Alles Teufelszeug? III

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Ska'ara
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#1181 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von Ska'ara » Mi 24. Aug 2016, 07:35

closs hat geschrieben:Jesus wurde und wird auch heute noch von vielen Menschen grundlegend falsch verstanden.
Kann man eine historische oder fiktive Person überhaupt richtig verstehen? Ich verstehe zwar den biblischen Jesus etwas, aber woher will ich wissen, ob ich mich nicht irre? Man kann doch nur sagen: Ich glaube, was ich lese und daraus deute. Das nennt sich dann Verständnis. Glaube sollte doch nicht so auf wackeligen subjektiven Füßen stehen, oder macht das den Glauben aus?

closs
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#1182 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Mi 24. Aug 2016, 09:21

sven23 hat geschrieben:„Da die Schrift vollständig und wörtlich von Gott gegeben wurde, ist sie in allem, was sie lehrt, ohne Irrtum oder Fehler." .
Finde ich auch etwas zu offensiv - aber: Der entscheidende Satz ist: "was sie lehrt".

Die Bibel wird also nicht en detail angeguckt (Stichwort: Widersprüche in einzelnen Aussagen), sondern in dem, "was sie lehrt".

sven23 hat geschrieben:So weit entfernt ist sie aber nicht davon, denn sie betrachtet die Bibel als vom Heiligen Geist inspiriert um irrtumsfrei.
WENN dem wörtlich so ist (mir fehlt noch der Beleg dafür), dann sicherlich im selben Sinne. - Es geht um die LEHRE der Bibel - dass Jesus in Bethlehem geboren worden sei, ist keine LEHRE.

sven23 hat geschrieben:Das Missverständnis kommt auch daher, dass die Ergebnisse der historischen Jesusforschung nicht publik gemacht werden.
Umgekehrt: Das Missverständnis kommt daher, dass man Jesus nicht historisch-kritisch substantiell verstehen kann.

closs
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#1183 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Mi 24. Aug 2016, 09:28

Ska'ara hat geschrieben:Kann man eine historische oder fiktive Person überhaupt richtig verstehen?
Man kann nur auf dem Weg dorthin verstehen - also "davon" verstehen.

Insofern ist es egal, ob man "Jesus", "JS Bach" oder "Shakespeare" meint. - Es gibt in allen drei Fällen (und vielen anderen Fällen großer geistiger Menschen) diesen Moment, dass man Jahrhunderte später etwas aufnimmt und sofort elektrisiert ist, indem man etwas geistig erkennt (nicht intellektuell, sondern geistig). - Wissenschaftlich ist ein solches Erkennen nicht erzielbar - mit Wissenschaft kann man dieses Erkennen nur begleiten.

Ska'ara hat geschrieben:aber woher will ich wissen, ob ich mich nicht irre?
"Wissen" gar nicht. - Man kann nur hermeneutisch wachsen - ein Prozess, bei dem mit der Zeit immer mehr Steine auf andere Steine passen.

Ska'ara hat geschrieben: Man kann doch nur sagen: Ich glaube, was ich lese und daraus deute. Das nennt sich dann Verständnis.
Stimmt - es gibt kein Wissen in geistigen Dingen.

Ska'ara hat geschrieben:Glaube sollte doch nicht so auf wackeligen subjektiven Füßen stehen, oder macht das den Glauben aus?
Das macht in der Tat Glauben aus und ist übrigens gar nicht wacklig. - Denn es ist zwar subjektiv (Geistiges geht NUR subjektiv), aber auch intersubjektiv - allerdings nur unter denen, die geistig aktiviert sind.

Konkret:
Würden sich heute Platon, Jesus, Bach, Shakespeare und Goethe zusammensetzen, würden sie sich auf Anhieb verstehen - nicht weil Plato, Shakespeare und Goethe Christen sein müssten, sondern weil das wahre Geistige (egal welches) immer am selben Strang zieht.

