Alles Teufelszeug? II

closs
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#1331 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von closs » Fr 15. Apr 2016, 08:27

Münek hat geschrieben:Die Exegeten untersuchen und interpretieren die biblischen Texte ergebnisoffen ausschließlich aus HISTORISCHER Perspektive.
Als Rumedum ist das ja auch hilfreich. Aber es kann nicht zu Sätzen führen wie "Jesus hatte eine Naherwartung". Es könnte zu Sätzen führen wie:

"Schließt man aus, dass Jesus der war, für den ihn das Christentum hält, sprechen die Quellen und die historischen Bedingungen seiner Zeit dafür, dass er eine Naherwartung hatte". Und:
"Für den Fall jedoch, dass Jesus der war, für den ihn das Christentum hält, können wir uns dazu nicht äußern, weil darauf unsere historisch-kritischen Mechanismen nicht ausgelegt sind".

Das wäre voll ok und würde differenziert auf die Sachlage eingehen.

Münek hat geschrieben:Sie fragt, was Jesus von Nazareth seinen Zeitgenossen seinerzeit tatsächlich (= historisch) verkündet hat,
Das ist ungenau formuliert - sie fragt: "Wie ist das, was Jesus seinen Zeitgenossen verkündet hat, für den Fall zu interpretieren, dass Jesus NICHT der ist, für den ihn das Christentum hält". - Denn er hat sicherlich etwas anders zu Verstehendes gepredigt, wenn er das war, für den ihn das Christentum hält.

Münek hat geschrieben:Die neutestamentliche Wissenschaft befindet überhaupt NICHT darüber, ob Jesus leiblich auferstanden ist oder nicht.
Dieser Eindruck wird aber erweckt, wenn mit Verweis auf Naturgesetze diese leibliche Auferstehung für sehr unwahrscheinlich gehalten wird - man zieht deshalb einen mythologischen Background als Erklärungsmuster vor.

Münek hat geschrieben:Vergiss nicht, wieviele Götter im Laufe der Menschheitsgeschichte peu a peu entsorgt worden sind.
Dies kann man auf zweierlei Weise interpretieren:
1) Spirituell: "Die Chiffren für 'Gott' entwickeln sich - am Ende landet man beim EINEN Gott, wenn man das 'über uns' bezeichnen möchte".
2) Materialistisch: "Man setzt sich selber an die Stelle des 'über uns' und entsorgt somit 'Gott' als solche, muss also nichts mehr chiffrieren, weil man den Grund dafür entsorgt".

Deine Formulierung weist auf den Fall 2). - Man nennt dies "aufgeklärten Fortschritt". :angel:

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#1332 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von closs » Fr 15. Apr 2016, 08:31

sven23 hat geschrieben:Sie kann aber den Glauben daran und die Entwicklung beschreiben.
So ist es - so haben wir es auch früher gehandhabt. - Woher diese Bescheidenheit? Finde ich aber gut. :thumbup:

sven23 hat geschrieben:Die Naherwartung ist so ein starkes Motiv, da man nicht wegdiskutieren kann. Die Forschung sieht es mehrheitlich so und ich denke, sie liegt damit richtig.
Bei differenzierter Denkweise stimme ich Dir zu. - Es ist auch für mich (schon lange) außer Zweifel, dass es einen Naherwartungs-Hype zur Zeit Jesu gab und dass einzelne Textverfasser selber der Meinung waren, dass Jesus Erfüllung dieses Hypes war.

Wenn man DAS historisch beschreibt, ist es eine klassische Aufgabe der HKM, der sie auch sicherlich gerecht wird. Das klingt jetzt alles sehr differenziert - eine gute Basis.

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#1333 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von Münek » Fr 15. Apr 2016, 08:48

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Ich weise noch einmal darauf hin: Gott ist nicht ERFORSCHBAR.
Korrekt - warum wird dann die HKM als DIE Exegese-Disziplin der Bibel dargestellt?
Weil es in der Praxis faktisch so ist. Die historisch-kritische Auslegungmethode IST die Standardexegese an den theologischen Fakultäten - sehr zum Verdruss von bigotten Männern wie Berger und Ratzinger.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Ein "sälular-wissenschaftlich Orientierter" hätte kein Motiv, eisegetisch persönliche Glaubensvorstellungen (die er ja nicht hat) in den Text hineinzuinterpretieren
Das ist ja immer diese Unschuld, die durch Selbstentmündigung sogar glaubhaft ist. - Wenn einer meint, dass Jesus selbst eine Naherwartung hatte, schrammt bereits an Eisegese vorbei.
Jawoll - die wissenschaftlich forschenden Exegeten sind Bibelfälscher (Berger) und scheinen alle vom Teufel :devil: besessen zu sein. :thumbup:

