Alles Teufelszeug?

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sven23
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#1401 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von sven23 » So 28. Feb 2016, 12:04

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Sowohl closs als auch Ratzinger versuchen sich vor diesen unbequemen Forschungsergebnissen durch die Einführung eines hermeneutischen Dogmas zu immunisieren
Wie Sven bist Du in einem potemkinschen Dorf unterwegs. - Weder sind rein sachliche Forschungsergebnisse unbequem, noch besteht irgendein Anlass, Dogmen aufzustellen und sich zu immunisieren.
Dann frage ich mich, warum Ratzinger vom Antichsten lamentiert im Zusammenhang mit wissenschaftlicher Exegese. Fakt ist doch, dass ihm die Ergebnisse nicht gefallen.


closs hat geschrieben: Die Frage, ob Jesus diese Art der Naherwartung hatte, hängt allein davon ab, ob er
a) irgendein beliebiger Wanderprediger war, oder
b) der war, für den ihn das Christentum hält.
Das ist wieder dein immer wiederkehrender und scheinbar nicht ausrottbarer Fehler. Du willst Ergebnisse produzieren, die du vorher als Prämisse gesetzt hast. Ein klassischer Zirkelschluss.
Man kann auch ganz ohne Prämissen die Glaubenswelt des Wanderpredigers nachzeichnen. Das tut die Forschung.


closs hat geschrieben: Meinst Du ernsthaft, die HKM würde bei a) und b) dieselben Schlussfolgerungen aus ihren Beobachtungen ziehen?
Begreif es doch endlich. Glaubensprämissen dürfen in der Leben-Jesu-Forschung gar keine Rolle spielen. Dann wäre der Methodenapparat untauglich, weil die Ergebnisse beliebig wären.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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sven23
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#1402 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von sven23 » So 28. Feb 2016, 12:08

Pluto hat geschrieben:
Die wissenschaftliche Methodik schreibt vor, dass man ergebnisoffen forschen soll. Das Problem ist, Forschung wird von Menschen mit eigenen Weltbildern betrieben. Diese gilt es aber bei der wissenschaftlichen Arbeit weitestgehend auszuschalten.
Genau so.
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Pluto
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#1403 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Pluto » So 28. Feb 2016, 12:10

sven23 hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Die wissenschaftliche Methodik schreibt vor, dass man ergebnisoffen forschen soll. Das Problem ist, Forschung wird von Menschen mit eigenen Weltbildern betrieben. Diese gilt es aber bei der wissenschaftlichen Arbeit weitestgehend auszuschalten.
Genau so.
;)
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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Savonlinna
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#1404 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Savonlinna » So 28. Feb 2016, 12:36

sven23 hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben: Die Prämissen werden eingebracht, sie werden nicht ausgeschaltet.
Du verstehst nicht. Glaubenprämissen dürfen in der Leben-Jesu-Forschung keinen Einfluss auf das Ergebnis haben.

Die Leben-Jesu-Forschung kenne ich nicht. Dazu habe ich keine Meinung.
Ich spreche immer nur von der historisch-kritischen Forschung, und die ist rein textbasiert. Sie beschäftigt sich nicht mit dem Leben Jesu, sondern mit den Evangelien und deren theologischen Aussagen.

Es ist so, wie lovetrail es schreibt:

lovetrail hat geschrieben: Jeder Wissenschaftler bringt einen gewissen Horizont mit, in welchem jeweils nur bestimmte Dinge erscheinen können.
Die Forschung würde überhaupt nicht vorankommen, wenn nicht jeder Wissenschaftler seinen eigenen Horizont einbringen würde.

Anders aber als früher - und die Kritik Theißens wird vermutlich berechtigt sein - wird dieser Verstehhorizont - in meiner Sprache: die Prämissen - nicht mehr verschwiegen, sondern auf den Tisch gelegt.
DAS ist das Markenzeichen des redlichen Wissenschaftlers. Er prüft sich selber, welchen Verstehhorizont er hat, und er nennt diesen zu Beginn.

