Alles Teufelszeug? II

closs
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#1111 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von closs » Do 7. Apr 2016, 17:30

Anton B. hat geschrieben:"Man nähert sich ihr authentisch oder nicht - und kann dies nicht einmal intersubjektiv nachweisen." gilt aber für alles. Auch für die Naturwissenschaften.
Ich weiss, dass Du dieser Auffassung bist und finde sie sehr durchdacht - aber Du scheinst hier eine leuchtende Ausnahme zu sein.

Anton B. hat geschrieben:Wie willst Du da den Realitätsbegriff sinnvoll einbringen?
Ich würde zwischen "pragmatisch" und "ontologisch" unterscheiden. - Auf pragmatischer Ebene wären wir uns vermutlich alle hier schnell einig - während ich hier am PC sitze, überlege ich in keiner Sekunde, ob mein PC Vorstellung oder Entität ist. - Insofern wäre schon mal alles abgedeckt, was in welcher Form auch immer der naturalistischen Weltanschauung entspricht.

Denkt man theologisch/philosophisch, geht es natürlich nicht so einfach. - Dann wird man sehr genau definieren müssen, was man unter "Realität" verstehen will:
* Das, was in der Praxis funktioniert?
* Das, was unabhängig von unserer Wahrnehmung "ist"?
* Jegliche Vorstellung des Ich, das auf einen wirkt?
* etc.

Das sind sehr ernsthafte Fragen, die sicherlich irgendwo auch schon beantwortet wurden. - Für uns scheint mir wichtig zu sein, dass wir wissen, dass "Realität" eine Vereinbarung ist.

Anton B. hat geschrieben:Wir sollten dann aber auch direkt das wissenschaftliche vom außerwissenschaftlichen scheiden.
Nix dagegen. - Es kommt auf die Bewertung an:
a) Nicht-Wissenschaft = weniger als Wissenschaft
b) Nicht-Wissenschaft = das, was wissenschaftlich nicht greifbar ist.

Anton B. hat geschrieben:Diese Unterscheidungen gibt es doch!
Sie sind aber sehr unterschiedlich.

Anton B. hat geschrieben:Im Allgemeinen so vorsichtig, dass die Kategoriegrenzen erhalten bleiben.
Genau - so soll es sein.

Anton B. hat geschrieben:Was hilft sie Dir, wenn Du und andere sie (1) als Wesen nur annehmen und (2) eine modellhafte Annäherung nicht bemessen, ja sogar noch nicht einmal wirklich begründen können?
Logisch, ontologisch, philosophisch, theologisch, dialektisch KANN man es doch begründen - nur eben nicht im Sinne eine naturwissenschaftlichen Realitäts-Begriffs. - Es sind unterschiedliche Baustellen.

Anton B. hat geschrieben:Sage uns doch einfach, welchen echten Benefit das erkenntnismäßig bringen soll.
Dass spirituelle Realität nicht via materialistischer, naturalistischer, naturwissenschaftlicher Herangehensweise fassbar ist. - Das wäre doch schon was.

Anton B.
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#1112 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von Anton B. » Do 7. Apr 2016, 18:03

closs hat geschrieben:Denkt man theologisch/philosophisch, geht es natürlich nicht so einfach. - Dann wird man sehr genau definieren müssen, was man unter "Realität" verstehen will:
* Das, was in der Praxis funktioniert?
* Das, was unabhängig von unserer Wahrnehmung "ist"?
* Jegliche Vorstellung des Ich, das auf einen wirkt?
* etc.

Das sind sehr ernsthafte Fragen, die sicherlich irgendwo auch schon beantwortet wurden
Kern und Kulminationspunkt Deiner Antwort: "... sicherlich schon irgendwo auch schon beantwortet wurden."

closs hat geschrieben:Für uns scheint mir wichtig zu sein, dass wir wissen, dass "Realität" eine Vereinbarung ist.
Was haben wir noch mal vereinbart? Doch nicht etwa das erste closs'sche Axiom der Begründung für alles: "Es sei eine Realität."

