closs hat geschrieben:Savonlinna hat geschrieben:Nicht der Ontologe, nicht der Theologe fügt hinzu, sondern nur closs.
Sag mal: Willst Du mit einem Wisch die christliche Theologie ausschalten?
Im Gegenteil. Ich will sie vor Missbrauch schützen.
Ich schrieb doch:
Savonlinna hat geschrieben:Aber kein Theologe, kein Ontologe ist auffindbar, der das sagt, was Du ihm unterstellst
closs hat geschrieben:- Du willst also sagen, dass ein wissenschaftlich Nicht-Nachweisbares historisch nicht geschehen sein kann?
Das will ich überhaupt nicht sagen!
Ich möchte Dich zum exakten Denken ermutigen, zum Schritt-für-Schritt-Durchdenken der Dinge.
Mal eben in großem Bogen irgendwas sagen und behaupten, das würde die christliche Theologie auch sagen, ist Hallodri-tum.
closs hat geschrieben:Savonlinna hat geschrieben:Nein.
Achtung - ich wiederhole zur Sicherheit:
Falls die leibliche Auferstehung Jesu historisch stattgefunden hat (das Grab ist leer - Jesus ist durch den geistigen Schornstein abgehauen), ist sie NICHT ein Faktum - das sagst Du doch, oder nicht?
Nein, ich habe nur aufgelistet, was zu untersuchen wäre.
Mir ging es um exaktes Durchdenken dessen, was als "historisches Faktum" bezeichnet wird und bezeichnet werden kann.
Ich möchte Dir zumindest einen Schimmer davon vermitteln, auf welche Grundlagen ich hinabsteigen muss, um ein fundamentum entweder vorzufinden oder nicht vorzufinden.
closs hat geschrieben:Savonlinna hat geschrieben: aber auch dann ein Fakt, wenn ich es nicht nachweise
Das ist EXAKT meine Aussage, der Du eben noch widersprochen hast.
Ich habe diese Aussage doch gar nicht getätigt!
Ich habe eine Übersichtsliste von drei Punkten gemacht, die im Folgenden dann überprüft werden müssen, und zwar exakt, ohne Schummelei, ohne Hallodri-tum.
Ich zitiere das noch einmal ->
Savonlinna hat geschrieben:
Der Historiker unterscheidet zwischen
a. Fakten, die nachweisbar sind
b. Fakten, die zwar auch nachweisbar sind, aber bisher nicht nachgewiesen werden konnten
c. Zusammenhängen, die keinen Faktencharakter tragen, sondern Hypothesen von Natur aus sind.
Dann überlege ich also jetzt einmal, was ein
Beispiel für a. sein könnte:
Was würde der - redliche, der wirklich wissenschaftliche - Historiker als "Fakt" bezeichnen?
Zum Beispiel, dass Hitler sich dann und dann erschossen hat.
Nach Menschenermessen ist das nachweisbar.
b. wäre dann zum Beispiel, wenn man einen Zivilisten auf der Straße erschossen vorfindet, aber den Täter nicht ermitteln kann.
Man weiß, dass es diesen Täter geben muss, aber man kann ihn nicht nennen.
Das ist das, was man im wissenschaftlichen Sinn als "Fakt" bezeichnet.
Jetzt zu c. ->
Dazu gehört - unter anderem - die sogenannte Ursachenforschung.
Und dieser Punkt ist von zentraler Bedeutung.
Was genau nennen wir "Ursache"? Gibt es überhaupt eindeutig festzunagelnde Ursachen?
Selbst die Naturwissenschaft zweifelt letzteres an.
Und dieses Anzweifelbare, closs, möchte ich bis in den letzten Winkel ausloten.
Man kann zwar Zusammenhänge feststellen: 'Aus A folgte bislang immer B', aber man kann, wenn man genau sein möchte, nicht sagen:
'A ist die Ursache für B.'
Das hat Thomas M. auch mal irgendwo hier geschrieben.
Ich lege gerade hier Wert auf äußerste Exaktheit.
Der Naturwissenschaftler kann zwar verallgemeinern: "Aus A folgt B', aber er denkt immer mit: Bislang folgte aus A immer B.
Wenn das schon in der Naturwissenschaft so ist, dann ist es das in den Humanwissenschaften erst recht.
Sobald der Mensch ins Spiel kommt, kann man keine Ursachenforschung im engen Sinn mehr betreiben.
Was ist die "Ursache" für den Faschismus im Dritten Reich?
'Du schreibst zu letzterem:
closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Wie müsste Deine ständige Forderung, auch "Möglichkeiten" einzuschließen, ganz konkret umgesetzt werden bei dem Schreiben eines Buches mit dem Titel: "Ursachen des Faschismus im Dritten Reich"?
