Alles Teufelszeug? V

closs
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#1251 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von closs » Mi 29. Mär 2017, 21:22

Münek hat geschrieben:Wieso überliest Du das Entscheidende - nämlich die Zusicherung Jesu an einige seiner Jünger, dass sie das Kommen des Menschensohnes auf einer Wolke und die damit verbundene Nähe des Gottesreiches selbst erleben werden (Lk. 21:31 und 32)
Dieser Text ist insgesamt in alle beiden Richtungen interpretierbar.

Da steht einerseits "9 Wenn ihr aber hören werdet von Kriegen und Unruhen, so entsetzt euch nicht. Denn das muss zuvor geschehen; aber das Ende ist noch nicht so bald da", andererseits wird der Eindruck, dass Apokalyptisches nach der Zerstörung Jerusalems passiert "23 Wehe den Schwangeren und den Stillenden in jenen Tagen! Denn es wird große Not auf Erden sein".

Dann heißt es wieder " 27 Und alsdann werden sie sehen den Menschensohn kommen in einer Wolke mit großer Kraft und Herrlichkeit" - also bald. - Gleichzeitig ist 70 n.Chr. bereits außerhalb der "Generation", der die Jünger angehören - und dieser Text wurde ja wohl danach geschrieben, oder nicht? - Also auch da passt es nicht.

Dein Hinweis 31 nützt gar nichts, wenn man nicht fixiert, WANN das alles geschehen wird - denn 70 n.Chr. ist auch nur eine Annahme - und wie Du weißt, wird "Generation" in 32 in anderen Standard-Üvbersetzungen mit "Geschlecht (der Israeliten)" oder gar "Volk" übersetzt. - Mit anderen Worten: Es hängt ab vom insgesamten Kontext - in Deinen Textvorschlag kann man alles mögliche rein interpretieren. - EINE Text-Stelle reicht nicht.

Münek hat geschrieben:Wir reden hier von Bultmanns Negation des Eschatologischen in den neutestamentlichen Schriften - nicht von der Wissenschaft.
Das IST doch eine wissenschaftliche Aussage - was denn sonst?

Münek hat geschrieben:Jesus spricht nicht von sich, sondern vom kommenden "Menschensohn". Ob und inwieweit er sich mit dem "Menschensohn" identifizierte, ist in der neutestamentlichen Exegese bis heute umstritten.
Oje - und wenn man dann alles umstritten hat, darf man sich feststellen, dass Jesus erst viel später zum Verkündigten wurde.

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#1252 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von closs » Mi 29. Mär 2017, 21:35

Münek hat geschrieben:In seinem Buch "Katholische Dogmatik" schreibt Müller auf Seite 524 über Bultmann, dieser verstehe "die zeitliche Naherwartung und die
konkreten kosmischen und endgeschichtlichen Aussagen vom Weltende als Elemente eines überholten mythischen Weltbildes."
Da widerspricht er sich aber: Denn GERADE das mythische Weltbild versteht sich nicht wörtlich, sondern als geistige Chiffre für etwas, das dahintersteht. - Es gibt somit folgende Verständnisse vom "Weltende":

1) Weltende = wenn etwas Physikalisches passiert, wozu man keinen religiösen Ansatz braucht (naturalistisches Weltbild).
2) Weltende = wenn das "Himmlische Reich und/oder Jesus" innerhalb kurzer Zeit physikalisch folgt (Volks-Religiosität).
3) Weltende = Chiffre für ein echatologisches Geschehen - egal ob auf das Individuum oder die Menschheit als Ganzes bezogen (mythisches Weltbild - da Mythos nie wörtlich zu verstehen ist, sondern "für etwas Geistiges". - Ein historisches oder physikalisches Verständnis von Zeus und seinem Olymp ist nicht "mythisch".

Positiv kann man Bultmann so verstehen, dass er erkennt, dass die Ankündigung des Himmlischen Reichs eben KEINEN physikalischen Vorgang beschreibt, sondern einen geistigen. - Insofern ist er dem, wie zumindest die RKK (von den Evangelen kenne ich es auch) interpretiert und wie diese Jesus interpretiert!!! - recht nah.

Bultmann scheint zu meinen,
a) dass man endgeschichtliche Aussagen nicht physikalisch und konkret zeitlich verstehen darf - das ist gut, - aber auch
b) dass Jesus es physikalisch und konkret gemeint habe - das ist aus meiner Sicht sein Irrtum - die mir bekannte Theologie sieht es auch für Jesus wie a) - Paradigmenwechsel des NT.