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Wir sollten dann aber auch direkt das wissenschaftliche vom außerwissenschaftlichen scheiden.
Nix dagegen. - Es kommt auf die Bewertung an:
a) Nicht-Wissenschaft = weniger als Wissenschaft
b) Nicht-Wissenschaft = das, was wissenschaftlich nicht greifbar ist.
Lässt es sich nun unterscheiden oder nicht? Bewertet wird später. Taugt nun der Wissensbegriff nichts mehr? Sollen wir den wegwerfen und was Neues kreieren?

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Diese Unterscheidungen gibt es doch!
Sie sind aber sehr unterschiedlich.
Wo? In den Philosophiebüchern?

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Was hilft sie Dir, wenn Du und andere sie (1) als Wesen nur annehmen und (2) eine modellhafte Annäherung nicht bemessen, ja sogar noch nicht einmal wirklich begründen können?
Logisch, ontologisch, philosophisch, theologisch, dialektisch KANN man es doch begründen ...
Wenn "die" Realität vernünftig hinreichend begründet werden kann, dann einfach mal raus damit!

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Sage uns doch einfach, welchen echten Benefit das erkenntnismäßig bringen soll.
Dass spirituelle Realität nicht via materialistischer, naturalistischer, naturwissenschaftlicher Herangehensweise fassbar ist. - Das wäre doch schon was.
Nee, das ist gar nix. Entschuldige mal, aber "spirituelle Realität" ist doch Worthuberei, Wortwieselei, ein terminologisches potemkinsches Dorf. Von mir aus "spirituelle Erkenntnis", "spirituelle Erfahrungen" usw., möglicherweise sogar "spirituelles Wissen", aber bitte keine "spirituelle Realität". Ein Ausdruck, der einfach nur etwas unterstellt.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

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#1113 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von SilverBullet » Do 7. Apr 2016, 18:06

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Es wäre mir neu, dass Beweise in einem Weltbild, in dem es auf Wahrnehmungsunabhängigkeit ankommt, unbeachtet bleiben
Wie Du richtig sagst: "IN einem Weltbild". - Aber ein Weltbild es eben nur EIN Weltbild.
Es gibt nur ein Weltbild, das explizit auf das Feststellen von Wahrnehmungsunabhängigkeit achtet. Dieses Weltbild entspricht exakt dem, was Menschen sind – deshalb funktioniert es so hervorragend und bildet eine eigene Qualität.

Es ist nicht angebracht diese Sonderstellung zu verwässern, indem man für die „Meinungs“-Weltbilder eine Gleichheit erschwindeln möchte.

Wenn du Beweise nicht verarbeiten kannst, dann zeigt dies die Sonderbarkeit deines Weltbildes auf.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Nein ist es nicht, denn ansonsten hätten wir das Wort „Wissen“ nicht.
Doch, ist es. - "Wissen" gibt es nur INNERHALB dieses Weltbildes, also nach den methodischen Regeln dieses Weltbildes. - Mit absolutem Wissen hat das nichts zu tun - von außen betrachtet ist es Glaube.
Es gibt kein „von aussen betrachtet“.

Wir kennen nur eine Wahrnehmungstechnik.
Mit genau einer Wahrnehmungstechnik kann man nicht die Wahrnehmungszusammenhänge „von aussen betrachten“.

closs hat geschrieben:Wissen ist Folge eines methodischen Nachweises innerhalb eines Weltbildes, dass Nachweise zulässt - Glaube ist, dass eine persönliche Gewissheit autentisch ist zu dem, was ist. - Da gibt es schon Unterschiede.
Du versuchst hier die Funktionen des Gehirns als eine „philosophische Methodik“ darzustellen - das ist lustig und ich freue mich, dass die Neurowissenschaften Experimente mit "philosophischen Ratten" durchführen und so das Navigationssystem, also das "tierisch philosophische" Wissen über Position und Bewegungen in der Umgebung, analysiert haben.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben: Des Weiteren ist „religiöser Glaube“ nicht gleichzusetzen mit Annahme/Vermutung, sondern mit Selbsttäuschung (Frage=Antwort), Theaterspiel (Verhalten gegenüber einem unsichtbaren XYZ, zu dem es nur Fragezeichen gibt) und Machtgehabe (z.B. "Dreikaiseredikt" mit Zwangschristianisierung)
Unter gewissen weltanschaulichen Setzungen ist dieser Satz machbar. - Übergeordnet irrelevant.
Es gibt kein „übergeordnet“, bei dem es gleichgültig wäre, dass man eine Frage in vermenschlichter Form wie eine Antwort behandelt.
(Du unterliegst einer sehr sonderbaren Selbsttäuschung)