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#1334 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von closs » Fr 15. Apr 2016, 11:13

Münek hat geschrieben:Die historisch-kritische Auslegungmethode IST die Standardexegese an den theologischen Fakultäten
Solange das rein sachliche Aussagen betrifft ("Von wann ist diese Quelle?/"Wie sah es zur Zeit Jesu in Palästina aus?/"Wie wird das Wort x damals verwendet?"/"Was wissen wir über den Textverfasser?"/etc.) stimme ich Dir doch zu.

Aber nicht bei inhaltlicher Deutung ("Was wollte Jesus sagen?"/"Was bedeutet das NT überhaupt?"/etc.). - Inhaltliche Deutung ist nur dann seitens der HKM möglich, wenn sie vom Fall ausgeht, dass Jesus nichts als ein x-beliebiger Wanderprediger war - ansonsten NICHT. - Und genau deshalb sollte man dies beiden Fälle erkennbar unterscheiden.

INNERHALB der Theologie kann also die HKM sagen:
"Liebe Theologen, wir geben Euch
1) Rahmen-Informationen historisch-kritischer Natur
2) eine inhaltliche Deutung für den Fall, dass Jesus NICHT der war, den Ihr in ihm seht.
Wir können Euch NICHT sagen, wie die Bibel für den Fall zu deuten ist, dass Jesus der ist, für den Ihr ihn haltet - das steht uns in unserem Wissenschaftsverständnis gar nicht zu und wir wissen das."

Münek hat geschrieben:Jawoll - die wissenschaftlich forschenden Exegeten sind Bibelfälscher
Wenn sie nicht zu erkennen geben, dass sie wissen, dass sie NICHT interpretieren können für den Fall, dass Jesus der ist, für den ihn das Christentum hält, ist das in der Tat schnell passiert.

Aber das Problem wäre ja leicht lösbar, wenn man differenziert damit umgeht.

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#1335 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von Münek » Fr 15. Apr 2016, 11:43

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Die Exegeten untersuchen und interpretieren die biblischen Texte ergebnisoffen ausschließlich aus HISTORISCHER Perspektive.
Als Rumedum ist das ja auch hilfreich. Aber es kann nicht zu Sätzen führen wie "Jesus hatte eine Naherwartung".
Es besteht Einigkeit darüber, dass im Zentrum der Verkündigung Jesu die gute Botschaft von der Nähe des Gottesreiches (Gottesherrschaft) stand. Mit exakt dieser Botschaft sandte Jesus 70 seiner Jünger zwecks Verkündigung in die Dörfer und Städte Israels.