Das ist allein deshalb eine schwierige Frage, weil es ohnehin nur "Möglichkeiten" gibt, die man dann halt bewertet (oder verstehen wir wieder was Unterschiedliches unter dem Wort "Möglichkeiten"). - Machen wir es konkret ohne historische Diskussion an dieser Stelle:
Es gibt an Ursachen-Möglichkeiten:
a) Versailler Vertrag
b) Weltwirtschafts-Krise
c) Zeitenwende nach einem Kaiserreich seit mehr als 1000 Jahren (das Intermezzo zwischen 1806 und 1871 war ja im Grunde etwas wie die Weimarer Republik: Irgendeine Notlösung)
d) Zusammenkommen unterschiedlichster Möglichkeiten auf ganz unglückliche Art (hätte Ebert nicht einen entzündeten Blinddarm gehabt und hätte Wilhelm Marx nicht zufällig diesen saublöden Nachnamen gehabt, wäre Hindenburg nicht drangekommen) - wir nannten das in der Literaturwissenschaft "keiros".
e) HeilsgeschÃchtliche Gründe: Es war "dran" - warum, weiss nur Gott.
f) Hitler war vom Satan besessen
f) und viele, viele andere "Möglichkeiten" auch, die die historischen Wissenschaften untersuchen können oder nicht (meistens können sie)
Und dann gibt es einen Möglickeits-Mix je nach Zeit und Uni und historischer Schule, in dem man diese Einflussmöglichkeiten und viele andere auch unterschiedlich bewertet. - Und dann kommt 50 Jahre später jemand, der es ebenfalls wissenschaftlich ganz anders bewertet.
Mir gefällt diese Deine Ausführung recht gut.
Nur scheinst Du vorauszusetzen, dass es in den Geisteswissenschaften "Ursachen" gibt.
In der Nazizeit und auch im Positivismus um die Jahrhundertwende 1900/2000 war das zwar gang und gäbe, aber nach Zusammenbruch des Dritten Reiches hat die Germanistik aufgezeigt, dass die Übertragung naturwissenschaftlichen Ursachendenkens auf Geisteswissenschaften zu einer Enthumanisierung führt.
Möglicherweise hast Du nur fahrlässig geschrieben, aber falls nicht, denkst Du naturalistischer als jeder Naturalist heute.
Man kann nicht aufzeigen, dass die Ursache für "Geiz" eine bestimmte Rasse ist.
Und schon gar nicht könnte man das als "historisches Faktum" bezeichnen.
Deine Auflistung - wo Du endlich mal konkret wurdest - hat Dir selber klar gemacht, dass man Ursachen zwar auflisten kann, aber keine davon "beweisen" kann.
Man kann sie nur erfinden, und das tut man fast immer aus taktischen oder gar ideologischen Gründen.
Versailler Vertrag und Weltwirtschaftskrise waren sicherlich am Entstehen des Faschismus beteiligt: aber waren sie "Ursachen"?
Wenn ja, müsste - wie in der Naturwissenschaft - aus A immer B folgen. Das Experiment müsste wiederholbar sein.
Ist es im historischen Geschehen aber nicht.
Also kann hier gar kein "historisches Faktum" vorliegen.
Ein Faktum innerhalb der Wissenschaft ist das, was ich unter a und b aufgeführt habe.
Wenn jemand den Versailler Vertrag mit dem Entstehen des Faschismus in Verbindung bringt, dann ist er bereits auf der Deutungsebene.
Und dort gibt es keine Fakten.
Du hast - sehr feinfühlig - erfasst, dass man da letztlich nur von Möglichkeiten reden kann.
Und selbst dieses Wort "Möglichkeit" ist mir noch zu naturalistisch.
Denn es setzt - zumindest bei Dir - voraus, dass es historische Fakten auch auf der Deutungsebene
gibt, sie aber nur nicht erkennbar sind.
Dann bist Du noch immer Naturalist, und zwar ein solcher, der die naturwissenschaftiche Merdodik auf die geisteswissenschaftliche übertrgen will.
Da hilft dann auch nicht, wenn Du "Fakt" umdeuten willst, indem Du auf das lateinische Verb "factum" = "geschehen" verweist.
Hast Du lateinische Sprachwissenschaft studiert, um erspüren zu können, was der Lateiner mit der Substantivierung des Partizip Perfekts semantisch vollzogen hat?
Im Lexikon steht dafür "Tat".
Also das, was man nicht mehr ändern kann: es ist geschehen, aus.
Keineswegs ist damit gesagt, dass alles und jedes Geschehen vom Lateiner als "Tat" verstanden wird.
Eine historische Tat kann man nämlich nachweisen und fällt unter meine Punkte a und b:
Hitler hat sich erschossen.
Aber man kann nicht als Tat bezeichnen, dass der Versailler Vertrag den Faschismus mitverursacht hat.
Denn das ist gar nicht möglich. Der Versailler Vertrag ist keine Person, die etwas verursachen kann.
Und die Folgen könnten auch ganz anders gewesen sein.
Die Deutungsebene - und darauf wollte ich hinaus - ist faktenfrei. Es werden von Menschen nur Versuchballons hochgeschossen, um etwas verstehen zu könen, zumindest im Ansatz.
Wenn man ein Kind heftig schlägt und dieses von nun an nicht mehr redet, dann kann man zu Recht annehmen, dass das Verstummen die Folge des Schlagens ist. Aber ist es die Ursache?
Eine Ursache im naturwissenschaftlichen Sinn?