Savonlinna hat geschrieben:sven23 hat geschrieben:
Eben, trotzdem versuchte Ratzinger, sie dort irgendwie einzuschleusen. Das mußte mißlingen.
Nein. Ratzinger hat es genauso erklärt wie ich.
LIes einfach mal das Buch.
Lustigerweise ist ja beides richtig und spiegelt nur ein Grunddilemma der Theologie und des christlichen Glaubens.
Die Theologie wird seit jeher an den Universitäten gelehrt zur Ausbildung der eigenen theologischen Spezialisten (Priester, Pfarrer, Dozenten). Jahrhundertelang war das kein Problem, weil praktisch alle christlich-gläubig waren.
Mit dem Erstarken der Naturwissenschaften (empirische Methoden, Experiment usw.), einem sich verändernden Wissenschaftsbegriff (Emanzipation der Disziplinen von der alles beherrschenden Theologie und Emanzipation von Glaubensvorstellungen, Verwerfung der Metaphysik ab Kant, methodologischer Atheismus usw.) und dem Aufkommen der Aufklärung mit den Konsequenzen einer zunehmenden Säkularisierung, Entkirchlichung und Entzauberung der Welt, war die Theologie an den Universitäten gezwungen, sich diesen Entwicklungen wissenschaftlich anzupassen, um überhaupt weiter als Wissenschaft gelten zu können.
Diese Verwissenschaftlichung der Theologie sorgte dann dafür, dass z.B. die HKM entstand, die dann wiederum die christlichen Schriften nicht mehr als
heilige Texte behandelte, sondern wie alles andere antike Schrifttum auch, mit entsprechenden Ergebnissen. In der Folge entfremdet sich die wissenschaftliche Theologie von den christlichen Kirchen und insbesondere von deren Anspruch, den einen wahren Glauben zu vertreten und sie entfremdet sich natürlich von den normal-glaubenden christlichen Gläubigen. Plötzlich existiert an den Universitäten also eine wissenschaftlich sein wollende Theologie, die nun gerade die Glaubensaspekte zumindest methodisch-wissenschaftlich ausklammert. Gleichzeitig können die für die Theologie an den Universitäten verantwortlichen Kirchen aber natürlich nicht auf ihren christlichen Glaubensaspekt verzichten, sonst löst sich christliche Theologie in Religionswissenschaft, Kulturwissenschaft, Archeologie, Geschichtswissenschaft und Philosophie(geschichte) auf, ohne dabei die zentralen christlichen Glaubensinhalte wissenschaftlich untermauern und verteidigen zu können.
Das ist in der Tat ein Dilemma, auf das die kanonische und Ratzinger-Exegese nur eine Reaktion darstellt. Ihr Irrtum liegt darin, einen verzweifelten Spagat zu versuchen, um mit dem einen Bein im christlichen Glauben zu bleiben und mit dem anderen Bein im wissenschaftlichen Betrieb an den Universitäten. Das kann nicht funktionieren. Es ist eine Verzweiflungstat besonders des heutigen Katholizismus, das Rad der historischen Entwicklung der Wissenschaften dadurch zurückdrehen zu wollen, dass er erklärt, die Wissenschaften und auch die wissenschaftliche Theologie seien für den
Glauben eigentlich gar nicht zuständig, Theologie aber an den Universitäten trotzdem weiter gelehrt und betrieben werden soll.
Die ev. Kirche hat im Grunde dasselbe Problem, geht aber anders damit um. Sie versucht nicht die Entwicklung der Wissenschaften zu kritisieren, und sie muss auch nicht so viele und so starke Glaubensinhalte und Dogmen verteidigen, wie die rKK. Die ev. Gläubigen, die mit der an den Universitäten betriebenen ev. Theologie so wenig anfangen können wie die römisch-katholischen, lässt sie einfach machen und versucht evangelikale und fundamentalistische Strömungen so gut es geht zu integrieren. Zudem dürfen die Protestanten fast alles glauben, was sie glauben wollen. Sie sind nur auf ganz wenige zentrale Glaubenssätze (im Glaubensbekenntnis) verpflichtet und dann ist sie noch äußerst liberal, was deren Auslegung angeht. Ein ev. Christ muss nicht einmal an die leibliche Auferstehung Christi glauben, wenn er nicht will und gilt immer noch als evangelisch-
gläubig.