closs hat geschrieben: Es könnte zu Sätzen führen wie:
"Schließt man aus, dass Jesus der war, für den ihn das Christentum hält, sprechen die Quellen und die historischen Bedingungen seiner Zeit dafür, dass er eine Naherwartung hatte". Und:
"Für den Fall jedoch, dass Jesus der war, für den ihn das Christentum hält, können wir uns dazu nicht äußern, weil darauf unsere historisch-kritischen Mechanismen nicht ausgelegt sind".
Diese bizarre Art von Texinterpretation würden Exegeten zu Recht von sich weisen. Gläubige dürfen allerdings die Forschungsergebnisse mit dem Hinweis ablehnen, Jesus könne sich als Sohn Gottes nicht geirrt haben.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Sie fragt, was Jesus von Nazareth seinen Zeitgenossen seinerzeit tatsächlich (= historisch) verkündet hat,
Das ist ungenau formuliert - sie fragt: "Wie ist das, was Jesus seinen Zeitgenossen verkündet hat, für den Fall zu interpretieren, dass Jesus NICHT der ist, für den ihn das Christentum hält". - Denn er hat sicherlich etwas anders zu Verstehendes gepredigt, wenn er das war, für den ihn das Christentum hält.
Es ist abwegig zu denken, Jesus hätte dem Volk etwas verkündet, was es nicht verstanden hätte. Er wollte ja verstanden werden und brachte zum besseren Verständnis viele Gottesreich-Gleichnisse.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Die neutestamentliche Wissenschaft befindet überhaupt NICHT darüber, ob Jesus leiblich auferstanden ist oder nicht.
Dieser Eindruck wird aber erweckt, wenn mit Verweis auf Naturgesetze diese leibliche Auferstehung für sehr unwahrscheinlich gehalten wird - man zieht deshalb einen mythologischen Background als Erklärungsmuster vor.
Dass dieser Eindruck bei Dir entsteht, obwohl sich die HKM zu diesem Thema NICHT äußert, finde ich äußerst seltsam.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Vergiss nicht, wieviele Götter im Laufe der Menschheitsgeschichte peu a peu entsorgt worden sind.
Dies kann man auf zweierlei Weise interpretieren:
1) Spirituell: "Die Chiffren für 'Gott' entwickeln sich - am Ende landet man beim EINEN Gott, wenn man das 'über uns' bezeichnen möchte".
2) Materialistisch: "Man setzt sich selber an die Stelle des 'über uns' und entsorgt somit 'Gott' als solche, muss also nichts mehr chiffrieren, weil man den Grund dafür entsorgt".

Deine Formulierung weist auf den Fall 2). - Man nennt dies "aufgeklärten Fortschritt". :angel:
So ist es! Als beispielsweise der Mensch die wahren Ursachen für Blitz und Donner erkannte, brauchte er DONAR nicht mehr.

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#1336 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von Münek » Fr 15. Apr 2016, 11:53

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Die historisch-kritische Auslegungmethode IST die Standardexegese an den theologischen Fakultäten
Solange das rein sachliche Aussagen betrifft ("Von wann ist diese Quelle?/"Wie sah es zur Zeit Jesu in Palästina aus?/"Wie wird das Wort x damals verwendet?"/"Was wissen wir über den Textverfasser?"/etc.) stimme ich Dir doch zu.
Du musst mir nicht zustimmen. Die Fakten sprechen für sich.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Jawoll - die wissenschaftlich forschenden Exegeten sind Bibelfälscher
Wenn sie nicht zu erkennen geben, dass sie wissen, dass sie NICHT interpretieren können für den Fall, dass Jesus der ist, für den ihn das Christentum hält, ist das in der Tat schnell passiert. Aber das Problem wäre ja leicht lösbar, wenn man differenziert damit umgeht.
Es gibt kein Problem, welches zu lösen wäre. Berger besteht darauf, Glauben mit Wissen zu vermengen. Das geht nicht.

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#1337 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von closs » Fr 15. Apr 2016, 13:50

Münek hat geschrieben:Es besteht Einigkeit darüber, dass im Zentrum der Verkündigung Jesu die gute Botschaft von der Nähe des Gottesreiches (Gottesherrschaft) stand.
Das sehen Ratzinger und Berger genauso.

Münek hat geschrieben:Diese bizarre Art von Texinterpretation würden Exegeten zu Recht von sich weisen.
Dann hätten sie ihr eigenes System nicht verstanden - das würde ich ungern unterstellen.

Münek hat geschrieben:Es ist abwegig zu denken, Jesus hätte dem Volk etwas verkündet, was es nicht verstanden hätte.
Oje - dann schau Dir mal die Szenen an, in denen er spricht und das Volk schweigt, weil es nichts checkt - und es auch dann nicht checkt.
Joh. 8
45 Weil aber ich die Wahrheit sage, glaubet ihr mir nicht. 46 Wer unter euch kann mich einer Sünde zeihen? Wenn ich die Wahrheit rede, warum glaubet ihr mir nicht? (2. Korinther 5.21) (Hebräer 4.15) (1. Petrus 2.22) (1. Johannes 3.5) 47 Wer aus Gott ist, der hört die Worte Gottes; darum höret ihr nicht, weil ihr nicht aus Gott seid. (Johannes 18.37)

Mk. 4
11denen aber draußen widerfährt es alles nur durch Gleichnisse,
12auf daß sie es mit sehenden Augen sehen, und doch nicht erkennen, und mit hörenden Ohren hören, und doch nicht verstehen"

Das sind fürwahr schwierige Stellen, aber auch heute nicht anders. Man könnte meinen, Jesus spräche für die Nachwelt.

