So nah und doch so fern?

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sven23
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#51 Re: So nah und doch so fern?

Beitrag von sven23 » Sa 10. Aug 2013, 11:18

closs hat geschrieben:Wenn man es so interpretiert, wie ich es verstehe, ist es keine Falschaussage. - Ich halte es schlicht und ergreifend für einen Blödsinn, dass Jesus so etwas gesagt haben könnte, was auf eine Erlösung des Daseins an sich innerhalb kurzer Zeit hinausliefe. - Passt inhaltlich nicht.


Das ist ja die Crux an der Bibel. Jeder interpretiert so lange herum, bis es wieder in sein Weltbild paßt, weil nicht sein kann, was nicht sein darf.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

barbara
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#52 Re: So nah und doch so fern?

Beitrag von barbara » Sa 10. Aug 2013, 11:32

sven23 hat geschrieben: Das ist ja die Crux an der Bibel. Jeder interpretiert so lange herum, bis es wieder in sein Weltbild paßt, weil nicht sein kann, was nicht sein darf.

Es gibt ja durchaus Regeln fürs Interpretieren.

Eine Regel ist zum Beispiel: was mehrfach gesagt wird, bei mehreren Autoren, hat mehr Gewicht als etwas, was genau einmal gesagt wird und dann nie wieder.

und auch: was als allgemeine Regel für alle deklariert wird (zB 10 Gebote, Liebesgebot) hat mehr Gewicht als etwas, das eine konkrete Lösung in einem konkreten Einzelfall ist (zB vieles aus den Paulusbriefen, der auf konkrete Situationen in der Gemeinde eingeht; oder Dinge aus den mosaischen Gesetzen, die klar auf nomadische Viehzüchter zugeschnitten sind und nicht auf Städter mit Internet des 21. Jhdt.s.)

und es schadet sicher auch nie, einen Blick in den Urtext zu werfen. Auch wenn man nicht fliessend altgriechisch und hebräisch kann, kann man doch oft interessante Dinge feststellen, zB wie unterschiedliche Vorstellungen und Wörter, die erst mal gar nichts damit zu tun haben, alle zusammengeflossen sind, um jenes Mem zu fabrizieren, das volkstümlich "Teufel" genannt wird.

grüsse, barbara

closs
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#53 Re: So nah und doch so fern?

Beitrag von closs » Sa 10. Aug 2013, 11:58

barbara hat geschrieben: kann man doch oft interessante Dinge feststellen, zB wie unterschiedliche Vorstellungen und Wörter, die erst mal gar nichts damit zu tun haben
Richtig. - Da hat gerade jemand woanders ein Beispiel gebracht, das ich gerne hier wiederhole:

Wenn jemand sagt: "Mein Auto ist im Eimer", weiß heute jeder, was damit gemeint ist. - Wenn in 500 Jahren das jemand "bibeltreu" und "wortgetreu" interpretiert, wird er sagen: "Mann - hatten die damals große Eimer".

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sven23
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#54 Re: So nah und doch so fern?

Beitrag von sven23 » Sa 10. Aug 2013, 12:21

closs hat geschrieben:Mann - hatten die damals große Eimer".

Die hätten wohl eher gefragt: was ist ein Auto? :lol:
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sven23
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#55 Re: So nah und doch so fern?

Beitrag von sven23 » Sa 10. Aug 2013, 12:26

barbara hat geschrieben:
und auch: was als allgemeine Regel für alle deklariert wird (zB 10 Gebote, Liebesgebot) hat mehr Gewicht als etwas, das eine konkrete Lösung in einem konkreten Einzelfall ist (zB vieles aus den Paulusbriefen, der auf konkrete Situationen in der Gemeinde eingeht; oder Dinge aus den mosaischen Gesetzen, die klar auf nomadische Viehzüchter zugeschnitten sind und nicht auf Städter mit Internet des 21. Jhdt.s.)