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#1253 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von Münek » Do 30. Mär 2017, 00:10

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Wieso überliest Du das Entscheidende - nämlich die Zusicherung Jesu an einige seiner Jünger, dass sie das Kommen des Menschensohnes auf einer Wolke und die damit verbundene Nähe des Gottesreiches selbst erleben werden (Lk. 21:31 und 32)
Dieser Text ist insgesamt in alle beiden Richtungen interpretierbar.
Nein - ALLES ENTSCHEIDEND ist allein Jesu Zusicherung an einige seiner Jünger, dass sie das Kommen des Menschensohnes und des Gottesreiches noch persönlich erleben werden.

Jetzt verstehst Du auch den Satz, den Jesus bei früherer Gelegenheit zu seinen Jüngern sagte: "Es stehen etliche hier, die den Tod nicht schmecken werden, bis sie kommen sehen das Reich Gottes mit Macht."

closs hat geschrieben:Dann heißt es wieder " 27 Und alsdann werden sie sehen den Menschensohn kommen in einer Wolke mit großer Kraft und Herrlichkeit" - also bald.
Da steht nichts von "bald". Der Menschensohn erscheint chronologisch NACH ("alsdann") den von Jesus in seiner Endzeitrede von ihm den Jüngern geschilderten apokalyptischen Katastrophen.

closs hat geschrieben:Gleichzeitig ist 70 n.Chr. bereits außerhalb der "Generation", der die Jünger angehören - und dieser Text wurde ja wohl danach geschrieben, oder nicht? - Also auch da passt es nicht.
Ich bin mir außerordentlich sicher, dass Jesus die Jahreszahl "70 n. Chr." mit keinem Wort erwähnt hat.

:lol: :lol: :lol:

closs hat geschrieben:Dein Hinweis 31 nützt gar nichts, wenn man nicht fixiert, WANN das alles geschehen wird.
Mit einem exakten Datum konnte Jesus bekanntlich nicht aufwarten, weil dieses nach seiner Aussage nur seinem himmlischen Vater bekannt war. Zumindest das solltest Du eigentlich wissen.

closs hat geschrieben:denn 70 n.Chr. ist auch nur eine Annahme.
Gewiss - aber keine Annahme Jesu, sondern von historisch arbeitenden Exegeten.

closs hat geschrieben:und wie Du weißt, wird "Generation" in 32 in anderen Standard-Üvbersetzungen mit "Geschlecht (der Israeliten)" oder gar "Volk" übersetzt. - Mit anderen Worten: Es hängt ab vom insgesamten Kontext
Eben - es hängt vom Kontext ab. Und dieser Kontext ergibt sich klar aus Jesu vorherigen Satz - nämlich dass die angesprochenen Jünger alles, was Jesus an apokalyptischen Geschehnissen geschildert hat, noch selbst erleben werden. Dann spielt es auch keine Rolle, ob man den von Jesus verwendeten Begriff mit Generation, Geschlecht oder Volk übersetzt.

closs hat geschrieben:in Deinen Textvorschlag kann man alles mögliche rein interpretieren.
Nur wenn man sich selbst in die Tasche lügt...

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Jesus spricht nicht von sich, sondern vom kommenden "Menschensohn". Ob und inwieweit er sich mit dem "Menschensohn" identifizierte, ist in der neutestamentlichen Exegese bis heute umstritten.
Oje - und wenn man dann alles umstritten hat, darf man sich feststellen, dass Jesus erst viel später zum Verkündigten wurde.
Gib bei GOOGLE den Suchbegriff "Menschensohn" ein und mach Dich erstmal kundig. Erst dann bist Du in der Lage, kompetent mitzureden.

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#1254 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von closs » Do 30. Mär 2017, 00:50

Münek hat geschrieben:Nur wenn man sich selbst in die Tasche lügt...
Das kannst Du Dir wirklich sparen, denn dieser oft von Dir wiederholte Satz zeigt, dass Du Dir überhaupt nicht bewusst bist, was hier eigentlich abgeht.

Oder konkret andersrum: Obwohl ich mit den Ergebnissen der HKM, sobald sie rein technisches Terrain verlässt, nichts anfangen kann und dies vor allem begründen kann, würde ich den HKM-lern nie vorwerfen, dass sie sich in die Tasche lügen. - Denn sie tun nichts anderes, als ein geistiges Buch nach ihrer Methodik säkular zu lesen und daraus Schlüsse zu ziehen - das ist auf DIESER Ebene konsequent - ein Szenario, das man durchspielen kann.