Münek hat geschrieben:Dass dieser Eindruck bei Dir entsteht, obwohl sich die HKM zu diesem Thema NICHT äußert
Wurde hier so vermittelt.

Münek hat geschrieben:Als beispielsweise der Mensch die wahren Ursachen für Blitz und Donner erkannte, brauchte er DONAR nicht mehr.
Bei Donar mag das angehen (wenn er nur für Blitz und Donner stand). - Aber dieser Ansatz ist an sich irrig.

Münek hat geschrieben:Die Fakten sprechen für sich.
Also stimmst Du mir zu, dass sich die HKM auf rein sachliche Aussagen beschränken sollte und nicht inhaltlich interpretieren sollte?

Münek hat geschrieben:Berger besteht darauf, Glauben mit Wissen zu vermengen.
Kann ich mir nicht vorstellen. - Es sieht eher so aus, dass Berger keine HKM haben will, die die Bibel unter der Bedingung, dass Jesus NICHT der Messias ist, als verbindlich seitens der HKM interpretiert wird.

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#1338 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von Josi » Fr 15. Apr 2016, 14:15

Münek hat geschrieben:Berger besteht darauf, Glauben mit Wissen zu vermengen. Das geht nicht.
Genau diesem Versuch bedient sich auch closs mit Ziel, im 1. Schritt "Glauben und Wissen" auf eine Stufe zu stellen, um im 2. Schritt darauf berufend fordern zu können, die Existenz von etwas Göttlichem nicht ausschließen zu können - daher ein "auf diese Weise angewendetes ontologisches Begründungsverfahren" unwiderlegbar und somit richtig sei.
Tatsächlich aber verschiebt closs seinen vorgebrachten Zirkelschluss in den Bereich der endgültigen Unüberprüfbarkeit, um sich zumindest argumentativ durchsetzen zu können.
Dieses Antriebsmotiv erklärt auch Sätze wie, dass der christliche Glaube totalitär sein muss, ansonsten man diesen nicht ernstnehmen könne (so geäußert gegenüber einem ebenso unverrückbar gottglauben "Glaubensbruder").

Sein Hauptargument, danach man nicht wissen könne, ob Realität nur gedacht und somit "gesetzt" ist, oder nicht (siehe Nihilistische Spielarten), wird dadurch beliebig umdrehbar, als auch mit "über-XY-Begrifflichkeiten" endlos weit verschiebbar, sodass man auch fragen kann, ob Gott (was immer das auch sein soll) nicht ebenso von einem wiederum übergeordneten "über-"Etwas" gedacht / gesetzt ist, oder sein kann - selbstverständlich mit Hinweis darauf, nie etwas ausschließen zu können.

Sein Ziel lässt sich im Grunde auf folgendenden Nenner herunterbrechen: Der Mensch kann nur glauben, darum es Ungläubige eigentlich nicht gibt.
Dass closs hierbei unterschiedlich definierte Glaubensbegriffe in einen Topf wirft, versteht sich regelrecht von selbst, darum kritisch rational forschende Leute vor Argumenten vom Typ "non sequitur" immer wieder warnen.

Schauen wir uns an, wie fundiert closs tatsächlich argumentiert:
closs hat geschrieben:Für mich ist JEGLICHE Wahrnehmung des Menschen "Vorstellung" - [...]
closs hat geschrieben: Für Descartes war jedoch wichtig, dass er nicht seine Vorstellungen untersucht, sondern die Natur selbst
closs hat geschrieben:Das "Cogito" ist das Einzige, was der Mensch wirklich "weiss"
Wie wir hier sehen können, ist der argumentative Weg von "JEGLICHE Wahrnehmung = Vorstellung" bis zum Ausnahmefall gar nicht so weit, dazu es genügt, umdrehbare Argumentationsweisen selber zu nutzen.
Hauptsache ist, dass man nach derlei Auseinandersetzungen keinesfalls mehr weiß, als vorher - gleichwie Diskusionssendenungen nur zu oft den Zweck erfüllen, sich selbst ins Rampenlicht aller Aufmerksamkeit zu stellen, um möglichst hohe Einschaltquoten zu bewirken.

