Deer Zionismus ist eine politische Bewegung, aus der schließlich der Staat Israel hervorging. Was hat das mit dem Urpsrung des Leids zu tun?
Diese Bewegung gab es zwar schon vor der Shoa, aber sie wurde erst durch die Shoa wirkmächtig. Die "Opfer" wurden zu Gestaltern dieser Bewegung, die aber heute, wenn man die Situation des nahen Ostens betrachtet, selbst nicht nur Opfer, sondern auch teilweise zu neuen Tätern geworden sind. Der Schmerz der ihnen zugefügt wurde, diesen Schmerz geben sie weiter. D.h. es gibt keine Trennung zwischen Opfern und Tätern. Wir alle werden ernten, was wir säen - das ist das Prinzip des Karma. Wenn wir Gewalt säen, werden wir Gewalt ernten. Das geschieht heute global überall. Wir können also nicht einfach auf „die Anderen“ deuten, das reicht nicht. „Wer ohne Schuld ist werfe den ersten Stein“ - das ist es. Die Nazis hatten ein sehr aggressives Weltbild mit einem extremen Freund-Feindschema. Die Folge waren die Bücherverbrennung, rassistische und politische Verfolgung nach innen und außen, ein grauenvoller Krieg eine baldige Trümmerlandschaft, sowie ein bis heute andauerndes Problem mit der eigenen Identität, obwohl diese Zeit uns eigentlich nur noch vom Hörensagen bekannt ist. Daran sieht man sehr gut: alles ist verbunden.
Die Frage ist warum Gott mit verschränkten Armen auf das Leid seiner Schöpfung herablickt und nicht einschreitet.
Das ist offenbar ein verkehrtes Gottesbild. Gott ist in diesem Sinne keine Person, die personal eingreifen könnte oder daneben sitzt. Wo würde er da sitzen? Er ist viel mehr das absolute, eine, allumfassende Sein, das sich in allem ausdrückt. Deshalb gibt es – in meiner Perspektive – keine Trennung. Nicht zwischen Mensch und Gott und auch nicht zwischen „Tätern“ und „Opfern“, „guten“ und „bösen“ Menschen. Alles ist verwoben, erlebt sich zusammenhängend und ist auch ein gemeinsamer Lernprozess. Die Christen sprechen von der Heilsgeschichte. Es ist ironisch, aber Michael Schmidt Salomon hat völlig Recht, wenn er sagt, dass das Böse unfreiwillig reproduziert und vom „Guten“ erschaffen wird, solange die Menschen sich von der Vorstellung leiten und leiden lassen, dass es irgendeinen Kampf von einseitig guten und bösen Mächten in der Welt geben könnte. Den gibt es nur in unsren Gedanken, in uns selbst. Die Nazis sind nicht die Inkarnation des Bösen gewesen und die Juden nicht bloße „Opfer“. Das Opfer leidet gewiss - aber was oft vergessen wird: der Täter leidet ebenso, sonst würde er nicht leidvoll handeln.
Mt 10,28 Habt keine Angst vor denen, die euch umbringen wollen. Sie können nur euren Körper töten; eure Seele ist für sie unerreichbar. Fürchtet allein Gott, der Leib und Seele in der Hölle vernichten kann. Was aber ist die Hölle? Für mich der Glaube, getrennt sein zu können. Wer ohne Liebe lebt, der ist eigentlich ein wandelnder Toter. Das ist der schlimmste Richtspruch von allen, denn ein solcher Mensch hatte ein leidvolles und kein liebevolles oder wahrhaft glückerfülltes Leben. Glücklich ist aber jemand, der angesichts des Leidens seine Menschlichkeit und Liebe bewahrt, wie Sophie Scholl und Dietrich Bonhoeffer bewiesen haben.
Wenn ein „Täter“ jemanden zum „Opfer“ macht und tötet, dann tötet er das Lebendige in sich selbst. Wenn ich als Betrachter das wahrnehme, dann spüre ich aus Mitgefühl einen Schmerz. Diesen Schmerz kann ich dann entweder zulassen, bewusst wahrnehmen oder unterdrücken, in gewisser Weise „totschweigen“. Wenn ich ihn zulasse, dann ist es so, als würde ich den Schmerz von Täter und Opfer in mir spüren, in mich aufnehmen, umwandeln in etwas Lebendiges, Lebensbejahendes. Dann kann ich auch vergeben und soetwas wie Liebe säen. Wir haben also die Alternative ob wir Auschwitz dadurch Macht geben, dass wir uns an diese Getrenntheit erinnern und sie stärken. Oder die Liebe zu stärken, in dem wir die tiefen, pathologischen Zusammenhänge erkennen und das Leiden darin auflösen und dadurch reifen.