Alles Teufelszeug? VI

Catholic
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#1141 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von Catholic » Mo 7. Aug 2017, 17:57

sven23,das Wesentlich hebe ich mal eben hervor.

"Als Quellen für eine Darstellung von Leben und Verkündigung Jesu von Nazaret stehen an erster Stelle die im Neuen Testament überlieferten vier Evangelien zu Verfügung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass alle Evangelisten kein eigentlich biographisches, ...Interesse an Jesus haben....[/quote]

Die kanonischen Evangelisten wollten keine reine Biographie schreiben,das stimmt.
Aber wenn ich aufschreiben würde was John Wesley im 18.Jahrhundert in England predigte und welche Glaubensansichten er vertrat,dann würde ich in dem Text auch nicht schreiben ob er seinen Tee mit oder ohne Zucker trank.

Pluto
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#1142 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von Pluto » Mo 7. Aug 2017, 18:08

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Wie definiert man Vernunft nach deiner Methode?
Als etwas, was auch ohne uns ist, und von dem wir einen Teil verstehen.
Da "Vernunft" ein von Menschen geschaffener Begriff ist, kann man ihn nicht so definieren, wie du es hier beschreibst.

Wiki schreibt:
Der genauere Inhalt des Begriffs der Vernunft wird in der Literatur unterschiedlich bestimmt. Er hat in der Kombination mit dem Begriff des Verstandes im Verlaufe der Geschichte von der griechischen Philosophie (Nous und Logos gegenüber dianoia) über das Mittelalter (intellectus versus ratio) bis in die Neuzeit einen Wandel erfahren. Die in der Neuzeit, angestoßen von Meister Eckart und Luther, sich entwickelnde Verwendung wurde von Immanuel Kant in der Kritik der reinen Vernunft so formuliert, wie sie in der Moderne weitgehend üblich geworden ist. Danach ist die Vernunft das oberste Erkenntnisvermögen, das den Verstand, mit dem die Wahrnehmung strukturiert wird, kontrolliert und diesem Grenzen setzt bzw. dessen Beschränkungen erkennt. Sie ist damit das wichtigste Mittel der geistigen Reflexion und das wichtigste Werkzeug der Philosophie.
[Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Vernunft]
Wenn du Kant widersprechen willst, musst du schon bessere Argumente bringen.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Da musst du dich schon entscheiden: Ist die Argumentation fehlerfrei, oder ist sie falsch? Auf jeden Fall solltest du das dann auch rational begründen können.
Die Argumentation der HKM, die zum methodischen ERgebnis führt, dass Jesus eine Naherwartung hatte, kann methodisch richtig sein, aber historisch falsch. - Diesen Fall kann man rational begründen - z.B. damit, dass die gewählte Methodik nicht geeignet ist zur Beantwortung dieser Frage.
Auch hier glaube ich, dass du "Methodik" falsch verstehst. Methodik ist nur eine Beschreibung des Wegs zum Ergebnis. Letztlich zählt das Ergebnis, und nicht die Methodik.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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sven23
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#1143 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von sven23 » Mo 7. Aug 2017, 18:51

Catholic hat geschrieben:sven23,das Wesentlich hebe ich mal eben hervor.

"Als Quellen für eine Darstellung von Leben und Verkündigung Jesu von Nazaret stehen an erster Stelle die im Neuen Testament überlieferten vier Evangelien zu Verfügung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass alle Evangelisten kein eigentlich biographisches, ...Interesse an Jesus haben....

Die kanonischen Evangelisten wollten keine reine Biographie schreiben,das stimmt.
Aber wenn ich aufschreiben würde was John Wesley im 18.Jahrhundert in England predigte und welche Glaubensansichten er vertrat,dann würde ich in dem Text auch nicht schreiben ob er seinen Tee mit oder ohne Zucker trank.