In diesem Sinne trägt closs schon recht viel zum Forum hier bei, denn letztendlich wird der Mensch nur durch gemachte Fehler klüger.
Oder wie H. Lesch gerne sagt: "Wir irren uns empor!"
Einzig "Nicht-Denkendes" kann sich weder irren, oder Etwas richtig rekonstruieren.
Könnte daher der Begriff "Gott" nicht ebensogut für etwas "Nicht-Denkfähiges" und somit "Irrtumsresistentes" stehen?

Zumindest gestand mir closs zum Gedanken der Allwissenheit "Stillstand" zu.
Warum er bei diesem Gedanken nicht bei sich selbst erschreckt, kann nur den Grund haben, warum er mit sich selbst nicht fertig wird.
Trösten könnte er sich allerdings mit Heraklit bzw. seinem Satz, dass man nicht 2 mal in den selben Fluss steigen kann, selbst wenn das für closs bedeutet, dass man diesen Fluss als bloß "geistige / erdenkbare / [...] Projektion" nicht ausschließen könne.
Diese/seine Annahme bleibt aber nach wie vor eine Antwort auf die überaus oft gestellte Frage schuldig, auf welcher existenziellen Basis denn Denkprozesse ermöglicht werden können.
Substanzlos (Energiefrei) jedenfalls, kann es nicht zugehen - Setzungen hin, oder her = bedeutungslos.

:wave:
Wer propagiert, es sei nicht schlimm wenn Menschen - einschließlich Kinder - getötet werden, da sie bei Gott weiter leben würden, gehört selbst auf der Stelle mit der Begründung getötet: "DIES SEI AUCH DIR GEGÖNNT!!!"

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#1339 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von closs » Fr 15. Apr 2016, 15:10

Josi hat geschrieben: "Glauben und Wissen" auf eine Stufe
Nicht ganz. - "Es gibt kein Wissen ohne vorherigen Glauben ("Setzung")" wäre besser.

Methodisch kann man Glauben und Wissen selbstverständlich unterscheiden - hier sind beide NICHT gleich.

Josi hat geschrieben:die Existenz von etwas Göttlichem nicht ausschließen zu können
Stimmt - um Gott ausschließen zu können, muss man dogmatisch, mindestens ideologisch verbohrt sein.

Josi hat geschrieben:vorgebrachten Zirkelschluss
Wieso? - Welcher?

Josi hat geschrieben:in den Bereich der endgültigen Unüberprüfbarkeit
Überprüfen kann man nur innerhalb methodischer Systeme - das ist wirklich nichts Neues.

Josi hat geschrieben: dass der christliche Glaube totalitär sein muss
Er kann nicht demokratisch sein - das ist richtig. - Das, was ist, ist es unabhängig von Abstimmungen.

Josi hat geschrieben: sodass man auch fragen kann, ob Gott (was immer das auch sein soll) nicht ebenso von einem wiederum übergeordneten "über-"Etwas" gedacht / gesetzt ist
Von uns kann es gedacht sein - übergeordnet von Gott nicht. - Allerdings nur bei entsprechender Definition von Gott.

Josi hat geschrieben:"JEGLICHE Wahrnehmung = Vorstellung" bis zum Ausnahmefall gar nicht so weit
Der Sonderfall besteht halt darin, dass das Ich das Einzige ist, bei dem Subjekt und Objekt identisch sind - das ist der ganze Zauber.

Josi hat geschrieben:Oder wie H. Lesch gerne sagt: "Wir irren uns empor!"
Da ist was dran - eine flapsige Definition von Hermeneutik.

Josi hat geschrieben:Warum er bei diesem Gedanken nicht bei sich selbst erschreckt
Warum sollte dies erschreckend sein? - Wäre Gott entwicklungs-fähig, wäre er der Zeit unterworfen, was aus anderen Gründen nicht geht. - Warum sollten Allwissen, Allmacht und Überzeitlichkeit entwicklungs-fähig sein? - Der Reichtum ist doch maximal.

Das heisst doch nicht, dass Gott deshalb nicht tätig wäre - bspw. mit seiner Schöpfung, also in die Zeit hinein. Aber dazu muss ER sich doch nicht entwickeln.

Josi hat geschrieben:Diese/seine Annahme bleibt aber nach wie vor eine Antwort auf die überaus oft gestellte Frage schuldig, auf welcher existenziellen Basis denn Denkprozesse ermöglicht werden können.
Verstehe den Kontext nicht.

