Descartes und Glaube

SilverBullet
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#111 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von SilverBullet » Mo 25. Apr 2016, 21:16

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Solltest du dennoch einen "Objektbezug" suchen, dann ist es der Bezug zum Körper.
Moment: Ist Dein "Ich" nicht etwas, was von anderen wahrgenommen wird? - Aufgrund unserer Korrenspondenz hier auf dem Forum weiss ich bisher NICHT, ob Du einen Körper hast oder nicht - ich korrespondiere mit Deinem geistigen Ich.
Nein.
Aus deiner Sicht korrespondierst du mit einem „Du“ (du vermutest bestimmt einen Körper dahinter).
Aus meiner Sicht korrespondierst du mit einem „Ich“ (mein Körper steht dahinter)

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Dein Fehler ist, dass du das „Ich“ künstlich aus der Wahrnehmungsabhängigkeit herausnehmen möchtest
Will ich gar nicht. - Denn gerade, weil es wahrnehmungs-abhängig ist (ich könnte mich nicht wahrnehmen, wenn ich mich nicht wahrnehmen würde - sorry, das ist eine echte Tautologie, aber wie soll man es ausdrücken?)
Genau hier machst du den Fehler, weil du „das Aktive“ mit dem „Inhalt“ gleichsetzt.

Erinnere dich an die „schrägen Linien“. In der Bedeutungswelt, in der auch das „Ich“ vorkommt, sind „schräge Linien“ vorhanden (sie müssen sozusagen erkannt werden) – tatsächlich wissen wir aber, dass sie gar nicht da sind.

Das „Aktive“ („hinter“ der Wahrnehmung) lässt somit einen Inhaltszusammenhang stattfinden, der nicht mit der tatsächlichen Wirklichkeit übereinstimmen kann.
In Bezug auf das „Ich“ ist zu vermuten, dass es zwar sinnvoll ist, weil ja der Körper (vermutlich) „tatsächlich irgendwie vorhanden ist“, aber der „subjektive Lebewesen-Zusammenhang“ findet rein für die Wahrnehmung, im Verstehen, statt.

Aus diesem Grund ist es wichtig, genau zu prüfen, ob man wahrnehmungsabhängige Zusammenhänge tatsächlich als „fundamentales Wissen“ deklarieren kann.

Dieses kleine Verbaljonglieren à la, „das Ich macht dies und das, also muss das Ich ja irgendwie eigenständig vorhanden sein“ ist wertlos.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Es handelt sich also maximal um eine Vermutung, aber nicht um Wissen.
Dass es "Ich" gibt, ist KEINE Vermutung, sondern sicher, da sonst nicht jemand namens "Ich" darüber reflektieren könnte. - Da sind wir noch nicht beieinander.
Der „tatsächlich vorhandene Anteil“ ist nur die ausführende Instanz, von der die Wahrnehmung nicht wissen kann, was sie ist.
(die Vermutung zeigt in Richtung Körper, genauer: auf das Gehirn)

Du machst den Denkfehler, dass du eine „philosophische Kategorie“ („Geist“) startest, für die du kein Konzept vorlegen kannst und zusätzlich die „handelnde Instanz“ in diese „unbekannte Kategorie“ hineinzwängst.
Hierbei verwendest du so viele Unbekannten, dass du eine „super Beweisführung“ vorlegen müsstest – stattdessen legst du aber nur eine Uminterpretation des „Ich“ vor – das ist zu wenig.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Das „Ich“ ist wahrnehmungsabhängig und die „Denk-Substanz“ soll wahrnehmungsunabhängig sein
NICHTS ist wahrnehmungs-unabhängig - auch nicht Sonne, Mond und Sterne.
Doch, meine „drei Punkte“ sind wahrnehmungsunabhängiges Wissen.

Zitat-closs: „Allerdings kann man per Wahrnehmung feststellen, dass das Ich auch dann existiert, wenn man es in Zweifel setzt, weil es ja das Ich selbst ist, welches in Zweifel setzt.

