Selbstliebe und Selbstverwirklichung

Rund um Bibel und Glaube
Sola
Beiträge: 416
Registriert: So 23. Jun 2013, 21:58

#1 Selbstliebe und Selbstverwirklichung

Beitrag von Sola » Mo 19. Aug 2013, 09:43

abgetrennt aus: Der Sinn des Lebens

Ich könnte "meine Vorstellung" vom Sinn des Lebens auf keinen der Punkte einengen, das sind alles einzelne "Aspekte".
Punkt 3 wird ja sehr oft als unvereinbar mit dem christlichen Glauben angesehen, und stattdessen "Selbstverleugnung" und "Verzicht" betont. Hinter dieser Unvereinbarkeit steht aber eine völlig andere Vorstellung vom "wahren" Selbst, daher sieht die "Verwirklichung dessen" natürlich auch entsprechend anders aus und bedeutet letztendlich gerade den Verzicht auf die "weltliche Art der Selbstverwirklichung", um das "wahre Selbst" zu finden und zu verwirklichen.

Über "Selbstverwirklichung" habe ich ja schon einiges geschrieben und für mich steht "Selbstverwirklichung" in einem gewissen Widerspruch zu "gesteckten Zielen" - denn von diesen Zielen wird die "Selbstverwirklichung" abhängig gemacht, das "Selbst" quasi mit den Zielen "identifiziert". Also verwirklicht man eigentlich nicht wirklich das Selbst, sondern die Ziele. Und macht sich abhängig von der Realisierung dieser Ziele, dh im "Erfolgsfall fühlt man sich glücklich und empfindet sein Tun als "sinnvoll", wenn etwas schief geht - zB durch Umstände, die man nicht in der Hand hat oder durch das Einwirken von anderen Menschen - war alles "umsonst", "sinnlos". Also muss man alles daran setzen, seine Ziele zum Erfolg zu bringen, dh möglicherweise gegen die Interessen anderer durchsetzen und die "Umstände" so gut wie möglich unter Kontrolle halten....
Wenn man dann ein Ziel wirklich erreicht hat, ist man erst einmal glücklich und zufrieden, das wird aber sehr schnell "schal" und nutzt sich ab, ist nur eine flüchtige Erfüllung. Und man braucht ein neues Ziel, das "Sinn" gibt...und auf Dauer kommt einem (zumindest mir) das eher vor wie ein "Haschen nach dem Wind", irgendwie bleiben die Hände immer leer dabei. Das, was man erreicht hat, ist gleich auch schon wieder Vergangenheit, kann als "Erinnerung" wieder aufgewärmt werden, ist aber nicht mehr verfügbar.

Eine andere Art der Selbstverwirklichung, die für mich schon näher an den "Sinn" kommt, ist die eines Künstlers. Indem nicht ein bestimmtes Ziel über "Sinn" oder Sinnlosigkeit und über Glück und Zufriedenheit entscheiden. Sondern der Künstler verwirklicht eine "Idee", die in ihm ist, gibt ihr eine konkrete, "äusserliche" Form, gestaltet ihm zur Verfügung stehendes Material so um, dass die Idee darin Gestalt annimmt.
Daher ist ein Künstler viel unabhängiger von "Äusserlichkeiten", es kommt nur darauf an, dass er sein "Genie" umsetzen kann, also auf sein Können, die Beherrschung seiner Kunst, auf ihn selber.

Für mich als Christ sehe ich die "Selbstverwirklichung" ähnlich wie bei einem Künstler unabhängig von den konkreten äusseren Umständen - die sind eher "Material" in denen ich mein "Selbst" verwirkliche - mein "Selbst", das ich aber nicht als "künstlerisches Genie" sehe, sondern als das, was Gott als Schöpfer und "Künstler" in mir angelegt hat. Indem ich mich auf ihn einlasse und den Sinn meines Lebens in ihm suche, entdecke ich überhaupt erst mein wahres Selbst und verwirkliche es unabhängig von äusseren Umständen und sogar unabhängig von meiner eigenen "künstlerischen Perfektion", weil es Gott als Schöpfer des Kunstwerks ist, der es wirkt und die Perfektion zustande bringt, so wie er es in seinem Schöpfungspan angelegt hat. Das erfüllt mein Leben mit einem "Sinn", der nicht verloren gehen kann, weil er nur von Gott abhängig ist und lässt mich "Erfüllung", Glück und Zufriedenheit in allem erfahren, was ich in diesem Dialog erlebe.

