert ist, ist nicht unbedingt das, was sie als ihre Ergebnisse ausgibt.
Korrekt - sie ist nicht historisch-kritisch, sondern heilsgeschichtlich orientiert. - Wobei, was für HKM-ler schwer akzeptierbar ist, die kanonische Exegese an damals Geschehenem näher dran sein kann als die HKM. - Aber entscheidbar ist dies nicht, weil wir hier im nicht-falsifizierbaren Raum sind - eben Glaubenssache - BEIDSEITS.
Andreas hat geschrieben:Diese Nichtfalsifizierbarkeit macht aber Vermutungen nicht tatsächlicher oder wahrer oder realer oder Istiger oder gar zu dem, was der Fall ist, weil es von dem, was nicht der Fall ist, nicht unterscheidbar ist.
Richtig - beides sind Spekulationen, mit denen vermutlich mal der eine, mal der andere recht hat.
Andreas hat geschrieben: Du musst deinen zeitintensiven schlechten Umgang mit solchen Menschen hier im Forum nicht immer zum Problem des 21. Jahrhundert hochstilisieren. Das ist tatsächlich nur eine unbedeutende Minderheit.
Ich fürchte, Du irrst Dich. - Wären sie Kurzzeitkreationisten, würde ich Deinem "Minderheits-" Argument folgen - aber hier sehe ich tatsächlich ein Problem des 21. Jh.
Andreas hat geschrieben:Es ändert an den tatsächlichen Geschehnissen rein gar nichts, dass der Kanoniker seinen Glaubensvorbehalt vorstellt. WENN Jesus nur Mensch war, DANN war das eben in der damaligen Wirklichkeit so. WENN Jesus göttlich war, DANN war das in der damaligen Wirklichkeit eben so.
Für solche Sätze werde ich üblicherweise kritisiert - schön, dass Du es auch mal probierst. - Mit anderen Worten: Zustimmung.
Andreas hat geschrieben:Wie es in der damaligen Wirklichkeit war, weiß keiner - aber Kanoniker sagen dass ihre Version die Wahrheit ist. Das macht der HKM-ler nicht, weil er dazu gar keine Aussagen macht.Bist du damit glücklich?
Nee - weil es eher umgekehrt ist. - Es sind die HKM-ler, die so tun, als würden sie "dazu keine Aussagen machen", aber gleichzeitig Sätze loslassen wie "Jesus hatte eine Naherwartung" und dies sogar als "Faktum", "Tatsache", etc darstellen.
Man stellt also etwas Nicht-Falsifizierbares als Faktum dar, ohne dies als rein methodische Aussage ("Dies gilt, wenn man unserer Methodik zugrundelegt") zu kennzeichnen - ganz zu schweigen davon, dass es x Gründe gibt, warum diese Aussage falsch ist. - Man erweckt also in der Öffentlichkeit fälschlicherweise den Eindruck der Tatsächlichkeit und verschweigt die Setzungen, die dazu führen. - Die Kanonik macht das NICHT: Sie bekennt sich zu ihren Setzungen ("Glaubensentscheid"), bevor sie den Mund aufmacht.
Richtig - auch das versteht das normale Publikum nicht. - Nur wendet sich die Kanonik an "Glaubensentscheidern", während die HKM sich als universell gültig bezeichende Disziplin auch an Agnostiker&Co wendet. -Schau dir mal Filme an wie die von Petra Gerster: Da wird nach meiner Erinnerung nicht einmal gesagt "Das sind methodische Ergebnisse", sondern eine Gegenüberstellung von realem (historischen) und nicht-realem (kanonischen) Jesus gemacht - als seien beide Jesusbilder nicht jeweils setzungs-behaftet.
Das führt dann zu WIssenschafts-Darstellern wie Jung, die diesen Gedanken weiterentwickeln und auf etwas Komisches rauskommen wie "Naja, real ist nun mal der historisch-kritische Jesus, aber psychologisch ist der irreale irgendwie auch wichtig".

- Täuschung pur - im Namen der Wissenschaft. - Warum steht da nicht die Wissenschaft auf und haut auf den Tisch?
Wie auch immer: Es führt zu einer Spaltung der Theologie - hier die säkulare Bright-Theologie, dort die spirituelle traditionelle Theologie. - Warum? Weil auch viele junge Theologen inzwischen derart kontaminiert sind, dass sie auf die Spiel hereinfallen - auch noch im Namen der Aufklärung. - ICh sehe hier in der Tat einen beispiellosen Kulturverfall und einen Rückschritt in Sachen "Aufklärung" - also schon ein Problem des 21. Jh.
Andreas hat geschrieben:Ich lese lieber Fachliteratur als mir zu oft diesen Medialen Quatsch reinzuziehen.
Tja - mir liegt letztlich das Pastorale näher.
Andreas hat geschrieben:Der einzige der hier dauernd Descartes an unpassender Stelle anführt bist du.
Sicher? - Mein jetziger Stand ist, dass Descartes nicht verstanden wird - mutmaßlich, weil wir heute bereits derart materialistisch versaut sind, dass Descartes altmodisch und zurückgeblieben erscheint - selbst wenn er voraus wäre.
Andreas hat geschrieben:Was redest du da? Kanoniker wie Ratzinger und Berger nehmen für sich in ihren Schriften in Anspruch, anhand der Bibel und ihrer Exegese nichts als die Wahrheit zu verkündigen über Gott.
Aber doch erst, NACHDEM sie den "Glaubensentscheid" voran-gesetzt haben.
Andreas hat geschrieben:Von dem, was tatsächlich ist, hat der Ontologe keinen Schimmer, nur seine Vermutungen
Nicht mal das - das interessiert ihn erst mal gar nicht. Du verstehst nicht. - Ein Ontologe sagt in erster Linie, dass das, was ist, unabhängig davon ist, was wir methodisch davon halten - er ist unparteiisch in der Sache, sondern stellt "lediglich" das "Sein selbst" über "unsere Wahrnehmung davon". - Das klingt banal, ist aber in unseren Zeiten, die methodische Wirklichkeit mit tatsächlicher Wirklichkeit verwechselst oder ersetzt, dringend nötig.
Andreas hat geschrieben:So jetzt lass ich dich mit deinen Zerrbildern wieder allein.
Du solltest es für möglich halten, dass Du nicht in allem voraus bist.