Aber diese Methodik verkennt "bauartbedingt" so viel für Bibel-Lektüre Entscheidendes, dass in Interpretations-Fragen nichts Bleibendes dabei rauskommen kann. - Kritisch ist hier anzumerken, dass keinerlei Anzeichen zu erkennen sind (zumindest in den hier zitierten Texten), diesen Mangel zu erkennen, geschweige denn zu beheben.

Und damit wird nicht erkannt, dass die Bibel-Hermeneutik (salopp: das "Was hat das zu bedeuten?") genauso an der Wirklichkeit und somit Historizität Jesu interessiert ist wie die HKM - nur mit einer ganz anderen Methodik und mit einem viel umfassenderen Anspruch. - Mit anderen Worten: Wenn die Hermeneutik sagt "Jesus ist leiblich auferstanden und hatte keine Naherwartung", ist das genauso historisch gemeint wie die HKM-Äußerungen - und sicherlich genauso anspruchsvoll begründet - aber eben aus einer anderen Perspektive.

Warum erkennen das die HKM-ler nicht? - Oder vielleicht tun sie es ja, kommen hier nur nicht zu Wort - da bin ich zu weit weg. - Also: Warum scheinen das viele HKM-Vertreter nicht zu erkennen? - Und da liegt die Antwort nicht in der biblischen Sachfrage, sondern in einer weltanschaulichen Entwicklung der letzten Generationen, dernach nur eine kritisch-rationale Disziplin ("Nur was der Mensch säkular darstellen kann, kann auf Realität hinweisen") Aussagen über "dem, was wirklich damals geschah" treffen kann".

Eine ideologische, gar dogmatische Haltung, die nichtsdestoweniger sogar in sich als aufgeklärt empfindenden Zeit zu funktionieren scheint. - Richtig wäre dagegen, das methodische geistig-argumentierende Gegenüber überhaupt erst mal zu verstehen. - Beschreibend geht das natürlich ("Wir sehen, dass unser Gegenüber an den Osterhasen glaubt" :lol: ), aber es wird ganz offensichtlich nicht WIRKLICH verstanden.

Es wird nicht verstanden, dass "Mythos" irdisches Zeichen einer Realität ist und nicht selbst Realität. - Es wird nicht verstanden, dass geistige Aussagen i.d.R. nicht sofort verstanden werden, sondern erst mit der Zeit in einem hermeneutischen Prozess ("Hermeneutischer Zirkel") zur Erkenntnis führen. - Es wird nicht erkannt, dass Texte deshalb eine Erkenntnis-Entwicklung der Rezeption abbilden, in der Erkenntnis entweder weniger oder mehr wird. - Das alles passt nicht ins Portfolio der HKM, ist aber wichtig, wenn man dem nahe kommen will, was historisch WIRKLICH war.

Insofern ist aus meiner Sicht die Aufteilung in "HKM = technische Daten" und "Hermeneutik = inhaltliche Deutung" zur Ermittlung dessen, was vor 2000 Jahren wirklich der Fall war, alternativlos. - Denn die HKM kann nicht deuten, was geistige Texte WIRKLICH bedeuten - und die Hermeneutik kann keine technischen Recherchen durchführen, die für die HKM Routine sind.

Übrigens: Genau diese Aufteilung ist Praxis in der Theologie - man nimmt sich Sachwissen der HKM und verarbeitet sie in der substantiellen Deutung. - Aber diese Praxis ist halt offiziell nicht beiderseitig als bester Weg einvernehmlich akzeptiert - was natürlich AUCH damit zu tun hat, dass jede Disziplin möglichst wichtig sein will und nichts abgeben will.

Wie auch immer: Sei Dir bitte bewusst, wie vielschichtig dieses Problemfeld ist und bezeichne etwas nicht als "in die Tasche lügen", nur weil Dir kein anderer Standpunkt als der der säkularen HKM vertraut ist.

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#1255 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von Münek » Do 30. Mär 2017, 01:19

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:In seinem Buch "Katholische Dogmatik" schreibt Müller auf Seite 524 über Bultmann, dieser verstehe "die zeitliche Naherwartung und die konkreten kosmischen und endgeschichtlichen Aussagen vom Weltende als Elemente eines überholten mythischen Weltbildes."
Da widerspricht er sich aber: Denn GERADE das mythische Weltbild versteht sich nicht wörtlich, sondern als geistige Chiffre für etwas, das dahintersteht.
Völlig daneben - gerade weil Jesus und seine Zeitgenossen ihr mythisches Weltbild wörtlich verstanden, sah sich Bultmann veranlasst, von einem überholten mythologischen Weltbild zu sprechen, welches heute niemand mehr ernst zu nehmen braucht.