Die "Vollendung des Kunstwerks" findet erst in der Ewigkeit statt, daher ist natürlich das irdische Leben eine Vorbereitung darauf.
Punkt 2 ist davon auch betroffen, denn die christliche Selbstverwirklichung äussert sich in Nächstenliebe, die dem nächsten natürlich nicht das beste vorenthält, das in diesem Leben erreicht werden kann.
Punkt 3 hab ich ja schon ausführlich beschrieben.
Natürlich setze ich mir auch Ziele und arbeite darauf hin. Aber ich suche nicht darin meine Selbstverwirklichung, ordne nicht ihnen alles unter und mache meine Zufriedenheit und mein Glück davon abhängig, in welchem Masse ich das realisieren kann, sondern erlebe immer deutlicher, wie Paulus so schön sagt, dass "mir alle Dinge zum Besten dienen."

Langes Geschwafel, kurzer Sinn, bei mir passt nichts so richtig, ich brate eine Extrawurst. :roll: :mrgreen:
Liebe Grüsse
Sola

Abischai
Beiträge: 3190
Registriert: Sa 27. Apr 2013, 14:25

#2 Re: Der Sinn des Lebens?

Beitrag von Abischai » Mo 19. Aug 2013, 17:20

Magdalena61 hat geschrieben:...wenn man von Jesus...von seiner Person, seiner Ausstrahlung... fasziniert ist...
... dann ist das - so wie es gemeint ist, ausgezeichnet. Nur das Wort "Faszination" heißt eben "Verzauberung", und niemand ist wirklich von Jesus verzaubert. Es ist schlicht ein schlampig falsch verwendetes Wort, mehr nicht. Aber bei Pluto kann das mit der Faszination schon echter Bann sein. Man kann das nicht mit der Begeisterung für Jesus vergleichen.

@Sola

Selbstverwirklichung ist in jedem Falle negativ.
Ein Christ, der sich selbst verwirklicht, ist kein Christ. Wenn, dann verwirklicht er Jesus, den Herrn, niemanden sonst.

Verglichen mit der Ehe ist der Mensch gegenüber Christus wie die Frau gegenüber dem Mann. Und wenn sich eine Frau selbst verwirklicht, ist das der Tod der Ehe.

Es ist die Einheit von Mensch und Mensch verlorengegangen, diese wiederherzustellen ist Sinn der Ehe. Da gibt es nur eine "Selbstverwirklichung", nämlich die des Menschen zurück zu seiner Abhängigkeit zu Gott, wieder zum Bild Gottes zu werden, wie es einst war. Und die Frau "verwirklicht" den Mann, der seinerseits Christus "verwirklicht", das ist der Pfad. Alle wollen es besser wissen und anders machen, aber nirgends klappt es, dennoch wollen alle mit dem Kopf durch die Wand.

Fazit: Meiner Überzeugung nach ist Selbstverwirklichung Götzendienst und damit nicht der Sinn des Lebens, das hat die Erste aller Frauen bereits erfolgreich geschafft. Aber wenn man DIE heute fragen würde, ich glaube sie würde es heute anders machen wollen.
Meine Hilfe kommt von Jahweh, der Himmel und Erde gemacht hat. [Ps 121;2]

Sola
Beiträge: 416
Registriert: So 23. Jun 2013, 21:58

#3 Re: Der Sinn des Lebens?