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:All diese Punkte sind in deinem „Meinungs“-Weltbild nicht erfüllt.
Nicht erfüll-BAR, weil die Objekte ganz anderer Natur sind.
Du hast kein Konzept für „Objekte ganz anderer Natur“.
=> das Wort „weil“ ist ein Witz.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Du hast nur „Plausibilitäten“, die zudem, keine Verbindung zur Wirklichkeit aufweisen.
Auch hier setzt Du "Wirklichkeit" im Sinne des Naturalismus/Materialismus und hast somit "innerbetrieblich" recht.
Nein, auf diesem Planeten konnten Lebewesen schon gegen Objekte laufen und diese dadurch (nicht sprachlich) für wirklich halten, bevor der erste philosophische Gedanke geäussert wurde.
Es geht nicht um einen philosophische Entscheidung, sondern um die Tatsache, dass wir etwas sind, das Wirklichkeit identifiziert.
=> „Meinungs“-Weltbilder sind irrelevant
=> Da es unsere Funktion ist, kann es nur um ein „Wahrnehmungsunabhängigkeits“-Weltbild gehen. Ist doch prima, dass es da „zufällig genau“ eines gibt.

Zitat-closs: „Ich dagegen verstehe "Wirklichkeit" als "das, was ist" - UNABHÄNGIG davon, ob ich es kenne oder wahrnehmen kann.

Nein, du „verstehst“ da überhaupt nichts, denn du kannst bauartbedingt nichts anderes sein, als es der einzigen Wahrnehmungstechnik entspricht.

Dass du dies offensichtlich nicht sein möchtest und dir selbst lieber ein Theater vorspielst, ist lustig.
Die Folge deines Wunsches ist ein sonderbares „Meinungs“-Weltbild -> auch lustig.

closs hat geschrieben:Und jetzt rate mal, wer von uns beiden eher dem Kriterium der "wahrnehmungs-unabhängigen" Wirklichkeit entspricht?
Das Konstrukt "wahrnehmungs-unabhängige Wirklichkeit“ gibt es nicht.

Eine Wahrnehmung behandelt Zusammenhänge als „Wirklichkeit“, wenn sie über eine Interaktion als wahrnehmungsunabhängig eingeschätzt werden.

In diesem Sinn sieht es für „Meinungs“-Weltbilder, sozusagen aus „natürlichen Gründen“, maximal schlecht aus – da muss ich gar nicht raten :-)

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#1114 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von NIS » Do 7. Apr 2016, 18:11

Jedes Gefühl ist eine Realität, unabhängig über welche Sinnesorgane das Gefühl ausgelöst wurde!

Der Grund hierfür ist die Verbindung zwischen Geist und Körper, was die Seele ist!

Die Seele ist das Gefühl, der Geist ist der Verstand und der Körper ist das Medium von Geist und Seele!

Ich postuliere die Vermutung, dass jeder Form von Materie eine Seele und ein Geist innewohnt!

Der Geist ist logisch, die Seele ist analog und der Körper ist endlich!

Oder wie seht ihr diese Abhängigkeiten?
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#1115 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von closs » Do 7. Apr 2016, 19:04

Anton B. hat geschrieben:Kern und Kulminationspunkt Deiner Antwort: "... sicherlich schon irgendwo auch schon beantwortet wurden."
Ja - in der Philosophie. - Es gibt darauf nicht DIE Antwort, sondern die Antwort ist abhängig vom Bezugs-System. - Ein Materialist wird es anders beantworten als eine Christ als ein Esoteriker als ein Naturwissenschaftler. - "Welches Schweinderl hätten Sie gern?", hätte Robert Lemke in seinem Ratespiel gesagt (kennst Du ihn noch?). - Also: Welche Antwort willst Du?

Ich kann doch nur darauf hinweisen, dass es verschiedenste Antworten gibt. - Um diese Frage durch und durch zu beantworten, würde eine Habilitation nicht ausreichen.