Wenn man will, kann man auch die 10 Gebote zerreden.
Ich behaupte mal, die Gebote galten nur für die nomadieserenden Ziegenhirten, von der Internetgesellschaft steht da nichts.
Außerdem heißt es: du sollst....... Die Gebote haben also nur Empfehlungscharakter. Du sollst dich so und so verhalten (wenn es dir möglich ist, muß aber nicht)
Und zudem steht da "Du", also bin ich gar nicht gemeint. :lol:
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Naqual
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#56 Re: So nah und doch so fern?

Beitrag von Naqual » Sa 10. Aug 2013, 13:42

barbara hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Das ist ja die Crux an der Bibel. Jeder interpretiert so lange herum, bis es wieder in sein Weltbild paßt, weil nicht sein kann, was nicht sein darf.
Es gibt ja durchaus Regeln fürs Interpretieren.

Das Problem: es gibt keine Interpretationsregeln, die alle Christen akzeptieren würden.

Beispiel: manche (besonders in den Kreisen der sog. "Bibeltreuen") interpretieren möglichst wörtlich, außer es tauchen Probleme auf, z.B. dass etwas keinen Sinn ergibt. Solange wie halbswegs etwas dabei herauskommt, das offensichtlich nicht unsinnig ist, meinen die dann, den eigentlichen Sinn richtig erfasst zu haben.
Konkret sehen wir dies auch in diesem Thread. Vom Wortlaut her ist es eindeutig (Nahzeiterwartung von Jesus und Paulus). Aber selbst Bibeltreue weichen nun vom Wortlaut ab und müssen auf einmal das Interpretieren anfangen, das sie sonst gar nicht für erforderlich halten. Zum Zeitpunkt der Abfassung der Schriften hätten sie es aber wörtlich verstanden, da der Widerspruch zur Realität als Maßstab dafür vom Wortlaut abzuweichen noch gar nicht gegeben war (die Welt hätte damals ja noch zu Lebzeiten untergehen können).

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Naqual
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#57 Re: So nah und doch so fern?

Beitrag von Naqual » Sa 10. Aug 2013, 13:53

sven23 hat geschrieben: Wenn man will, kann man auch die 10 Gebote zerreden.
.....
Und zudem steht da "Du", also bin ich gar nicht gemeint. :lol:

Korrekt, Du bist mit den zehn Geboten wirklich nicht gemeint. Es gehört zum Bund an Israel, nicht an Nichtjuden.
Christen verteidigen es natürlich. ...Vielleicht wegen dem freien Sonntag? :devil:

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sven23
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#58 Re: So nah und doch so fern?

Beitrag von sven23 » Sa 10. Aug 2013, 14:04

Naqual hat geschrieben: Korrekt, Du bist mit den zehn Geboten wirklich nicht gemeint. Es gehört zum Bund an Israel, nicht an Nichtjuden.
Christen verteidigen es natürlich. ...Vielleicht wegen dem freien Sonntag? :devil:

Du bist ein gutes Beispiel dafür, daß ein Gläubiger sich durchaus seinen kritischen und analytischen Verstand bewahren kann. :thumbup:
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Münek
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#59 Re: So nah und doch so fern?

Beitrag von Münek » Sa 10. Aug 2013, 22:13

sven23 hat geschrieben:
closs hat geschrieben:Wenn man es so interpretiert, wie ich es verstehe, ist es keine Falschaussage. - Ich halte es schlicht und ergreifend für einen Blödsinn, dass Jesus so etwas gesagt haben könnte, was auf eine Erlösung des Daseins an sich innerhalb kurzer Zeit hinausliefe. - Passt inhaltlich nicht.

Das ist ja die Crux an der Bibel. Jeder interpretiert so lange herum, bis es wieder in sein Weltbild paßt, weil nicht sein kann, was nicht sein darf.

