Alles Teufelszeug? VI

Rembremerding
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#1061 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von Rembremerding » Sa 5. Aug 2017, 21:31

closs hat geschrieben:Heute würde man sagen, es sei unwissenschaftlich, wenn man sich auf Erfahrungsebenen einlässt, weil man dann befangen sei.
Aber liegt die Wurzel solcher Erfahrungsvermeidung nicht auch darin, nicht mehr unterscheiden zu können, sich selbst und seine (geistigen) Beweggründe nicht mehr zu kennen? Ein ängstliches Ausweichen auf etwas, dass man Vernunft nennt, aber eigentlich nur Anthropozentrismus ist?
Werden wir in 50 Jahren die Werke eines Platon, Boethius oder Albertus Magnus noch verstehen können, wenn man verlernt hat in (fremden) Bildern, Gleichnissen zu denken und alles im ideologischen Zirkelschluss nur mehr in einem selbst mündet und beginnt?
Wieviel Erfahrung geht damit verloren, wenn das Verstehen nur mehr die eigenen Kriterien erfüllen darf.
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closs
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#1062 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von closs » Sa 5. Aug 2017, 21:53

sven23 hat geschrieben:Mach dich doch mal von der Wahnvorstellung frei, dass der jüdische Apokalyptiker unbedingt göttlich gewesen sein muss
Nicht "muss", sondern "kann" - "müssen" tut gar nichts, weder sorum noch andersrum.

sven23 hat geschrieben:Wenn es um den historischen Jesus geht, hat die historische Forschung die besseren Karten.
Nicht, wenn es um das Denken Jesu geht. - Da kann auch die HKM etwas dazu sagen, aber das, was sie sagt, ist nicht der Maßstab.

sven23 hat geschrieben:Ansonsten würde ein Theißen die kanonische Exegese anwenden
Das würde er NICHT, weil er HKM-ler ist, und als solcher interessante methodische Ergebnisse zu liefern hat.

sven23 hat geschrieben:Wie du inzwischen wissen solltest, können religiöse Texte keine Sonderbehandlung beanspruchen.
Diese Annahme ist uralt - ich kritisiere nicht, dass die HKM sich so definiert. - Aber ich kritisiere, dass sie damit Exklusivrechte zur Beantwortung von Fragen zu Jesu geistiger Historizität verbindet. - Das wäre ja noch schöner ...

sven23 hat geschrieben:In der historischen Forschung ist die historisch-kritische Methode der Benchmarker.
In vielen Belangen ja, aber nicht in der Frage nach der geistigen Realität Jesu. - Da hat die HKM Antworten, die richtig sein können, aber aufgrund oben-diskutierter Einschränkungen auch total falsch sein können - diesbezüglich gibt es Konkurrenz.

closs
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#1063 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von closs » Sa 5. Aug 2017, 21:57

Rembremerding hat geschrieben:Aber liegt die Wurzel solcher Erfahrungsvermeidung nicht auch darin, nicht mehr unterscheiden zu können, sich selbst und seine (geistigen) Beweggründe nicht mehr zu kennen? Ein ängstliches Ausweichen auf etwas, dass man Vernunft nennt, aber eigentlich nur Anthropozentrismus ist?
Werden wir in 50 Jahren die Werke eines Platon, Boethius oder Albertus Magnus noch verstehen können, wenn man verlernt hat in (fremden) Bildern, Gleichnissen zu denken und alles im ideologischen Zirkelschluss nur mehr in einem selbst mündet und beginnt?
Ich weiß gar nicht, was ich antworten soll, weil Du exakt meine Sorge (und auch meinen Ärger) in Kürze zusammenfasst.

Rembremerding hat geschrieben:Wieviel Erfahrung geht damit verloren, wenn das Verstehen nur mehr die eigenen Kriterien erfüllen darf.
Aus diesem Grund bin ich fest überzeugt, dass unsere Zeit in geistigen Dingen
* rückständig
* unaufgeklärt
* Diaspora in geistigen Dingen ist.

Und die anderen, "zurückgebliebenen" Kulturen unserer Welt erstaunen erst, ärgern sich dann, werden dann wütend und greifen dann an - ob auf heißem Weg (Krieg) oder auf kaltem Weg (Demographie, Wirtschaft, Kultur).

