Münek hat geschrieben:Nein - die altertümliche Auslegung nach dem 4-fachen Schriftsinn hat mit Hermeneutik NICHTS, mit Exegese aber VIEL zu tun.
Jetzt haben wir Begriffssalat.
Wir waren uns doch irgendwann mal einig, dass Exegese auf reiner Sachebene ergebnisoffen sein kann. - Sobald jedoch Hermeneutik ins Spiel kommt, kommen auch Setzungen ins Spiel (sogar bei wik) - das ist doch der Grund, warum ich die Hermeneutik erst NACH der reinen Sach-/Wort-Auslegung einsetzen lassen würde.
Eine Exegese im bspw. eschatologischen Schriftsinn kann somit nicht neutral-exegetisch ("universell ergebnisoffen) sein - weil das hermeneutische "Vorwissen", dass es eine Eschatologie gibt, doch die Voraussetzung dafür ist, um überhaupt eschatologisch auslegen zu können. - Dieses "Vorwissen" (alias Voraus-Setzung) aber ist anfechtbar, da nicht falsifizierbar, und somit natürlich auch angreifbar. - So würde die HKM, sobald sie von der reinen Sachebene auf die Interpretationsebene hüpft, nie ein solches "Vorwissen" namens "Eschatologie" akzeptieren.
Die HKM hat dafür anderes "Vorwissen" - nämlich, dass Nicht-Falsifizierbares irrelevant sei und "die Welt" nur einen naturalistischen Wirkungszusammenhang kännte - dieses "Vorwissen" ist die Voraussetzung dafür, so (über das rein Sachliche hinaus) auszulegen, wie es die HKM tut. - Und so stehen sich interpretierende Exegeten immer mit jeweiligem hermeneutischen "Vorwissen" gegenüber.
Und Du meinst, dass diese hermeneutischen Interpretations-Festlegungen von vorne herein in der HKM drinsteckt? - Wenn ja, hast Du wahrscheinlich recht - aber woher kommt diese 180°-Wende?
Münek hat geschrieben: closs hat geschrieben:
Und wie Du siehst: Auch bei wik wird Hermeneutik mit Voraus-SETZUNG verbunden - also NICHT neutral (was ja Ratzinger gar nicht will - er will ja christlich auslegen. - Aber die HKM will es doch angeblich nicht - was nun?).
Öhm. Hast Du was getrunken?
Was hast Du nicht verstanden?
Münek hat geschrieben:Die HKM sagt weder, Gott existiert noch Gott existiert NICHT. Wo siehst Du in dieser Haltung eine SETZUNG?
Das ist eine ziemlich blöde Finte, die man anderen erzählen kann, aber bitteschön nicht selber glauben sollte. - "Gott als Entität" ist bereits per hermeneutischem "Vorwissen" ausgeschlossen.
Mit anderen Worten: Die HKM interpretiert so, als gäbe es Jesus als göttlich NICHT (selbst wenn man ihn großzügig nicht ausschließt - aber er darf halt in dieser historischen Funktion eben keine Rolle spielen) - Ratzinger macht das Gegenteil (selbst wenn er genauso wenig weiß wie die HKM, ob dieses sein "Vorwissen" richtig ist - deshalb spricht er ja vom "Glauben"), weshalb für ihn Jesus als historischer Nur-Mensch interpretativ ebenfalls keine Rolle spielt.
Beide Seite tun strukturell exakt dasselbe - um so erstaunlicher ist es, dass sich nur Ratzinger dazu bekennt. - Über dieses Unding seitens der HKM schüttele ich immer wieder den Kopf: Warum bekennt man sich nicht zu seinen hermeneutischen Setzungen?
Münek hat geschrieben:Von welcher Exegese in der christlichen Theologie sprichst Du? Du weißt doch genau, dass Ratzingers Vision von einer "kanonischen Exegese" grandios gescheitert ist.
In der Praxis ist die rein sachliche (in Worten: SACHLICH - NEUTRAL - SETZUNGSFREI - NICHT INTERPRETIEREND) Exegese der HKM die Grundlage - denn auf rein sachlicher Ebene leistet sie ja gute Arbeit. - Aber christliche AUSLEGUNG wird in christlicher Hermeneutik gemacht: "Welche christliche Auslegung, welches christliche Verstehen ergibt sich aus der rein sachlichen Vorarbeit?". - Oder erwartest Du, dass die Theologie eine wertende, interpretierende Auslegung einer Disziplin akzeptiert, die per eigener Hermeneutik de facto Jesus als göttliche Person ausschließt?
Gescheitert ist Ratzinger (wenn er es überhaupt ist - ich bin diesbezüglich nicht auf dem Laufenden) deshalb, weil es schwierig bis unmöglich ist, die kritisch-rationale Grundlage einer reinen SACH-Exegese (neutral, ohne Setzung, ohne hermeneutische Richtungsvorgabe) mit einer Öffnung zum Geistigen zu verbinden. - Ist mir eigentlich ganz recht, weil Sache Sache bleiben sollte und Interpretation Interpretation sein sollte - diese Vermischung ist ungut.