Anton B. hat geschrieben:Doch nicht etwa das erste closs'sche Axiom der Begründung für alles: "Es sei eine Realität."
Dass etwas Spezielles Realität sei, wirst Du von mir nicht hören. - Von mir wirst Du hören, dass "Realität" unabhängig ist von unserer Wahrnehmung - das closs'sche Axiom ist, dass Realität eine Entität ist, ob wir sie wahrnehmen oder nicht.

Anton B. hat geschrieben:Taugt nun der Wissensbegriff nichts mehr?
Doch: Er ist und bleibt das Mittel der Wahl bspw. in allen naturwissenschaftlichen Fragen - daran habe ich nie einen Zweifel gelassen.

Anton B. hat geschrieben:Wo? In den Philosophiebüchern?
In der Wissenschafts-Theorie. - Der eine interpretiert physikalistisch ("Wissenschaft ist nur Natur-Wissenschaft"), der andere interpretiert anders ("Wissenschaft = die methodischen Beschreibung - siehe Hoyningen-Hüne). - Wenn sich der physikalische Ansatz durchsetzt, habe ich nichts dagegen - dann muss man halt "Wissenschaft" weitgehend aus nicht-naturwissenschaftlichen Bereichen zurückziehen.

Anton B. hat geschrieben:Wenn "die" Realität vernünftig hinreichend begründet werden kann, dann einfach mal raus damit!
Die Realität Gottes ("Gott = Geist") kann damit begründet werden, dass er das Einzige ist, in dessen Überzeitlichkeit ein infiniter Regress aufgehoben ist - nur als EINE Beispiel. - Gott kann weiterhin als Realität begründet werden, wenn man das Bewusstsein des Menschen nicht als primäres Produkt von Materie versteht. - Weiterhin ist Gott als Realität begründbar, wenn man nicht verzichten will auf Fragen wie "Was ist der Mensch/woher kommt er/wohin geht er?". - Etc.

Man kann natürlich auf all diese Themen und Fragen verzichten - dann kommt man auch rein naturwissenschaftlich zurecht. - Es ist eine Frage des eigenen geistigen Bewusstseins, das Fragen zulässt oder nicht - und zu Antwortversuchen führt oder nicht.

Anton B. hat geschrieben:bitte keine "spirituelle Realität". Ein Ausdruck, der einfach nur etwas unterstellt.
Diese Aussage ist dann richtig, wenn man von einem physikalischen/materialistischen/naturalistischen Weltbild her "Realität" definiert - habe ich Verständnis dafür. - Nur ich denke halt ontologisch - das heisst.

Ich bezeichne alles, was begründet sein kann, als mögliche Realität. - Und wenn diese Begründungen wahr sind (was in spirituellen Dingen zwar plausibel sein kann, aber nicht falsifizierbar), IST dieses Wahre Realität. - Es sei denn, man definiert "Realität" als exklusiv im naturalistischen Sinne - auch nichts dagegen. - Aber dann muss man halt ein neues Wort finden für das, was sonst als Entität "sein" kann. - Ich sehe hier kein Streitthema, sondern ein rein sprachliches Problem.

Oder anders gefragt:
Welchen Sinn hätte Gott, wenn er nicht Entität "ist"?

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#1116 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von closs » Do 7. Apr 2016, 19:18

SilverBullet hat geschrieben:Es gibt nur ein Weltbild, das explizit auf das Feststellen von Wahrnehmungsunabhängigkeit achtet.
Das ist jetzt nicht mehr eine weltanschaulich parteiische, sondern inzwischen eine ideologische, gar dogmatische Aussage.

WENN es Gott gibt, ist Spiritualität DIE wahrnehmungs-unabhängige Weltanschauung schlechthin - weil sie Gott teilweise spürt, logisch gut begründet, aber andererseits nicht einmal genau beschreiben kann. - Man glaubt an Gott, weil man Gott emotional und geistig spürt/begründet, unabhängig davon, ob man ihn vollumfänglich wahrnimmt (weil dies im Hier gar nicht geht). - Wenn DAS nicht unabhängig ist ...

SilverBullet hat geschrieben:Es gibt kein „von aussen betrachtet“.
Doch - auch hier: Du bist so sehr in Deinem System verhaftet, dass Du nicht einmal merkst, dass es nur EIN System ist.

