Hallo closs
Ich kann mich auch mal wieder kurz zu Wort melden.
closs hat geschrieben:ich erkenne, dass wir nur wissen können, was wir an Wirklichkeit für wahr halten (also glauben), aber nie "wissen", was "ist"
Ich stimme dem zu, wobei ich es durch zwei Zusätze „einordnen“ möchte:
1.
Es gibt auch Menschen, die sagen „die Welt ist genau so, wie ich sie wahrnehme“. Das geht soweit, dass es kein Halten mehr zu geben scheint, wenn es um „Existenzen“ geht.
2.
Eigenartigerweise wird das „Nicht-Wissen-Was-Wirklich-Ist“ plötzlich gestoppt, wenn es um das „Ich“, das „Subjekt“ geht. Hier soll dann der (aus meiner Sicht) richtige obige Grundsatz auf einmal nicht mehr gelten und „wir sollen Experten in eigener Sache, bei gleichzeitig (zähneknirschend) zugegebener Ahnungslosigkeit sein“.
closs hat geschrieben:Nachdem man DAS erkannt hat, kann man sich mit Wahrnehmungs-Systemen an die Wirklichkeit ran machen, um per Wahrnehmung möglichst authentisch nahezu kommen.
Hier stimme ich nicht mehr ganz zu, denn ich halte den Menschen nicht für ein „Etwas“, das sich ein Wahrnehmungssystem als Werkzeug auswählt.
„Ich“, als Bedeutungsanteil innerhalb der Steuerung eines Lebewesens, „bin“
Teil des Wahrnehmungssystems.
Die Konsequenz daraus ist, dass „Ich“ bestimmte Fähigkeiten „zur Verfügung“ habe, um „meinen“ Umgang mit einer (vermuteten) Wirklichkeit zu optimieren.
Zu diesen Fähigkeiten gehört die Absicherung durch Wechselwirkungs- und Testkontrolle.
„Ich“ habe auch die Fähigkeit mit Phantasie und Kreativität an die Wirklichkeit heran zu gehen, aber die Erfahrung zeigt eindeutig, dass durch Absicherung und Testkontrolle funktionierende Wirklichkeitsergebnisse relativ sicher erreichbar sind.
closs hat geschrieben:Bei naturalistischer Wirklichkeit wählt man dazu am besten einen naturwissenschaften Ansatz - bei geistiger Wirklichkeit wählt man dazu am besten einen geistigen Ansatz. - Dies setzt voraus, dass man weiss, ob man es mit einer naturalistischen oder mit einer geistigen Wirklichkeit zu tun hat.
Unter dem Gesichtspunkt, dass „Ich“ meine Fähigkeiten nicht frei wählen kann, kann ich dem nicht zustimmen.
Auf Grund der unendlich vielen Blickwinkel, die „Ich“ auf die natürliche Umwelt haben kann und der von dort auf mich ausgeübten Korrektur (also Wahrnehmungsunabhängigkeit), kann „Ich“ den Status „Wirklichkeit“ vergeben. (umgangssprachlich: „es wirkt etwas auf mich ein“)
Bei anderen „Zusammenhängen“, die „Ich“ von einem absichtlich generierten Phantasieentwurf nicht unterscheiden kann, weil für sie
keine Wahrnehmungsunabhängigkeit feststellbar ist, kann dieses „Ich“ nicht den Status „Wirklichkeit“ vergeben.
„Wirklichkeit“ ist (aus meiner Sicht) eine Art Gütesiegel, für dessen Vergabe die Wahrnehmungsunabhängigkeit eindeutig feststellbar sein muss. Hierbei geht es erst einmal nicht um einen wissenschaftlichen/methodischen Umgang, sondern um die Abgrenzung von Wahrnehmung. (umgangssprachlich: „es sollte schon etwas anderes als Einbildung sein“)
closs hat geschrieben:das ist eine Wahrnehmungs-Prämisse, um die man nicht rumkommt, wenn man über die eigene Wahrnehmung hinaus projeziert. - Alternative: Man kümmert sich nur um naturalistische Phänomene.
Das sehe ich kritisch, denn „über die eigene Wahrnehmung hinaus projeziert“ ist für eine Wahrnehmung natürlich nicht möglich.
Vermutlich wird hier das zentrale Anfangsproblem deutlich:
Wenn man die „Entscheidung“ trifft, dass sich hinter der Wahrnehmung eine „wählende Instanz“ befinden soll, dann wird daraus geschlossen, dass diese „Instanz“ die aktuell angewandte Wahrnehmung „überwinden“ könnte.
Exakt für diesen Zusammenhang kann aber das obige Gütesiegel „Wirklichkeit“ nicht vergeben werden.
D.h. für den elementaren Anfangsschritt, kann die Korrektheit einer Wahrnehmungsunabhängigkeit nicht festgestellt werden.
Es ist somit aus meiner Sicht
falsch, die „Beschränkung auf natürliche Phänomene“ als eine Art „kleine Alternative“ zu deklarieren.
Es ist eher so, dass von der menschlichen Wahrnehmung jede Möglichkeit erschlossen wird, wenn sie mit Wirklichkeit (also Wahrnehmungsunabhängigkeit) in Verbindung gebracht werden kann (-> Neugierde).
Dieser Umgang mit Wirklichkeit ist ein zentraler Charakterzug von Menschen (auch von Tieren).
Insgesamt muss eine sensorische Wahrnehmung, die sich mit Planungsentwürfen beschäftigen kann, immer eine Möglichkeit suchen/finden, um „Wirklichkeit“ möglichst eindeutig festzustellen.
Wenn ein „Weltbild“-Entwurf gegen diesen Sachverhalt verstösst, in dem Zusammenhänge aufgebaut werden, die das Verhalten stark beeinflussen und den eigentlichen Lebenssinn darstellen sollen, aber gleichzeitig die Unmöglichkeit einer „Wirklichkeitsfeststellung“ eingestanden werden muss, dann ist dieser Entwurf für eine sensorische Wahrnehmung untauglich – zumindest, wenn es um „Wirklichkeit“ geht (es kann psychische Gründe geben, so dass sich auch ohne Wirklichkeitsbestätigung eine Lageverbesserung einstellt).
Es ist dann (aus meiner Sicht) auch sehr vernünftig, dass eine Analyse durchgeführt wird, bei der die „alten Schriften“ eines solchen „Weltbildes“ genau untersucht werden, um herauszufinden, wer, wo, wann „Entwurfs-Ideen“ beigesteuert hat.
Das Nicht-Vergeben-Können des Gütesiegels „Wirklichkeit“ liegt dann nicht an der Wahrnehmung, sondern muss dem Entwurf angelastet werden.
Letztlich kann dem „christlichen Schöpfer-Verdacht“ entgegengehalten werden, dass hier eine Macht, Lebewesen erzeugt haben und von ihnen ein „Mentalverhalten“ verlangen soll, ohne dafür zu sorgen, dass die Macht und diese Zusammenhänge (von den Lebewesen) als „Wirklichkeit“ eingestuft werden können.
Die einfachste Lösung für diesen Widerspruch ist: der Verdacht ist…
Könnte es sein, dass ein „Teufelszeug“ entsteht, wenn man sich ungeachtet dieses Umstandes einfach (gegenüber anderen Menschen) so verhält, als würde der "Entwurf" als „Wirklichkeit“ eingestuft werden können?