Dem Glauben an die "Geister- und Wunderwelt des Neuen Testaments" erteilte er eine klare Absage (Entmythologisierung der neutestamentlichen Verkündigung).

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#1256 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von closs » Do 30. Mär 2017, 10:06

Münek hat geschrieben:Völlig daneben - gerade weil Jesus und seine Zeitgenossen ihr mythisches Weltbild wörtlich verstanden, sah sich Bultmann veranlasst, von einem überholten mythologischen Weltbild zu sprechen, welches heute niemand mehr ernst zu nehmen braucht.
Hier das alte Muster:
1) Wir unterstellen, dass jemand etwas fälschlich wörtlich versteht.
2) Aus dieser Setzung heraus bezeichnen wir es als überholt.

Um an meinem letzten Post anzuschließen, den Du Dir hoffentlich zu Herzen genommen hast: Das ist alles viel komplexer - hier einige Stichworte ohne große Kommentierung:

1) "Mythos" ist ein Begriff, der (in der heutigen Bedeutung) nie aus der Zeit stammt, aus der man ihn anwendet, sondern immer aus einer Zeit, in der es keinen Mythos mehr gibt.

2) "Mythos" ist somit eine wertende Bezeichnung aus eigener Zeit für eine andere Zeit.

3) Es ist ein Unterschied, ob man sagt "Ich glaube mit dem Mittel einer historisch anmutenden Darstellung namens Genesis, dass Gott die Welt geschaffen hat" (= Mythos) oder "Aus unserer heutigen materiösen Sichtweise ist die Darstellung 'Mensch wird aus Erde geschaffen' unhistorisch, also 'mythisch', also nicht real". - Im ersten Fall soll eine Realitäts-Behauptung per Chiffre (egal ob historisch oder unhistorisch verstanden) dargestellt werden - im zweiten Fall soll dieselbe Realitäts-Behauptung mit der Begründung widerlegt werden, dass deren Chiffrierung unhistorisch ist. - Zwei vollkommen unterschiedliche Sachen. - Denn im Fall 1 steht die Realitäts-Behauptung im Vordergrund, die irgendwie darstellbar gemacht werden soll - im zweiten Fall steht die Darstellungs-Form im Vordergrund, aus der heraus man entscheidet, ob die Realitäts-Behauptung stimmt. - 1 = theozentrisch/2 = anthropozentrisch.

4) Der Paradigmen-Wechsel durch Jesus zielt in diesem Sinne darauf ab, Wahrnehmungs-Chiffren aufzuheben zugunsten einer unmittelbaren Realitäts-Erfassung: "Eure Chiffren sind gut, aber nicht das Ende der Fahnenstange - Ihr sollt jetzt Gott nicht über Chiffren verstehen, sondern durch mich in Euch - 'nahes Gottesreich'. - Aber ich weiß, dass es dauern kann, bis die Menschheit sich so weit entwickelt hat, dass dieser Paradigmenwechsel vollzogen ist". - Wer versteht, was damit gemeint ist, versteht auch den Satz eines mexikanischen Mystikers des 20. Jh., der sinngemäß sagt: "Karfreitag ist der Übergang von Wahrnehmung zu Realität". - Das gilt übrigens auch für die sog. "Verklärung".

Das musst Du jetzt nicht verstehen - aber man muss Sätze wie diese verstehen, wenn man die Bibel anspruchsvoll deuten will. - Und genau das kann die HKM eben NICHT - sie kann sie technisch deuten, aber nicht profund.

Und da wären wir bei Bultmann. Er scheint sich von dieser inhaltlich profunden Ebene entfernt zu haben und möchte sozusagen die Bibel von außen beurteilen: "Was stünde inhaltlich in der Bibel, wenn man sie rein vom materiösen Außen-Blick beurteilen würde?" - Kann man machen, aber damit entfernt man sich vom eigentlichen Kern und Wesen der Bibel.

Insofern ist Bultmanns Aussage zur Eschatologie zunächst goldrichtig: Die "Naherwartung" ist nicht wörtlich zu verstehen - zu dieser Erkenntnis würde ihn Jesus ausdrücklich loben. - Der Fehler kommt später: Denn Bultmann legt es aus seinem Weltanschauungsbild gegen Jesus aus. - Jesus dagegen will sagen: "Hey, Ihr Leute meiner Zeit: Euch kann ich nicht zumuten, dass Ihr Euch komplett aus Eurem alttestamentarisch geprägten Historien-Verständnis löst - ich kann Euch nur etwas sagen, was die Menschen im Laufe ihrer Aufklärung begreifen werden" - wobei "Aufklärung" hier sinnigerweise ganz anders zu verstehen ist, als was man heute darunter versteht. - Und dann sagt Jesus irgendwo noch was, was hierzu gut passt: "Heute kann ich Euch Eure Fragen nicht beantworten, weil Ihr die Antworten nicht verstehen würdet - aber wenn Ihr selber erkannt haben werdet, werdet Ihr mir diese Fragen nicht mehr stellen".