Anton B.
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#1340 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von Anton B. » Fr 15. Apr 2016, 16:50

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Könntest Du nur dann, wenn sich diese Weigerung nicht begründen ließe.
Mein Eindruck ist, dass im Allgemeinen mit dem Denken begonnen wird, NACHDEM man bewusst oder unbewusst voraus-gesetzt hat, dass die Grundlage der Welt gemäß eines naturalistischen Weltbildes zu verstehen ist. - Wenn man das tut, versteht man meine Ausführungen nicht.
Wir verstehen Deine Ausführungen nicht, weil Du Dich bezüglich den Wissenschaften immer auf Dinge beziehst, die so nicht gegeben sind. Hier mal wieder mit der "Grundlage der Welt", die als Synonym für Deine "wahre Wirklichkeit" außerhalb des wissenschaftlichen Systems steht.

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Du lehnst die Lektüre ab, weil womöglich etwas gesagt wird.
Du kennst meine Begründung und scheinst sie nicht in ihrer Tragweite zu verstehen. - Wenn eine wissenschaftliche Ausführung die Ausführungen von Descartes für nichtig hält, weil es diesbezüglich kein Problem gäbe, ist der Zug schon abgefahren. - Man kann nicht von einer naturalistischen Welt ausgehen und auf dieser Basis dieses oder jenes falsifizieren, was nur falsifizierbar ist, weil man seine Grundlage so gewählt hat. - Wenn Du eine Empfehlung hast, bei der Du sicher bist, dass ihr sowohl eine spirituelle (christliche) als auch naturalistische Denkweise als Grundlage denkbar ist, wird es für mich interessant.
Klar, weil darin dann die "Große Vereinheitlichte Theorie von Glaube und Wissenschaften" vorgestellt würde. Da das bisher noch nicht befriedigend gelungen ist, musst Du wohl selber weiterforschen. So wie ich es sehe, überzeugen Deine jetzigen Ergebnisse wohl nur einen richtig -- nämlich Dich selbst.

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Folglich kann es der Anton sehr wohl merken.
Nein - niemand kann es. - Dein Pendel würde sich wissenschaftlich genauso verhalten.
Mal wieder bloße Behauptungen ohne irgendeine argumentative Begleitung. Die Philosophie hat sich übrigens im Rahmen der "Duhem'schen Unbestimmtheit" damit auseinander gesetzt, welche Freiheiten für die Formulierung von Einzelmodellen im wissenschaftlichen Kontext gegeben sind.

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Ich und andere haben Dir dargelegt, warum wir auch gut mit einfach der Aussage leben können, unsere Modelle seien "authentisch" zu den Beobachtungen.
Das ist doch für Wissenschaft ok - wie schon gegenüber Pluto gesagt: Diese Diskussion hier hat im Grunde überhaupt nichts mit Naturwissenschaft zu tun - sie findet weit weg davon in einem pragmatischen Raum statt, den man nicht mit Philosophie/Ontologie belasten sollte (Ausnahme vielleicht die QM - aber das wäre ein anderes Thema).
Wenn ich von Wissenschaft spreche, meine ich Wissenschaft. Und da fällt auch die HKM darunter. Und warum sollen für die Quantenmechanik Ausnahmen gelten?

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Es prallt bei Dir zusammen, weil Du (1) Wissenschaft und deren Anspruch nicht verstanden hast und immer noch (2) entgegen Deinen eigenen Beteuerungen Wissenschaft und Glaube an einer Sache messen möchtest.
Da läuft was schief - das ist nicht die Problem-Ebene.

Mein Punkt ist, dass Ansprüche und Aussagen in Relation stehen müssen.
Dann finde doch bitte schön erst mal heraus, welcher Anspruch da erhoben wird.

Das ist es, was verschiedene Foristen hier immer wieder von Dir einfordern, und wo Du mit immer absurderen Argumenten (siehe oben) versuchst, Dich raus zu ziehen.

Übrig bleibt ein closs ganz allein mit sich im Denkersessel. Der macht sich artig Gedanken über das Wesen der Welt und pfeift dabei auf die Erkenntnisse anderer genauso wie auf die eingehende Kenntnisnahme dessen, was er untersucht.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

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