Das was du hier beschreibst, ist mein „Punkt 1“.
Im Unterschied zu dir, nehme ich aber jegliche wahrnehmungsabhängige Bedeutung (hier „Zweifel“) heraus und sage ganz neutral, dass ein Ablauf/Vorgang stattfinden muss.
Mehr kann die Wahrnehmung nicht aus ihren „Überzeugungen“ ableiten.

Woher weisst du, dass ein „unsichtbares Ich im Hintergrund“ den Zweifel durchführt?
Denkst du, dass die „schrägen Linien“ auch vom „Ich“ hervorgebracht werden und "es" sich danach nur nicht daran erinnern und auch nicht ändern kann?

Ist es nicht vielmehr so, dass das „Ich“ als Gesamtüberblick auch in Bezug auf den Zweifel, viel mehr Sinn macht?

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Gilt die Aussage „Ich bin 2m gross“ für den Körper oder für eine „unsichtbare Denk-Substanz“?
Die unsichtbare Denksubstanz nimmt sich wahr als etwas, was mit einem 2m-Körper verbunden ist.
Das erklärt nicht die Formulierung „Ich bin 2m gross“.

Wenn man jedoch das „Ich“ als Überblick ansieht, ist es kein Problem zu sagen „Ich bin 2m gross“, „Ich habe einen Körper“, „Ich bin der Körper“, „Ich bin krank/gesund“ usw.

Erst durch die philosophische Umdeutung entstehen die Probleme.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Hier die drei Punkte
Danke - ist ja nachvollziehbar - aber doch INNERHALB der Wahrnehmung (also nicht wahrnehmungs-unabhängig).
Die drei Punkte haben nichts mit irgendwelchen Wahrnehmungsinhalten zu tun. Es spielt auch keine Rolle, ob sich die Wahrnehmung bzgl. ihrer Inhalte vollständig täuscht.

Es spielt nur eine Rolle, dass „etwas“ stattfindet (Punkt 1)
Also muss es durch irgendetwas ablaufen (Punkt 2)
Die Festlegung (Punkt 3) geht daraus hervor, dass die Wahrnehmung nicht anders reagieren kann (unabhängig vom Inhalt und egal, ob es stimmt oder ob die Festlegung "nur" geglaubt ist).

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Die direkteste Möglichkeit ist, dass die Wahrnehmungsinhalte eine „tatsächlich echte Welt“ darstellen sollen
Ja - das ist der direkteste, pragmatischste Weg. - Die Wahrnehmung wird gute Gründe haben, warum sie es so tut. - Aber es basiert alles auf der Grundentscheidung, dass all das "echt" ist - beweisbar ist es nicht.
Korrekt. Genauso habe ich es dargestellt.
Die "drei Punkte" sind das Wissensfundament.
Die „direkteste Möglichkeit“ ist eine Vermutung (und zwar eine sehr gute)

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#112 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von closs » Mo 25. Apr 2016, 21:39

Münek hat geschrieben:Da Du an die Existenz einer schöpfenden Allmacht glaubst, brauchst Du die "Realität dieser Welt nicht zu setzen."
Die Setzung ist doch bereits die "schöpferische Allmacht". Der Unterschied ist doch nicht, dass man christlich keine Setzung hat, sondern dass man sich ihrer bewusst ist.

Münek hat geschrieben:Sagen wir lieber "gedanklich entwickeln".
WENN es so wäre (was es ja aus unserer gemeinsamen Überzeugung nicht ist), wäre es kein "gedankliches Entwickeln", sondern ein geistiges Aufnehmen/geistige Wahrnehmung.

Münek hat geschrieben:Wenn "reale Welt" und "irreale Welt" identisch und damit austauschbar sind, kann sich die Frage nach ihrer "Realität" oder "Irrealität" nicht stellen.
Das hieße, dass es für Dich auch eine geistige Realität gäbe, wenn diese identische Welt nicht "echt" wäre. Gut so.