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sven23
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#1184 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von sven23 » Mi 24. Aug 2016, 10:01

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:„Da die Schrift vollständig und wörtlich von Gott gegeben wurde, ist sie in allem, was sie lehrt, ohne Irrtum oder Fehler." .
Finde ich auch etwas zu offensiv - aber: Der entscheidende Satz ist: "was sie lehrtDie Bibel wird also nicht en detail angeguckt (Stichwort: Widersprüche in einzelnen Aussagen), sondern in dem, "was sie lehrt"."..
Und was sie lehrt besteht nun mal aus vielen Details.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:So weit entfernt ist sie aber nicht davon, denn sie betrachtet die Bibel als vom Heiligen Geist inspiriert um irrtumsfrei.
WENN dem wörtlich so ist (mir fehlt noch der Beleg dafür), dann sicherlich im selben Sinne. - Es geht um die LEHRE der Bibel - dass Jesus in Bethlehem geboren worden sei, ist keine LEHRE..
Das sicher nicht, aber die Geburtslegenden wurden doch extra dazu konstruiert, um Jesus als den verheißenen Messias verkaufen zu können. Man kann nicht so naiv sein und glauben, dies könne ohne Konsequenzen bleiben.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Das Missverständnis kommt auch daher, dass die Ergebnisse der historischen Jesusforschung nicht publik gemacht werden.
Umgekehrt: Das Missverständnis kommt daher, dass man Jesus nicht historisch-kritisch substantiell verstehen kann.
Ich bin mir sicher, wenn die irrtümliche Naherwartung in Allgemeinwissen der Bevölkerung stärker verankert wäre, würden viele ihren Glauben mit kritischeren Augen sehen.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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sven23
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#1185 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von sven23 » Mi 24. Aug 2016, 10:03

closs hat geschrieben: Konkret:
Würden sich heute Platon, Jesus, Bach, Shakespeare und Goethe zusammensetzen, würden sie sich auf Anhieb verstehen - nicht weil Plato, Shakespeare und Goethe Christen sein müssten, sondern weil das wahre Geistige (egal welches) immer am selben Strang zieht.
Auch das wird ja durch die unterschiedlichsten und sich widersprechenden Strömungen und Denkschulen in Philosophie und Theologie widerlegt.
Die einschlägigen Zitate von Goethe zum Christentum und Jesus selbst sind ja bekannt.
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#1186 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Mi 24. Aug 2016, 10:07

sven23 hat geschrieben:Und was sie lehrt besteht nun mal aus vielen Details.
Das Große ist nicht eine Addition von Puzzles.

sven23 hat geschrieben:Ich bin mir sicher, wenn die irrtümliche Naherwartung in Allgemeinwissen der Bevölkerung stärker verankert wäre, würden viele ihren Glauben mit kritischeren Augen sehen.
Und sie wäre weniger verankert, wenn die Bevölkerung geistig geschulter wäre.

sven23 hat geschrieben:Auch das wird ja durch die unterschiedlichsten und sich widersprechenden Strömungen und Denkschulen in Philosophie und Theologie widerlegt.
Was hier im Forum das Wort "widerlegt" missbraucht wird, passt auf keine Kuhhaut.

Das, was ich gesagt habe, wird NICHT widerlegt - möglicherweise das, was Du davon verstanden hast.

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sven23
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#1187 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von sven23 » Mi 24. Aug 2016, 10:15

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Und was sie lehrt besteht nun mal aus vielen Details.
Das Große ist nicht eine Addition von Puzzles..
Tja, die einen nennen es Heilsgeschichte, die andern (z. B. Bultmann) "primitive Mythologie".

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Ich bin mir sicher, wenn die irrtümliche Naherwartung in Allgemeinwissen der Bevölkerung stärker verankert wäre, würden viele ihren Glauben mit kritischeren Augen sehen.
Und sie wäre weniger verankert, wenn die Bevölkerung geistig geschulter wäre..
Verwechselst du nicht Schulung mit Indoktrination?

