Ich weiß schon worauf du hinaus willst, aber, wozu das Ganze? Unterschiedliche Vorstellungen von Fantasiewesen machen das eine nicht wahrhaftiger als das andere!Halman hat geschrieben:Offenkundig hast Du meine Argumenation nicht verstanden. Die Gottesvorstellungen sind nicht analog. Was ist daran so schwer zu verstehen?
Alles Teufelszeug? V
#1331 Re: Alles Teufelszeug? V
Die Wahrheit lässt sich pachten, mit dem Glauben an des Gottes Sohn, doch die Thesen sind vergänglich, allen Gläubigen zum Hohn! (Gert Reichelt)
#1332 Re: Alles Teufelszeug? V
Danke.closs hat geschrieben:Zunächst mal danke für Deine intellektuell disziplinierten Äußerungen - nur so geht es.Halman hat geschrieben:@clossFalls ich Dich falsch verstanden habe, bitte ich um Korrektur.

Theologen, wie Gerd Theißen, legen ihre Grundlagen doch offen. Seine Wissensansprüche (Exegese) begründet er damit, dass er sie auf Grundlage der historisch-kritischen Methode erlangt hat. Die HKM ist hier also die Grundlage.closs hat geschrieben:Im Wesentlichen hast Du mich richtig verstanden - auch der Interpretation, dass es unterschiedliche Hermeneutiken gibt, stimme ich ausdrücklich zu. - Und da wäre der nächste Schritt: WARUM gibt es unterschiedliche Hermeneutiken? - Die Antwort lautet unschwer: Weil es unterschiedliche Grundlagen/Setzungen/"Glaubensentscheide" gibt. - Und dann wäre die Frage: Warum bekennt sich nicht jeder zu SEINEN Grundlagen/Setzungen/"Glaubensentscheide", der die Bibel interpretiert?
Joseph A. Ratzinger legt seine Grundlagen doch ebenfalls offen: Er akzeptiert die HKM, auch wenn er sie kritisiert und stützt sich insbesondere auf die kanonische Exegese.
Wie Zenger feststellte:
Es ist das persönliche Buch des Menschen, Christen, Theologen Joseph Ratzinger. Aber zugleich ist es das Buch des Joseph Ratzinger, der Papst ist. So ist es zwar kein Buch, das lehramtliche Autorität hat und deshalb von den Katholiken Glaubensgehorsam einfordert ...
Das Jesus-Buch des emeritierten Papstes ist kein Lehrbuch, wie "Der historische Jesus" von Annette Merz und Gerd Theißen, sondern ein Glaubenszeugnis und sollte auch genau so verstanden werden.Ein sehr persönliches Buch der Gottsuche
Das Jesus-Buch ist ein sehr persönliches Buch, zu dem der Papst, wie er im ersten Satz des Vorworts sagt, "lange innerlich unterwegs gewesen" (10) ist. Mit dem Schreiben hat er als Kardinal im Sommerurlaub 2003 begonnen. Es sollte sein großes Glaubensbuch werden, sozusagen eine Summa theologica seines Lebens. Allerdings nicht im Stil eines Thomas von Aquin, nicht in der verobjektivierenden Sprache einer Dogmatik, nicht im elementarisierenden, generalisierenden Stil eines Katechismus, sondern in der Lebendigkeit eines persönlichen Glaubenszeugnisses. An dieser Absicht hat er auch nach "seiner Wahl auf den Bischofssitz zu Rom" (23) festgehalten und, wie er selbst sagt, "alle freien Augenblicke genutzt, um das Buch voranzubringen" (23).
Ich selbst besitzte das Jesus-Buch von Klaus Berger. Einleitend macht er klar, dass er in seinem Buch sein Terrain als Exeget verlässt. Er schreibt: Wer mich als Exeget kennen lernen möchte, soll mein Buch »Wer war Jesus wirklich?« lesen.
Dies trifft wohl auch auf das Jesus-Buch von Ratzinger zu.
Theißen, Ratzinger, Zenger und Berger legen meines Wissens nach ihre Grundlagen/Setzungen/"Glaubensentscheide offen. Prof. S. Zimmer verweist z.B. häufig auf die Bibelwissenschaft, aber legt auch klar, dass er als gläubiger Christ die Bibel liest.