Gerade der von Dir erwähnte Theißen macht das in seinem Vorwort zu "Der historische Jesus" von Theißen-Merz vorbidllich.
Er schreibt, dass die beiden Autoren die Prämisse haben, Jesus als Vertreter des jüdischen Denkens zu verstehen.
Dass er aber selbstverständlich neutral andere Ansichten einbringen werde.

Als ich das las, wusste ich: DER ist ein echter Wissenschaftler.
Und alles, was ich dann in dem Buch gelesen habe, bestätigte mir, dass er differenziert denkt. Er begründet seine Prämisse, lässt aber andere Prämissen ebenfalls gelten. Er sagt nur, wie er persönlich denkt.

Heute wird, wie ich las, in der Forschung mehr der Akzent auf Jesus als Jude gelegt.
Früher legte man den Akzent mehr auf Jesus als Erneuerer.
Der Wissenschaftler polemisiert da nicht, sondern referiert die früheren Positionen und legt seine Position dazu dann mit auf den Tisch.

Darum ist gerade Theißen ein Beleg dafür, dass die Forschung nicht einmütig ist, nicht einmütig sein darf.

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lovetrail
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#1405 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von lovetrail » So 28. Feb 2016, 12:40

Savonlinna hat geschrieben: Es geht darum, wie "Auferstehung" von den Evangelisten verstanden wurde.
Keineswegs ist für ein Theologiestudium erforderlich, dass man sich die Auferstehung wie sven vorstellt.
sven stellt sie sich so vor, wie es sie nicht geben kann, closs möglicherweise auch.
Wörtlich-Lesen ist keine Voraussetzung für ein Theologiestudium.

Das sind aber alles Spätprodukte materialistisch denkender Zeitgenossen - zu denen ich auch closs zähle, auch wenn er es so nicht sieht.
"Auferstehung" ist eine spannende Thematik.
Ich finde es spannend auf weitere Bedeutungsebenen von "Auferstehung" zu horchen.

Aber dennoch ist es doch so, dass die Evangelisten und Apostel auch eine leibliche Auferstehung von den Toten meinten.
Paulus sagt sogar, dass ohne diese leibliche Auferstehung der Glaube zusammenbrechen würde (und "wir" wären immer noch in den Sünden gefangen).

Man kann den Materialismus zurückweisen ohne in einen Spiritualismus zu verfallen.

Hast du denn Theologie studiert, Savonlinna?

@Thaddäus: Bekomme ich noch eine Antwort auf meine an dich gerichtete Frage, wie der "historisch-kritisch" geläuterte Jesus aussieht? Ist der überhaupt leiblich auferstanden?

LG lovetrail
Zuletzt geändert von lovetrail am So 28. Feb 2016, 12:53, insgesamt 1-mal geändert.
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sven23
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#1406 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von sven23 » So 28. Feb 2016, 12:41

Savonlinna hat geschrieben: Darum ist gerade Theißen ein Beleg dafür, dass die Forschung nicht einmütig ist, nicht einmütig sein darf.
Das kann sie gar nicht sein, und da wird jeder zustimmen, von Theißen bis Kubitza. Trotzdem gibt es Positionen, die weitgehend konsensfähig sind, wie etwa die Naherwartung oder die Beurteilung des Johannesevangeliums usw.

Savonlinna hat geschrieben: Die Leben-Jesu-Forschung kenne ich nicht. Dazu habe ich keine Meinung.
Ich spreche immer nur von der historisch-kritischen Forschung, und die ist rein textbasiert. Sie beschäftigt sich nicht mit dem Leben Jesu, sondern mit den Evangelien und deren theologischen Aussagen.
Ja, da muß man differenzieren. Die Leben-Jesu-Forschung bedient sich der historisch-kritischen Methode, nicht der kanonischen Exegese. Das ist hier besonders wichtig.
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Savonlinna
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#1407 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Savonlinna » So 28. Feb 2016, 12:49

sven23 hat geschrieben:
closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Sowohl closs als auch Ratzinger versuchen sich vor diesen unbequemen Forschungsergebnissen durch die Einführung eines hermeneutischen Dogmas zu immunisieren
Wie Sven bist Du in einem potemkinschen Dorf unterwegs. - Weder sind rein sachliche Forschungsergebnisse unbequem, noch besteht irgendein Anlass, Dogmen aufzustellen und sich zu immunisieren.
Dann frage ich mich, warum Ratzinger vom Antichsten lamentiert im Zusammenhang mit wissenschaftlicher Exegese. Fakt ist doch, dass ihm die Ergebnisse nicht gefallen.

