R.F. hat geschrieben:Naqual hat geschrieben:
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Das Interessante ist, dass es in der Christenheit keine umfassende Definition von Sünde gibt, die aus der Sache selbst heraus bestimmbar ist.
(Sünde als Ungehorsam gegenüber Gott ist keine Definition, sondern ein Weitergeben der Kernfrage: "Sag Du doch mal Gott, was Sünde ist")
Dass Johannes irgendetwas klar macht, was Sünde denn nun sei, wenn es die Übertretung von Gesetzen ist, glaube ich auch nicht. Welche Gesetze denn nun? Das mosaische? Das Gesetz Jesu?
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Wenn auch viele Christen das Gegenteil glauben: Selbst Paulus hat kein gesetzesfreies Evangelium vertreten. Es führt kein Weg an der Einsicht vorbei, dass nahezu alle alttestamentlichen Ge- und Verbote nach wie vor verbindlich sind. Man muss die neutestamentlichen Texte arg verbiegen, um zur gegenteiligen Ansicht zu gelangen...
Die Urgemeinde (zumindest soweit vertreten von Aposteln und Paulus) standen auf dem Standpunkt, dass das Gesetz FÜR JUDEN weitergilt. Christen, die nicht von Abraham abstammen, brauchen sich dieses "Joch" nicht auferlegen.
Damit ist aber das mosaische Gesetz nicht weiter hilfreich für das, was Sünde nun im allgemeinen sein soll.
Es gibt ein paar Ausführungen zu dem was Sünde in kleineren Gruppen von typisierten Einzelfällen (!) für einen Juden oder Jüdin sein kann.
Und die Juden selbst kamen mit dem puren Gesetz auch nicht klar. Deswegen auch die mündliche Auslegungstradition, die schließlich fixiert wurde. Und die Betroffenen selbst konstatieren, dass man das pure Gesetz, wie es im Pentateuch steht, gar nicht verstehen könne, sondern dafür den Talmud bräuchte.
Klarheit, was Sünde ist, schaut anders aus.
Ich habe kein Problem damit Johannes sehr ernst zu nehmen. Du müsstest mir nur mitteilen, wie er bei der Fragestellung, was den nun Sünde allgemein sei, hilfreich ist. Das dürfte schwer sein, denn er verwendet den Begriff "Gesetz" abstrakt ohne nähere Präzisierung. - Auf Grund welcher Gesetze unterscheidest Du nun Sünde von Nichtsünde?
Wenn ich Dir typische Problemstellungen aus dem Alltagsleben von Christen nehme, kannst Du dann klar entscheiden aufgrund einer substanziell fassbaren Formulierung, ob etwas Sünde ist oder nicht?
Ich persönlich kann für mich nur feststellen, dass ich vom Baum der Erkenntnis zur Unterscheidung des Guten und Bösen im Gegensatz zu Adam und Eva noch nicht genascht habe. Ich halte es sogar für unmöglich hier präzise und immer differenzieren zu können.
Was ich unterscheiden kann, ist nur die Motivation von Gefühlen, Gedanken und Taten, nicht ihre Folgen, ob sie tatsächlich auch zum Guten führen. Denn Prophet bin ich nicht.
Ich kann z.B. sagen, der oberste Grundsatz ist die Nächstenliebe (die Gottesliebe lassen wir jetzt nur zur Vereinfachung außen vor). Solange man in der Nächstenliebe ist, würde man nicht sündigen. Nächstenliebe konkretisiert sich darin, dass ich dem anderen Gutes will, auch wenn es mir was kostet. Damit kann ich meine Motivation prüfen und sagen, sie ist von Nächstenliebe geprägt oder auch nicht. Ob sie aber zum Guten führt, vermag ich nicht zu sagen. Denn das Gute kann ich allgemeingültig ebenfalls nicht definieren. Ich kann mir nur was vorstellen, ob es so ist weiß ich nicht gewiss. Also wenn ich dem anderen etwas tue, dass er sich danach angenehm fühlt, dann hätte ich ein mögliches Kriterium. Das ist aber schnell weg, wenn ich bemerke, dass Angenehmes für eine Person auch von Übel sein kann und Unangenehmes sogar gut und förderlich.
Ist es nun beispielsweise Sünde, wenn die Motivation stimmt (von Nächstenliebe geprägt ist) und die Ergebnisse des Handelns dann zu massiven schlimmen Folgen für den Betroffenen führen?