SilverBullet
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#1064 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von SilverBullet » Sa 5. Aug 2017, 22:22

closs hat geschrieben:An Rembremerding:
Aus diesem Grund bin ich fest überzeugt, dass unsere Zeit in geistigen Dingen
* rückständig
* unaufgeklärt
* Diaspora in geistigen Dingen ist.
Eigenartig, ich finde die aktuelle Zeit maximal spannend.
Zum ersten Mal hat „der Mensch“ die Chance sich selbst konzeptuell zu verstehen.
Aus meiner Sicht wird der als fehlerhaft aufgedeckte Umfang an Voraussetzungen und damit auch die Schlussfolgerungen gigantisch sein.
Lächelnd stelle ich mir vor, wie zukünftige Generationen auf die hinter uns liegende Zeit zurückschauen und dies als „die Zeit der totalen Verwirrung“ betrachten werden.
Sie werden sagen…
„…diese Leute konnten sich die Lösung einfach nicht vorstellen und sie wollten es auch nicht“
„…sie haben sich lieber mit Luftschlössern beschäftigt, als einen Lebensentwurf auf dem aufzubauen, was sie sind“
„…an der Vergangenheit kann man ablesen, welch dummes Verhalten aus Unwissenheit entsteht.“
„…erstaunlicherweise war die Unwissenheit immer offen greifbar, wurde aber absichtlich in einem „Unsichtbar/Unerreichbar/Unverstehbar-Konzept“ vertuscht und das Ziehen von Konsequenzen verhindert.“
„…welch dunkle Zeit“

closs hat geschrieben:Und die anderen, "zurückgebliebenen" Kulturen unserer Welt erstaunen erst, ärgern sich dann, werden dann wütend und greifen dann an - ob auf heißem Weg (Krieg) oder auf kaltem Weg (Demographie, Wirtschaft, Kultur).
Den "zurückgebliebenen" Kulturen wird es sehr peinlich sein, wie sehr zurückgeblieben sie tatsächlich sind.

Ich sehe die Zukunft positiv…

closs
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#1065 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von closs » Sa 5. Aug 2017, 22:30

SilverBullet hat geschrieben:Lächelnd stelle ich mir vor, wie zukünftige Generationen auf die hinter uns liegende Zeit zurückschauen und dies als „die Zeit der totalen Verwirrung“ betrachten werden.
Sie werden sagen…
„…diese Leute konnten sich die Lösung einfach nicht vorstellen und sie wollten es auch nicht“
„…sie haben sich lieber mit Luftschlössern beschäftigt, als einen Lebensentwurf auf dem aufzubauen, was sie sind“
„…an der Vergangenheit kann man ablesen, welch dummes Verhalten aus Unwissenheit entsteht.“
„…erstaunlicherweise war die Unwissenheit immer offen greifbar, wurde aber absichtlich in einem „Unsichtbar/Unerreichbar/Unverstehbar-Konzept“ vertuscht und das Ziehen von Konsequenzen verhindert.“
„…welch dunkle Zeit“
Du siehst zu schwarz - ich erwarte eher, dass die ausgefeilten methodischen Errungenschaften bleiben, aber de-anthropozentriert verwendet werden (also Prämissen selbst-kritisch hinterfragt werden).

SilverBullet hat geschrieben:Ich sehe die Zukunft positiv…
Aus dieser Erwartung heraus bin ich ebenfalls optimistisch.

SilverBullet
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#1066 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von SilverBullet » Sa 5. Aug 2017, 22:41

closs hat geschrieben:Du siehst zu schwarz - ich erwarte eher, dass die ausgefeilten methodischen Errungenschaften bleiben, aber de-anthropozentriert verwendet werden (also Prämissen selbst-kritisch hinterfragt werden).
Nun, „Philosophie/Religion“ werden wie immer viel Energie in Täuschungsmanöver investieren, aber nach und nach wird ihr Unsinn entsorgt werden und die Peinlichkeit „dort Aktiv zu sein“, wird steigen, bis keiner mehr freiwillig mitmachen möchte.
Danach werden „die zukünftigen Generationen“ zurückschauen und den Kopf schütteln.

Ich versteh nicht, wie du darin ein „Schwarz-Sehen“ entdecken können möchtest.

Der Weg zu mehr Korrektheit im Selbstverständnis ist ein guter Weg.

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#1067 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von Catholic » Sa 5. Aug 2017, 23:10

SilverBullet hat geschrieben: Nun, „Philosophie/Religion“ werden wie immer viel Energie in Täuschungsmanöver investieren, aber nach und nach wird ihr Unsinn entsorgt werden und die Peinlichkeit „dort Aktiv zu sein“, wird steigen, bis keiner mehr freiwillig mitmachen möchte.
...

Also werden die Menschen irgendwann so aufgeklärt sein werden,dass keiner mehr den,um Deine Worte zu nehmen,Unsinn des christlichen Glaubens mehr ernstnehmen und der christliche Glaube als,so Deine Worte, "Unsinn entsorgt" werden wird?

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#1068 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von Catholic » Sa 5. Aug 2017, 23:15

Rembremerding hat geschrieben: Werden wir in 50 Jahren die Werke eines Platon, Boethius oder Albertus Magnus noch verstehen können, wenn man verlernt hat in (fremden) Bildern, Gleichnissen zu denken ...