SilverBullet hat geschrieben:Du versuchst hier die Funktionen des Gehirns als eine „philosophische Methodik“ darzustellen
Das Gehirn "ist" nicht Geist, sondern ist Träger von Geist.

SilverBullet hat geschrieben:Es gibt kein „übergeordnet“
Auch hier: doch. - Man kann mit Denken so weit abstrahieren, dass man verschiedene Systeme in der Vogelschau betrachten kann: "Was würde dazu die Naturwissenschaft, die Geisteswissenschaft, die Theologie, die Spiritualität sagen?"

SilverBullet hat geschrieben:Du hast kein Konzept für „Objekte ganz anderer Natur“.
Doch-doch. - Es ist nur nicht falsifizierbar. - Was meinst Du, was Philosophie und Theologie bis ins 19. Jh. anderes gemacht haben?

SilverBullet hat geschrieben:Nein, auf diesem Planeten konnten Lebewesen schon gegen Objekte laufen und diese dadurch (nicht sprachlich) für wirklich halten, bevor der erste philosophische Gedanke geäussert wurde.
Pragmatisch stimme ich Dir zu (würde Descartes auch) - fundamental gedacht ist es kein Argument.

Denn erstens ist nach wie vor und niemals entscheidbar, ob unser gesamtes Wissen Vorstellung oder "Realität" ist.
Zweitens funktioniert Dein Satz nur dann, wenn man "Wirklichkeit" physikalistisch definiert - definiert man ontologisch, sieht es ganz anders aus.

SilverBullet hat geschrieben:Nein, du „verstehst“ da überhaupt nichts, denn du kannst bauartbedingt nichts anderes sein, als es der einzigen Wahrnehmungstechnik entspricht.
Das ist doch genau MEIN Punkt. - Wo steht denn geschrieben, dass jegliche Realität/Wirklichkeit auf unsere "Bauart" abgestimmt sein muss?

SilverBullet hat geschrieben:Eine Wahrnehmung behandelt Zusammenhänge als „Wirklichkeit“, wenn sie über eine Interaktion als wahrnehmungsunabhängig eingeschätzt werden.
Unter alltags-pragmatischen Gesichtspunkten stimme ich Dir zu - unter philosophischen Gesichtspunkten nicht.

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#1117 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von SilverBullet » Do 7. Apr 2016, 20:05

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Es gibt nur ein Weltbild, das explizit auf das Feststellen von Wahrnehmungsunabhängigkeit achtet.
Das ist jetzt nicht mehr eine weltanschaulich parteiische, sondern inzwischen eine ideologische, gar dogmatische Aussage.
Meine Aussage ist doch hopsaleicht zu widerlegen: du musst nur ein anderes Weltbild nennen, das auf das Feststellen von Wahrnehmungsunabhängigkeit achtet.
Unter den „Meinungs“-Weltbildern wirst du keines finden (deshalb heissen sie ja so).

Zitat-closs: „WENN es Gott gibt, ist Spiritualität DIE wahrnehmungs-unabhängige Weltanschauung schlechthin

Keine Sorge, „Gott“ ist nur die Frage aus dem Schöpfungsverdacht.
Es ist sehr lustig, dass du dieser Frage einen Namen gegeben hast und eine Vermenschlichung durchführst – das ist aber nur Theater, also ein „Meinungs“-Weltbild.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Es gibt kein „von aussen betrachtet“.
Doch - auch hier: Du bist so sehr in Deinem System verhaftet, dass Du nicht einmal merkst, dass es nur EIN System ist.
Was hast du daran nicht verstanden, dass es nur eine Wahrnehmungstechnik gibt?

Ich habe meine Aussage explizit begründet:
Bei genau einer Wahrnehmungstechnik, kann man die Wahrnehmungszusammenhänge nicht „von aussen betrachten“ – das ist einfachste Logik.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Du versuchst hier die Funktionen des Gehirns als eine „philosophische Methodik“ darzustellen
Das Gehirn "ist" nicht Geist, sondern ist Träger von Geist.
Nein, ansonsten könntest du z.B. sagen, was du zwischen den 25 Bildern eines Filmes machst :-)

(genauso müssten die elektrischen Impulse deine besten Kumpels sein, aber du spürst noch nicht einmal, dass sie genau dort sind, wo du denkst, dass du bist)

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Es gibt kein „übergeordnet“
Auch hier: doch. - Man kann mit Denken so weit abstrahieren, dass man verschiedene Systeme in der Vogelschau betrachten kann
Nein, das kannst du nicht, denn du lehnst Beweise aus genau diesem Denken ab.