Beitrag von Sola » Mo 19. Aug 2013, 17:38

Abischai hat geschrieben: Da gibt es nur eine "Selbstverwirklichung", nämlich die des Menschen zurück zu seiner Abhängigkeit zu Gott, wieder zum Bild Gottes zu werden, wie es einst war.
Genau um diese Selbstverwirklichung ging es mir - alles andere ist eine Illusion, eine "Verwirklichung dessen, was man zum Ziel seines Lebens gemacht und von dem man sein Glück abhängig gemacht hat.
Vielleicht habe ich mich ja unklar ausgedrückt, aber so war es gemeint.
Liebe Grüsse
Sola

Benutzeravatar
Magdalena61
Beiträge: 15073
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 20:44

#4 Re: Selbstliebe und Selbstverwirklichung

Beitrag von Magdalena61 » Di 20. Aug 2013, 02:46

Sola hat geschrieben:...und für mich steht "Selbstverwirklichung" in einem gewissen Widerspruch zu "gesteckten Zielen" - denn von diesen Zielen wird die "Selbstverwirklichung" abhängig gemacht, das "Selbst" quasi mit den Zielen "identifiziert". Also verwirklicht man eigentlich nicht wirklich das Selbst, sondern die Ziele.
Was ist falsch daran? Kann man das "Selbst" mit seinen Bedürfnissen und Wünschen... und die "Ziele" wirklich so genau auseinander halten; voneinander trennen?...ist es möglich die eigene Motivation "sauber" zu sortieren?
Sola hat geschrieben: Und macht sich abhängig von der Realisierung dieser Ziele, dh im "Erfolgsfall fühlt man sich glücklich und empfindet sein Tun als "sinnvoll", wenn etwas schief geht - zB durch Umstände, die man nicht in der Hand hat oder durch das Einwirken von anderen Menschen - war alles "umsonst", "sinnlos".
"Alles umsonst" vielleicht nicht, aber eine gewisse Portion Frust über Fehl- und Rückschläge ist legal, meine ich.
Die "Disteln und Dornen" in 1. Mose 3,18 stehen u.a. für "vergebliche Arbeit".
Sola hat geschrieben: Also muss man alles daran setzen, seine Ziele zum Erfolg zu bringen, dh möglicherweise gegen die Interessen anderer durchsetzen und die "Umstände" so gut wie möglich unter Kontrolle halten....
Wenn man sich ein Projekt vorgenommen hat, dann muß man schon zielgerichtet agieren. Ein rücksichtsloses Verhalten und krumme Touren sind für Christen natürlich nicht drin.
Sola hat geschrieben:...der Künstler verwirklicht eine "Idee", die in ihm ist, gibt ihr eine konkrete, "äusserliche" Form, gestaltet ihm zur Verfügung stehendes Material so um, dass die Idee darin Gestalt annimmt.
Daher ist ein Künstler viel unabhängiger von "Äusserlichkeiten", es kommt nur darauf an, dass er sein "Genie" umsetzen kann, also auf sein Können, die Beherrschung seiner Kunst, auf ihn selber.
Einen wahren Künstler kennzeichnet seine demütige Haltung. Er legt einen hohen Maßstab an und ist mit seiner Arbeit nie wirklich zufrieden.
Ein Künstler, der etwas von seinem Metier versteht, hat in sich ein Ideal und strebt nach "Vollkommenheit". Er gibt ALLES. Aber auch, wenn das Publikum es mangels ausreichender Kompetenz nicht bemerken sollte, ist er sich stets dessen bewußt, wie mangelhaft sein Werk ist und wie unzureichend sein Können.
Sola hat geschrieben:...die christliche Selbstverwirklichung äussert sich in Nächstenliebe, die dem nächsten natürlich nicht das beste vorenthält, das in diesem Leben erreicht werden kann.
Das ist ein hoher Anspruch. Theoretisch erhält er Beifall... aber praktisch muß doch jeder erst einmal für sich selbst sorgen, sich selbst annehmen und wertschätzen, wenn er anderen dienen will--- damit er fest auf seinen beiden Füßen steht und möglichst unabhängig wird vom Urteil seiner Umwelt.