Ich fürchte dass es darauf hinauslaufen wird.
Heutzutage wird,wie ich vorhin feststellte sogar im öffentlich-rechtlichen Fernsehen,damit argumentiert der mittelalterliche Mensch in Europa wäre von der Kirche und ihrer Höllenpredigt permanent in Angst versetzt worden während der Renaissance-Mensch diese Denkweise überwunden und sich von der Indoktrination der Kirche entfernt,sozusagen "freigeschwommen" hätte und endlich seinen eigenen Verstand benutzt hätte.

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#1069 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von sven23 » So 6. Aug 2017, 07:12

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Mach dich doch mal von der Wahnvorstellung frei, dass der jüdische Apokalyptiker unbedingt göttlich gewesen sein muss
Nicht "muss", sondern "kann" - "müssen" tut gar nichts, weder sorum noch andersrum.
Und warum kannst du dann nicht ergebnisoffen an die Texte rangehen und auf die Forderung, man müsse unbedingt setzen, dass Jesus göttlich sei, verzichten? Die Forschung macht diesen Unsinn doch auch nicht.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wenn es um den historischen Jesus geht, hat die historische Forschung die besseren Karten.
Nicht, wenn es um das Denken Jesu geht. - Da kann auch die HKM etwas dazu sagen, aber das, was sie sagt, ist nicht der Maßstab.
Was er gedacht hat, kann niemand wissen, nicht mal der Papst. Wir können nur versuchen, seine Glaubenswelt über die Textquellen zu rekonstruieren.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Ansonsten würde ein Theißen die kanonische Exegese anwenden
Das würde er NICHT, weil er HKM-ler ist, und als solcher interessante methodische Ergebnisse zu liefern hat.
Natürlich tut er das nicht, weil die kanonische Exegese mit ihren zirkelreferenten Gaubenbekenntnissen wissenschaftlichen Ansprüchen nicht genügt.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wie du inzwischen wissen solltest, können religiöse Texte keine Sonderbehandlung beanspruchen.
Diese Annahme ist uralt - ich kritisiere nicht, dass die HKM sich so definiert. - Aber ich kritisiere, dass sie damit Exklusivrechte zur Beantwortung von Fragen zu Jesu geistiger Historizität verbindet. - Das wäre ja noch schöner ...
Weil du der irrigen Annahme aufsitzt, dass nur das nachbeten der Glaubenspropagandaschriften der Historie gerechter wird als die historische Forschung selber. Das ist ein fataler Irrtum, der sich durch nichts rechtfertigen läßt.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:In der historischen Forschung ist die historisch-kritische Methode der Benchmarker.
In vielen Belangen ja, aber nicht in der Frage nach der geistigen Realität Jesu. - Da hat die HKM Antworten, die richtig sein können, aber aufgrund oben-diskutierter Einschränkungen auch total falsch sein können - diesbezüglich gibt es Konkurrenz.
Glaubenskonkurrenz ja, aber keine ernst zu nehmende auf der wissenschaftlichen Ebene.
Lies doch mal Theißens Buch, der historische Jesus..., dann hast du den geistigen Jesus vor dir, allerdings befreit von legendenhaften Übermalungen. Möglicherweise gefällt dir dieser "nackte" Jesus nicht, aber das ist nicht das Problem der historischen Forschung.
Zuletzt geändert von sven23 am So 6. Aug 2017, 09:28, insgesamt 1-mal geändert.
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sven23
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#1070 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von sven23 » So 6. Aug 2017, 07:48

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Natürlich ist Evidenz an Vernunft gebunden, - das bestreite ich nicht. Ich bestreite aber, dass man Evidenz nur dann erkennen kann, wenn man weiß, was Vernunft ist oder sie zu definieren vermag.
Deine zitierten Fälle hatten wir bereits abgehakt - auch die kanonische Exegese weiß das. - Das ist eine Ablenkung, denn wir reden von "Evidenz" etwa in Bezug auf "Göttlichkeit Jesu"/"Leibliche Auferstehung"/etc. (und nicht von 2+2=4) - ich interpretiere Dich so, dass nach Deiner Definition von "Vernunft" und "Evidenz" "Göttlichkeit Jesu" und "Leibliche Auferstehung" "nicht-vernünftig" und somit "nicht-evident" sind.
Guter closs, überleg doch mal selber ein bißchen.
Wenn die Auferstehung so ein zentraler Punkt des Christentums ist, warum hat dann der Schreiber des Markusevangeliums nichts davon gewußt?
Hielt er es nicht für berichtenswert, weil Auferstehung ja so normal ist wie händewaschen? Wohl eher unwahrscheinlich.
Hat er es einfach vergessen? Wohl auch unwahrscheinlich.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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