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Auch das wird ja durch die unterschiedlichsten und sich widersprechenden Strömungen und Denkschulen in Philosophie und Theologie widerlegt.
Was hier im Forum das Wort "widerlegt" missbraucht wird, passt auf keine Kuhhaut.
.
Ob Goethe und Jesus sich so gut verstehen würden, weiss ich nicht.
Goethe sagte: die Geschichte des guten Jesus habe ich nun so satt, dass ich sie von keinem anderen als von ihm selbst hören will.
Und Jesus sagte: wer nicht für mich ist, ist gegen mich.
Da liegt wohl Konfliktpotential in der Luft. ;)
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#1188 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Mi 24. Aug 2016, 11:44

sven23 hat geschrieben:Verwechselst du nicht Schulung mit Indoktrination?
Nein - es ist auch keine Indoktination, wenn man das 1 x 1 beibringt - rechnen muss dann jeder selber.

sven23 hat geschrieben:Da liegt wohl Konfliktpotential in der Luft.
Möglich - gestritten wird überall. - Aber es würde dann auf demselben Niveau gestritten.

Im übrigen sind die meisten negativen Aussagen übers Christentum deskriptiver Natur. - Dein Zitat ist dazu ein super Beispiel:
"Die Geschichte des guten Jesus <deskriptiv> habe ich nun so satt, dass ich sie von keinem anderen als von ihm selbst hören will <normativ>.

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sven23
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#1189 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von sven23 » Mi 24. Aug 2016, 12:27

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Da liegt wohl Konfliktpotential in der Luft.
Möglich - gestritten wird überall. - Aber es würde dann auf demselben Niveau gestritten.
Mmh, fraglich, ob der galiläische arbeitslose Bauhandwerker (Tekton) da mithalten könnte.

closs hat geschrieben: Im übrigen sind die meisten negativen Aussagen übers Christentum deskriptiver Natur.
Natürlich sind sie deskriptiver Natur, weil die letzten 2000 Jahre viel Mist gebaut wurde. Aber auch normativ gäbe es einiges zu kritisieren.
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#1190 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von Münek » Mi 24. Aug 2016, 14:39

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Nach den Quellen - und mehr haben wir nicht
Doch - zu Geistigem hat man auch einen geistigen Zugang - oder eben nicht.
Mehr als die Quellen steht den Theologen nicht zur Verfügung. Exegeten legen diese aus und lassen sich dabei nicht von persönlichen Wunschvorstellungen leiten. Ein subjektiver Gottesglaube (= vermeintlich "geistiger Zugang") hat hier selbstverständlich aus dem Spiel
zu bleiben.


closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Die Gottesherrschaft blieb aus - Jesus hat sich grundlegend geirrt.
Jesus wurde und wird auch heute noch von vielen Menschen grundlegend falsch verstanden.
Das mag sein. Aber die exegetisch tätigen Theologen werden Jesus und seine Botschaft mit Sicherheit richtig verstanden haben. Ihnen das Gegenteil zu unterstellen, ist grotesk.

Lassen wir noch einmal den großen katholischen Theologen Karl Rahner zu Wort kommen:

"...dass wir... unbefangen, ehrlich, nüchtern und deutlich zugeben müssen, dass es bei Jesus wirklich eine zeitliche Naherwartung gegeben hat, die so...sich nicht erfüllt hat".

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Die mit der Textauslegung befassten Theologen haben mit der Interpretation der jesuanischen Zentralbotschaft überhaupt kein Problem.
Aber doch offensichtlich mit deren Auslegung, also mit deren inhaltlichen Interpretation ...
Nö - sie haben kein Problem damit. Es bringt nichts, ihnen das Gegenteil zu unterstellen.

Ein persönliches Problem scheinst Du zu haben: Du kannst und willst Dich nicht damit abfinden, dass Jesus sich geirrt hat.

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