Vorurteile bzw. eine oberflächliche Interpretation setzen "Selbstverwirklichung" mit "vorsätzlichem Egoismus" gleich. Viele Christen sehen „Selbstverwirklichung“ als Synonym für "Rebellion", "Abtrünnigkeit" und "Gottlosigkeit". Dieses Urteil verkennt jedoch die eigentliche Bedeutung des Begriffes.

Weil "Selbst---..." in christlichen Gemeinschaften meist geächtet wird, halten die Schafe Jesu also einen Riesenabstand zu allem, das mit "Selbst---..." anfängt und reden sich selbst und anderen ein, mit "Selbst---..." nichts am Hut zu haben. Doch wenn man genau hinschaut, dann ist da jede Menge "Selbst---..." und das, da es "offiziell" nicht "erlaubt" ist, meist unreflektiert, unkontrolliert.
Man verschließt die Augen vor dieser Tatsache, findet tausend Ausflüchte und Begründungen für den versteckten, da geschminkten Egoismus, und das ist m.E. nicht in Ordnung.

"Getünchte Gräber" nannte Jesus die Schriftgelehrten und Pharisäer. Man muß aufpassen, dass man nicht unversehens in das gleiche Fahrwasser rutscht; es vielleicht noch nicht einmal bemerkt, und genau das tut- unter einer anderen Überschrift- was man an anderen verurteilt.
LG
God bless you all for what you all have done for me.

Pluto
Administrator
Beiträge: 43975
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:56
Wohnort: Deutschland

#5 Re: Der Sinn des Lebens?

Beitrag von Pluto » Di 20. Aug 2013, 03:23

Abischai hat geschrieben:Aber bei Pluto kann das mit der Faszination schon echter Bann sein. Man kann das nicht mit der Begeisterung für Jesus vergleichen.
Bei allem Respekt, Abischai, aber ich glaube kaum dass du qualifiziert bist, um dir über meine Gefühle ein Urteil zu erlauben. :P

Und wenn sich eine Frau selbst verwirklicht, ist das der Tod der Ehe.
Ich protestiere!
Es ist männliche Eitelkeit (Chauvinismus, Egoismus), wenn ein Mann seiner Frau nicht gestattet sich selbst zu verwirklichen. Es ist sogar ausgesprochen gut, wenn der Mann sieht wie (s)eine Frau sich mit Begeisterung einer Aufgabe widmet die ihr zusagt.
Die Anerkennung die er der Frau entgegenbringt, kann sich sogar sehr positiv auf eine Beziehung auswirken.

Es ist die Einheit von Mensch und Mensch verlorengegangen, diese wiederherzustellen ist Sinn der Ehe. Da gibt es nur eine "Selbstverwirklichung", nämlich die des Menschen zurück zu seiner Abhängigkeit zu Gott, wieder zum Bild Gottes zu werden, wie es einst war. Und die Frau "verwirklicht" den Mann, der seinerseits Christus "verwirklicht", das ist der Pfad.
Sorry, aber das ist mir echt zu hoch!
Man(n) kann froh sein, wenn seine Frau initiativ und selbstständig ist. Es besteht sonst die Gefahr, dass sie verkümmert, und daran die Ehe tatsächlich zu Grunde geht.

Meiner Überzeugung nach ist Selbstverwirklichung Götzendienst...
:shock:
Diese Ansicht kann ich beim besten Willen nicht nachvollziehen.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#6 Re: Selbstliebe und Selbstverwirklichung

Beitrag von closs » Di 20. Aug 2013, 06:49

Pluto hat geschrieben:Diese Ansicht kann ich beim besten Willen nicht nachvollziehen.
"Jeder hat ja so recht", hat mal Kurt Tucholsky gemeint.

Ich verstehe Euch beide - Ihr habt beide recht, benutzt aber identische Begriffe aufgrund unterschiedlicher geistiger Ausrichtung vollkommen unterschiedlich.

Abischai ist ganz bestimmt nicht der Typ, der zuhause Stöckchen wirft, damit seine Frau ihm diese zwischen dem Maul auf allen Vieren hechelnd zurückbringt. - Es geht hier vielmehr (auf mein Denksystem übertragen) wieder einmal um den Unterschied zwischen "Con-scientia" und "Selbst-Bewusstsein".

