Münek hat geschrieben: Nicht die "Hermeneutik davor ist bescheuert", sondern die PRÄMISSE.
Das ist ziemlich dasselbe - "Hermeneutik" fängt mit "Vorwissen"/"Vorannahmen" an, um diese im Rahmen der weiteren Untersuchung entweder zu verifizieren oder zu falsifizieren (man könnte es auch "Hypothese" nennen).
Oder, was viel häufiger ist: um eine nicht-falsifizierbare Vorannahmen auf Plausibilität hin untersuchen.
Insofern ist für unsere Zwecke "Prämisse"/"Hypothese"/"Vorannahme" gleichermaßen für das verwendbar, was VOR dem wissenschaftlichen Ablauf stattfindet.
Münek hat geschrieben:Wenn die Prämisse falsch ist, sind auch die daraus gezogenen Schlussfolgerungen falsch.
Das sowieso - das ist doch ständig mein Reden: Welche Prämisse ist richtig - die der HKM oder die der Kanonik? - Die Antwort lautet: Objektiv nicht beantwortbar, da nicht falsifizierbar. - Also bleibt nur die Plausibilitäts-Prüfung übrig - allerdings mit dem Pferdefuß, dass je nach Weltanschauung verschiedenes plausibel ist.
Münek hat geschrieben:Verstehe ich Dich recht, dass Du die hermeneutischen Schlussfolgerungen der Astrologie aus ihrer gesetzten Prämisse bei methodischer Weiterführung (z.B. die Erstellung eines Horoskops) für WISSENSCHAFTLICH hälst?
Ich würde Astrologie nie als "Wissenschaft" bezeichnen - trotzdem kann man alles nach wissenschaftlichen Regeln bearbeiten. - Bei Astrologie (= "Beobachtung von Gestirnen in Bezug auf eine Auswirkung auf den Menschen") wäre bspw. ein wissenschaftlicher Ansatz: "Gibt es eine intersubjektiv nachvollziehbare Konsistenz dessen, was seitens der Astrologie an 'Realität' postuliert wird?" - Die Antwort auf eine solche Fragestellung kenne ich nicht. - Die Frage wäre also nicht "Ist Astrologie eine Wissenschaft?", sondern was kommt bei der Astrologie raus, wenn man sie wissenschaftlich bearbeitet.
"Natur" ist ebenfalls keine Wissenschaft - hier lautet die Frage "Ist die Beobachtung von Naturabläufen" wissenschaftlich auf Konsistenz hin intersubjektiv darstellbar - klare Antwort: Ja (Naturgesetze, etc.). - Bei Astrologie würde ich vorbehaltlich einer wissenschaftlichen Untersuchung NEIN sagen.
Bei der Theologie gilt dieselbe Frage: "Ist das Verhältnis zwischen Gott und Mensch gemäß wissenschaftlicher Untersuchung als intersubjektiv konsistent bezeichenbar?". - Da würde der Naturalist sagen NEIN, weil er den Begriff "geistige Plausibilität" prinzipiell ablehnen würde - ein geistig-spirituell-philosophisch ausgerichteter Mensch würde sagen JA, weil er Begründungen hat, die es plausibel erscheinen lassen, dass Gott eine Entität ist und Jesus eine göttliche Entität in der Historie, also "real". - Diese "Realität" wiederum könnte auch ein Astrologe in Bezug auf sein Anliegen für sich beanspruchen - also schwierig.
Also kommen wir zur Frage: "Was ist eigentlich Wissenschaft?". - Dazu gibt es (mindestens) zwei Antworten:
I.
"Wissenschaft" ist nur dann, wenn sich Ergebnisse falsifizieren lassen (das wäre die Linie, die Pluto vertritt). - Kann man so machen - dann aber gäbe es keine Theologie und auch die meisten Geisteswissenschaften nicht, weil die Substanz, weshalb es überhaupt Geisteswissenschaften gibt, selbst nicht falsifizierbar ist. - Was übrig bliebe, ist die flankierende Untersuchung von Sachen, die falsifizierbar sind:
* Wann war Paulus in Korinth?
* Worauf geht der "Faust"-Stoff Goethes zurück?
* Unter welchen biografischen Umständen schrieb Chopin sein Klavierkonzert Nr. 1?
Was nicht bei DIESEM Wissenschaftsbegriff ginge, wäre:
* Was meint Paulus geistig mit seinem Römerbrief?
* Was ist das geistige Grundmotiv von Goethes "Faust"?
* Wie ist Chopin Klavierkonzert Nr.1 gemäß seiner geistigen Substanz interpretierbar?
II.
"Wissenschaft" ist, wenn man etwas (egal was) nach den Regeln wissenschaftlicher Methodik untersucht - egal ob das die Evolution des Lebens, die geistige Substanz der Bibel oder die Thesen der Astrologie sind. - "Wissenschaft" wäre hier also nicht abhängig vom Charakter des Objekts, sondern ausschließlich definiert über die Art der Untersuchungs-Vorgehensweise.
Ich kann sowohl mit (I.) als auch mit (II.) leben - es ist mir egal. - Allerdings ist mir gar nicht egal, ob erkannt wird, welche unterschiedliche Rolle die Wissenschaft im Fall (I.) und im Fall (II.) spielt. - Im Fall (I.) kann "Wissenschaft" substantiell NICHT entscheiden, was Paulus geistig im Römerbrief zu sagen hat, sondern nur geistig-taub von außen beschreiben, was drin steht. - Im Fall (II.) kann "Wissenschaft" weit mehr, weil sie so definiert ist, dass sie sich "zum Geistigen hin" (Ratzinger) öffnen kann.
Im Fall (I.)
ist Theologie KEINE WIssenschaft, da Wissenschaft bei dieser Definition im Grunde nur geistig-taub von außen Religions-Geschichte betreiben kann - genau das ist aber nicht die Aufgabe von Theologie. - Mit zwei Konsequenzen:
1) Theologie darf nicht als Wissenschaft bezeichnet werden.
2) Wissenschaft ist nur flankierende Kraft für die Theologie, aber selbst nicht geistig-inhaltlich interpretations-fähig.
Im Fall (II.)
ist Theologie eine Wissenschaft, weil Wissenschaft bei dieser Definition allein abhängig durch ihre Arbeitsweise definiert ist, egal WAS sie untersucht. - Mit zwei konsequenzen:
1) Theologie darf als Wissenschaft bezeichnet werden.
2) Wissenschaft ist entscheidende Kraft INNERHALB der Theologie, weil sie auch geistig-inhaltlich interpretations-fähig ist.
Was ist Dir lieber? - Fall (I.)
ODER Fall (II.)? -
Beides geht NICHT.
So - das war ein Versuch, Dir ohne jeglichen weltanschaulichen Hintergrund logische Zusammenhänge bei der Definition von "Wissenschaft" darzustellen. - Bitte antworte so, dass damit keine Perlen vor die Säue geworfen wurden.
Davon abgesehen: Wie unsäglich Eure Äußerungen auch manchmal sein mögen - mir bringt es insofern etwas, dass Deine hier gestellte Frage dazu anregt, sich selber Dingen grundsätzlich klarer zu werden - somit: Alles hat seinen Nutzen.