Es ist an Sonderbarkeit nicht zu überbieten, dass du jetzt wieder das Denken herauskramst (irgendwie „je nach Windrichtung“) – geradezu scherzhaft lustig.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Du hast kein Konzept für „Objekte ganz anderer Natur“.
Doch-doch. - Es ist nur nicht falsifizierbar. - Was meinst Du, was Philosophie und Theologie bis ins 19. Jh. anderes gemacht haben?
Ich nehme an, sie haben eine Frage wie eine Antwort behandelt – „echt tierisch beeindruckend originell“…

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Nein, auf diesem Planeten konnten Lebewesen schon gegen Objekte laufen und diese dadurch (nicht sprachlich) für wirklich halten, bevor der erste philosophische Gedanke geäussert wurde.
Pragmatisch stimme ich Dir zu (würde Descartes auch) - fundamental gedacht ist es kein Argument.
Da es nur eine Wahrnehmungstechnik gibt, gibt es kein „fundamental“.

(Dein „ontologisch“ ist nur Philosophenillusion, wobei das bei jedem Philosophen auch noch unterschiedlich zu sein scheint)

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Nein, du „verstehst“ da überhaupt nichts, denn du kannst bauartbedingt nichts anderes sein, als es der einzigen Wahrnehmungstechnik entspricht.
Das ist doch genau MEIN Punkt. - Wo steht denn geschrieben, dass jegliche Realität/Wirklichkeit auf unsere "Bauart" abgestimmt sein muss?
Das ist doch nun wirklich nicht schwer zu begreifen:
Da „Realität“ und „Wirklichkeit“ Begriffe für Zusammenhänge in der Wahrnehmung sind, steht es exakt in unserer Baurart „geschrieben“.

Du willst auf einer nicht existierenden Wahrnehmungstechnik beruhen und das geht nun mal irgendwie nicht so richtig gut…

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Eine Wahrnehmung behandelt Zusammenhänge als „Wirklichkeit“, wenn sie über eine Interaktion als wahrnehmungsunabhängig eingeschätzt werden.
Unter alltags-pragmatischen Gesichtspunkten stimme ich Dir zu - unter philosophischen Gesichtspunkten nicht.
Du möchtest dich wahrnehmungstechnisch „verkleiden“, kannst aber nicht sagen, wie das gehen soll.

Anton B.
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#1118 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von Anton B. » Do 7. Apr 2016, 20:11

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Kern und Kulminationspunkt Deiner Antwort: "... sicherlich schon irgendwo auch schon beantwortet wurden."
Ja - in der Philosophie. - Es gibt darauf nicht DIE Antwort, sondern die Antwort ist abhängig vom Bezugs-System. - Ein Materialist wird es anders beantworten als eine Christ als ein Esoteriker als ein Naturwissenschaftler. - "Welches Schweinderl hätten Sie gern?", hätte Robert Lemke in seinem Ratespiel gesagt (kennst Du ihn noch?). - Also: Welche Antwort willst Du?

Ich kann doch nur darauf hinweisen, dass es verschiedenste Antworten gibt. - Um diese Frage durch und durch zu beantworten, würde eine Habilitation nicht ausreichen.

Anton B. hat geschrieben:Doch nicht etwa das erste closs'sche Axiom der Begründung für alles: "Es sei eine Realität."
Dass etwas Spezielles Realität sei, wirst Du von mir nicht hören. - Von mir wirst Du hören, dass "Realität" unabhängig ist von unserer Wahrnehmung - das closs'sche Axiom ist, dass Realität eine Entität ist, ob wir sie wahrnehmen oder nicht.
Und genau das meine ich doch. Es ist aber Deine Annahme. Und nicht -- wie zuvor von Dir beteuert, die Annahme der Philosophie, und schon gar nicht durch die Philosophie begründet. Denn wenn es das wäre, hätte der Begriff auch bestimmt einen Gehalt, den Du benennen könntest.