"Con-scientia" (= Mit-Wissen) beschreibt das menschliche Bedürfnis, an der (göttlichen) Schöpfung teil-zu-haben (mit-zu-wissen) - im Wissen, dass man immer nur einen winzigen Teil erfasst - all das läuft unter dem "Ad maiorem Gloriam Dei".

"Selbst-Bewusstsein" dagegen macht das Ich (und nicht Gott bzw. dessen Schöpfung) zum Zielfeld der Erkenntnis - also ein Paradigmenwechsel um 180°.

Nun könnte man einwenden, dass es noch nie so viel Naturwissenschaft gab wie heute - man also sehr wohl der "con-scientia" verbunden ist. Dem ist zu entgegnen, dass der Mensch (siehe andere Diskussion) die Natur und deren Realität per Realitäts-Definition unter menschlichen Vorbehalt stellt - also das Anthropozentrische über das "Ad maiorem Gloriam Dei" stellt. Das erkennt aber unsere egozentrische Zeit nicht, weil sie nur erkennt, dass sie wissenschaftlich objektiv arbeitet, nicht aber, dass diese Objektivität ein "Kollateralschaden" (joke) der Subjektivierung der Welt ist. - Einfacher gesagt: Objektivität ist nur möglich, wenn man den Realitätsbegriff anthropozentrisch verengt.

Kurve zurück: Aus dieser Anthropozentrik heraus definiert sich Selbstverwirklichung ganz anders als über Theozentrik.

Pluto hat geschrieben:Man(n) kann froh sein, wenn seine Frau initiativ und selbstständig ist. Es besteht sonst die Gefahr, dass sie verkümmert, und daran die Ehe tatsächlich zu Grunde geht.
Vollkommen richtig - und: Ihr sprecht hier über zwei vollkommen unterschiedliche Sachen.

Pluto hat geschrieben: Abischai: "Meiner Überzeugung nach ist Selbstverwirklichung Götzendienst..."

Diese Ansicht kann ich beim besten Willen nicht nachvollziehen..
Ich schon - ich stimme sogar Abischai zu - allerdings unter dem Vorbehalt, dass er aufgrund seines christlichen Kulturkreises etwas ganz anderes damit meint als Du in Deinem aufgeklärt-säkularen Kulturkreis. - Wir sind mitten in der Sprachkrise - wichtige Begriffe sind komplett unterschiedlich besetzt.

Pluto
Administrator
Beiträge: 43975
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:56
Wohnort: Deutschland

#7 Re: Selbstliebe und Selbstverwirklichung

Beitrag von Pluto » Di 20. Aug 2013, 11:01

closs hat geschrieben:Ihr habt beide recht, benutzt aber identische Begriffe aufgrund unterschiedlicher geistiger Ausrichtung vollkommen unterschiedlich.
Dass du Abischai verstehst, das mag ich nicht beweifeln, aber du hast mein Verständnis der Selbstvewirklichung möglicherweise falsch verstanden.

Mir geht es um die Bestätigung der eigenen Person (das ICH), in dem man sich selbst entfaltet und seinen Interessen folgt. Das ist a priori nicht gegen Gott gerichtet. Hier sehe ich Abischais Position als konträr, weil sie davon ausgeht, dass alles was wir tun nur auf Lobpreisung gerichtet sein soll.
Diese Theozentrik kann ich nicht verstehen; sie erscheint mir im höchsten Maß untrwürfig und solipsistisch, weil sie allein auf Gott gerichtet ist, und das ICH und die Realität der Welt dabei völlig vernachlässigt. Uns hat schließlich Niemand gefragt als wir in die Welt gesetzt werden wollen, warum sollen wir nicht die Fähigkeiten nutzen die uns dabei in die Wiege gelegt wurden? (vgl. Mt. 7,16)

Abischai ist ganz bestimmt nicht der Typ, der zuhause Stöckchen wirft, damit seine Frau ihm diese zwischen dem Maul auf allen Vieren hechelnd zurückbringt.
Nein, natürlich nicht :lol:
Um Himmels willen, das wollte ich ihm keinswegs unterstellen.