Das wäre ja auch nebensächlich, obwohl wir ja aus der Bibel erfahren, dass Jesu Kritiker ihm vorwerfen, ein Fresser und Weinsäufer zu sein.
Er war also wahrscheinlich kein Asket, Müsliapostel oder Vegetarier, was manche heutige Gläubige in ihn hineinprojizieren.
Und sein Umgang mit Frauen war sicher lockerer, als damals gesellschaftlich üblich war. Jesus ließ sich sogar von ihnen aushalten. Er mußte ja von irgendwas leben, so ohne Job und festen Wohnsitz ist da ja auch nicht ganz einfach.
Die Kirche hat übrigens einfach aus einer Apostelin einen Apostel gemacht. Postmortale Geschlechtsumwandlung nennt man das wohl. :lol:
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#1144 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von Catholic » Mo 7. Aug 2017, 18:53

sven23 hat geschrieben: Die Kirche hat übrigens einfach aus einer Apostelin einen Apostel gemacht. Postmortale Geschlechtsumwandlung nennt man das wohl. :lol:

Ja?

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#1145 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von Thaddäus » Mo 7. Aug 2017, 19:05

sven23 hat geschrieben:
closs hat geschrieben:So, wie Thaddäus "historisch" versteht, musst Du hier "historisch-kritisch erschlossenen" Jesus sagen. - Nach wie vor vermischt und verwechselst Du "historisch" ("ontisch") mit "historisch-kritisch" ("methodisch"). - Da diese Verwechslung entscheidender Grund für Deinen grundlegenden Denkfehler ist, muss ich Dich jedes Mal daran erinnern.
Nein, musst du nicht, weil das lediglich Ablenkungsmanöver sind.
Der Einwand, es gäbe abseits der methodisch erschlossenen historischen Vergangenheit eine irgendwie geartete "wirkliche Historie", die niemand genau kennen könne, ist zwar nicht falsch, bringt einen aber in der Erschließung der Vergangenheit keinen Schritt weiter.
Closs vermag schlicht nicht zu begreifen, warum der Gedankenfehler bei ihm liegt.
Er hat völlig recht damit, dass es nur eine historische (oder wie er es nennt: "ontische") Realität gegeben haben kann. Genau die versuchen die historisch-kritische Methode und die biblische Archeologie ja zu rekonstruieren.

Sein Gedankenfehler besteht darin anzunehmen, man könne einfach eine dazu alternative historische Realität postulieren, wenn einem die Ergebnisse der historisch-kritischen und archeologischen Rekonstruktion der "ontischen" Realität nicht gefallen. Solange, bis man eine "ontische" Realität hat, die einem gefällt. Aus der Möglichkeit der Göttlichkeit Jesu kann jedenfalls nicht auf alternative historische Realitäten geschlossen werden. Denn aus der Göttlichkeit Jesu kann man korrekt lediglich auf bestimmte göttliche Eigenschaften folgern, nicht aber auf das, was historische (oder "ontische") Realität war.
Das ist wie mit den Fake-News. Die sie verbreiten, möchten gerne aus politischen oder ideologischen Gründen den Anschein erwecken, es gäbe zu den Fakten noch diesen widersprechende Alternativfakten, die gleichberechtigt mit den Fakten und ebenfalls wahr sind. Das sind sie aber nicht, - darum sind sie lediglich "Fakes".
Zuletzt geändert von Thaddäus am Mo 7. Aug 2017, 19:40, insgesamt 5-mal geändert.

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#1146 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von Catholic » Mo 7. Aug 2017, 19:09

Thaddäus hat geschrieben:Aus der Möglichkeit der Göttlichkeit Jesu kann jedenfalls nicht auf alternative historische Realitäten geschlossen werden.
...

Streng genommen kann man rein historisch lediglich an Hand zeitgenössischer Quellen oder an Hand von Quellen die historische Quellen nutzen/wiedergeben,herausfinden ob sich Jesus als Gott/göttlich sah oder nicht.