Und jetzt meine Frage an Dich: Wie soll die HKM mit ihrer methodischen Disposition hier mitreden können? - Und nachdem dies eine rhetorische Frage ist: Genau deshalb wird die HKM innerhalb der Theologie rein als Dienstleister für reine Sachfragen technischer Natur verwendet, aber nicht für die substantielle Deutung der Bibel.

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#1257 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von Pluto » Do 30. Mär 2017, 10:28

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Völlig daneben - gerade weil Jesus und seine Zeitgenossen ihr mythisches Weltbild wörtlich verstanden, sah sich Bultmann veranlasst, von einem überholten mythologischen Weltbild zu sprechen, welches heute niemand mehr ernst zu nehmen braucht.
Hier das alte Muster:
1) Wir unterstellen, dass jemand etwas fälschlich wörtlich versteht.
2) Aus dieser Setzung heraus bezeichnen wir es als überholt.
Nicht "Wir", sondern ein großer Theologe Namens Rudolf Bultmann. Ich bin nicht mit allem einverstanden was Bultmann sagt, doch in diesem Punkt der Naherwartung Jesus', neige ich dazu ihm zu glauben. Schließlich begründet er seine Meinung hermeneutisch.

Nach allem was ich von dir lese, legst du großen Wert auf hermeneutische Begründung. Was lässt dich in diesem Fall daran zweifeln?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#1258 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von closs » Do 30. Mär 2017, 11:21

Pluto hat geschrieben:Nach allem was ich von dir lese, legst du großen Wert auf hermeneutische Begründung. Was lässt dich in diesem Fall daran zweifeln?
Seine Aussage, dass die Naherwartung NICHT zeitlich zu verstehen ist, ist hermeneutisch auf den Punkt richtig. - Daraus zu schließen, dass Jesus anders gedacht hat, ist beliebig gedacht - bzw. nicht-hermeneutisch gedacht.

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#1259 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von Pluto » Do 30. Mär 2017, 11:53

closs hat geschrieben:Daraus zu schließen, dass Jesus anders gedacht hat, ist beliebig gedacht - bzw. nicht-hermeneutisch gedacht.
Sehe ich genau umgekehrt.
Bultman interpretiert Matthäus 24, 34-35 wörtlich, und eben nicht wie Buber.
  • Wahrlich, ich sage euch: Dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis dies alles geschehen ist. Der Himmel und die Erde werden vergehen, meine Worte aber sollen nicht vergehen.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#1260 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von closs » Do 30. Mär 2017, 14:35

Pluto hat geschrieben:Sehe ich genau umgekehrt.
Rein verständnismäßig blicke ich nicht durch, was Du verstehst - also eins nach dem anderen:

1) "Geschlecht" wird von gängigen Übersetzungen wiedergegeben mit "Generation" und "Volk" - also ganz unterschiedlich wieder gegeben. - Was verstehst DU diesbezüglich?

2) Bultmann scheint zu meinen - und da sind sich Münek und ich offenbar einig, dass die Naherwartung aus heutiger Sicht NICHT zeitlich zu verstehen ist. - Da würde ich B. zustimmen - Ratzinger würde es auch.

3) Bultmann scheint weiter zu meinen, dass das Volk es damals zeitlich verstanden hat - auch da ist ihm zuzustimmen.

4) Allerdings ist ihm (nicht nur) meinerseits zu widersprechen, dass JESUS es zeitlich verstanden hat. - Der Streitpunkt zwischen HKM-Auslegung und hermeneutischer Auslegung ist also das In-einen-Topf-Werfen" von "Volk" und "Jesus".

Und jetzt kommen wir wieder zu den unterschiedlichen Prämissen von HKM und christlicher Hermeneutik:
Die HKM versteht unter "Jesus" nichts anderes als "Volk", kann also nicht die Möglichkeit miteinbeziehen, dass Jesus "göttlich" war. - Die christliche Hermeneutik versteht unter "Jesus" eine inkarnierte geistige Größe, kann ihn also nicht als x-beliebigen Teil des Volks verstehen.- Und das beeinflusst bei identischer Quellenlage die Bibel-Auslegung - auch in Bezug auf das, was historisch ist und was nicht.

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