Dies ist aber nicht die kanonische Exegese. Auch nicht die narrative.closs hat geschrieben:Oder noch grundlegender gedacht: Was ist eigentlich "Exegese"? - Aus dem von mir zitierten Werk von Schweiger ("Exegese - Hermeneutik"), das ich gottseidank gefunden habe, wird klar, dass Exegese eigentlich vornehmlich eine technische Disziplin ist (Quellenalter, Wortbedeutugen, historische Umstände, soziale Rahmenbedingungen, Biografistisches des Textverfassers, Stellung eines Textes im Gesamtwerk, etc). - GENAU SO haben wir es zu meiner Zeit gelernt. - ABER: Heute scheint man "Exegese" mit "Interpretation", also "Hermeneutik" gleichzusetzen.
Worauf ich damit hinweise will ist folgendes: Exegese ist erstmal lediglich die Auslegung, wobei die Vorsilbe "Ex" kennzeichnet, dass die Bedeutung "aus" dem Text entnommen wird.
So wie ich dies verstehe, liegt jeder Exegese ein hermeneutischer Zugang zugrunde, also eine "Kunst des Verstehens".
Mein Eindruck ist, Du sprichst von der Exegese auf Grundlage der historisch-kritischen Forschung der Bibelwissenschaft.
Da es ein kniffliges Thema ist, erinnere ich an die lehrreichen Beiträge von Thaddäus.closs hat geschrieben:Was lernen wir daraus:
1) Die Grenzen zwischen Exegese und Hermeneutik sind manchmal nicht leicht zu bestimmen.
2) Trotzdem gibt es sie.
Das ist das Los von Geisteswissenschaften, die nun mal mit komplexen und nicht immer eindeutig zu beantwortbaren Fragen zu tun haben.
In 3sat wird erklärt:
Die Hermeneutik ist sozusagen das Arbeitswerkzeug, mit dem ich sprachliche Äußerungen auslege. So verstehe ich dies.In der Philosophie bedeutet die Hermeneutik das Verstehen von Sinnzusammenhängen in menschlichen Lebensäußerungen aller Art. Sie hilft, die Fehler der Kommunikation aufzuzeigen und wenn möglich zu umschiffen.Denn wir meinen ja nicht immer, was wir sagen!
Diese psychologische Ebene wurde Anfang des 20. Jahrhunderts von dem Deutschen Wilhelm Dilthey noch verfeinert. Für besonders wichtig hielt er die Situationen und Einflüsse, die unseren Verfasser geprägt haben.Denn es ist ein Unterschied ob ein Tourist, der auf der Suche nach der nächsten Frittenbude ist, sagt: "Ich bin am verhungern" oder ein afrikanisches Kind aus der Sahel Zone!
Ist dies so korrekt? Oder irre ich mich?
Da bin ich anderer Meinung. Die Interpretation, dass Jesus eine Naherwartung hatte, ist doch eine Auslegung, die der Leser, sagen wir ein Exeget, dem Text entnimmt uns somit Exegese.closs hat geschrieben:Allein der Satz "Jesus hatte eine Naherwartung" ist eine hermeneutische Interpretation (und damit auf Basis einer hermeneutischen "Glaubensentscheidung" voll ok), aber eben keine Exegese. - ACHTUNG: Der Satz: "Paulus scheint in seiner Lebens-Phase x eine Naherwartung gehabt zu haben" ist dagegen eine exegetische Aussage, weil rein sachlich ermittelbar ist, dass er erst "so" und dann "anders" schrieb - aber damit ist nicht diskutiert, was "Naherwartung" eigentlich IST - das wiederum wäre wiederum eine hermeneutische Sache.
Laut dem Duden leitet sich der Begriff Exegese aus dem Grichischen ab.
Dazu bedarf es der Kunst des Verstehens, der Hermeneutik.griechisch exḗgÄ“sis = das Erklären, Auslegung
Oder bin ich auf dem falschen Dampfer zu den Kanarischen Inseln unterwegst, obwohl ich ja eigentlich nach Indien wollte?
Thaddäus beantwortet die Frage:closs hat geschrieben:In die Praxis hinein wiederhole ich eine von Sven und Münek nicht beantwortete Frage mit Bitte um einen Kommentar Deinerseits:
1) Gibt es überhaupt eine "historisch-kritische Hermeneutik"?
Thaddäus hat geschrieben:... Hermeneutische Methoden gibt es nämlich viele. Die HKM ist nur eine davon. ...