"Con-scientia" (= Mit-Wissen) beschreibt das menschliche Bedürfnis, an der (göttlichen) Schöpfung teil-zu-haben (mit-zu-wissen) - im Wissen, dass man immer nur einen winzigen Teil erfasst - all das läuft unter dem "Ad maiorem Gloriam Dei".
Hä? :shock:
Für mich bedeutet "Conscientia" das Gewissen, also das Gefühl wass einen daran erinnert sich an die ethischen Vorgaben zu halten.

"Selbst-Bewusstsein" dagegen macht das Ich (und nicht Gott bzw. dessen Schöpfung) zum Zielfeld der Erkenntnis - also ein Paradigmenwechsel um 180°.
Ich finde, selbst für einen guten Christen sollte die Entfaltung der eigenen Fähigkeiten (Talente) nicht unterdrückt oder verdrängt werden. Das bedeutet nicht alles tun was man will, sondern sich selbst entfalten, immer im Rahmen der ethischen Vorgaben.
So wie es in Mt. 25, 14-30 steht.

Selbstbewusstsein hat noch eine zweite Bedeutung die so viel bedeutet wie Selbstvertrauen und Zuversicht, die es uns ermöglichen der Zukunft optimistisch, angstfrei und sorglos entgegen zu schauen.

Ich denke, mit einer solchen Einstellung, lästert man nicht gegen Gott, sondern ergänzt den Glauben um eine enorm wertvolle Dimension.
Ich frage mich, warum das alles für einen Christen nicht auch zu seinen Prioritäten zählen sollte.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

Sola
Beiträge: 416
Registriert: So 23. Jun 2013, 21:58

#8 Re: Selbstliebe und Selbstverwirklichung

Beitrag von Sola » Di 20. Aug 2013, 11:43

Ich denke, die Missverständnisse kommen in erster Linie daher, dass man allgemein das Wort "Selbstverwirklichung" gebraucht, ohne sich darüber klar zu sein, was genau man eigentlich damit meint, nur so eine "unbestimmte Vorstellung" von "ungehinderter Entfaltung in Freiheit", die ein Gefühl der Zufriedenheit mit sich bringt und keine Wünsche mehr offen lässt.

Aber keiner fragt sich, was er unter "Selbst" eigentlich genau versteht und genauso wenig unter "Verwirklichung" - denn wenn das "Selbst" erst noch verwirklicht werden muss, was war es denn dann vorher?

Und für viele Christen ist das Wort sowieso ein rotes Tuch, da es mit "Ego" gleichgesetzt wird, das "abzutöten" und zu "unterdrücken" ist.

Am ehesten gibt es noch ein klares Bild, wenn man sich gegen das "Gegenteil" von Selbstverwirklichung abgrenzt. Das ist in meinen Augen "Fremdbestimmung", dh wenn man nicht das tun kann, was der eigenen Vorstellung entspricht, wenn man sich nicht damit "identifizieren" kann, sondern gegen seine Überzeugung handelt.

Konkret deutlich wird das bspw, wenn es um "Arbeit" geht. Viele sehen das als "notwendiges Übel an, das man erledigen muss, um in der Freizeit genügend Geld zu haben, damit man sich verwirklichen kann. Und schon hat man das Leben in 2 Bereiche geteilt: einen "fremdbestimmten" und einen, in dem "Selbstverwirklichung" möglich ist, man schränkt sich eine gewisse Zeit lang ein und lebt quasi "in die Spardose", damit man das "Gesparte" später ausgeben kann. Besonders wir Deutsche sind Weltmeister im "Sparen" und kommen oft gar nicht mehr zum "Ausgeben", was uns den Ruf eingebracht, dass wir "leben, um zu arbeiten", anstatt "zu arbeiten, um zu leben".