Und nochmals: Wir schließen ja aus unterschiedlichen Gründen aus, dass die Welt NICHT "echt" ist - durch geistige Wahrnehmung/Reflexion. Der eine setzt, dass es einen Gott gibt, der wohlwollend ist - der andere setzt, dass unsere Sinne uns nichts vorgaukeln. - Im Grunde diesselbe Begründung.

Und immer wieder: Diese Diskussion gibt es nur, um klar zu stellen, dass es keine setzungs-lose Lösung gibt.

Münek hat geschrieben:Setzungen schaffen oder verändern keine Realitäten. Die Welt ist wie sie ist.
So ist es.

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#113 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von Novas » Mo 25. Apr 2016, 21:45

Gleichnis vom Schmetterlingstraum:

Einst träumte Dschuang Dschou, dass er ein Schmetterling sei, ein flatternder Schmetterling, der sich wohl und glücklich fühlte und nichts wußte von Dschuang Dschou. Plötzlich wachte er auf: da war er wieder wirklich und wahrhaftig Dschuang Dschou. Nun weiß ich nicht, ob Dschuang Dschou geträumt hat, dass er ein Schmetterling sei, oder ob der Schmetterling geträumt hat, dass er Dschuang Dschou sei, obwohl doch zwischen Dchuang Dschou und dem Schmetterling sicher ein Unterschied ist…

:D


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#114 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von Münek » Di 26. Apr 2016, 00:26

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Da Du an die Existenz einer schöpfenden Allmacht glaubst, brauchst Du die "Realität dieser Welt nicht zu
setzen."
Die Setzung ist doch bereits die "schöpferische Allmacht".
Ja eben. Wegen Deines Gottes- und Schöpferglaubens (Setzung) entfällt für Dich naheliegenderweise die Notwendigkeit, die Welt als Realität SETZEN zu müssen. Der Naturwissenschaft wirfst Du aber vor, dass sie es (aus Gründen mangelnder Notwendigkeit) ablehnt,
die Welt als Realität SETZEN zu müssen. Das ist doch ein Widerspruch.


closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Sagen wir lieber "gedanklich entwickeln".
WENN es so wäre (was es ja aus unserer gemeinsamen Überzeugung nicht ist), wäre es kein "gedankliches Entwickeln", sondern ein geistiges Aufnehmen/geistige Wahrnehmung.
Nein - es geht doch überhaupt nicht um irgendeine Wahrnehmung, sondern um die gedanklich-mögliche Erschaffung einer Welt. Und zwar unserer Welt. Ein Mensch wäre mangels geistiger Kapazität trotz grenzenloser Fantasie dazu nicht imstande. Das war der Ausgangspunkt.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Wenn "reale Welt" und "irreale Welt" identisch und damit austauschbar sind, kann sich die Frage nach ihrer "Realität" oder "Irrealität" nicht stellen.
Das hieße, dass es für Dich auch eine geistige Realität gäbe, wenn diese identische Welt nicht "echt" wäre. Gut so.
Ich rede von dieser unserer Welt - nicht von geistigen Realitäten. Ob es übernatürliche (himmlische) Wesenheiten gibt, entzieht sich meiner Kenntnis. Die Frage der "Echtheit" oder "Unechtheit" kann sich bei identischen Welten logischerweise nicht stellen.

closs hat geschrieben:Und nochmals: Wir schließen ja aus unterschiedlichen Gründen aus, dass die Welt NICHT "echt" ist - durch geistige Wahrnehmung/Reflexion. Der eine setzt, dass es einen Gott gibt, der wohlwollend ist - der andere setzt, dass unsere Sinne uns nichts vorgaukeln. - Im Grunde diesselbe Begründung.
Nein - Möglicherweise ist Dir nicht aufgefallen, dass ich im Gegensatz zu Dir NICHTS SETZE. Ich brauche die Realität unserer Welt nicht zu setzen, weil es - wie ich zu erläutern versucht habe - zu dieser Realität aus logischen Gründen keine Alternative geben kann. Wenn alle denkbaren Welten identisch sind mit der von uns als real empfundenen Welt, MUSS REALITÄT NICHT GESETZT WERDEN.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Setzungen schaffen oder verändern keine Realitäten. Die Welt ist wie sie ist.
So ist es.
AMEN. :)