Ich denke, Hermeneutik und Exegese (die Kunst des Verstehens und die Auslegung/Interpretation) hängen untrennbar zusammen. Sie bilden sozusagenein "Kontinuum". Aber dies ist nur meine Meinung, die ich u.U. revidiere, sofern mich Argumente überzeugen.
Ich denke nicht, dass es sich so verhält. Unsere Kritiker hier entwerfen ein "Bild von der HKM" welches man nicht mit der HKM selbst verwechseln sollte.closs hat geschrieben:2) Kann es sein, dass es sie NICHT gibt (mein Verdacht), weil man aus Sicht der HKM gar nicht zwischen Exegese und Hermeneutik unterscheidet, sondern meint, mit dem Begriff "Kristisch-historische Exegese" BEIDES abdecken zu können?
Von Dir hätte ich gerne dazu eine Stellungsname: Wer hat in Bezug auf Römer 3:7 gem. dieser Quelle recht: Sven oder ich? (Es darf sich übrigens jeder angsprochen fühlen.)
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo
#1333 Re: Alles Teufelszeug? V
Angenommen man wollte diese Vorstellungen konkret kritisieren, so sind die Kritiken doch nicht beliebig austauschbar.Detlef hat geschrieben:Ich weiß schon worauf du hinaus willst, aber, wozu das Ganze? Unterschiedliche Vorstellungen von Fantasiewesen machen das eine nicht wahrhaftiger als das andere!Halman hat geschrieben:Offenkundig hast Du meine Argumenation nicht verstanden. Die Gottesvorstellungen sind nicht analog. Was ist daran so schwer zu verstehen?
Meine Hauptkritik am fliegenden Spaghettimonster (mal angenommen, es wäre eine ernstgemeinte Glaubensvorstellung) ist die Prämisse, dass dieser Gott aus Hartweizen besteht, welcher zu Spaghetti geformt ist. Dies ist logisch unbegründet und offenkundig absurd.
Beim biblischen Gott greift diese Kritik in keinster Weise. Die Kritik müsste also ganz anders formuliert werden.
Das fliegenden Spaghettimonster soll ja die Absurdidtät deutlich machen. Doch dies ist logisch nicht möglich, da es nicht analog zum jüdisch-christlichen Gott ist.
Oder nimm die philophischen Gottesherleitungen/-vorstellungen von Aristoteles und Xenophanes. Diese bewegen sich auf einem ganz anderen Niveau als das Spaghettimonster, dessen Absurdität gar nichts zu über den Wahrheitsgehalt anderer Vorstellung aussagt. Russells Teekanne übrigens auch nicht.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo
#1334 Re: Alles Teufelszeug? V
Das sehe ich anders.Halman hat geschrieben:Tatsächlich bietet das NT hier einen gewissen Interpretationsspielraum und enthält neben Naherwartungslogien auch Fernerwartungslogien und appelliert im Gesamtkontext eher zur Stehtserwartung. Der exegetische "Trick" besteht darin, die Fernerwartungslogien und -verse aus literarkritischer Sicht als spätere Redaktionen zu interpretieren und so einen ältere Naherwartungstextschicht anzunehmen. Dies ist recht theoretisch...
Die Chronolgie des NT ist im Detail nicht unbestritten. Aber es gibt keinerlei Diskussion darüber, dass die Evangelien früheren Datums sind als die Briefe Pauli oder Petri.
So können wir mit Gewissheit sagen, dass die Evangelien von einer Naherwartung sprechen, während die späteren Schriften, die Parusie immer mehr in die Ferne rückten.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.
#1335 Re: Alles Teufelszeug? V
Auch in den Evangelien gibt es jesuanische Logien, die auf eine Fernerwartung schließen lassen. So z.B. das Gleichnis vom Unkraut im Acker und Verse in der matthäischen Entzeitrede. Zudem wurden die Korintherbriefe und der Römerbrief gem. dem Mainstream in der historisch-kritischen Forschung Mitte der 50er Jahre geschrieben, vor der Niederschrift der synoptischen Evangelien, sofern man nach der HKM geht. Allerdings räume ich ein, dass die älteste Textschicht in Markus (gem. dem Mainstream der Bibelwissenschaft) auf eine ältere Tradition zurückgeht (Quelle Q). Hier wird es allerdings spekulativ und hypothetisch.Pluto hat geschrieben:Das sehe ich anders.Halman hat geschrieben:Tatsächlich bietet das NT hier einen gewissen Interpretationsspielraum und enthält neben Naherwartungslogien auch Fernerwartungslogien und appelliert im Gesamtkontext eher zur Stehtserwartung. Der exegetische "Trick" besteht darin, die Fernerwartungslogien und -verse aus literarkritischer Sicht als spätere Redaktionen zu interpretieren und so einen ältere Naherwartungstextschicht anzunehmen. Dies ist recht theoretisch...