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Taugt nun der Wissensbegriff nichts mehr?
Doch: Er ist und bleibt das Mittel der Wahl bspw. in allen naturwissenschaftlichen Fragen - daran habe ich nie einen Zweifel gelassen.
Na gut. Aber dann gibt es auch etwas, was nicht vom Wissensbegriff erfasst wird. Auf Wissenschaft als Täter der Wissensfindung bezogen, eben auch außer-wissenschaftliches. Jenseits aller Bewertungen.

closs hat geschrieben:In der Wissenschafts-Theorie. - Der eine interpretiert physikalistisch ("Wissenschaft ist nur Natur-Wissenschaft"), der andere interpretiert anders ("Wissenschaft = die methodischen Beschreibung - siehe Hoyningen-Hüne). - Wenn sich der physikalische Ansatz durchsetzt, habe ich nichts dagegen - dann muss man halt "Wissenschaft" weitgehend aus nicht-naturwissenschaftlichen Bereichen zurückziehen.
Also das gemeinsame am Wissensbegriff ist die "vernünftige Begründung". Das gilt für Naturwissenschaften, Geisteswissenschaften, Formalwissenschaften und was es wohl sonst noch so gibt. Wie kommst Du auf die Idee, man wollte z.B. die Geisteswissenschaften da heraus nehmen, oder das, was eben speziell für "empirische" Wissenschaften gilt, den Formalwissenschaften überstülpen wollen? Verlangt man jetzt statt der vollständigen Induktion als Beweisführung in der Mathematik die Anwendung der hypothetisch-deduktiven Methode des Poppers.

Bist Du sicher, vor lauter Naturalisten und Materialisten keine Gespenster zu sehen?

closs hat geschrieben:Die Realität Gottes ("Gott = Geist") kann damit begründet werden, dass er das Einzige ist, in dessen Überzeitlichkeit ein infiniter Regress aufgehoben ist - nur als EINE Beispiel.
Diese Begründung ist erstens schon mal mehr eine Behauptung. Und zweitens überzeugt die Begründung halt nicht. Sonst stünde es nämlich schon in allen Philosophiebüchern.

closs hat geschrieben:Nur ich denke halt ontologisch - das heisst.

Ich bezeichne alles, was begründet sein kann, als mögliche Realität. - Und wenn diese Begründungen wahr sind (was in spirituellen Dingen zwar plausibel sein kann, aber nicht falsifizierbar), IST dieses Wahre Realität. - Es sei denn, man definiert "Realität" als exklusiv im naturalistischen Sinne - auch nichts dagegen. - Aber dann muss man halt ein neues Wort finden für das, was sonst als Entität "sein" kann. - Ich sehe hier kein Streitthema, sondern ein rein sprachliches Problem.
Aber diese "wahre Realität", das ist doch wieder der Popanz. Den führst Du hier wieder argumentativ in's Felde. Solange "wahre Realität" nicht fassbar gemacht werden kann -- und ich meine hier die "wahre Realität" an sich -- solange bedeutet das auch nichts.

closs hat geschrieben:Oder anders gefragt:
Welchen Sinn hätte Gott, wenn er nicht Entität "ist"?
Ist das Dein Ausgangspunkt und Streben? Einen "begründeten" Sinn für Gott zu finden? Das würde allerdings einiges erklären.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

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#1119 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von closs » Do 7. Apr 2016, 20:14

SilverBullet hat geschrieben:du musst nur ein anderes Weltbild nennen, das auf das Feststellen von Wahrnehmungsunabhängigkeit achtet.
Christentum. - Das Christentum glaubt an einen Gott, der wahrnehmungsunabhängig ist. - Gäbe es ihn nicht wahrnehmungsunabhängig, wäre das Christentum gescheitert.

SilverBullet hat geschrieben:Was hast du daran nicht verstanden, dass es nur eine Wahrnehmungstechnik gibt?
Weil dies eine ideologische Setzung ist.

SilverBullet hat geschrieben:du spürst noch nicht einmal, dass sie genau dort sind, wo du denkst, dass du bist
Ein normaler Tablet-Benutzer weiss auch nicht, was im Innenleben abgeht.

SilverBullet hat geschrieben:Nein, das kannst du nicht, denn du lehnst Beweise aus genau diesem Denken ab.
Wieso "Beweise"? - Es geht hier um pure Logik.