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#115 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von closs » Di 26. Apr 2016, 01:28

Münek hat geschrieben:Wegen Deines Gottes- und Schöpferglaubens (Setzung) entfällt für Dich naheliegenderweise die Notwendigkeit, die Welt als Realität SETZEN zu müssen.
Durch diese vorgelagerte Setzung ist dies doch impliziert - ich WEISS also, dass die Welt nur als "echt" angesehen werden kann, wenn man eine Setzungs-Begründung dafür hat.

Münek hat geschrieben:Der Naturwissenschaft wirfst Du aber vor, dass sie es (aus Gründen mangelnder Notwendigkeit) ablehnt
Ja - weil sie im Gegensatz dazu so tut, als sei bei ihr KEINE Setzung nötig, was an sich nicht so schlimm wäre, würde sie nicht daraus schlussfolgern, ihr Weltbild sei qualitativ besser, weil es setzungsfrei ist. - Man schlägt also aus einem Irrtum auch noch einen Vorteil heraus. :lol:

Münek hat geschrieben:es geht doch überhaupt nicht um irgendeine Wahrnehmung, sondern um die gedanklich-mögliche Erschaffung einer Welt.
Nein - darum geht es NICHT. - Wäre unsere Wahrnehmung der Welt nur Vorstellung, hieße dies doch nicht, dass WIR dieses Vorstellungs-Welt erschaffen hätten.

Münek hat geschrieben:Möglicherweise ist Dir nicht aufgefallen, dass ich im Gegensatz zu Dir NICHTS SETZE.
Das ist genau das Problem. :)

Münek hat geschrieben:Wenn alle denkbaren Welten identisch sind mit der von uns als real empfundenen Welt, MUSS REALITÄT NICHT GESETZT WERDEN.
Sie sind für die Wahrnehmung identisch - ja. - Aber wenn man über Intersubjektivität sprechen will, muss man sich dann trotzdem für die "echte" Welt entscheiden, weil der Materialismus nicht zulassen würde, dass es sich um eine Intersubjektivität von Vorstellungen handelt.

Voll zustimmen würde ich Dir, wenn man GAR nicht philosophieren würde und ganz einfach Phänomene wertfrei untersucht ("Ich sehe etwas und beschreibe ist - egal, ob ich damit alleine auf der Welt bin oder mir jemand zuhört"). - Dann gäbe es aber auch keinen Streit zwischen naturalistisch und spirituell denkenden Menschen, weil dann das Phänomen im Vordergrund stünde, egal ob man es als "echt" oder als "vorgestellt" etikettiert.

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#116 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von Münek » Di 26. Apr 2016, 04:50

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Wegen Deines Gottes- und Schöpferglaubens (Setzung) entfällt für Dich naheliegenderweise die Notwendigkeit, die Welt als Realität SETZEN zu müssen.
Durch diese vorgelagerte Setzung ist dies doch impliziert - ich WEISS also, dass die Welt nur als "echt" angesehen werden kann, wenn man eine Setzungs-Begründung dafür hat.
Ja natürlich - für Dich ist unsere Welt real, weil Du glaubst, ein allmächtiges Wesen hätte sie erschaffen. Die Naturwissenschaft setzt die Existenz Gottes hingegen nicht, hält aber die Welt ebenso für real wie Du. Wo also drückt der Schuh??