Die Chronolgie des NT ist im Detail nicht unbestritten. Aber es gibt keinerlei Diskussion darüber, dass die Evangelien früheren Datums sind als die Briefe Pauli oder Petri.
So können wir mit Gewissheit sagen, dass die Evangelien von einer Naherwartung sprechen, während die späteren Schriften, die Parusie immer mehr in die Ferne rückten.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo
#1336 Re: Alles Teufelszeug? V
Nachdem ich Deinen ganzen Beitrag gelesen habe, bevor ich Dir hier antworte, kann ich Dir bereits hier zusammenfassend die Frage stellen: "Was ist HKM?". - Formal ist die Antwort kein Problem, aber inhaltlich.Halman hat geschrieben:Theologen, wie Gerd Theißen, legen ihre Grundlagen doch offen. Seine Wissensansprüche (Exegese) begründet er damit, dass er sie auf Grundlage der historisch-kritischen Methode erlangt hat. Die HKM ist hier also die Grundlage.
Begründung: Wir schwimmen hier alle in Bezug auf den Unterschied zwischen Exegese und Hermeneutik. - Das drückt sich - ich greife voraus - dadurch aus, dass Du die Hermeneutik als "VOR der Exegese" verstehst (auch Thaddäus scheint es so zu sehen) - und ich die Hermeneutik NACH der Exegese sehe.
Deshalb hier nochmals Zitate von A.Schweiger (aus: "Exegese - Hermeneutik"):
"Bevor ich in die Lage komme einen biblischen Text zu verstehen, und dieses Verständnis mein Leben zu bestimmen vermag, muss ich mich ... fragen: Was finde ich in dem Abschnitt überhaupt vor? Mit der Klärung dieser Frage beschäftigt sich die Exegese (griechisch: exegeomai – herausführen, auseinander setzen, beschreiben, darstellen).
A. Schritte in der Exegese
1. Zunächst frage ich: Was steht eigentlich da?
...
2. Die grammatische Analyse
...
3. Die Klärung der Begriffe
...
4. Die Einordnung in den Kontext
Wir haben den geistlichen und den zeitgeschichtlichen Kontext zu berücksichtigen. So wie jedes Wort nur durch seine Stellung in einem bestimmten Satz seine jeweilige Bedeutung erhält, so ist jeder Bibelvers in einem bestimmten Zusammenhang niedergeschrieben. Ich darf ihn nicht daraus lösen, wenn ich Fehlaussagen vermeiden will. "
So kenne ich Exegese "von früher" auch: Eine eher technische Disziplin, die viel Detail-Arbeit erfordert: Sprache, Begriffsklärung, Kontext - wobei aus meiner Sicht "Kontext" sowohl als "innerhalb der Bibeltexte" als auch "in Bezug auf politische, historische, soziale Umfelder in der Zeit (und übrigens auch des Textverfassers)" zu verstehen ist.
Was wäre dann Hermeneutik? Hier schreibt Schweiger:
"Die Lehre vom Verstehen (von griech. hermeneuo - auslegen, erklären, deuten, Aufschluss geben, verdolmetschen). Sie wird in der gesamten Geisteswissenschaft angewandt. Auf die Bibel bezogen geht es darum, einen Text aus sich heraus und in seinem Zusammenhang zu verstehen und seinem Sinn nach zu erschließen.
Wenn Menschen miteinander umgehen, stellen sie oft schmerzlich fest, dass sie zwar miteinander reden, sich deshalb aber noch lange nicht „verstehen“. Der Grund dafür liegt in unserer jeweils verschiedenen Eigenart des Denkens und Fühlens. Wir gebrauchen dieselben Worte und meinen doch vielfach etwas anderes damit. Die Schule der Ehe besteht z. B. darin, sich so weit in den Partner einzufühlen, dass man ihn
wirklich versteht. Nur so ist eine fruchtbare Kommunikation möglich. Im Umgang mit der Bibel wird es uns ähnlich ergehen. Wir müssen uns auch in ihre Ausdrucksweise einfühlen. Wenn man bedenkt, dass sie vor mehr als zwei bis dreitausend Jahren in einem völlig anderen Kulturkreis
niedergeschrieben wurde, ist es ohnehin erstaunlich, wie viel uns davon auch heute noch unmittelbar anspricht.