Jetzt referierst Du Ratzinger zumindest etwas differenzierter. :thumbup:
Ja, ihm gefällt etwas nicht. Aber was?

Der Missbrauch der historisch-kritischen Forschung missfällt ihm.
Mir missfällt ebenfalls der Missbrauch von Wissenschaft.
Bin ich darum gegen Wissenschaft?
Doch wohl gerade umgekehrt.

Ich nehme es Ratzinger vollkommen ab, dass die historisch-kritische Forschung für ihn das Fundament ist, auf dem er seine Theologie aufbaut.
Er begründet es so nachvollziehbar - in seinem Vorwort -, dass es jedem klar werden muss, der es gelenrt hat, korrekt - und nicht tendenziös - zu lesen.
Ich hatte meine Vorurteile gegenüber Ratzinger auch. Ich hab auch mal zuviel auf andere Meinungen gehört.
Das ist eine Kinderkrankheit, die man ablegen kann.
Lebt man in einer Diktatur, fängt man an zu erfassen, wie wichtig es ist, tendenziöses Lesen als tendenziöses Lesen zu erkennen und in sich selber abzulegen.

Insofern gehört es zur Redlichkeit, Ratzingers Gedankengang ohne Polemik und ohne persönliches Werten erst einmal zu verstehen.
Wer das nicht packt, gehört für mich in die Welt von "1984", wo totalitäre Systeme geschildert werden und wo Meinungsmache alles ist.

Oder er soll in die Politik gehen! Da kann er auch nur auf Meinungsmache setzen und darf ein Schwein sein.

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lovetrail
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#1408 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von lovetrail » So 28. Feb 2016, 12:50

sven23 hat geschrieben: Natürlich wird auch Wissenschaft von Menschen betrieben. Genau deshalb hat man ja einen Methodenapparat entwickelt, um subjektive Einflußnahmen- bewußte oder unbewußte- weitgehend auszuschalten. Das macht die Ergebnisse transparent und nachvollziebar.
Praktisch betrachtet ist dies ja auch begrüssenswert. Auf diese Weise kann man so manch haltlosen Aberglauben beseitigen.

Aber ich spreche von epochalen Weltbildern. Dieser voraussetzungsfreie Raum der Wissenschaft ist eine Idealisierung welche nur enger an diese verdrängten Prämissen bindet.

LG lovetrail
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#1409 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Hemul » So 28. Feb 2016, 12:55