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Thaddäus
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#1147 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von Thaddäus » Mo 7. Aug 2017, 19:30

Catholic hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Aus der Möglichkeit der Göttlichkeit Jesu kann jedenfalls nicht auf alternative historische Realitäten geschlossen werden.
...

Streng genommen kann man rein historisch lediglich an Hand zeitgenössischer Quellen oder an Hand von Quellen die historische Quellen nutzen/wiedergeben,herausfinden ob sich Jesus als Gott/göttlich sah oder nicht.
Genau so ist es, wobei es zu der rein historischen Herangehensweise wissenschaftlich keine Alternative gibt, weil wir über Jesus aus Nazareth ausschließlich über antike Texte Kenntnis haben. Persönliche (christliche) Glaubenserfahrungen spielen subjektiv natürlich ebenfalls eine ganz erhebliche Rolle, können aber nicht wissenschaftlich verwertet werden und bleiben somit rein subjektiv. Schließlich muss man auch dem radikalisierten Isis- oder Talibankämpfer einräumen, dass er ebenfalls persönliche Glaubenserfahrungen gemacht haben kann, die ihn in seinem Glauben bestärken und subjektiv rechtfertigen, was er tut. Der glaubt aber zutiefst an Inhalte, an die ein christlicher Gläubiger gemeinhin keinesfalls glauben möchte.

Und zuletzt gibt es noch die Möglichkeit, GOTT mit philosophischen Methoden "näher zu kommen". Diese Versuche reichen von der philosophischen Mystik bis zum modallogisch-ontologischen Gottesbeweis Kurt Gödels. Letztlich kann aber immer nur ein universaler und unpersönlicher Gott Gegenstand philosophischer Betrachtung sein. Es ist unmöglich aus einem philosophischen Gottesbeweis (falls man ihn für korrekt hält), auf einen christlichen, islamischen, jüdischen oder sonstwie konfessionellen Gott zu schließen.
Zuletzt geändert von Thaddäus am Mo 7. Aug 2017, 20:21, insgesamt 1-mal geändert.

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#1148 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von Thaddäus » Mo 7. Aug 2017, 20:13

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Es ist mir fast peinlich an dieser Stelle eingestehen zu müssen, dass mir dieser Punkt nicht schon viel früher aufgefallen ist.
Deine Ironie entspringt einem Selbstbild,
Ich meine das nicht ironisch, ich meine das todernst. Ich beurteile andere Menschen nicht nach ihrem vermeintlichen Intelligenzquotienten, der keine eigene Leistung ist, sondern daran, ob sie aufrichtige (auch intellektuell aufrichtige) und moralisch integere Menschen sind. Sind sie das, ist es mir egal, ob jemand bescheidenere Geistesgaben mit auf den Weg bekommen hat. Dafür kann er oder sie nichts, und es macht nicht ihren Wert als Mensch aus. Diese Haltung hat ausschließlich biographische Gründe, denn ich bin so erzogen worden. Mir selbst ist eigenes dummes Verhalten aber sehr peinlich. Ich habe Philosophie studiert und beschäftige mich unentwegt mit philosophischen Fragen und Problemen. Mir hätte dein Gedankenfehler viel früher auffallen müssen. Ich möchte nicht, dass sich meine Ausbilder und Lehrer meiner schämen müssen, denn ich habe sehr gute und bewundernswerte gehabt, deren Urteil mir sehr am Herzen liegt.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Wenn Jesus möglicherweise göttlich war, dann heißt das lediglich, dass ihm in diesem Falle "göttliche" Eigenschaften zukommen, - und mehr nicht! - Der Einfachheit halber darf man annehmen, dass diese mit den klassischerweise GOTT zugeschriebenen göttlichen Eigenschaften deckungsgleich sind, also Allmacht, Allwissenheit, Allgüte usw. umfassen.
ZU einfach. - Jesus als göttliche Offenbarungsgröße im Dasein erniedrigt sich nach christlichem Glauben ins Menschliche - in diesem Offenbarungs-Status muss ein göttlicher Jesus NICHT alle göttlichen Eigenschaften haben, die Gott in seinem Wesen hat.
Aber er muss immerhin diejenigen haben, die ihn zu einem Gott machen. Unsterblichkeit scheint mir ein ziemlich wesentlicher Punkt für Göttlichkeit zu sein. Insofern ist völlig unklar, was mit "Jesus als göttliche Offenbarungsgröße im Dasein erniedrigt sich nach christlichem Glauben ins Menschliche" gemeint sein könnte.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben: Es ist weiterhin möglich, dass alle Wundergeschichten Erfindungen sind, z.B. gerade deshalb, WEIL der göttliche Jesus keine gewirkt hat
Dieser Fall ist historisch denkbar - genauso wie der vom Christentum geglaubte Fall historisch denkbar ist. Jeweils nicht falsifizierbar, sondern nur jeweilig begründbar.
Es beweist, dass aus der bloßen Möglichkeit, dass Jesus göttlich war, keinesfalls auf historische oder "ontische" Realitäten geschlossen werden kann. Mehr wollte ich nicht aufzeigen.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Um so paradoxer wird damit der Textbefund, der Jesus den Glauben an eine Naherwartung in den Mund legt, da diese apokalyptische Annahme erwiesenermaßen falsch war.
Vordergründig richtig.
Das ist nicht "vordergründig" richtig, sondern es ist in jeder Hinsicht richtig.
Zuletzt geändert von Thaddäus am Mo 7. Aug 2017, 20:25, insgesamt 4-mal geändert.