Hi Kurt, hi Sven,

was heißt denn hier "Blödsinn"? Was Jesus gesagt hat, das hat er eben gesagt! Er sprach seine Lands-
leute an - und die werden schon gewusst und verstanden haben, was und wie er es meinte. Kurt, da
war nix mit "ontologischer Differenz". ;) Die Verkündigung des nahen Gottesreiches, das Kommen der
göttlichen Königsherrschaft hier auf Erden war ja im Übrigen nichts "Jesus-Spezifisches". Er predigte
seinen Landsleuten genau das, was vor ihm bereits Johannes der Täufer am Ufer des Jordan
den Menschen aus Jerusalem und Judäa verkündete. Jesus schloss sich ihm an.

Aber bereits Jahrzehnte vor dem Auftreten des Täufers waren die Essener (eine frühjü-
dische Gruppierung, 150 v. Chr. bis 70 n. Chr.) fest davon überzeugt (und propagierten dies auch
in fiebernder echatologischer Naherwartung), durch strenge Bußübungen das "Reich Gottes"
binnen kurzem auf Erden herbeiführen zu können!!! Kommt mir bekannt vor. :)

Da passt es voll ins Bild, dass die "Qumran-Gemeinschaft" - eine am Süd-Westufer des Toten Meeres
angesiedelte, ähnlich denkende und glaubende Gruppe wie die "Essener" - sich als die letzte Ge-
neration
(!) vor der Ankunft des Messias betrachtete!!! Das kommt mir ebenfalls sehr bekannt vor. :)

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JAJA, DIE ZEIT WAR HALT ERFÜLLT! Damals! Vor 2000 Jahren! :lol: :lol: :lol: :smiley15: :clap:

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So enttäuschend es sein mag, die Realität orientiert sich nicht an den Wünschen des Menschen,
sondern "geht unbeeinflusst und unbeeindruckt ihre eigenen Wege". Sie ist für solche Wunschvorstellun-
gen schlichtweg taub! Wenn Phantasie und Wirklichkeit kollidieren, siegt stets die Wirklichkeit!

Fakt ist: Die Weltgeschichte fegte sowohl über die jüdischen als auch über die christlichen Sehn-
süchte, Erwartungen und Hoffnungen schnöde hinweg. Nicht eine ihrer Erwartungen hatte sich erfüllt! :(
Was bringt es den Gläubigen - so frage ich mich immer -, durch an Haaren herbeigezogene Argumente,
durch willkürliche "Uminterpretationen" eindeutiger biblischer Aussagen, durch Ignorieren entgegen-
lautender Bibeltexte, durch das Ausblenden unangenehmer Tatsachen etc. etc.zu retten, was nicht zu
retten ist
???

Ist das nicht kolossale Selbsttäuschung, nennt man das nicht gemeinhin "sich in die Tasche lügen", Selbst-
betrug??? Nach dem Motto: Es kann nicht sein, was nicht sein darf??? "Dass wir uns und unsere Alt-
vorderen so getäuscht haben sollen, das "kann und darf einfach nicht sein!" Wieso kann nicht? Wieso
darf nicht?

Mit Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit hat so eine Denk- und Vorgehensweise nichts mehr zu tun!

Machts gut

Münek
Zuletzt geändert von Münek am Sa 10. Aug 2013, 22:27, insgesamt 1-mal geändert.

closs
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#60 Re: So nah und doch so fern?

Beitrag von closs » Sa 10. Aug 2013, 22:26

Münek hat geschrieben:Was Jesus gesagt hat, das hat er eben gesagt!
Leider bin ich nicht geeignet zum Urtextlesen, um mir primär ein Bild machen zu können.

Allerdings ist mir bekannt, dass die gängige Übersetzung, Jesus habe gesagt, er komme "bald", auch übersetzt werden kann mit "schnell". - Dann hätte Jesus nicht gesagt, dass er "demnächst" kommt, sondern dass er "unerwartet" kommt - ohne Vorankündigung (egal ob in 10 Jahren oder in 10.000 Jahren). - Insofern ist diese berühmte Bibelstelle NICHT geeignet im Sinne einer eine Parusie.

Und so müsste man jetzt halt mal alle kritischen Textstellen genau angucken.

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