Ein "selbstverwirklichendes" Leben ist in meinen Augen ein Leben "ohne Spardose", in dem die "Erfüllung" immer da ist und das Glück und die Zufriedenheit nicht von etwas abhängt, was ich mir später einmal leisten kann.
Liebe Grüsse
Sola

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#9 Re: Selbstliebe und Selbstverwirklichung

Beitrag von closs » Di 20. Aug 2013, 11:47

Pluto hat geschrieben:Mir geht es um die Bestätigung der eigenen Person (das ICH), in dem man sich selbst entfaltet
Das ist sehr wohl christlich.

Pluto hat geschrieben:und seinen Interessen folgt
Hier kommt es darauf an, wovon die Interessen geleitet sind.

Pluto hat geschrieben:dass alles was wir tun nur auf Lobpreisung gerichtet sein soll.
Dieses Missverständnis kann aufkommen - man findet oft die Art von "Berufs-Christen", die (aus meiner Sicht auf abergläubische Weise) Arschkriecher sind - um es grob zu sagen. - Gott will das nicht. - Und so meint es nach meinem Verständnis Abischai auch nicht. - Es hat eher etwas mit einer stillen Grundausrichtung zu tun, die einen gerne sein Tun dem Wahren widmen lässt - und dieses Wahre ist eben nicht auf moderne "Selbstverwirklichung" beschränkt, sondern bezieht den Zusammenhang von Woher, Jetzt und Wohin mit ein.

Pluto hat geschrieben:weil sie allein auf Gott gerichtet ist, und das ICH und die Realität der Welt dabei völlig vernachlässigt.
Wenn man richtig auf Gott ausrichtet, werden Ich und Dasein nicht vernachlässigt - im Gegenteil.

Pluto hat geschrieben:Für mich bedeutet "Conscientia" das Gewissen
Diese gängige Bedeutung mag man als Ableitung der Urbedeutung verstehen - das ist ok - aber eben Ableitung.

Pluto hat geschrieben:ethischen Vorgaben
"Ethische Vorgaben" sind auch Ableitung - auch der Kategorische Imperativ ist eine Ableitung. - Nun kann man damit leben, dass das heute nicht so gesehen wird, weil man Ethik anders begründet. Und wenn das praktische Ergebnis dasselbe ist, ist es ja ohnehin gut.

Pluto hat geschrieben:die so viel bedeutet wie Selbstvertrauen und Zuversicht, die es uns ermöglichen der Zukunft optimistisch, angstfrei und sorglos entgegen zu schauen.
Das wäre jetzt wieder sehr christliche gedacht - wenn man mit einbezieht, dass es nicht nur Selbst-Therapie ist, die ihre Grenzen hat, sondern auch Schicksalsschläge aushält. - Viele Menschen der modernen Zeit sind relativ schnell geistig "austherapiert", wenn irgend etwas wirklich schief läuft. - Sehr fragil, das Ganze.

Pluto hat geschrieben:Ich denke, mit einer solchen Einstellung, lästert man nicht gegen Gott, sondern ergänzt den Glauben um eine enorm wertvolle Dimension.
So ist es ja auch gemeint. - Das Problem ist die Polarisierung: Hier existenzialistische "Selbsterlöser", die sich irgendwann die Kugel geben, weil ihr Ansatz eine Sackgasse ist, wenn's eng wird - dort christliche Arschkrieger, die hämisch glauben, sich darauf freuen zu können, dass sich ihre lebensstrenge Abgewandtheit irgendwann durch exklusive Errettung lohnt. - Die Wahrheit ist dazwischen - da müssen Säkulare wie Christen gleichermaßen daran arbeiten.

Benutzeravatar
Magdalena61
Beiträge: 15073
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 20:44

#10 Re: Der Sinn des Lebens?