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sven23
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#1149 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von sven23 » Mo 7. Aug 2017, 20:18

Catholic hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Aus der Möglichkeit der Göttlichkeit Jesu kann jedenfalls nicht auf alternative historische Realitäten geschlossen werden.
...

Streng genommen kann man rein historisch lediglich an Hand zeitgenössischer Quellen oder an Hand von Quellen die historische Quellen nutzen/wiedergeben,herausfinden ob sich Jesus als Gott/göttlich sah oder nicht.
Genau so geht die Forschung vor und kommt zu dem Schluss, dass Jesus überhaupt keine christologischen Hoheitstitel für sich beansprucht hat.
Vermutlich hätte er als gläubiger Jude seine posthume Vergottung sogar als Blasphemie empfunden.

"Für die Christologie der Schriften des Neuen Testaments ist charakteristisch, dass Aussagen über Jesus zugleich immer Aussagen sind, die von seiner Bedeutung für die Christen sprechen. Viele der im NT überlieferten Bekenntnisse bezeichnen Jesus mit Titeln, in denen die Christologie der frühen Christen wie mit einem Brennspiegel zusammengefasst ist. Diese Titel werden als christologische Hoheitstitel bezeichnet.

Fast alle dieser Titel stammen aus der biblisch-jüdischen Tradition. Die Verwendung im Neuen Testament zeigt, dass die Christen diese Tradition mit großer Souveränität benutzt haben. Häufig werden mit einzelnen Titeln Vorstellungen verbunden, die ursprünglich aus anderen Traditionszusammenhängen stammen. Den Anstoß zu dieser Kombination verschiedener Traditionen gab offensichtlich die Tatsache, dass gerade Jesus mit seinem besonderen Geschick mit diesen Titeln bezeichnet wurde.

Ob Jesus selbst in seiner Verkündigung christologische Hoheitstitel verwandt bzw. auf sich bezogen hat, ist eine in der Forschung viel diskutierte Frage. Sie wird meist negativ beantwortet."

Quelle: bibelwissenschaft.de
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#1150 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von 2Lena » Mo 7. Aug 2017, 20:37

Sven23 hat geschrieben:Fast alle dieser Titel stammen aus der biblisch-jüdischen Tradition. Die Verwendung im Neuen Testament zeigt, dass die Christen diese Tradition mit großer Souveränität benutzt haben.
Warum wohl?

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