Savonlinna hat geschrieben:Seid wann könnt Ihr in die Seelen anderer Menschen gucken?
Und ihnen unterstellen, sie seien versklavt oder verhöllt?
Kennst du einen Menschen, der nie leidet?
Kennst du einen Menschen, der von seinem Leiden nicht gerne befreit wäre?
Leiden - physisch und psychisch - nenne ich im Zusammenhang hier "Hölle".
Und "versklavt" bin ich, weil ich, obschon ich das nicht möchte, immer wieder diese "Hölle" erleben muss.
Jesus verlangt von seinem potenziellen Nachfolger diese Hölle (das eigene Kreuz) täglich auf sich zu nehmen.
Als den "Trick", der das überhaupt erst ermöglichen soll, nennt er die Selbstverleugnung.
Das ist logisch und konsequent, da es kein Ich, kein Selbst gibt, das leiden möchte.
Ein Selbst kann das Kreuz nicht tragen, kann die Hölle nicht ertragen.
Buddha definiert diese Hölle (das Leiden) als die wahre Natur der Existenz und als solche stellt sie die erste der von ihm gelehrten vier edlen Wahrheiten dar. Auch bei ihm finden wir, in ein wenig anderer Ausprägung, denselben "Trick", der das Leben unter dieser existenziellen Wahrheit ermöglichen soll: Das Aufgeben der Ich-Ansicht. Ein radikaler Vers dazu ist etwa dieser:
Bloß Leiden gibt es, doch kein Leidender ist da.
Bloß Taten gibt es, doch kein Täter findet sich.
Erlösung gibt es, doch nicht den erlösten Mann.
Den Pfad gibt es, doch keinen Wand'rer sieht man da.
Diesen "Trick" der Selbstverleugnung oder Nicht-Selbst-Erkenntnis gilt es einzuüben von demjenigen Menschen, der - in der Hoffnung, auf diese Weise vom Leiden frei zu werden - Jesus oder Buddha nachfolgen möchte. Aber niemand
muss das tun. Niemand ist gezwungen, sich vom Leiden - von Hölle und Sklaverei - zu befreien oder auch nur sich davon befreien (lassen) zu wollen. Und auch die es versuchen und diesen oder jenen Weg gehen, werden vielleicht nie wissen, ob der "Trick" wirklich funktioniert. Was wir aber dadurch gewinnen, ist eine Lebensaufgabe, ein Lebenssinn. Vielleicht ist das ja schon genug. Und vielleicht ist es gar nicht so wenig.