lovetrail hat geschrieben:Aber dennoch ist es doch so, dass die Evangelisten und Apostel auch eine leibliche Auferstehung von den Toten meinten. Paulus sagt sogar, dass ohne dieser leiblichen Auferstehung der Glaube zusammenbrechen würde (und "wir" wären immer noch in den Sünden gefangen). Man kann den Materialismus zurückweisen ohne in einen Spiritualismus zu verfallen.
Hast du denn Theologie studiert, Savonlinna?
Man braucht gar nicht Theologie studiert zu haben um zu erkennen, dass Du erneut Unsinn erzählst. Der von Dir erwähnte
Paulus schreibt diesbezgl. in 1.Korinther 15:35-44+50 unmissverständlich folgendes:
Die Auferstehungshoffnung und die Eigenart der Auferstehung
35 Es wird aber jemand sagen: Wie werden die Toten auferweckt? Und mit was für einem Leib kommen sie? 36 Tor! Was du säst, wird nicht lebendig, es sterbe denn. 37 Und was du säst, du säst nicht den Leib, der werden soll, sondern ein nacktes Korn, es sei von Weizen oder von einem der anderen Samenkörner. 38 Gott aber gibt ihm einen Leib, wie er gewollt hat, und jedem der Samen seinen eigenen Leib. 39 Nicht alles Fleisch ist dasselbe Fleisch; sondern ein anderes ist das der Menschen und ein anderes das Fleisch des Viehes und ein anderes das der Vögel und ein anderes das der Fische. 40 Und es gibt himmlische Leiber und irdische Leiber. Aber anders ist der Glanz der himmlischen, anders der der irdischen; 41 ein anderer der Glanz der Sonne und ein anderer der Glanz des Mondes und ein anderer der Glanz der Sterne, denn es unterscheidet sich Stern von Stern an Glanz. 42 So ist auch die Auferstehung der Toten. Es wird gesät in Vergänglichkeit, es wird auferweckt in Unvergänglichkeit. 43 Es wird gesät in Unehre, es wird auferweckt in Herrlichkeit; es wird gesät in Schwachheit, es wird auferweckt in Kraft; 44 es wird gesät ein natürlicher21 Leib, es wird auferweckt ein geistlicher Leib. Wenn es einen natürlichen Leib gibt, so gibt es auch einen geistlichen. 50 Dies aber sage ich, Brüder, dass Fleisch und Blut das Reich Gottes nicht erben können, auch die Vergänglichkeit nicht die Unvergänglichkeit erbt.
:chapeau:
Zuletzt geändert von Hemul am So 28. Feb 2016, 13:27, insgesamt 1-mal geändert.
denn die Waffen, mit denen wir kämpfen, sind nicht fleischlicher Art, sondern starke Gotteswaffen zur Zerstörung von Bollwerken: wir zerstören mit ihnen klug ausgedachte Anschläge (2.Korinther 10:4)

closs
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#1410 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von closs » So 28. Feb 2016, 13:04

sven23 hat geschrieben:Also wäre deiner Meinung nach Forschung ohne Glaubensprämisse gar nicht möglich.
Wenn es um die klassischen Bereiche der HKM geht wie etwa Text-Kritik, Quellen-Kritik, historisches Umfeld des Objekt (sowohl des Verfassers als auch des Objektes des Verfassers), Sprach-Kritik ("Welche Bedeutung hatte das Wort x im Jahr y?"), etc. bedarf es keiner Glaubensprämisse. - Wenn es jedoch bei geistig gemeinten Texten um Interpretation geht, ist die inhaltliche Interpretation von Glaubens-Prämissen abhängig:
1) "Ich setze, dass Jesus nichts als einer der vielen Wanderprediger war"
2) "Ich setze, dass er darüber hinaus das was, wofür ihn das Christentum hält".

Beides ist Glaube und nicht falsifizierbar. - Aus MEINEM Verständnis von "Wissenschaft" würde ich BEIDE Varianten berücksichtigen:
1) "Wie sind meine wissenschaftlich-setzungsfreien historisch-kritischen Beobachtungen im Fall 1) zu interpretieren?
2) dito 2)

sven23 hat geschrieben:Dagegen wehrt sich doch die Theologie, weil sie die Kontrolle über die Forschung nicht abgeben will.
Wenn die Theologie sagt, dass sie HKM nur unter der Setzung 2) und nicht unter der Setzung 1) interpretiert sehen will, habe ich dafür Verständnis. - Die neutralen HKM-Erkenntnisse sind davon doch nicht berührt.

sven23 hat geschrieben:Ratzinger hält es nicht für Kleinkram, sondern für entscheidend.
Nach meinem Verständnis kann er differenziert denken - aber ich kenne sein Gesamtwerk nicht und Einzel-Zitate bringen nichts.

sven23 hat geschrieben:Die Forschung liefert erst mal die Basics, auf Grund dessen man sich spirituelle Kontexte ausdenken kann.
Verstehe ich nicht. - Die Basics sind wichtig für Glaubens-Prämissen 1) und 2) - siehe oben. - Ob man diese Prämissen als "ausgedacht" bezeichnen soll, weiss ich nicht. - Man darf nie vergessen, dass "Ausgedachtes" etwas mit (möglicher) Realität zu tun hat - ist Realität etwas Ausgedachtes?

sven23 hat geschrieben:Wird auch unter kritischen Theologen vollkommen anders gesehen
Das Wort "kritisch" ist ein Selbst-Beweiräucherungs-Ausdruck geworden, der nicht selten mangelnde Tiefe kaschiert.

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