Beitrag von Magdalena61 » Di 20. Aug 2013, 13:38

Abischai hat geschrieben:
Magdalena61 hat geschrieben:...wenn man von Jesus...von seiner Person, seiner Ausstrahlung... fasziniert ist...
... dann ist das - so wie es gemeint ist, ausgezeichnet. Nur das Wort "Faszination" heißt eben "Verzauberung", und niemand ist wirklich von Jesus verzaubert. Es ist schlicht ein schlampig falsch verwendetes Wort, mehr nicht.
Nach Konsultation des Wikiwörterbuches muß ich dir Recht geben:
Bedeutungen:
[1] anziehende Wirkung
[2] Begeisterung, euphorisches Interesse
[3] die Tat des Faszinierens, des Verhexens oder des Verzauberns; Verzauberung; Zauberkraft; die Ausübung eines mächtigen oder unwiderstehlichen Einflusses auf die Neigungen des Gemütszustand oder der Leidenschaft; ungesehenen, unerklärlicher Einfluss
Quelle
Bisher war mir eher die Definition des Dudens geläufig:
anziehende, fesselnde Wirkung; bezaubernde Ausstrahlung, Anziehungskraft
Quelle
Jesus ist unbeschreiblich anziehend. Mt. 13,46 kann man erst dann nachvollziehen, wenn man eine Ahnung (Vision) davon bekommen hat, wer Jesus ist.

Abischai hat geschrieben:Aber bei Pluto kann das mit der Faszination schon echter Bann sein. Man kann das nicht mit der Begeisterung für Jesus vergleichen.
Wer Teilerkenntnisse und nicht ausgereifte Theorien (= Stückwerk) zur "ganzen Wahrheit" erhebt, sich darauf einschießt (fixiert) und nicht mehr offen ist, alternative Argumente zu überdenken und sein Weltbild zu korrigieren, wird unflexibel und dogmatisch. Egal, ob er Christ ist oder nicht. Er erstarrt sozusagen zu einer geistigen/geistlichen Salzsäule und ist irgendwann nicht mehr dialogfähig.
Abischai hat geschrieben:Es ist die Einheit von Mensch und Mensch verlorengegangen, diese wiederherzustellen ist Sinn der Ehe.
Hohe Ideale....
wer kann ihnen genügen?
Wenn man sich einigermaßen verträgt und wenigstens in groben Zügen miteinander harmoniert, sodass die seelische Kraft der Partner nicht durch ein unreifes, egoistisches Benehmen des jeweils anderen aufgesaugt; zerrieben, verbraucht- geschrottet- wird und einer der Partner dann ständig um's Überleben kämpft, oder beide.... dann ist das schon sehr viel in der heutigen Zeit.
Abischai hat geschrieben:Da gibt es nur eine "Selbstverwirklichung", nämlich die des Menschen zurück zu seiner Abhängigkeit zu Gott, wieder zum Bild Gottes zu werden, wie es einst war. Und die Frau "verwirklicht" den Mann, der seinerseits Christus "verwirklicht", das ist der Pfad. Alle wollen es besser wissen und anders machen, aber nirgends klappt es, dennoch wollen alle mit dem Kopf durch die Wand.
Das Problem bei diesem Vergleich ist: Im Gegensatz zu Christus sind (Ehe-) männer nicht vollkommen. Beide; sowohl der Mann als auch die Frau, sind Sünder. Sie sind nicht allwissend, sie irren auch einmal und bringen destruktive, fleischliche Einflüsse in die Ehe mit hinein.

closs hat geschrieben:Dem ist zu entgegnen, dass der Mensch (siehe andere Diskussion) die Natur und deren Realität per Realitäts-Definition unter menschlichen Vorbehalt stellt - also das Anthropozentrische über das "Ad maiorem Gloriam Dei" stellt. Das erkennt aber unsere egozentrische Zeit nicht, weil sie nur erkennt, dass sie wissenschaftlich objektiv arbeitet, nicht aber, dass diese Objektivität ein "Kollateralschaden" (joke) der Subjektivierung der Welt ist. - Einfacher gesagt: Objektivität ist nur möglich, wenn man den Realitätsbegriff anthropozentrisch verengt.
Alles klar. :mrgreen:
LG
God bless you all for what you all have done for me.

Antworten