SilverBullet hat geschrieben:Ich nehme an, sie haben eine Frage wie eine Antwort behandelt
Oje - der Zwerg auf der Schulter des Riesen meint, er sei größer als der Riese. - Zauber-Lehrling.

SilverBullet hat geschrieben:Da es nur eine Wahrnehmungstechnik gibt, gibt es kein „fundamental“.
Aus Deiner ideologischen Blickrichtung stellt sich dies so dar.

SilverBullet hat geschrieben:Da „Realität“ und „Wirklichkeit“ Begriffe für Zusammenhänge in der Wahrnehmung sind, steht es exakt in unserer Baurart „geschrieben“.
Ah - jetzt kommt Licht ins Dunkel. - Du meinst also, dass "Realität" und "Wirklichkeit" wahrnehmungs-abhängige Größen sind. - DANN hast Du tatsächlich recht - ehrlich, auf DIESE Idee bin ich noch gar nicht gekommen.

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#1120 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von closs » Do 7. Apr 2016, 20:39

Anton B. hat geschrieben: Und nicht -- wie zuvor von Dir beteuert, die Annahme der Philosophie
Es gibt nicht DIE Philosphie. - Nichtsdestoweniger ist es spätestens seit Plato EINE philosophische Annahme. - Aber Du machst mich neugierig: Ist "Realität" aus Deiner Sicht eine wahrnehmungs-ABHÄNGIGE Größe? - Wenn ja, dann hätten wir die ganze Zeit aneinander vorbeigeredet.

Anton B. hat geschrieben:Also das gemeinsame am Wissensbegriff ist die "vernünftige Begründung".
Oha - auch "vernünftig" keine eine Vereinbarung sein. - Hatte neulich eine Diskussion mit Thaddäus, bei der sich herausgestellt hat, dass nach "vernünftigen" Gesichtspunkten Gott nicht eine "höhere Vernunft" habe könne. - Auch dort: Das Objekt als subjekt-abhängige Größe.

Jesu leibliche Auferstehung KÖNNE nicht wissenschaftlich in Betracht gezogen werden (nebenbei: blitzsaubere Präjudizierung), weil sie nicht in "vernünftige" Raster passe. - So kann man nicht mit Meta-Physik umgehen, weil dann - wie fast immer - der Schwanz mit dem Hund wackeln soll.

Deinen Hinweis auf "Vernunft" finde ich ja gut - bin aber inzwischen kritisch, weil ich gemerkt habe, dass er einerseits anthropozentrisch verstanden wird, aber gleichzeitig universal anwendbar sein soll. - Das geht nicht zusammen.

Anton B. hat geschrieben:Sonst stünde es nämlich schon in allen Philosophiebüchern.
In der Theologie wird es einfach anders formuliert: "Alles in Einem", allwissend, allmächtig, ewig, etc. - Aber das alles jetzt rüberzubringen, dass das mit dem "infiniten regress" deutlich wird, hat mich zu begreifen selber Jahre gekostet. - Ob das hier der rechte Platz dafür ist ... :silent:

Anton B. hat geschrieben:Solange "wahre Realität" nicht fassbar gemacht werden kann -- und ich meine hier die "wahre Realität" an sich -- solange bedeutet das auch nichts.
Heidegger sagt dazu sinngemäß, dass Sein im Seienden nicht anwesend ist, wenn es nicht thematisiert wird. - Arg salopp übersetzt: Das, was ist, wird nur dann zur Kenntnis genommen, wenn man es per Wahrnehmung thematisiert bzw. thematisieren muss. - An sich eine Binse.

Das heisst aber nicht, dass Nicht-Thematisierte nichts bedeutet. - Theologisch gesprochen: Wenn Gott das "ist", wofür er christlich gehalten wird, bedeutet er für Atheisten genau so viel wie für Theisten - das Ignorieren schützt nicht davon. - Soooo konsequent kann man nun auch wieder nicht das, was ist, als abhängige Größe von individueller Wahrnehmung machen.

Anton B. hat geschrieben: Einen "begründeten" Sinn für Gott zu finden?
Mein Finden ist nicht der Grund, warum ich hier schreibe. - Eher, dass eigenes Suchen oder Nicht-Suchen nichts an dem ändert, was ist oder nicht ist.

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