...
Ein guter Rat: Bleiben wir besonnen und nüchtern bei der typologischen und der allegorischen Auslegung, wie auch bei den Versuchen, einen mehrfachen Schriftsinn ausfindig zu machen. ... Das sollte man vor allem auch bei den Gleichnissen bedenken. Darin geht es in der Regel um einen Hauptgedanken und nicht um eine umfassende Darstellung aller in der Erzählung vorkommender Inhalte".
Bei der Hermeneutik geht es also um Auslegung auf Basis von detail-wissenschaftlicher Vorarbeit. - So gesehen ist Hermeneutik die nächste Stufe NACH der Exegese. - Somit hätte ICH recht, wenn da nicht noch ein anderer Satz von Schweiger wäre:
"Ein wichtiger Begriff ist in diesem Zusammenhang der des hermeneutischen Zirkels. Damit meint man, dass der Verstehende immer schon durch eine eigene innere Erfahrung ein Wissen von dem haben muss, was dann den Gegenstand seines Verstehens bildet. Man wird sich z.B. schwer tun, einem Blinden die verschiedenen Farben zu erklären. Wie ein Wiener Schnitzel schmeckt, wird auch nur der wissen, der schon einmal eines gegessen hat ..."
Dann hast DU in Bezug auf "Reihenfolge von Exegese und Hermeneutik" recht, da dies exakt das bezeichnet, was Du mit "hermeneutischen Zugang zur Exegese" (oder so ähnlich) bezeichnet hast. - Wir haben BEIDE recht, wenn wir Exegese als etwas verstehen, was erst stattfinden kann, NACHDEM bereits ein hermeneutisches Grundverständnis da ist.
Genau das wird aber negiert, wenn - wie ständig passiert - die HKM-Exegese als glaubens-mäßig unbesetzt dargestellt wird - "wir sind Wissenschaft" (als wären das "die anderen" nicht genauso).
Da haben wir den Salat - wie Du oben siehst, wird Exegese übersetzt mit "griechisch: exegeomai – herausführen, auseinander setzen, beschreiben, darstellen" und Hermeneutik mit "griech. hermeneuo - auslegen, erklären, deuten, Aufschluss geben, verdolmetschen".Halman hat geschrieben: Die Interpretation, dass Jesus eine Naherwartung hatte, ist doch eine Auslegung, die der Leser, sagen wir ein Exeget, dem Text entnimmt uns somit Exegese.
Was nun? - Oder anders gefragt: Wozu brauchen wir Hermeneutik, wenn "Jesus hatte eine Naherwartung" Exegese ist? Was wäre dann Hermeneutik MEHR als Exegese?
Man KANN natürlich das Wort "Hermeneutik" einfach streichen und alles unter "Exegese" subsummieren - aber dann ist Exegese gezwungen, sich "zum Geistigen hin zu öffnen" (Ratzinger), sich also zu seinem eigenem Vorverständnis zu stellen, das eben - und das ist der entscheidende Punkt: - immer weltanschaulicher Natur ist. - Denn auch der Satz "Ich deute die Bibel nach kritisch-rationalen Gesichtspunkten" ist ein weltanschaulicher Satz.
Wenn Du also sagst ...
... , stimme ich Dir zu - aber es wird oft so getan, als würde Theißen KEINE Glaubensentscheidung (= "hermeneutischer Vorlauf") haben. - Insofern hat auch Thaddäus recht:Halman hat geschrieben:Theißen, Ratzinger, Zenger und Berger legen meines Wissens nach ihre Grundlagen/Setzungen/"Glaubensentscheide offen.
- nur würde ich sie dann gerne fragen: "Warum erweckst Du den Eindruck, die HKM-Hermeneutik sei über allen Weltanschauungen erhaben?" (statt zu erkennen, dass sie selber eine Weltanschauung als Basis hat).Thaddäus hat geschrieben: Hermeneutische Methoden gibt es nämlich viele. Die HKM ist nur eine davon. ...