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Der Naturwissenschaft wirfst Du aber vor, dass sie es (aus Gründen mangelnder Notwendigkeit) ablehnt
Ja - weil sie im Gegensatz dazu so tut, als sei bei ihr KEINE Setzung nötig, was an sich nicht so schlimm wäre, würde sie nicht daraus schlussfolgern, ihr Weltbild sei qualitativ besser, weil es setzungsfrei ist. - Man schlägt also aus einem Irrtum auch noch einen Vorteil heraus. :lol:
Das sind doch bloß emotional-negative Unterstellungen - mehr nicht. Sie haben weder Hand noch Fuß. Die Naturwissenschaft interessiert sich überhaupt nicht für die Frage, ob Götter existieren oder nicht. Sie hat Besseres zu tun. Wir leben mittlerweile in einer Zeit, in der für die Erklärung der Welt ein allmächtiger Gott nicht mehr vonnöten ist. Diese Zeiten sind vorbei.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:es geht doch überhaupt nicht um irgendeine Wahrnehmung, sondern um die gedanklich-mögliche Erschaffung einer Welt.
Nein - darum geht es NICHT. - Wäre unsere Wahrnehmung der Welt nur Vorstellung, hieße dies doch nicht, dass WIR dieses Vorstellungs-Welt erschaffen hätten.
Eben - das sage ich doch die ganze Zeit. Res cogitans = denkendes Ding könnte gedanklich unsere Welt in seinen Vorstellungen nicht entwickeln/erschaffen. Völlig ausgeschlossen. Die Gründe habe ich genannt.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Möglicherweise ist Dir nicht aufgefallen, dass ich im Gegensatz zu Dir NICHTS SETZE.
Das ist genau das Problem. :)
Ach was - das ist kein Problem. Ein Problem sehe ich eher in Deinem ständigen Drang, anderen auf Teufel komm raus eine "Setzung aufs Auge zu drücken". Dahinter scheint ganz offensichtlich das Motiv zu stecken, Deine Gottessetzung mit dem Argument zu "rechtfertigen", die Wissenschaft setze schließlich auch. Nein - dafür gibt es keinen Grund.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Wenn alle denkbaren Welten identisch sind mit der von uns als real empfundenen Welt, MUSS REALITÄT NICHT GESETZT WERDEN.
Sie sind für die Wahrnehmung identisch - ja.
Lass die Wahrnehmung weg - sie spielt keine Rolle. Die Welt existiert auch ohne Wahrnehmung. Auch für die von niemanden wahrgenommene Welt braucht ihre Realität nicht gesetzt zu werden.

closs hat geschrieben:Voll zustimmen würde ich Dir, wenn man GAR nicht philosophieren würde und ganz einfach Phänomene wertfrei untersucht ("Ich sehe etwas und beschreibe ist - egal, ob ich damit alleine auf der Welt bin oder mir jemand zuhört"). - Dann gäbe es aber auch keinen Streit zwischen naturalistisch und spirituell denkenden Menschen, weil dann das Phänomen im Vordergrund stünde, egal ob man es als "echt" oder als "vorgestellt" etikettiert.
Mein lieber Kurt - jeder soll glauben, was er will. Atheistische Naturalisten glauben eben nicht an die Existenz von Göttern. Und sie haben gute Gründe dafür, die man als Gläubiger nicht so ohne Weiteres wegschieben kann. Fantasieren, philosophieren, spekulieren kann man über alles. Der Gotteshypothese mangelt es allerdings an Plausibilität und Evidenz, was die meisten Gläubigen wohl nicht zu stören scheint. Jedem das Seine.

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#117 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von closs » Di 26. Apr 2016, 08:56

Münek hat geschrieben:Die Naturwissenschaft setzt die Existenz Gottes hingegen nicht, hält aber die Welt ebenso für real wie Du. Wo also drückt der Schuh??
Dass die Naturalisten/Materialisten (von Naturwissenschaft reden wir streng genommen nicht - sie setzt nicht ontologisch, sondern methodisch) sich und anderen den Eindruck erwecken, sie betrachte die Welt sei - im Gegensatz zur "geistigen Fraktion" - setzungs-frei als "echt".

Münek hat geschrieben: Die Naturwissenschaft interessiert sich überhaupt nicht für die Frage, ob Götter existieren oder nicht. Sie hat Besseres zu tun.
Deshalb sollten wir von materialistischen Weltanschauungen und nicht von der Naturwissenschaft sprechen - letztere ist per se "geistig unschuldig".

