Wie man sieht, sind alle 9 genannten Punkte wissenschaftlich nüchterne Aufgabenfelder.Halman hat geschrieben:Gem. Bibelwissenschaft handelt es sich bei der HKM une eine historisch-kritische Bibelauslegung.
Jein. - Richtig ist, dass die sprachliche Analyse ("Was bedeutete dieses Wort zur Zeit der Textentstehung?") bereits eine inhaltliche Aussage ist. - Richtig ist aber auch, dass diese inhaltliche Aussage nur etwas über den Textverfasser und gegebenenfalls auch dessen Quellen etwas aussagt. - Man also historisch-kritisch konstatieren: Der Verfasser hat folgendes gesagt und gemeint (wobei es auch hier unterschiedliche Varianten geben kann - man denke nur, dass das griechische Wort "Geschlecht" sowohl als "Generation" als auch als "Volk" verstanden werden - was der Sache einen ganz anderen Sinn gibt.Halman hat geschrieben:Demnach geht es darum, den ursprünglichen Sinn des Textes zu ermitteln, also ihn inhaltlich auszulegen und zu interpretieren. Oder verstehe ich hier was falsch?
Zudem gibt kein Autograph, auf das sich ein Textverfasser beziehen kann - er kann sich nur auf Quellen beziehen, die selber Rezeptionen sind - es gibt keine Urquelle (Auch "Q" ist keine Urquelle). - Obendrauf kann die HKM geistige Zusammenhänge des Gesamt-Kanons nur bedingt zur Kenntnis nehmen bzw. erkennen - 2 Beispiele in Frageform:
Wie soll die HKM das Paradigmen-Motiv bei Jesus erkennen? - Will heißen: Wenn Jesus sich des AT bedient, um zu sagen "Bei mir bedeutet es etwas anderes", ist schwer objektiv nachvollziehbar, wann die Jünger und späteren Rezipienten diesen Paradigmen-Wechsel gecheckt habe. - Wie soll die HKM das Motiv "Sie haben Ohren und hören nicht" objektiv "dingfest" machen? - Die HKM wird zu Recht darauf hinweisen, dass dementsprechende Aussagen im AT nicht im nachweisbaren Zusammenhang mit Jesu Aussagen stehen (obwohl es nach meiner Erinnerung sogar im NT steht). - Aber selbst wenn es NICHT im NT dastünde, wäre es als zeitloses Motiv da - weil es typisch Mensch ist. - Das nun sind geistige Erkenntnisse, die den streng methodischen Vorgaben der HKM als voreingenommen vorkommen können, obwohl sie (aus meiner Sicht gewiss) der Schlüssel zum Verständnis sind.
Es gibt hier aus meiner Sicht eine Aporie, die - wie das Wort schon sagt - ausweglos ist. - HKM und geistige Exegese werden immer mit verschiedenen Fragestellungen beschäftigt sein, weil sie so gemacht sind - das hat nichts mit einem Mangel zu tun, sondern mit jeweiligen dem "Design" dieser zwei Perspektiven.
Wenn man das Paradigmen-Wechsel-Motiv und das "Ohren-ohne-zu-hören-Motiv mit-berücksichtigt, kann dies gelingen. - Es kann NICHT gelingen, wenn man rein sprachlich Zeiten und Texte vergleicht und so tut, als seien die älteren Quelle näher am Verständnis als die späteren Quellen. - Genau das scheint mir getan zu werden - aus meiner Sicht ein gewichtiger Denkfehler.Halman hat geschrieben:Die Exegeten, welche die HKM anwenden, differnzieren also zwischen dem ursprünglichen Sinn (bspw. zurzeit der Apostel) und den Sinnanliegen späterer Zeiten.
Denn dieses Vorgehen funktioniert nur dann, wenn ein Urquelle existiert (man stelle sich ein Autograph Jesu mit einem Evangeliums-Katechismus vor, in dem Jesus seine eigenen Worte genau interpretiert). - Dieses Vorgehen ist normalerweise auch sinnvoll, da kaum davon auszugehen ist, dass ein älterer Kopierer mehr Fehler beim Abschreiben macht als ein späterer Kopierer.
Exakt diesen Fall haben wir aber hier nicht - hier ist es genauso möglich, dass die Jesus-Rezeption erst mit der Zeit den Paradigmen-Wechsel Jesu nach und nach kapiert, also später der Intention Jesu näher sein kann als die älteren Quellen. - Persönlich vermute ich, dass es BEIDE Fälle gibt:
a) Verfremdung geistiger Intentionen Jesu mit der Zeit (das ist der Ansatz der HKM)
b) Näherkommen an die geistige Intentionen Jesu mit der Zeit (dies könnte ein kirchlicher Standpunkt sein).
Meiner Ansicht nach kommen sowohl a) als auch b) vor. - Nur wie findet man das raus? Und da fällt mir echt nichts Besseres ein, als sich die (pro-domo-aussagen-durchtränkten) Aussagen von HKM und Kirche anzuschauen und dann selber eine innere Erkenntnis-Entscheidung zu treffen. - Unterm Strich läuft es auf "Solus spiritus" hinaus.
Da hat Zenger recht. - Als Leitplanke ist die HKM sicherlich im gegebenen Fall gut geeignet.Halman hat geschrieben:Bewahre doch die historische Bibelauslegung davor, „dass wir allzu leicht in die Bibel das eintragen, was uns genehm ist
Genau meine Meinung - aber nicht als Kampfhähne, sondern im Bewusstsein, dass beides Sinn macht.Halman hat geschrieben:Wir brauchen die diachrone und die synchrone Bibellektüre.
Richtig - das ist leider ein großes Problem. - Man nimmt semantische Shifts einfach mit, wendet sie dann rückwirkend an und lacht hämisch. - So kommt man der Wahrheit nicht näher.Halman hat geschrieben: „Die beste Übersetzung für Hass, wie ihn die Bibel versteht, wäre: Mit Leidenschaft gegen das Böse in der Welt kämpfen“, erklärte Zenger.
Danke für die Quellen, in denen sich zeigt, dass sich nichts geändert hat: Die HKM versucht ihren Alleinanspruch auf das Etikett "Wissenschaft" aufrecht zu erhalten - die Gegenseite meint, man könne nur aus dem Glauben an Jesus lesen. - Beides ist streng genommen falsch.Halman hat geschrieben:Vieleicht hast Du noch Interesse, die Erläuterung der Universität Duisburg-Essen zur historisch-kritische Methode der Textinterpretation zu lesen. Dieser möchte ich die Kritik von Dr. Jacob Thiessen gegenüberstellen.