Du. - Ich habe es selbst nie anders gelesen - bin sogar nie auf die Idee gekommen, dass man es anders verstehen KANN.Halman hat geschrieben:Von Dir hätte ich gerne dazu eine Stellungsname: Wer hat in Bezug auf Römer 3:7 gem. dieser Quelle recht: Sven oder ich?
Und dies ist ein geeigneter Anlass, zwischen Exegese und Hermeneutik einerseits und "Stockfehler" andererseits zu unterscheiden: Es handelt sich hier nicht um eine exegetische oder hermeneutische Sache, sondern um die Kompetenz, einen Text im Kontext zu lesen.
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#1337 Re: Alles Teufelszeug? V
Vielleicht geraten gerade Hobby-HKM-Betreiber hier bewusst oder unbewusst in ein Dilemma: Um die Texte richtig verstehen zu können, muss man eine Weltanschauung akzeptieren, ja geradezu verinnerlichen: Jene, der damals lebenden Menschen, besonders Juden, die an Gott glaubten.closs hat geschrieben:... nur würde ich sie dann gerne fragen: "Warum erweckst Du den Eindruck, die HKM-Hermeneutik sei über allen Weltanschauungen erhaben?" (statt zu erkennen, dass sie selber eine Weltanschauung als Basis hat).
In der Meinung jede Weltanschauung außen vor lassen zu müssen, negieren sie auch die Weltanschauung jener, welche die Texte in ihrer Zeit geschrieben und für wen sie geschrieben. Die falsche, oftmals gar nicht mehr bewusst erkannte eigene Weltanschauung ist dann folgende: Keine haben zu dürfen, auch nicht jene der Textschreiber und Texthörer, wobei nur mehr die eigene, heutige materialistische Weltanschauung übrig bleibt, die meint, wissenschaftlich vorzugehen. Oder ein anderer Fehler: aus seiner eigenen Weltanschauung nicht verstehen zu können, was Glaube ist und Glaube bewirkt, aber daraus einen göttlich inspirierten Text interpretieren zu wollen von Menschen für Menschen, welche die Wirkkraft des Glaubens durch Gott kennen und daraus leben.
simples Beispiel:
Die Auferstehung des Herrn.
Sie wird von der unwissenschaftlich betriebenen HKM oftmals als reine psychogene Projektion der damaligen Menschen interpretiert. Dabei wird übersehen, dass die Texte eben gerade nicht aussagen, dass in den Seelen der enttäuschten Jünger ein Glaube an die Auferstehung entsteht und dieser dann Visionen hervorbringt, sondern dass erst die Erscheinung des Auferstandenen den Glauben an seine Auferstehung hervorbrachte.
Eine rein psychogene Projektion bedarf bestimmter Voraussetzungen und Verständnisvorgaben. Wer also damals die Gewissheit erlangte, Jesus sei auferstanden, musste in irgendeiner Form mit einer Auferstehung rechnen können.
Die Jünger kannten in ihrem jüdischen Denken nur einen Platz der Auferstehung von den Toten: am Ende der Geschichte, am Ende der Welt, wenn Gott sie aus den Gräbern holt. War das geschehen? Nein. Aber dennoch predigen die Apostel von der Auferstehung Jesu, denn sie gehen aufgrund ihrer eigenen Auferstehungserfahrung des Herrn davon aus, dass die Neugestaltung der Dinge, der Welt bereits begonnen hat. Rein religionsgeschichtlich ist die Entstehung einer solche Auffassung aus einer lediglich nur psychogenen Projektion äußerst unwahrscheinlich und wäre einzigartig. Das wirft auch einen völlig anderen Blick auf die Interpretationen der Naherwartung in der Hl. Schrift.
Man kann also hier festhalten: Die Auferstehung des Herrn kann auch von den Erscheinungsphänomenen her mit rein historischen (HKM-)Methoden nicht einfach bewiesen oder verworfen werden. Die Fakten des leeren Grabes und die Erscheinungen bleiben mit reinen HKM-Methoden ungeklärt, wenn man es redlich (Vorsicht: atheistisches Kampfwort) und selbstkritisch betrachtet.
Und daraus erwächst geradezu ein Forderung, um verstehen zu können: eine weitere Interpretation, die ein Historiker mit rein historischen Methoden aber nicht mehr leisten kann.