Münek hat geschrieben:Eben - das sage ich doch die ganze Zeit. Res cogitans = denkendes Ding könnte gedanklich unsere Welt in seinen Vorstellungen nicht entwickeln/erschaffen.
Meine ich auch - ist aber in diesem Kontext irrelevant, da gar nicht gefragt.

Münek hat geschrieben:Ein Problem sehe ich eher in Deinem ständigen Drang, anderen auf Teufel komm raus eine "Setzung aufs Auge zu drücken". Dahinter scheint ganz offensichtlich das Motiv zu stecken
Ja - dass erkannt wird, dass es keine Wahrnehmung ohne Setzung gibt. - Genau das ist das Motiv - das einzige sogar. - Denn pragmatisch spielt die Frage "vorgestellt" oder "echt" keine Rolle.

Münek hat geschrieben:Auch für die von niemanden wahrgenommene Welt braucht ihre Realität nicht gesetzt zu werden.
Egal, ob es eine geistige oder materielle Welt ist - richtig. - Wichtige Erkenntnis.

Deshalb unterscheide ich doch so nachhaltig zwischen "dem, was ist" (von dem wir NIE wissen können, was es ist) und "dem, was wir wahrnehmen". - Um dies zu koppeln, MÜSSEN wir Setzungen machen - jeder. - Genau das ist die Aussage.

Münek hat geschrieben:Atheistische Naturalisten glauben eben nicht an die Existenz von Göttern.
Das ist wirklich nicht das Problem.

Münek hat geschrieben:Der Gotteshypothese mangelt es allerdings an Plausibilität und Evidenz
Dieser Satz erscheint hier vermehrt im Ton der Dogmatik. - Ist Dir denn wirklich nicht klar, dass der Materialismus heute eine ähnliche Rolle spielt wie die Kirche im Mittelalter?

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sven23
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#118 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von sven23 » Di 26. Apr 2016, 11:18

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Der Gotteshypothese mangelt es allerdings an Plausibilität und Evidenz
Dieser Satz erscheint hier vermehrt im Ton der Dogmatik. - Ist Dir denn wirklich nicht klar, dass der Materialismus heute eine ähnliche Rolle spielt wie die Kirche im Mittelalter?
Nur mit dem klitzekleinen Unterschied, dass früher Menschen wegen nicht- oder falschen Glaubens auf dem Scheiterhaufen landeten.
Heutige moderne säkulare Gesellschaften gewähren Religionsfreiheit.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

closs
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#119 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von closs » Di 26. Apr 2016, 11:59

sven23 hat geschrieben:Nur mit dem klitzekleinen Unterschied, dass früher Menschen wegen nicht- oder falschen Glaubens auf dem Scheiterhaufen landeten.
Ja - das ist ein wirklicher Fortschritt. - Wiewohl Du bei differenzierter Betrachtung der Zeiten bis ins 18. Jahrundert sicherlich zu einem differenzierten Urteil kommen würdest.

Heute sind die Waffen eher gesellschaftliche Ausgrenzung - die zugegebenerweise bei bescheidener Lebensführung unproblematisch sind.

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#120 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von Pluto » Di 26. Apr 2016, 12:11

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Nur mit dem klitzekleinen Unterschied, dass früher Menschen wegen nicht- oder falschen Glaubens auf dem Scheiterhaufen landeten.
Ja - das ist ein wirklicher Fortschritt. - Wiewohl Du bei differenzierter Betrachtung der Zeiten bis ins 18. Jahrundert sicherlich zu einem differenzierten Urteil kommen würdest.
Es gibt viele weitere Fortschritte.
Früher gab es das Dogma was nicht hinterfragt werden DURFTE, sonst landete man im Kerker. Galilei ist dieser Pein nur knapp entgangen weil er einen gewissen Berühmtheitsgrad besaß.

Heute leben wir in einer freiheitlichen Gesellschaft, wo alles hinterfragt werden soll und wird.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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