Servus

Dieser katholische User ist hier dauerhaft inaktiv
#1338 Re: Alles Teufelszeug? V
Du gehst von der Unfehlbarkeit der Schrift aus (es steht geschrieben.. also muss es so gewesen sein. Das muss aber nicht stimmen. Wenn sie nicht stimmt, dann ist eh alles Weitere nichts mehr als Spekulation.Rembremerding hat geschrieben:simples Beispiel:
Die Auferstehung des Herrn.
Sie wird von der unwissenschaftlich betriebenen HKM oftmals als reine psychogene Projektion der damaligen Menschen interpretiert. Dabei wird übersehen, dass die Texte eben gerade nicht aussagen, dass in den Seelen der enttäuschten Jünger ein Glaube an die Auferstehung entsteht und dieser dann Visionen hervorbringt, sondern dass erst die Erscheinung des Auferstandenen den Glauben an seine Auferstehung hervorbrachte.
Eine rein psychogene Projektion bedarf bestimmter Voraussetzungen und Verständnisvorgaben. Wer also damals die Gewissheit erlangte, Jesus sei auferstanden, musste in irgendeiner Form mit einer Auferstehung rechnen können.
Wunder, falls es sie gibt, bedürfen mehr als einen alten, unbestätigten Text.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.
#1339 Re: Alles Teufelszeug? V
Okay, sie bedürfen noch des Lebens-Experimentes des Glaubens. Korreliert dieses mit den Glaubenszeugnissen der Bibel, kann dies eine Basis für einen wachsenen Glauben (kein Wissensanspruch, sondern ein Glaubenszeugnis im Sinne von Vertrauensglauben) sein. Ist die Auferstehung Jesu leiblich und historisch? Diese Frage wirst Du wohl mit "nein" beantworten. Ich stimme allerdings in diesem Punkt Pinchas Lapide und dem Historiker Dr. J. Spieß zu beantworte diese Frage mit "ja".Pluto hat geschrieben:Du gehst von der Unfehlbarkeit der Schrift aus (es steht geschrieben.. also muss es so gewesen sein. Das muss aber nicht stimmen. Wenn sie nicht stimmt, dann ist eh alles Weitere nichts mehr als Spekulation.Rembremerding hat geschrieben:simples Beispiel:
Die Auferstehung des Herrn.
Sie wird von der unwissenschaftlich betriebenen HKM oftmals als reine psychogene Projektion der damaligen Menschen interpretiert. Dabei wird übersehen, dass die Texte eben gerade nicht aussagen, dass in den Seelen der enttäuschten Jünger ein Glaube an die Auferstehung entsteht und dieser dann Visionen hervorbringt, sondern dass erst die Erscheinung des Auferstandenen den Glauben an seine Auferstehung hervorbrachte.
Eine rein psychogene Projektion bedarf bestimmter Voraussetzungen und Verständnisvorgaben. Wer also damals die Gewissheit erlangte, Jesus sei auferstanden, musste in irgendeiner Form mit einer Auferstehung rechnen können.
Wunder, falls es sie gibt, bedürfen mehr als einen alten, unbestätigten Text.

@Rembremerding
Vielen Dank für Deinen ausgezeichneten Beitrag, er gefällt mir sehr gut.

Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo
#1340 Re: Alles Teufelszeug? V
Und auch nicht mit Wahrscheinlichkeits-Spekulationen bewertet werden können, weil sich die Wahrscheinlichkeit immer an der system-eigenen Kalibrierung orientiert.Rembremerding hat geschrieben: Die Auferstehung des Herrn kann auch von den Erscheinungsphänomenen her mit rein historischen (HKM-)Methoden nicht einfach bewiesen oder verworfen werden.
Die aber nicht als Weltanschauung ERKANNT wird - das ist das einzige, was mich daran stört. - Denn es ist nichts gegen ein Szenario einzuwenden "Was kommt bei einer Bibel-Interpretation heraus, wenn man sie materialistisch interpretiert?" - Einzuwenden ist etwas gegen "Wir haben keine Weltanschauung und untersuchen weltanschauungs-frei".Rembremerding hat geschrieben: Die falsche, oftmals gar nicht mehr bewusst erkannte eigene Weltanschauung ist dann folgende: Keine haben zu dürfen, auch nicht jene der Textschreiber und Texthörer, wobei nur mehr die eigene, heutige materialistische Weltanschauung übrig bleibt
Und so haben wir den Fall, dass wir eine weltanschauliche Setzung haben, deren Inhalt ist, dass man keine Weltanschauung hat - ein Karussell in einer selbsterzeugten Zirkelreferenz.